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Full text of "Archiv Für Dermatologie Und Syphilis. V. 39.1897"

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Begründet von H. Auspitz und F. J. Pick. 


ARCHIV 

• für 

Dermatologie und Syphilis. 

Unter Mitwirkung von 


Prof. M’CALL ANDERSON, Dr. ARNING, Dr. BEHREND, Dr. BESNIER, Prof. BERGH, Prof. BOECK, 
Prof. DUHRING, Prof. v. DÜRING, Dr. EHRMANN, Dr. ELSENBERG, Prof. EPSTEIN, Dr. FABRY, 
Prof. FINGER, Dr. J. GRÜNFELD, Prof. HASLUND, Prof. v. HEBRA, Dr. C. HERXHEIMER, Dr. 
HOCHSINGER, Dr. HOROVITZ, Prof. JADASSOHN, Prof. JANOVSKY, Prof. JARISCH, Dr. JO¬ 
SEPH, Prof. KÖBNER, Dr. KOPP, Prof. LANG, Dr. LEDERMANN, Prof. LUKAS IE WICZ, Dr. 
LUSTGARTEN, Dr. du MESNIL, Prof. MRACEK, Prof. NEUMANN, Dr. OBERLÄNDER, Prof. 
PETERSEN, Prof. POSPELOW, J. K. PROKSCH, Prof. REDER, Prof. RIEHL, Dr. RÖNA, Dr. O. 
ROSENTHAL, Dr. SCHIFF, Dr. SCHÜTZ, Dr. SCHUSTER, Prof. STUKOWENKOW, Dr. SZADEK, 
Prof. TARNOWSKY, Dr. TOUTON, Dr. ULLMANN, Dr. VELEL, Dr. v. WATRASZEWSKI, Prof. 
WELANDER, Dr. WINTERNITZ, Prof. WOLFF, Dr. v. ZEISSL 


Prof. Caspary, 

Prof. Dootrelepont, 

und in Gemeinschaft mit 

Prof. Kaposi, Prof. Lesser, 

Prof. Neisser, 

Prof. Scliwimmer, 

Königsberg 

Bonn 

Wien Berlin 

Breslau 

Budapest 



herausgegeben von 




Prof. F. J. Pick in Prag. 


Neununddreissigster Band. 



Wien und Leipzig. 
Wilhelm Braumüller, 

k. u. k. Hof- und Universitätabuchbändler. 

18 97 . 


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V,- / 


K.. u. k. II -nuifh<h urkrn* i A. Han*" l’ fa ; 


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Inhalt. 


Original-Abhandlungen. 

Pag, 

Ueber multiple Dermatomyome. Von Hofratb Prof. Neumann in 

Wien. (Hierzu Taf. I—IV.). 3 

Ueber die sogenannte diphtheroide Form des venerischen Geschwürs 
auf dem Cervix uteri. Von Dr. C. Rasch, erstem Assistenten an 
der Klinik für Hautkrankheiten der Universität Kopenhagen . . 17 

Aus dem Privatlaboratorium des Herrn Docenten Dr. Ehrmann in 
Wien. Die Genese der paraurethralen Gänge, mit besonderer 
Rücksicht auf die gonorrhoische Erkrankung derselben. Von 


Dr. Peter Rona, Wien. (Hierzu Taf. V und VI.). 27 

Ueber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillus. Von Dr. 

Rudolf Krefting, Christiania. 51 

Aus der k. k. dermatol. Universitätsklinik von Prof. F. J. Pick in 
Prag. Ueber extragenitale Syphilisinfection. Von Dr. Friedrich 
Bloch, Secundärarzt der Klinik. 65 


Aus der königl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrankheiten 
des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Doutrelepont zu Bonn. Ueber 
locale Veränderungen nach intramusculärer Injection von Hydrar- 
gyrum salicylicum. Von Dr. Max Wolters, Privatdocenten für 
Dermatologie, I. Assistenzarzt der kgl. dermatol. Universitäts¬ 


klinik zu Bonn. (Hierzu Taf. VII u. VIII).163 

Aus der k. k. dermatolog. Universitätsklinik von Prof. F. J. Pick 
in Prag. Ueber eine eigenthümliche Form multipler infectiöser 
Hautgangrän. Von Dr. Ludwig Wae 1 sch, I. Assist, der Klinik. 

(Hierzu Taf. IX.).173 

Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in zwei Fällen gonorrhoischer 
Metastase. Von J. Jundell, Assistenten der medicinischen Klinik 

Serafimerlazaretet, Stockholm.195 

Lungenembolie bei Injection von Hydrargyrum salicylicum. Von 

Dr. Bernhard Schulze, Arzt für Hautkrankheiten in Kiel. . . . 209 
Aus der Münchener chirurgischen Klinik. Ueber Alopecia congenita. 

Von Privatdocent Paul Ziegler, I. Assistenzarzt. (Hierzu Taf. X, 

XI und XII.)..213 


Aus Prof. Welander’s Klinik im Krankenhause St. Göran zu Stock¬ 
holm. Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. Von 
Dr. G. Ähman. Assistenzarzt am Krankenhause St. Göran . . . 323 

317376 


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IV 


Inhalt. 


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Pag. 

Aus I)r. Max Joseph’s Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin. 


lieber Porokeratosis. Von Dr. Max Joseph. (Hierzu Taf. XIII 

und XIV).385 

Ein seltener Fall regionärer Atheromcystenbildung (Molluscum athe- 
romatosum Kaposi) an der Scrotalhaut. Von Dr. Nicolaus Ü s ter- 

mayer in Budapest. 353 

Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Thiersch’schen Transplantationsmethode. Von Dr. 

J. Fabry in Dortmund . 355 

Zur Frage von der Injectionstechnik bei der Behandlung von Syphilis. 

Von Magnus Möller, Docent der Syph. u. Derm. in Stockholm 383 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie 

und Syphilis. 

Verhandlungen der Wiener dermatologischen Gesellschaft .111, 237, 405 
Verhandlungen der Berliner dermatologischen Vereinigung 125, 232, 418 
Verhandlungen des Vereines Ungar. Dermatologen und Urologen . 99, 225 


Venerische Krankheiten. 129. 295 , 424 

Hautkrankheiten.243 

Buchanzeigen und Besprechungen . . 154, 310, 473 

Nekrolog .3H, 47(i 

Varia .319 


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Originalabtiandlungei) 


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Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 


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lieber multiple Dermatomyome. 


Von 

llofrath Prof. NeillliaiUI in Wien. 
(Hierzu Taf. I—IV.) 


Die Hautmyome gehören im Allgemeinen und die multi¬ 
plen Dermatomyome insbesondere zu den seltensten Affectionen, 
so dass selbst Fachmänner der pathologischen Anatomie, und 
Chirurgen, desgleichen Dermatologen, welche ein grosses Be¬ 
obachtungsmaterial besitzen, gar keinen oder höchstens singuläre 
Fälle zu Gesicht bekommen. Das Interesse, welches sich an die 
multiplen Dermatomyome knüpft, liegt jedoch nicht in ihrer 
Seltenheit, sondern in nosologisch wichtigen, noch nicht klar ge¬ 
stellten Momenten, wie dem Ausgangspunkt und der Art ihrer Ent¬ 
stehung, der Langwierigkeit des progressiven Stadiums gleich¬ 
wie der nahezu exceptionellen Stabilität in der Acme und der 
Eigentümlichkeit, dass in den einzelnen Fällen und zwar in 
der Regel nur in vollständig entwickelten Tumoren, spontaner 
oder durch äussere Einwirkung hervorgerufener, mitunter sehr 
heftiger Schmex*z vorhanden ist, während er in andern gänz¬ 
lich fehlt. 

Klinisch gelangen die multiplen Dermatomyome haupt¬ 
sächlich durch die Schmerzhaftigkeit und grosse Ausbreitung, 
durch die Spärlichkeit charakteristischer Erscheinungen bedingte 
Schwierigkeit der Diagnose, deren Sicherstellung die Biopsie 
erfordert, zu erheblicher Bedeutung. Die spärliche Casuistik 
dürfte die Mittheilung des folgenden typischen Falles von 
einfachen multiplen Dermatomyomen genügend motiviren. 

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N e u m a n n. 


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Derselbe betrifft die 54jähr., anämische und abgomagerte, schwach¬ 
sinnige A. St., welche wegen eines ulcerösen Syphilides an der Nasen¬ 
wurzel der Klinik übergeben wurde. Die rntersuehung der allgemeinen 
Decke ergibt an der äussern Fläche des linken Oberarmes disseminirt 
schrotkorn- bis kleinerbsengrosse, über das Hautniveau elevirte, theils 
runde, theils elliptische, glatte, an der Peripherie licht braun, im cent¬ 
ralen Theile heller gefärbte Knoten. Sie erscheinen scharf begrenzt, wie 
in die Haut eingesprengt, mit ihr beweglich, derb, weder spontan, noch 
gegen Fingerdruck abnorm empfindlich. Die Färbung abgerechnet, bietet 
ihre epidermidale Bedeckung keine Differenz gegen die Umgebung. Die 
zwischen den Effiorescenzen gelegenen Hautpartien bieten in Bezug auf 
tactile und thermische Reize keine Anomalie dar. Im Ganzen zeigen die 
Effiorescenzen, wie Besnier, 1 ; welcher zuerst eine genaue Darstellung 
der Affection lieferte, hervorhob, ein Aussehen, welches der Urticaria 
papulosa am nächsten stellt. 

An der Innenfläche des rechten Oberarmes finden sich drei erbsen¬ 
grosse, an der Peripherie rothgefärbte — desgleichen über der Bücken¬ 
haut disseminirt, zahlreiche hirsekorn- bis erbsengrosse, den erstgescliil- 
derten im Uebrigen gleichbeschafiene Effiorescenzen. 

Auf Grund der vorliegenden Erscheinungen war die Dia¬ 
gnose nicht festzustellen und die Biopsie unerlässlich. Es 
wurde daher ein Knoten excidirt und der mikroskopischen 
Untersuchung unterzogen. Diese ergab folgenden histologischen 
Befund. Die Hauptmasse besteht aus in den verschiedensten 
Richtungen, zum Theile der Hautoberfläche parallel verlaufenden, 
vielfach sich kreuzenden Bündeln glatter Muskelzellen, die dem¬ 
gemäss theils in Querschnitten, theils in ihrer Länge mit dem 
charakteristischen Kern sich präsentiren. Die Muskelzellen sind 
zum Theil von normaler Dimension, zum Theil dünner und 
gleichzeitig kürzer. Zwischen den Muskelbündeln finden sich 
faseriges Bindegewebe und in ansehnlicher Menge elastische Fasern. 
In und zwischen dem Bindegewebe und zwischen den Muskel¬ 
bündeln verlaufen die spärlichen Blutgefässe, welche stellenweise 
vou Rundzellen umgeben sind. Letztere finden sich auch an 
den Gefässen des Papillarkörpers, welcher wie die Epidermis- 
Schicht sehr verschmächtigt erscheint. Sowohl nach auf- als 
nach abwärts nehmen die Muskelzellen allmälig an Menge ab, 
so dass die Abgrenzung nach beiden Richtungen zumeist aus 


‘) Los dermatomyomes (fibroniyomes, liomyomes 011 myomes eutanes. 
Ann. de Dermat. et de Svphiligr. II. p. 1. 18Sn. 25 ff. 


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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen. 


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Bindegewebe besteht, und nur wenig Muskelzellen nach oben 
an den Papillarkörper, nach der Tiefe das Niveau der Knäuel¬ 
drüsen erreichen. Die Haarbälge sind spärlich, die Talgdrüsen 
in der Wandung durch Ruudzellen verdickt. Nächst ihnen liegen 
dichte Muskelzellen der Arrectores pilorum. Nerven wurden 
nicht gefunden, an den Arterien ausser der bereits erwähnten, 
keine Veränderung der Wandung, welche auf einen Zusammen¬ 
hang der neugebildeten Muskelzellen mit denen der Blutgefässe 
schliessen lassen konnte. Dieser Befund bietet ein typisches 
Bild des reinen Dermatomyom, wie es zuerst von Besnier 
(bez. Balz er 1. c. 32—33) namentlich aber Arnozan und 
Vaillard J ) nach einem mit Pur pur in behandelten Präparat 
beschrieben wurde, mit dem Unterschiede, dass in dem vor¬ 
liegenden Falle keine Nerven sich vorfanden. Doch bieten die 
multiplen Dermatomyome neben der grossen Uebereinstimmung 
in den essentiellen histologischen Elementen auch erhebliche 
Differenzen dar, so dass wir abweichend von Babes’ 2 ) Ein- 
theilung, zwei Formen unterscheiden möchten. Die eine Form 
bildet das rein musculäre Myom, dessen Hauptmasse aus 
glatten Muskelzellen, fibrillärem Bindegewebe und elastischen 
Fasern besteht, letztere jedoch so schwach vertreten sind, dass 
die Neubildung nicht als Fibro-Myom bezeichnet werden kann. 
Die zweite: das cavernöse Myom, welches nebst glatten 
Muskelzellen reichlich Blutgefässe und den Bau cavernöser 
Gebilde aufweist. Bemerkenswerth ist, dass beide Formen neben 
einander Vorkommen, wie in dem von Virchow 3 ) beobachteten 
Falle, der sie als Myoma teleangiectodes unter die erectilen 
Geschwülste rangirte. In diesem Falle, wo in einem Zeitraum 
von 13 Jahren sich ein Dutzend höchst schmerzhafter Knoten 

') Myornes ä fibres lisses, multiples, confluents et isoles de la peau. 
Soeiete d’Anatom. et de Phvsiol. de Bordeaux. Seance du 7. dec. 1880. 
Journ. de med. de Bordeaux. 1881. Ann. de Denn, et de Syph. 1881. 60. 

2 ) Handbuch der Hautkrankheiten, v. Ziemssen’s Handb. d. spec. 
Pathol. und Therap. XIY. 2. 499. Nach Babes bilden die cavernösen 
Myome eine und die multiplen Dermatomyome die zweite Species der 
Hyperplasien der Arrectores pilorum. Da auch die cavernösen Hautmyome 
multipel Vorkommen, ist die Eintheilung Babes’ nicht zutreffend. 

3 ) Leber cavernöse (erectile) Geschwülste und Teleangiektasien. 
Archiv. 1854. 6. 553—54. 


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N eu mann. 


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au der Brustwarzengegeud (eines Mannes) entwickelt hatten, 
bestand der eine der ausgeschnittenen Tumoren fast ganz aus 
Muskelzellen, während der zweite, „namentlich gegen seine 
Oberfläche hin, äusserstzahlreiche ganz weite Gef äs s- 
scIllingen führte, aus denen nach unten eine Menge feinere 
Gefässe hervortraten. Mitten in dem Gewebe fanden sich grosse 
Nervenstäinme mit mehrfacher Auflösung in Aeste.“ Die hierauf 
von Förster 1 ), Kl ob 2 ), So ko low 3 ) mitgetheilten Fälle 
betreffen solitäre Hautmyome, welche gleich dem von Virchow 
nicht bloss in Bezug auf die histologische Natur sondern auch 
Localisation der Neubildung in Betracht kommen. Kl ob hat 
die von ihm untersuchten zwei, etwas über bohneu- und kirschen¬ 
grossen Geschwülste, da sich Muskelfasern nur in sehr unter¬ 
geordneter Anzahl naclnveisen Hessen, unter die Fibroide der 
Mamma aufgenommen. Es handelte sich demnach in diesem 
Kalle um ein Fibromyoma; während Sokolow ausdrücklich 
hervorhebt, dass das Gewebe der von ihm untersuchten 
Geschwulst kein Fibromyom, sondern ein reines „Myoma laevi- 
cellulare“ (recte: „levicellulare“) war. Die Zwischenräume der 
einzelnen Muskelzellen waren nämlich, nach Angabe des Autors, 
ebenso eng wie sie sich „im reinen Muskelgewebe zeigen, 
d. h. sie entsprachen der Kittsubstanz, welche in KHO auf¬ 
gelöst war“. 

Dem gegenüber bietet der von Besnier (1. c. ;»4) an¬ 
geführte Fall Yerneuil's Verschiedenheiten des histologischen 
Baues der Knoten, die bedeutender sind als im Falle V irchow's. 
Während ein Theil der Knoten getasslos war, hatten andere 
reichlich Gefässe (un lacis vasculaire extremement riebe) gleich¬ 
wie Nervenfasern; einzelne auch quergestreifte Muskel¬ 
fasern, ähnlich den Herzmuskelfaser n. In sä m m 11 i c h e n 
Knoten fanden sich glatte Muskelzellen vor. 


l ) Myome am Scrotum. Wiener med. Wochenscdir. 1858. 13') und 
Handbuch der spec. path. Anat. 2. AuH. 18(>3. 1042. Handbuch d. alldem, 
pathoi. Anat. 344. 

*) Pathologische Anatomie der weiblichen Sexualor^anc. 18dl. 402. 

3 ) Myoma laevicellulare (Leiomyonui) der r. Brustwarze. Yirehow’s 
Archiv. 1873. 5S. 31 (i. 


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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen. 


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Auch die von Jadassolin 1 ) untersuchten zwei Fälle 
zeigen bemerkenswerthe Verschiedenheiten. Der erste der von 
ihm beobachteten bez. untersuchten Fälle lieferte einen mit 
dem unserigen, die Nerven ausgenommen, fast völlig gleichen 
histologischen Befund. Auch hier war zwischen den Muskel- 
tiündeln fibrilläres Bindegewebe vorhanden, welches nach der 
Peripherie hin stärker wurde, die spärlichen Gefässe verliefen in 
diesen bindegewebigen Interstitien, an deren Wand Jadassohn 
keine Abnormität finden konnte, die Rundzellen in unregel¬ 
mässigen Haufen von wechselnder Zahl und Grösse, „eingekeilt 
in die zwischen den Muskelbündeln vorhandenen Lücken“ (in 
denen wir auch Gefässe verlaufen sahen). Die grössten dieser 
Ruudzellenhaufen schlossen sich an die Talg- und Schweiss- 
driisen an. Die ganze Muskelmasse war durchsetzt und begleitet 
von einem sehr reichlichen Maschenwerk elastischer Fasern. 
Nervenstämmchen fanden sich bloss an der Unterseite eines 
Knotens, nicht in dem Tumor selbst. In zwei kleineren Knötchen 
fand sich „ein weit maschiges Netzwerk von Muskelbündeln, 
das sich augenscheinlich sehr viel weiter erstreckte als makro¬ 
skopisch das Knötchen zu constatiren gewesen war. Bestimmte 
Beziehungen auch dieser kleinen Tumoren zu irgend einem 
normalen Bestandtheile der Haut, speciell zu den Haarbälgen 
bezw. den Arrectores oder zu Arterien liessen sich trotz Durch¬ 
sicht einer grossen Anzahl von Schnitten — nicht naclnveisen.“ 

Im zweiten Falle, in welchem die Anfangsstadien des Pro- 
cesses sehr deutlich ausgesprochen waren, liess sich mit vollster 
Sicherheit die Bildung der Knötchen im Anschluss an einen 
Haarfollikel constatiren, indem aus jedem der kleinsten Knöt¬ 
chen ein Stumpf eines Lauugohaares hervorragte. Nerven¬ 
fasern waren auch hier nicht vorhanden und fehlte auch der 
Schmerz trotz des seit der Kindheit bestehenden Leidens der 
37jährigen Kranken. 

In dem bereits erwähnten, von Arnozan und Vaillard 
beobachteten Falle, in welchem die Schmerzen am Vorderarm 
ain intensivsten sowohl spontan als auf äussere Einwirkung 


') Zur Kenntniss der multiplen Myome der Haut. Virehow 7 s Arch. 
1890. 121. 88. 


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Neumann. 


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auftraten, wie Druck, Schlag, Kratzen, thermische Reize (Kälte 
und Hitze), wurden die schmerzhaften Knoten auf jeden Reiz, 
welcher den Schmerz auslöste, blass und farblos und bekamen 
erst allmälig mit dem Beginn des Nachlasses der 
Schmerzen ihr früheres Colorit. Diese Erscheinung war habi¬ 
tuell und konnte nach Belieben hervorgerufen werden. Dabei 
ergab die mikroskopische Untersuchung spärliche Ge fasse 
im Innern feine Arterien, die von Bindegewebe umgeben, keine 
unmittelbare Verbindung mit den glatten Muskelzellen der Neu¬ 
bildung zeigten, (entourees d'une atmosphere conjonctive et 
jamais au contact immediat des fibres lisses). An den mit 
Osmiumsäure behandelten Schnitten vermochten auch diese 
Autoren nur an einzelnen ein bis zwei sehr feine Nervenfiiden 
zu constatiren. Die Haarbälge und die Knäueldrüsen fanden 
sie unverändert, (h c. 65). 

V. Brigidi und G. Marcacci. *) welche die bis zur 
Zeit der Publication ihres Falles mitgetheilten Fälle von Haut¬ 
myom tabellarisch zusammenstellten, erklären bezüglich der 
Gefässe: „on ne voit pas de vaisseaux dans la müsse, mais le 
tissu conjonctif circonvoisin abonde en arteres dont la couch e 
musculaire parait hjpertrophi ee; l'adventice garnie 
de petites cellules lymphoides et la luniiere considerablement 
retrecie obstruee en partie par des cellules lymphoides. 

Sie constatiren den absoluten Mangel an Nerven in der Neu¬ 
bildung, bloss die lateralen Partien waren mit solchen versehen. 
Wir schliessen liierau den Befund von Hess,") welcher (ab¬ 
weichend von fast allen andern) angibt, dass die kleinen Tumoren, 
in ihrem Innern von Bindegewebe nicht durchzogen sind und 
gefässarm oder vollständig getässlos erscheinen. Peripherisch 
dagegen ist die Yaseularisation reichlicher. „Die Musculatur 
dieser peripherischen Gefässe ist stark entwickelt, und setzt 
sich unmittelbar in die Faserzüge der Tumormasse fort.“ Die 
Existenz von reichlichem, nahezu paralh lfaserigem Bindegewebe 
ringsum die grösseren Tumoren führt Hess auf Verdrängung 

') I>es myomes cutanea (Imparziale ISsl). Ami. de Deriuat. et de 
Syphiligr. 1882. II. p. 119. 

3 ) Kin Fall von multiplen Derniatoinyomen an der Nase. Viivliow’s 
Archiv. 1890. 120, 321. 


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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen. 


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und Compression von Seiten der (neugebildeten) Musculatur 
zurück. Die Druckwirkung äussert sich nach ihm besonders 
deutlich am Papillarkörper, welcher über den grösseren Knoten 
eine Abplattung zeigt. Ebenso sind die Haarwurzeln und Haut¬ 
drüsen in der Nähe zur Seite geschoben. Nach ihm ist die 
Betheiligung der Arrectores pilorum nirgends nachweisbar. 

Hess gibt weiters an, dass bei stärkerer Entwicklung die 
Muskelfasern diffus in das umgebende Bindegewebe 
eintreten, und sieb in unregelmässiger Weise in 
demselben ausbreiten, an andern Stellen aber sieh 
schärfer von demselben abtrennen; und dass die letzteren 
Formen, als das Anfangsstadium der circumscrip- 
ten Tumoren aufzufassen seien. Lukasiewicz *) behauptet, 
„dass man oft den weitern Verlauf der stärker entwickelten 
Muskelfasern (sc. der Gefdsse) im Neugebilde selbst ver¬ 
folgen kann“; also einen unmittelbaren Zusammenhang der 
Muskelzellen der Blutgefässe mit denen der Neubildung. Weiters 
erklärt er, dass auch die Knäueldrüsen „nicht unbetheiligt an 
der Neubildung bleiben“, indem er sowohl um die einzelnen 
Knäuel herum, als auch in ihrer Wand stärkere Entwickelung 
von glatten Muskelfasern und diffuses Eintreten derselben i n 
das umgebende Neugebilde constatiren konnte. Eine 
„abnorme“ Entwicklung von Nervenfasern, aus der sich die 
Schmerzhaftigkeit der Tumoren erklären Hesse, konnte auch 
er nicht nachweisen. 

Angesichts dieser Verschiedenheiten des histologischen 
Befundes, kann es nicht befremden, dass die Ansichten der 
Autoren betreffs des Ausgangspunktes der Neubildung aus¬ 
einander gehen. Allgemein wird angenommen, dass präformirte 
Muskelzellen der Cutis das Bildungsmaterial, den Ursprungs¬ 
herd der Neubildung abgeben. Es darf jedoch nicht ausser 
Acht gelassen werden, dass im Hinblick auf den Vorgang der 
Neubildung von Muskelfasern aus dem Bindegewebe im schwän¬ 
gern Uterus, und der von J. A r n o 1 d nachgewiesenen Neubildung 
von glatten Muskelzellen im Bindegewebe einer pleuritischen 


*) Ueber multiple Dermatoinyome. Archiv f. Dermatol, u. Syphilis. 

1892. 33. 


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N eum ann. 


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Schwarte, auch das Bindegewebe der Cutis als Bildungsherd 
keineswegs absolut ausgeschlossen werden könne. Wenn man 
jedoch den Standort der Myome berücksichtigt, dass sie nämlich 
mit Vorliebe an Stellen sich entwickeln, wo in der Haut glatte 
Muskelzellen in reichlicher Menge sich vorfinden, wie in der 
Warzengegend der Brustdrüse, dem Scrotum, dem äussern 
weiblichen Genitale, ferner die Lage der Neubildung in der 
Cutis selbst, ist nicht zu bezweifeln, dass diese an präformirte 
Muskelzellen der Haut anknüpft. Aber eben die Frage, welchen 
Gebilden der Cutis die Muskelelemente angehören, die den Aus¬ 
gangspunkt der Neubildung abgeben, wird von den Autoren 
verschieden beantwortet. Auf der einen Seite wird behauptet, 
dass die Arrectores pilorum den Ursprungsherd bilden, und 
Babes’ Ansicht bezw. Eintheilung gemäss, bilden die multiplen 
Dermatomvome eine Form von Hyperplasie der Arrectores 
pilorum. Es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn auch diese 
Ansicht zu weit geht, wohl in den meisten Fällen diesen unge¬ 
hörige Muskelzellen der Ausgangspunkt der Neubildung sind. 
Die Tiefe, in welcher die Knoten sitzen, spricht nicht gegen 
ihren Ursprung von den Arrectoren, indem diese, wie ich 
constatirte, *) bei manchen Individuen an gewissen I Iautpartien nach 
aufwärts bis an den Papillarkörper, nach abwärts in mehrfachen 
Zügen bis an das Fettgewebe der Cutis sich erstrecken. Dass bei den 
entwickelten Tumoren kein unmittelbarer Zusammenhang mit den 
Haarfollikeln bez. deren Muskelapparat besteht, kann nicht als 
absolut gütiger Beweis gegen die Statthaftigkeit des Ausgangs¬ 
punktes von den Arrectoren betrachtet werden. Es kann näm¬ 
lich durch die an der Peripherie der Tumoren statttindende 
Neubildung von Bindegewebe eine Lösung des ursprünglichen 
Zusammenhanges herbeigeführt werden. Iliefiir besitzen wir 
sehr viele Analoga. Ferner ist zu beachten, dass bei vielen 
Dermatonosen, wie beispielsweise bei Lichen ruber, Lichen 
syphiliticus, Prurigo, demnach bei AÜ'ectionen, wo der Haarbalg 
Beizungen ausgesetzt und verstopft wird, constant Hypertrophie 
dieser Muskeln vorgefunden wird. Bei Syphilis, Variola und 
anderen Krankheiten sind die Arrectoren in eminenter Meise 
betheiligt. 

*) Sitzungsberichte der Akacl. d. Vissenscb. Math. Nat. CI. Istib. 


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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen. 


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Dass die musculösen Elemente der Blutgefässe den Aus¬ 
gangspunkt der Neubildung abgeben, ist bisher nur von den 
Venen, in einem von Aufrecht 1 ) an der Vena saphena, und 
einem zweiten von Böttcher 2 ) an der Vena ulnaris beob¬ 
achteten Falle sichergestellt. Was die Arterien betrifft, haben 
B r i g i d i und Ma r c a c c i auf Grund des vorhin angeführten histo¬ 
logischen Befundes erklärt, dass die Knoten aus der Muskulatur 
der Tunica media der nächstgelegenen Gefässe, hauptsächlich 
der Arterien und der der Gänge der Schweissdrüsen hervorgehen. 
Dieser Ansicht ist H e s s in Bezug auf die Arterien beigetreten, 
obschon sein Befund ebensowenig wie der der früher genannten 
Autoren einen unmittelbaren Zusammenhang der Muskelzellen 
der Knoten mit den Muskelzellen der Gefässhaut, wie der 
bisher alleinstehende von Lukasiewicz, constatirt. A priori 
ist diese Provenienz nicht zu negiren und eine Lösung des 
Zusammenhanges mit der Neubildung durch die Contraction 
der Arterien unschwer zu erklären. Doch dürften die muskulösen 
Elemente der Blutgefässe, angesichts der Thatsache, dass an 
ihnen ausserhalb der nächsten Umgebung der Neubildungen, 
ja an diesen selbst, keine Anomalie sich vorfand, die Rund¬ 
zellen an einzelnen Punkten nur eine accidentelle Erscheinung 
sind, wohl nur selten der Ausgangspunkt der Neubildung sein. 
Im Falle Brigidi undMarcacci wareine ex- und intensive 
Gefässerkrankung vorhanden, aber der von ihnen behauptete 
genetische Zusammenhang derselben mit den Knoten, war durch 
den histologischen Befund nicht erwiesen. Dass auch andere 
als die gedachten Muskelelemente der Haut den Bildungsherd 
der Myome abgeben können, ist nach der herrschenden Auf¬ 
fassung nicht zu negiren. 

Was die Vermehrung der Muskelzellen bez. das Wachs¬ 
thum der Neubildung betrifft, dürfte sie hauptsächlich, viel¬ 
leicht zur Gänze auf Theilung der vorhandenen Muskelzellen 
beruhen, wofür die Anwesenheit kleiner dünner Zellen neben 
solchen von normaler Dimension spricht. Für die Annahme 
einer theilweisen Bildung aus Plasmazellen liegen positive 
Anhaltspunkte nicht vor. 

J ) Vircbow’s Archiv. 1808. 44. 

2 ) Ibidem. 


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X e n ru a n n. 




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Völlig im Dunkeln sind wir in Bezug auf die Aetiologio. 
Die geringe Anzahl der Fälle bietet keine Aufschlüsse darüber, 
wodurch die Neubildung der muskulären Elemente angeregt 
und durch so lange Zeit unterhalten wird. Der Heredität, dem 
Alter und Beruf lässt sich mit Bestimmtheit ein ätiologischer 
Einfluss nicht einräumen. Vom 3. Lebensjahre ^wo im Fall 
Hess das Leiden auftrat) bis zum (io. (F. Challand) sind die 
verschiedensten Altersstufen und verschiedene Berufe vertreten, so 
dass die Angabe von B r i g i d i und M a r c a c c i. dass die AtVection 
in der mittleren Lebensperiode anftritt. nicht zutrilft. Dasiegen 
lässt sich auf Grund der Frequenz der Krankheit in beiden 
Geschlechtern ein Einfluss nach dieser Lichtung als wahrschein¬ 
lich annehmen. Von lli Fällen (die solitären von Förster, 
Sokolow. Axel-Key und Santesson ausgeschlossen) ent¬ 
fallen 11 auf das weibliche — 5 auf das männliche Geschlecht. Be¬ 
achtenswert h ist. dass die Mehrzahl der Kranken mit schwelen 
Krankheiten allgemeiner Natur behaltet, oder perenniremlen 
Reizen ausgesetzt war. Die von Besnier beobachtete Kranke 
war eine Wäscherin, mit Rheumatismus behaftet, und später 
mit Neoplasmen verschiedenen Charakters (Carciimm der Mamma, 
Fibromyom des Uterus); der von B r i g i d i und M a r c a e c i 
beobachtete Kranke war in einer Salpoterfabrik beschäftigt und 
später ein Strassenpflasterer, und im zweiten Falle J a d a s s o h n's 
war die Neubildung der Knoten, laut Angabe der Kranken, im An¬ 
schluss an die Impfung in der Ellbogengegend des rechten Armes, 
aufgetreten. Ob und welcher Art von Beziehungen zwischen 
der Allgemeinerkrankung, in unserem Falle der Lues, be¬ 
ziehungsweise der anhaltenden Irritation und der Myombildung 
obwalten, ist derzeit nicht zu entscheiden. 

Die E n t w i c k lu n g der multiplen Dermatomyome erstreckt 
sich über eine Zeitdauer, welche fast von keiner anderen Neu¬ 
bildung erreicht wird, und sie sind von einer Langlebigkeit, welche 
nur von den tolerirten Warzen und Kolonien, die bis an 
das Lebensende getragen werden, übertroffen wird. Die Knoten 
nehmen äusserst langsam an Grösse zu und überschreiten nach 
den bisherigen Beobachtungen nicht die Dimension einer Kirsche. 
Hierin und in der Schmerzlosigkeit der meisten, manifestirt sich 
der eminent benigne Charakter dieser Neoplasien. 


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Ein Eall von multiplen Dermatoiuyomen. 


13 


Die Vermehrung der Knoten erfolgt schubweise in der 
Umgebung bestehender, oder auch entfernt in einem anderen 
Hautbezirke, aber doch immer an einem beschränkten Rayon. 
Die Intervalle sind verschieden lang, ein völliger Stillstand ist 
in dem, soviel ich weiss einzigen usque ad vitae finem beob¬ 
achteten Fall von Besnier nicht eingetreten. Doch können, 
wie bereits Jadassohn’s Beobachtung lehrt, die Knoten 
spontan eine Involution eingehen, wahrscheinlich durch Fett¬ 
metamorphose in Folge unzulänglicher Ernährung. Kalkab¬ 
lagerung haben Brigidi u. Marcacci gefunden. Die im Falle 
Besnier post mortem vorgenommene Untersuchung der Knoten 
ergab keine merklichen histologischen Veränderungen gegen¬ 
über den ersten mikroskopischen Befunden. 

Die klinisch wichtigste Erscheinung bilden die Schmer¬ 
zen. Sie treten, wie bereits erwähnt wurde, in den vollständig 
entwickelten Knoten ein, spontan, auf mechanische, oder thermische 
Reize in Anfällen von verschiedener Intensität und Dauer, welch 
letztere bisweilen über 6 Stunden und darüber sich erstreckt. 
Manche Kranke sind auch in dem Intervall zwischen den Anfällen 
nicht völlig schmerzfrei. Wodurch es bedingt ist, dass nur die ent¬ 
wickelten Knoten schmerzhaft werden, dass sie in manchen Fällen 
nur auf äussere stärkere, in manchen auf äusserst leichte Reize 
mit Schmerz reagiren, dass letzterer so lange anhält, und wo¬ 
durch die spontanen Anfälle ausgelöst werden, ist bisher keines¬ 
wegs genügend klargestellt. Diese Erscheinungen waren nicht 
in allen Fällen mit dem jeweiligen Befunde in Ueberein- 
stimmung. Die Frage, warum bloss die vollständig entwickelten 
Knoten schmerzhaft werden, könnte dahin beantwortet werden, 
dass sie, wie Unna 1 ) behauptet, „in ähnlicher Weise wie bei 
Tubercula dolorosa nur von der abnormen Spannung einiger 
Nervenäste, durch die sich vergrössernde Geschwulst abhängig 
sind“. Dies dürfte für manche Fälle zutreffend sein. Dagegen 
ist jedoch zu bemei’ken, dass Knoten ganz gleicher Dimension 
nicht schmerzhaft sind, der durch abnorme Spannung der 
Nerven erzeugte Schmerz permanent ist, und nur in der Inten- 


') Orth. Handb. d. spec. pathol. Anatomie. Hautkrankheiten. Er- 
gänzungsbd. II. Th. 3<>o. 


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14 


Neu m a u n. 


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sität wechselt; dass endlich viel voluminösere Geschwülste 
anderer Kategorie an denselben Standorten, wenig oder 
keinen Schmerz erzeugen. Plausibler insofern als sie zutreffender 
ist, ist die Annahme, dass erst die vollständig entwickelten 
bez. grossen Knoten, Nerven durch Einbeziehung der Um¬ 
gebung, möglicherweise auch durch Neubildung erhalten, die 
entweder durch spontane oder durch äussere Reize ausgelöste 
Contraction der Muskelfasern einen Druck oder eine Zerrung er¬ 
leiden. Hiefür sprechen die bereits hervorgehobenen Erschei¬ 
nungen an den Knoten während der Schmerzanfälle im Falle 
Arnozan und Vaillard, gleichwie die oft die äusserlich 
wahrnehmbaren Grenzen bedeutend überschreitende Ausbreitung 
der Neubildung der Fläche nach. Die Interniittenz und die 
lange Dauer der Contraction der glatten Muskelfasern erklären 
in ungezwungener Weise das aulallweise Auftreten und die 
lange Dauer der Schmerzanfälle. Dass die glatten Muskelzellen 
in den Myomen sich contrahiren, ist durch die Beobachtung 
erwiesen. Bei Mangel von Nervenfasern in und um die Knoten 
fehlt selbstverständlich auch der Schmerz. 

In diagnostischer Beziehung bieten die multiplen Dermato- 
myorue nicht mehr die gleichen Schwierigkeiten dar wie 
Besnier, der dieselben in beredter Weise schildert. Weder 
seine heimischen Genossen, noch die gründliche Kenntniss aus¬ 
wärtiger Dermatologen, unter welchen einige der hervor¬ 
ragendsten sich befanden (le savoir profund de quelques der- 
matologistes etrangers, dont quelques — uns des plus eminentst, 
vermochten eine sichere Diagnose zu stellen. Nach langem 
Rathen und Umfragen blieb diesem Autor zur Sicherstellung 
der Diagnose bekanntlich nur der eine Weg offen, der auch 
heute zu diesem Behufe eingeschlagen wird, die Biopsie, d. i. 
Excision eines Tumor zur mikroskopischen Untersuchung bez. 
Eruirung des Charakters der Neubildung. Eine Reihe von 
Hautaffectionon, welche Besnier diagnostisch noch in Betracht 
zog, wie die papulösen Hautausschläge, die subcutanen falschen 
und wahren Tubercula dolorosa können derzeit im Vorhinein, 
im Hinblick auf äussere Erscheinung, Loealisation insbesondere 
Entwicklung und Dauer, ausgeschlossen werden. Die letztere 
auch mit Rücksicht auf die Differenzen im Schmerz. Mit Keloid 


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Eia Fall von multiplen Dermatomyomen. 


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haben die Knoten des multiplen Dermatomyom bis in eine 
gewisse Phase Aehnlichkeit in Form, scharfer Begrenzung, Con- 
sistenz, Localisation und auch Schmerzhaftigkeit. Doch zeigen 
Entstehung und namentlich Entwicklung einen so bedeutenden 
Unterschied, dass bei einer genauen Untersuchung eine Ver¬ 
wechslung vermieden werden kann. 

Die Prognose ist quoad valetudinem nicht — wohl aber 
quoad sanationem ungünstig. In Anbetracht jedoch, dass bisher 
nur der eine Fall von Besnier usque ad finem beobachtet 
wurde, konnten über wichtige Momente des ganzen Krankheits- 
processes keine Aufschlüsse gewonnen werden. Hiezu ist die 
Beobachtung einer grossen Anzahl von Fällen über einen, wie 
die bisherigen Erfahrungen zeigen, die Lebensdauer umfassenden 
Zeitraum erforderlich. Vielleicht bietet uns die Beobachtung 
des vorliegenden Falles die Gelegenheit zur Klärung mancher 
der noch dunkeln Erscheinungen. 


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X eurnan n. 


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Erklärung der Abbildungen auf Taf. I—IV. 

Taf. I. Abbildung des Falles. 

Taf. II. Partie des Oberarmes von demselben Falle. 

Taf. III. Durchschnitt durch ein Knötchen. Färbung mit Pikro- 
karmin. 

Zeiss Objectiv A ; Ocular 2, Yergrösserung 50. 

o Längsschnitte, b Querschnitte von Zügen glatter Muskulatur. 
c Talgdrüse, d Haarfollikel, e Gefässquerschnitte. / Gefässlängsschnitte. 

Taf. IV. Zeiss Objectiv E ; Ocular 2; Vergr. 300 zeigt eine Talg¬ 
drüse a mit verdickter Wandung b und daran inserirendem Arrector pili, 
welcher ohne scharfe Begrenzung in das Myom übergeht, c Querschnitte, 
d Längsschnitte von Zügen glatter Muskulatur, e Bindegewebs-Septa. 


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Ueber die sogenannte diphtheroide Form 
des venerischen Geschwürs auf dem Cervix 

uteri. 


Von 

Dr. C. Rasoli, 

erstom Assistenten an der Klinik, für Hautkrankheiten der Universität Kopenhagen. 


Das venerische Geschwür (der weiche Schanker) auf dem 
Halse der Gebärmutter gehört zu den ziemlich selten vor¬ 
kommenden Affectionen. Da dasselbe auch morphologische 
Eigenthiimlichkeiten darbietet, welche von den gewöhnlichen 
Typen dieses Schankers stark abweichen, und welche Ver¬ 
anlassung zu diagnostischen Irrthümern geben können, habe 
ich es der Mühe werth erachtet, folgende drei Fälle, welche 
ich in der letzten Zeit wahrzunehmen Gelegenheit gehabt 
habe, mitzutheilen. 

1. Fall. 30jährige Frau, welche am 22. Februar 1800 in die 
dermatologische Klinik des Communehospitals gebracht wurde, deren 
Chef, Prof. Haslund ich für die Erlaubnis*, das Journal benutzen zu 
<Hirfen, hiermit danke. Der Mann der Patientin wurde drei Wochen vorher 
im Hospital an einem venerischen Geschwür auf dem Frenulum, dem ein 
beiderseitiger Bubo folgte, behandelt. Die Pat. hatte vor 2 Monaten zum 
vierten Mal geboren. Das Kind, dem nichts fehlte, wurde gleichzeitig 
des Stillens wegen aufgenommen. Pat. theilte mit, dass sie ungefähr seit 
einem Monat einen eiterigen AusHuss aus der Scheide gehabt habe. Irgend 
«in Geschwür an den äusseren Gcschlechtstheilen habe sie indessen nicht 
wahrgenommen. Ein solches war jedoch wahrscheinlich vorhanden ge¬ 
wesen, da sie 3 Wochen lang eine schmerzhafte Drüsengeschwulst in der 
linken Leistenbeuge gehabt hatte. Bei der Untersuchung fand sich unbe¬ 
deutender Ausfluss aus der Harnröhre und reichlicher eiteriger Ausfluss 
-aus der Scheide. Auf dem Halse der Gebärmutter um das Üriflciuin, 

Archiv f. Dormatol. u. Sypbil. liand XXXIX. o 


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18 


Rasch. 


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welches an den Seiten eingerissen war, fand sich auf der etwas evertirten 
Schleimhaut eine Affection, welche sich als gruppenweise auftretende, 
confluirende, papulöse Hervorragungen mit fein granulöser Oberfläche 
von gelber Farbe darstellte. Jede einzelne Hervorragung war von einer 
Grösse, welche zwischen Erbse und Bohne varirte. Bei der geringsten 
Berührung zeigte sich starke Blutung. Der Band war gebuchtet, polycy- 
klisch. Die Affection war nach aussen von der blassrothen Schleimhaut 
auf dem Cervix scharf begrenzt, schien sich aber nach innen bis in den 
Cervicalcanal zu erstrecken. Keine Ulcerationsproccsse an den äusseren 
Geschlechtstheilen. Während der Behandlung mit Alaundouche, Tannin- 
Glycerin-Tampon in der Scheide und späterer Wasserdouche wuchs die 
geschwulstartige Masse auf dem Collum gleichmässig und beständig im 
Laufe der folgenden 16 Tage. Da man wegen des geschwulstartigen 
Charakters der Affection nicht an die Möglichkeit eines venerischen Geschwürs 
glaubte und sehr geneigt war, ein beginnendes Epitheliom anzunehmen, 
wurde ein Keil zu mikroskopischer Untersuchung ausgeschnitten. Diese 
Untersuchung zeigte indessen, dass nur eine diffuse und bedeutende 
Rundzellenintiltration ohne Spur von epithelialer Neubildung ') vorhanden 
war. Am 17. März wurde die Behandlung geändert, indem man mit täg¬ 
lichem Einpudern mit Jodoform und trocknem Wattetampom in die 
Scheide begann. Am 21. März konnte man notiren : Nach 3tägiger Be¬ 
handlung mit Jodoform ist die AtVection auf dem Cervix flacher und hat 
an Grosse bedeutend abgenommen. Der gelbe pseudomembranöse Belag ist 
verschwunden, und die Farbe ist rotli geworden. Da der weiche Sehanker 
die einzige Erkrankung ist, bei welcher Jodoform eine so hervorragende, 
fast speciflsche Wirkung kat, so war so gut wie bewiesen, dass die 
Affection auf dem Collum ein Schanker sein müsste, lim zu noch grösserer 
Gewissheit zu kommen, wurde eine Inocnlation auf dein Unterleib ge¬ 
macht, welche jedoch erfolglos war, vielleicht weil das Gift durch die 
angewandte Jodoformbehandlung schon geschwächt worden war, oder 
weil man vielleicht statt des von dem Schanker abgesonderten Eiters 
etwas von dem reichlichen Secret aus dem Cervicalcanal, welches das 
Collum überschwemmte, genommen hatte. Indessen war uns der Zufall 
günstig, da ein am 24. März durch Autoinoeulation entstandenes 
typisches venerisches Geschwür auf der Uretralpapille von läuglich- 
runder Form, 1 Cm. lang und 3—4 Mm. breit mit scharfen Rändern und 
graugelbem, anhaftendem Belag gefunden wurde. 

Am 1. April war die beschriebene Affection auf der Gebärmutter 
vollständig verschwunden, dagegen blieb bis zum Tage der Entlassung 
eine rothe, leicht granulöse kreisförmige Erosion um das Oriticium, aus 
welcher eine reichliche Absonderung eiterigen Schleims (eine einmalige 


*) Die Untersuchung auf dem Ducrey’schen Bacillus ergab ein 
negatives Resultat. Das Präparat war aber 8 Tage in Alkohol aufbewahrt 
gewesen und unter diesen Umständen gelingt es nie, diese Mikroben 
zu färben. (Mündliche Mittheilung von Dr. Krefting in Christiania.) 


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lieber die sogen, diphthero'ide Form des vener. Geschwürs. 19 

Untersuchung zeigte keine Gonococcen) stattfand. Am 23. April war das 
Geschwür in der Harnröhre geheilt. Während des ganzen Aufenthaltes 
im Hospital hatte man dann und wann einen eiterigen Ausfluss aus der 
Harnröhre, welcher bei der wiederholten Untersuchung keine Gonococcen 
zeigte, beobachtet. Die Drüsenentzündung in der Regio inguinalis wurde 
unter der Behandlung mit Eis und Bleiplatte im Laufe von 3 Wochen 
resorbirt. Am 30. April konnte Pat. entlassen werden, ohne dass sich 
bei ihr oder bei dem Kinde, welches jetzt über 4 Monate alt war, 
Symptome von Syphilis gezeigt hätten. 

Dass die beschriebene Affection auf dem Collum ein venerisches 
Geschwür gewesen ist, dafür sprechen also folgende Umstände: 1. Vene¬ 
risches Geschwür bei der inficirenden Person, 2. Autoinoculation eines 
venerischen Geschwürs bei der Patientin selbst, 3. Heilung durch 
Jodoform. 

2. Fall. Pat., eine 30jährige unverheiratete Arbeiterin, welche vor 
3 V, Jahren geboren hatte, und welche früher nicht venerisch inficirt gewesen 
war, gab an, 2‘/ 4 Monate vor der Aufnahme (am 16. Juni) angesteckt 
worden zu sein. Hier wurden eine grosse Menge genitaler und perigeni¬ 
taler, folliculärer Schanker und auf dem Halse der Gebärmutter mit dem 
Orificium als Centrum eine 2 Mark grosse, über die übrige Schleimhaut 
etwas hervorspringende, leicht blutende Geschwürfläche, mit graugelbem, 
anhaftendem Belag gefunden. Die Inoculation von dieser Fläche auf dem 
Unterleib ergab einen typischen weichen Schanker. Nach 3tägiger Jodo¬ 
formbehandlung wurde der graugelbe Belag abgestossen, und die Ober¬ 
fläche wurde hellroth und granulös. Der Ausfluss aus dem Collum war 
unbedeutend, aber mit Eiter vermischt, und Pat. hatte Ausfluss aus einer 
paraurethralen Krypte zugleich mit jener diffusen, zähen, periurethralen 
Geschwulst, welche man gewöhnlich bei Frauen findet, welche einen 
chronischen Harnröhrentripper haben oder gehabt haben. Es zeigten sich 
keine Symptome von Syphilis, nur eine recht bedeutende Infiltration in 
einigen der geheilten Folliculitiden. 

3. Fall. 43jährige Frau, aufgenommen am 23. Juli, am 21. Aug. 
entlassen. Vor 7 Jahren ist sie vom Manne mit Syphilis inficirt worden. 
Keine Recidive in den letzten drei Jahren. Ihr jetziges Leiden besteht 
seit 14 Tagen. (Ansteckung vor 3 Wochen), Auf den äusseren Geschleehts- 
theilen und auf den perigenitalen Hautpartien finden sich 13 venerische 
Geschwüre typischer Art und von verschiedener Grösse, i Inoculation +•) 
Auf der centralen Partie des Collum Uteri drei hervorragende, leicht 
blutende Plaques von grauröthlicher-graugelblicher Farbe und ein flaches 
erbsengrosses Geschwür. Reichlicher eitriger Ausfluss aus demCervicalcanale. 
Inoculation auf dem Unterleibe von den hypertrophischen Plaques gibt 
ein negatives Resultat, während eine von dem flachen Geschwür gemachte 
Inoculation positives Resultat gibt. 29. Juli 2 neue Geschwüre auf dem 
linken Schenkel (Autoinoculation). 21. Aug: Unter Behandlung mit warmen 
Bädern, Scheidenausspülungen, Aetzungenmit Carbolsäure und Jodoformver¬ 
band sind jetzt alle neunzehn Geschwüre vernarbt und die Patientin wird als 

q* 


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R a sch. 


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geheilt entlassen. Doch besteht natürlich noch die chronische Endometritis 
Während des Ilospitalsaufenthaltes ist kein Zeichen von Syphilis wahrge¬ 
nommen worden. 

Wenn schon die venerischen Geschwüre auf dem Cervix 
überhaupt sehr selten sind, so scheint die beschriebene diphtheroide 
Form den meisten, selbst den Syphilidologon vom Fach unbe¬ 
kannt zu sein, obgleich dieselbe, wie wir später sehen werden, 
wahrscheinlich die häufigste ist. In den allermeisten Iland- und 
Lehrbüchern findet man nichts darüber, ja selbst in Lang's 
Specialarbeit (Das venerische Geschwür, Wiesbaden Iss?) findet 
man mit keinem Worte erwähnt, dass das venerische Geschwür 
auf dem Collum zuweilen Eigenthiimlichkeiten, wie in den 
oben beschriebenen Fällen. 1 ) darbietet. Trotzdem ist diese 
klinische Form schon von dem berühmten Gynäkologen 15 er nutz 
in einer Mittheilung an die Soc. med. des hbp. in Paris 1*53 
unter dem Namen „Chancre diphtherithpie“ beschrieben (cf. die 
unten citirte Abhandlung von Schwärt z). 15. unterschied 

dieselbe indessen nicht ätiologisch von dem syphilitischen 
Schanker. Der erste, welcher dies that, war A. Gucrin (18(54) 
in seinen „Maladies des Organes genitaux externes de la temme". 
Desprös (ls70) warf die verschiedenen Formen wieder zu¬ 
sammen. Is72 erwähnt Fournier mit A. Gucrin als Ge¬ 
währsmann (in dem Artikel Chancre in Jaccoud's Dictionnaire). 
dass ausser den gewöhnlichen multiplen, tiefen, scharfgeränderten 
Geschwüren auf dem Halse der Gebärmutter eine Form Vor¬ 
kommen könne, welche als „une Sorte de plaque jaunätre ou 
d'un blaue grisatre, assez analogue ä une fausse membrane 
diphtherititpie, et taisant un relief plus ou moins coiisidcrable 
an dessus de la ruuqueuse“ beschrieben wird. Lin .lahr nach¬ 
her 1873 machte Ch. Schwartz das venerische Geschwür und 
den syphilitischen Schanker auf dem Collum uteri zum Gegen¬ 
stand einer Dissertation (Etüde sur les chancres du col uterin. 
Paris 1873, Delahaye). Seine Arbeit ist ein Ausdruck für 
Foui nier’s Anschauungen und Lehren. F s. klinische Vor- 

*) Dasselbe gilt von den gvnücoh»gischen Handbüchern. >elbst in 
einer so neuen Arbeit wie Winters Lehrbuch der gynäkologischen Dia¬ 
gnostik. Leipzig ist diese Form nicht erwähnt. Die IJe&chrcibung 

des venerischen Geschwürs auf dem Cervix ist auf die übliche Re- 
schreibung dieser Schanker, wie sie auf der Haut Vorkommen, beschränkt. 


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Ueber die sogen, diphtheroide Form des vener. Geschwürs. 


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lesungen im Anfang der 70ger Jahre machte der Verwirrung 
und der Verwechslung der verschiedenen Krankheiten, welche 
früher so allgemein gewesen war, ein Ende. F. hat später selbst 
(Le^ons sur la Syphilis chez la femme, 2 edit. 1881) bei Be¬ 
sprechung der Differentialdiagnose zwischen dem syphilitischen 
Schanker und dem venerischen Geschwür auf dem Collum eine 
kurz gefasste Darstellung der verschiedenen Formen, unter 
denen das venerische Geschwür sich auf dem Collum zeigen 
kann, gegeben. Im selben Jahre (1881) hat Mo lenes in den 
,.Annales du dermatologie 14 unter dem Titel: „Contribution 
ä l’etude de chancre non infectant du col de Tuterus (variete 
diphtheroide) folgende 2 Fälle von ganz derselben Art wie 
unser erster Fall beschrieben. 

1. 21jähriges Mädchen; 2 Geburten, wonach Leukorrhoe. Bei der 
Untersuchung fanden sich 2 Geschwüre auf den grossen Lippen, ein 
Geschwür in der linken Genitocruralfalte, eine Menge Geschwüre im 
Introitus und um die Uretralpapille. Auf dem Collum uteri sah man 
eine hervorspringende Plaque mit rothera Rande und weissgelbem Belag 
sowie zahlreiche gefurchte Depressionen („gleichwie die Oberfläche des 
Gehirns mit seinen Gvri und Sulei*‘). Ausserdem 2 Geschwüre in dem 
obersten Theil der Scheide. Positive Inoeulation. Dauer: 3 Wochen. 

2. 2ujähriges Mädchen; 2 Geburten. Chronische Endometritis. Auf 
der grossen Lippe eine Menge folliculärer Geschwüre; auf dem Collum 
uteri 2 marnelonnirte, hervorspringende Plaques mit weissgrauem dipk- 
theroidem Belag, bestehend aus mehreren durch Furchen getrennte Protu¬ 
beranzen. Mehrere Geschwüre in der Scheide. Das Geschwür auf dem 
Collum heilte erst im Verlauf von 0 Wochen. Pat. hatte zugleich chro¬ 
nische Metritis und Endometritis und bei der Entlassung blieb eine 
Erosion auf dem Collum. Während 3 monatlicher Beobachtung kein 
Symptom von Syphilis. 

SeitMolenes Mittheilung im Jahre 1881 scheint der 
diphtheroide Schanker auf dem Cervix (wie überhaupt das 
venerische Gebärmuttergeschwür) nur einmal in der Literatur 
erwähnt worden zu sein, und zwar von Di Bella & Ingria 
(Sulla ulcera non infettante muliehre, La Sicilia inedica. 
Tome I, ref. in diesem Archiv 1890), welche mittheilen, dass 
sie auf dem Collum venerische Geschwüre beobachtet haben, 
welchen in der Begel der scharfe Rand und der vertiefte Grund 
fehlte, während sie sich dagegen als eine graue, etwas über 
das Niveau der Schleimhaut hervorspringende, mit einer diphthe- 
roiden Pseudomembran bedeckten Phujue zeigen. 


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K a s c h. 


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Wenn man auf Grund unserer und der in der Literatur 
berichteten Fälle eine Beschreibung des diphteroiden Schankers 
auf dem Collum geben soll, so lässt es sich in aller Kürze mit 
folgenden Worten thun. Das venerische Geschwür auf dem 
Collum uteri kann, anstatt sich als ein tiefes, scharfgerändertes 
Geschwür zu zeigen, als eine papulös hervorspringende, 
mit einer anhaftenden Pseudomembran bedeckte, zuweilen 
ganz geschwulstartige Masse mit unebener, gefurchter und 
knolliger Oberfläche, von gelber Farbe und mit polycyklischer 
oder runder Contour, welche von den Umgebungen scharf ab¬ 
gegrenzt ist, auftreten. Der erste und dritte von unsern 3 Fällen 
ist ein Typus für diese Form. Zu anderen Zeiten bildet dieses 
Geschwür, wie in unserem zweiten Falle, eine einzelne, nur 
schwach hervorspringende Plaque von der Grösse eines Mark¬ 
stücks, welche sonst dieselben Eigenthümlielikciten wie im erst¬ 
genannten Falle darbietet. Beide Formen zeigen grosse Neigung 
selbst bei leichter Berührung, z. B. mit einem Wattetampon, 
zu kleinen Hämorrhagien, eine Eigenthiimliehkeit, welche in 
unsern Fällen sehr hervortretend war, und welche auch von 
früheren Beobachtern des weichen Schankers auf dem Col¬ 
lum im Allgemeinen erwähnt wird (Such an eck, Scanzoni 
und Dawosky, eit. bei Schwartz). Die Frage, warum der 
Schanker in gewissen Fällen das beschriebene Aussehen an¬ 
nimmt, ist von den Verfassern, welche früher dahin gehörige 
Fälle veröffentlicht haben, nicht discutirt worden. Unsere drei 
Patienten hatten indessen alle eine vorherbestellende Gebär- 
mutterafl’ection, welche uns wohl zu der Annahme berechtigt, 
dass sie den Boden auf dem Cervix so vorbereitet habe, dass 
der Schanker sich auf so ungewöhnliche Weise hat entwickeln 
können. Alle Patienten hatten nämlich eine chronische Endo¬ 
metritis mit den gewöhnlichen „Erosionen 1 * auf dem Collum, 
und in beiden Fällen entsprach die Ausbreitung des Schankers 
ungeiähr der Grösse dieser Afl’ection. Auch in den verschiedenen 
in der Literatur mitgetheilten Fällen (wie in Molenes' bei¬ 
den Fällen) findet man erwähnt, dass die Patienten, welche 
last alle geboren hatten, an Leukorrhoe oder chronischer 
Endometritis litten oder gelitten hatten, ohne dass man jedoch 
besonderes Gewicht auf diese Erscheinung legte. Es ist ein- 


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Ueber die sogen, diphtheroide Form des vener. Geschwürs. 23 


leuchtend, dass die von dem endometritischen Folgeleiden ange¬ 
griffene Schleimhaut mit ihrem kranken und dünnen, an ein¬ 
zelnen Stellen fehlenden Epithelium die Entwicklung des Schankers 
ganz anders begünstigen kann als ein gesundes Epithel. Von 
der Häufigkeit der hier beschriebenen Schankerform weiss man 
nicht viel, wahrscheinlich wird sie noch jetzt wie früher recht 
allgemein verkannt. Ausser Molenes’ 2 Fällen und Bernutz’s 
7 Fällen findet man in Schwärtz’ These einzelne hierher ge¬ 
hörige Fälle. Fournier, welcher in den 6 Jahren, in denen 
er Oberarzt im Lourcine war, 25 Mal das venerische Geschwür 
auf dem Cervix beobachtet hat, gibt nicht an, wie oft dasselbe 
das papulöse, hypertrophische Aussehen gehabt habe, aber 
sagt in seinen Vorlesungen über Syphilis bei der Frau, dass 
es „häufig“ diese Form annehme. Wenn man nach dem Studium 
aller Krankenberichte, welche überhaupt über Schanker auf 
dem Cervix vorliegen, und in denen die Symptome und der 
Verlauf einigermassen sorgfältig beschrieben sind, urtheilt, so 
bekommt man den Eindruck, dass das venerische Geschwür 
auf dem Cervix sich überhaupt weit häufiger in der hier be¬ 
schriebenen Form als wie das gewöhnliche scharfgeränderte 
tiefe Geschwür zeigt. Diese Auffassung nähert sich auch der von 
Schwartz gegebenen Darstellung. Dieser Verfasser behauptet 
nämlich, dass B er nutz’ diphtheroider Schanker keine Form 
sei, welche von den gewöhnlichen Formen scharf abgegrenzt 
sei, sondern dass sich alle möglichen Uebergänge zwischen den 
hypertrophischen diphtheroiden Schankern und den gewöhn¬ 
lich beschriebenen Formen finden. Unser 3. Fall stützt diese 
Auffassung. Was die Dauer betrifft, so ist dieselbe weit grösser 
bei der diphtheroiden Form als bei einem Geschwür von der 
gewöhnlichen Form. Während dieses oft im Verlauf von einigen 
Tagen, selbst ohne irgend eine andere Behandlung als einfache 
Reinlichkeit, heilt, dauert die hier erwähnte Form viele 
Wochen, wenn keine Aetzung vorgenommen wird oder wenn 
nicht die Jodoformbehandlung eintritt. *) 

*) Die grosse Schnelligkeit (5—6 Tage), mit welcher das venerische 
Geschwür auf dem Uterus in der Regel heilt, wie die Thatsache, dass 
es nie von eiternden Bubonen in der Fossa iliaca begleitet ist, sowie 
endlich seine grosse Seltenheit, wird leicht durch das von Aubert be- 


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24 


Ras c h. 


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Die Diagnose wird dem wahrscheinlich leicht sein* 
welcher diese Affeetion einmal gesehen oder nur von ihr gehört 
hat, da es keine andere Läsion gibt, welche dieser genau gleicht. 
Glaubt man die Diagnose nach dem Aussehen allein nicht 
stellen zu können, so werden fast immer an oder um die 
äusseren Geschlechtstheile ein oder mehrere venerische Ge¬ 
schwüre von dem gewöhnlichen Aussehen sein, so dass man 
durch sie leicht auf den rechten Weg geleitet wird. In den 
von Schwartz gesammelten 2ö I-’ällen von Gebärmuttorsehan¬ 
kern waren 28 Mal Schanker in der Vulva. Sollte man hier 
keine Schanker finden, muss man seine Zuflucht zu der 
Inoeulation nehmen, welche heim positiven Besultat Sicherheit 
für die Diagnose gibt. Man muss hier darauf achten, dass man 
wirklich das Sekret von der Oberfläche des Schankers erhält, 
und man nicht von dem aus der Gebärmutterhöhle altge¬ 
sonderten Eiter einimpft, welcher natürlich nur Inoculations- 
schanker gelten wird, wenn das Geschwür sich bis in den 
Cervicalcanal erstrecken möchte. Ebenfalls muss man sich 
natürlich hüten, die Inoeulation zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, 
wo kurz vorher mikrobicide Agentin mit der Oberfläche des 
Schankers in Berührung gewesen sind. Die Ditferentialdiagno>e 
von dem syphilitischen Schanker wird zuweilen schwierig sein 
können; dieser hat aber, wie die selten vorkommenden Fapeln 
auf dem Collum, eine mehr graue Farbe, welche recht ver¬ 
schieden von der hellgelben des weichen Schankers ist, und 
die Inoeulation gibt natürlich ein negatives Resultat. Die Ver¬ 
härtung. welche sonst, wenn es die Dillorentialdiagnose zwischen 
diesen beiden Krankheiten gilt, von so grosser Bedeutung ist. 
wird in der Kegel schwierig, selbst bei typisch syphilitischen 
Schankern, wegen der Localitüt nachgewiesen werden können. 
Da die venerischen Geschwüre ausserdem oft von einer ge¬ 
wissen Entzündungsgeschwulst begleitet sein können. hat 
man hei den Schankern auf dem Collum wenig Vortheil von 
diesem Symptom. Zuweilen wird man genüthigt sein müssen, 
die Diagnose in suspenso zu lassen, bis sich vielleicht andere 

wiesrne Factum, dass das Agens dos venerischen tJescliwürs, wenn es 
M!—ls Stunden einer Temperatur von '!7—'!>" ausgesetzt ist, seine 
Virulens verliert. 


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Ueber die sogen, dipktheroide Form des vener. Geschwürs. 


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Symptome von Syphilis zeigen. Wenn das venerische Geschwür 
nur schwach erhaben, wie in unserm zweiten Fall, ist, wird die 
Diagnose besonders schwierig sein gegenüber den gewöhnlichen 
Erosionen, wie man sie bei Endometritis von gonorrhoischer 
oder anderer Natur findet, besonders wenn der Schanker zu¬ 
weilen, wie in unserem Falle, mit einer solchen Affection zugleich 
auftritt. Hier spielt wieder die Farbe der Läsion eine Rolle. 
Die Erosionen haben in der Regel eine rothe Farbe, wogegen die 
Farbe des Schankers gelbroth, grauroth oder gelblich ist. Diese 
Farbe rührt von der anhaftenden diphthero’iden Pseudomembran, 
welche man nicht bei der Erosion findet, her. Man muss jedes 
Mal, wenn man auf einer Erosion auf dem Collum die be¬ 
schriebene Pseudomembran findet, an die Möglichkeit eines 
weichen Schankers denken. Geben die äusseren Schanker keine 
Sicherheit für die Diagnose, so muss man sich diese durch 
Inoculation verschaffen. Endlich könute man sich denken, dass 
der diphtheroide Schanker in seiner hyperplastischen Form, 
wie in unserem ersten Fall, einem Beobachter, welcher den¬ 
selben zum ersten Mal sieht, Veranlassung zur Verwechse¬ 
lung mit einem Epitheliom geben könnte. Eine Excision mit 
folgender mikroskopischer Untersuchung wird diese Diagnose 
bald ausschliessen. 

Die Behandlung muss dieselbe sein wie bei dem 
venerischen Geschwür im allgemeinen. Das von ErnestBesnier 
im Jahre 1867 in die Therapie dieser Krankheit eingeführte 
Jodoform feiert hier grosse Triumphe. In unserem ersten Falle 
war es überraschend zu sehen, welche Veränderung mit der 
Affection bei einer nur 3—4tägigen Jodoformbehandlung vor 
sich ging. Ausserdem muss man natürlich durch häufige 
Scheidendouchen für eine peinliche Reinlichkeit sorgen, um 
den Pat., soweit wie möglich, vor Antoinoculationen zu bewahren. 


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Ans dem Privatlaboratorinm des Herrn Docenten 
Sr. Ehrmann in Wien. 


Die Genese der paraurethralen Gänge, mit 
besonderer Rücksicht auf die gonorrhoi¬ 
sche Erkrankung derselben. 

Von 

Dr. Peter Röna, Wien. 

(Hierzu Taf. V u VI.) 


Touton’s Arbeit über „Folliculitis praeputialis et parau- 
rethralis gonorrhoica“ *) (1889) bat in Deutschland die Auf¬ 
merksamkeit auf dieses früher wenig beachtete Capitel gelenkt. 
Bei dem nicht geringen theoretischen und praktischen Interesse, 
das die Sache bietet, glaube ich durch neue Beiträge keine 
unnütze Arbeit gethan zu haben. Neben dem Versuch einer 
Erklärung für die Entstehung der paraurethralen Gänge, habe 
ich auch auf die histologische Untersuchung des gonorrhoisch 
erkrankten Gewebes besonderes Gewicht gelegt, und zu den, 
bis jetzt in der Literatur vorhandenen, mikroskopisch genauer 
untersuchten Fällen (Touton, Pick, Jadassohu, Fabry) 
noch vier eigene Untersuchungen hinzugeliigt, die dem ange¬ 
sammelten Material des Ambulatoriums des Herrn Doc. Dr. Ehr- 
mann entstammen. 

In der französischen Literatur findet man schon früher 
Angaben über abnorme Gänge und Oeffnungen an der Glans 
penis. Sie haben vielfach die unklare Vorstellung einer doppel- 


') Archiv f. Permat. u. Syph. 1SS9. I. 


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II b n a. 


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ten Uretlira erweckt. Jarjavay 1 ) sagt aber schon: „Cette 
duplicite de l'urethre n’est qu'une apparance. Le pretendu incat 
qui est le plus eleve, et quel'on pourrait prendre pour l'oritice 
d'un canal, n'est autre chose qu une gründe lacune, la lacune 
la plus anterieuro de celles qifon trouve sur la paroi 
superieure de 1'urethre.“ Ebenso äussert sich Guvon:-) „La 
duplicite de l’uretlire u'existe pas, sauf les cas de verge double; 
il s'agit ordinaireuient des canaux aceessoii dsüber deren 
Natur er aber nichts aussagt. Diese Art von Gängen halte ich 
nicht in den Kreis meiner Untersuchung gezogen, da sie sich 
schon genetisch von den hier behandelten unterscheiden. Während 
letztere entwicklungsgeschichtlich mit der Duldung der Urethra 
Zusammenhängen, beruhen die crsteren auf Anomalien in der 
Bildung der Corpora cavernosa. Die crsteren sind mit der 
Kpispadie, die letzteren mit der Hypospadie verwandt. 

Auf die paraurethrale Ulenorrhoe hat zuerst Diday a ) 
aufmerksam gemacht, indem er erwähnt, dass die Ulenorrhoe 
zuweilen auf die innerhalb Labien des Orificiums gelegenen 
„Schleimdrüsen“ oder blinde Einstülpungen der Harnröhre sich 
fortsetzt, und hebt gleichzeitig die zwei praktisch wichtigen 
Eolgen dieser Erkrankung hervor. Erstens, dass sie die Dauer 
der gonorrhoischen Erkrankung bedeutend verlängern können, 
und zweitens, dass sie einen Herd für eine neuerliche An¬ 
steckung (Autoreinfectio der neueren Autoren) abgehen können. 
Zu gleichem Resultate kommt auch Otis 4 ) nach der Analyse 
drei eigener Beobachtungen. „The lbregoing cases taken to- 
gether appear to me to warrant the inclusion of idllicular 
sinuses among the possibie causes of persistant urethral dis- 
charge." 

Oedmansson 5 ) theilte im Jahre 1 ss.j eine grössere 
Beihe von Untersuchungen über die „Urethritis externa“ 

*) Jarjavav. Do l’uretlire de rhomme. cit. 1 M*i I.ejars. 

2 ) Guvon. Vice de Confbrmation de l’uretlire. Paris. Dolahaye 1H>3. 

■’j I)iday. De la blennorrha^ie des follicules imupieux du me at 
de l’uretlire oliez rhomme. Gaz. hebd. de med. et de Hiir. 1><5 ij p. 27b. 

4 ) Otis. Strieture of tlic male uretlira; its radioal eure. ISh). 
2. Aull. p. 0. 

:, 1 Oedmansson. Xord. med. Ark. Stockholm. I. l^>b. IVlmrsetzt 
im Journal de medecine de Paris. 23 amit ISS5. 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


29 


(Guerin) mit. Von den accessorisehen Gängen beschreibt er 
erstens solche, die im Orificium Urethrae liegen. „Ils s’ouvrent 
d’ordinaire au voisinage de la commissure posterieure de 
l’urethre au bord meine de la levre de l’orifice, parfois plus 
auterieurement ou un peu plus en dehors de ce bord.“ Ausser¬ 
dem auch solche zwischen beiden Blättern des Präputiums: 
„Outre ces conduits il en existe aussi d’autres situes entre les 
deux couches de prepuce et s’ouvrant pres du frein.“ Er hält 
die Gänge für abgeschlossene, dilatirte Lymphgelasse; eine 
Annahme, die durch die späteren Untersuchungen hinfällig 
geworden ist. 

Hamonic 1 ) tlieilt die entzündeten Gänge als »Folliculi¬ 
tiden“ nach der verschiedenen Localisation folgendermassen ein. 

1. Folliculitis der Corona Glandis. (Balanofolliculite.) 

2. Folliculitis der Harnröhre. 

3. Folliculitis der Fossa navicularis. 

4. Follic. am Penistheil der Urethra (Urethro-Folliculite 

])enienne). 

5. Follicul. der Pars membratiacea et prostatica (Follic. 
posterieure). 

Jam in 2 ) beschreibt drei Fälle paraurethraler Gänge. Die 
abnormen Oelfnungen lagen da zweimal über der etwas nach 
unten verlagerten Urethralött’nuug; es bestand also in beiden 
Fällen eine leichte Hypospadie. Im dritten Falle lag sie in 
der mittleren Partie des linken Labiums 2—3 Mm. vom Rande 
entfernt. Von grosser Wichtigkeit ist seine Beobachtung, dass 
in jedem der untersuchten Fälle ein gewisser Grad von Deformität 
der Harnröhre und des Orifieiums der Urethra vorhanden war. 
„Les malades presentaient tous uu vice de conformation conge¬ 
nital et une largeur excessive du meat.“ Und weiter: j„Que 
conclure de la coexistence de ces petits pertuis, orifices de 
trajets fistuleux, avec un meat mal forme plus ou moins hypo- 
spadique, mais en tous cas trop large V Faut-il y voir un signe 
de congenitalite de la fistulette, laquelle ne serait plus alors 

*) Haraonic. De follieulit. blennorrhagique de l’liorume. Ann. med. 
ebir. franc. et Arang. 1885 cit. bei Touton. 

* J ) Jam in. Les fritules juxta-urethrales du meat comme cause de 
poreistance de la Blennorrhoe. Anal, des mal. des orig. urin. 188G. 


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R <> n a. 


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qu’un rudiment de l’urethre accessoire, trace d’un vice de 
developpement embryonnaire ?“ Auch J u 11 i e n ’) betont, dass 
man die Nebenöffnungen besonders in Fällen von Hypospadie 
oder besondere Weite der Urethra findet. 

Lejars 2 ) theilt die accessorischen Gänge nach ihrer 
Entstehungsweise in zwei Gruppen. In die erste gehören solche, 
die auf Ectopien des Rectums, der Canaliculi ejaculatorii, der 
prostatischen Gänge zurückzuführen sind; in die zweite, die auf 
eine besondere Art der Epispadie beruhen. Er stellt sich vor, 
dass durch eine incomplete Verwachsung der nach oben offenen 
Spalte der beiden Corpora cavernosa, und zwar nur am oberen 
und unteren Rande, ein länglicher Canal entsteht, der eben 
den accessorischen Gang darstellt. „Les bourgeons se sondent 
au niveau de la peau, il se sondent au niveau du eorps caver- 
neux, ils restent separes entre la peau et le corps caverneux; 
d’oü le canal sous-coutane.“ Diese Erklärung passt aber nur 
für die weiten Gänge am Dorsum Penis, die vom Sulcus coro- 
narius bis zur Symphyse reichen, und die ich nicht in den 
Bereich meiner Untersuchungen einbezogen habe. Lejars gibt 
auch die Abbildung eines solchen Falles. — In letzter Zeit 
hat Englisch 3 ) eine umfangreiche Untersuchung über ähnliche 
Fälle veröffentlicht. 

Ueber die Gänge im Präputium finden sich Angaben bei 
v. Dühring. 4 ) Entgegen der allgemein angenommenen An¬ 
schauung, nach welcher das Präputium sich als eine Hautfalte 
über die schon vorgebildete Eichel stülpt (Schweigger- 
Seydel, 4 ) behauptet v. D ühri n g, dass es sich aus einem von 
Apex glandis glockenartig sich einstülpenden Epithelzapfen her- 
ausdifferencirt. Während S c h we i gg e r- S ey d e 1 und 1> ö k a i - ’) 


')Jullien. Traite pratique des nmladios vönöriennes. Bailiiere 
Paris. 1886, p. 167. 

*) Lejars. Des canaux accessoires de l’urethre. Annal. de malad, 
des orig. urin. 1888. 

3 ) Englisch. lieber doppelte Harnröhre. Centralbl. für die Krank¬ 
heiten der Harn- u. Sexualorgane 1895. 

4 ) Schweigger-Seyde 1. Virchov’s Archiv. Bd. 37, p. 219. 

*) Bökai. Die Krankheiten der Urogenitalorgane des kindlichen 
Alters. Gerhardt’s Handbuch. 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


31 


eine spontane Lösung 1 ) der secundären Verwachsung der 
Vorhaut mit der Eichel annehmen, leugnet y. Dühring eine 
solche „epitheliale Verklebung“, und lässt den Präputialsack 
durch einen centralen Verhornungsprocess des Epithelzapfens 
entstehen. Dieser Anschauungsweise entsprechend, beschreibt er 
nun drei Arten epithelialer Einstülpungen. 

1. Cysternen des Frenulums und der angrenzenden Partien 
der Glans. 

2. Gruppirte Divertikel, an der Innenfläche des Präputiums, 
meist in einer mittleren Region des inneren Blattes, in der 
Nähe der Frenulum-Anheftung. 

3. Appendices des Präputialsackes; Nischen, die durch 
den unregelmässigen Ausfall der Hornschicht in der Epithel¬ 
leiste entstehen sollen. (Entsprechen den „Glandulis Tysonii“ 
im Sulcus coronarius.) 

v. Dühring zieht die Schleimhautgänge nicht in den 
Kreis seiner Beobachtung. Auch die Entstehung eines im Linibus 
ausmündenden, zwischen beiden Präputialblättern gelegenen 
Ganges findet auf der erwähnten Weise keine Erklärung. 

Die erste mikroskopische Untersuchung eines gonorrhoisch 
erkrankten paraurethralen Ganges verdanken wir Touton 
(1889). Der „intrafolliculär* d. h. in einem vorgebildeten 
Hohlraum gebildete Abscess lag an der Unterfläche des Präpu¬ 
tiums, und stellte sich als eine von der Epidermis ausgehende 
drüsenähnliche Einstülpung, mit geschichtetem Pflasterepithel 
ausgekleidet, dar. Touton fasst den Gang als eine abnorm 
gelagerte sogenannte Tyson s’sche Drüse auf. Bei einer späteren 
Publication 3 ) spricht sich Touton noch bestimmter für die 
drüsige Natur dieser Gänge aus. In diesem Falle lagen zwei 
Gänge an der Unterfläche des Penis rechts und links von der 
Raphe, und stellten ebenfalls schlauchförmige, von geschichtetem 
Pflasterepithel bekleidete Einsenkungen der Epidermis dar. 
Touton erklärt dieselben für Talgdrüsen, bei denen in Folge 


l ) Nur selten erfolgt die Lösung durch Eiterung. Mat tenheiraer. 
Ueber angeb. Anomalie der Genitalien. Journal f. Kinderheilkunde 1869. 
*) 1. c. 

5 ) Touton. Weitere Beiträge zur Lehre von den gonorrhoischen 
Erkrankungen der Talgdrüsen am l’enis. Berl. klin. Wochenschr. 1892. 


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R o n a. 


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der gonorrhoischen Erkrankung das secernirende Epithel ver¬ 
loren gegangen, und durch geschichtetes Epithel ersetzt ist. — 
Diese Erklärung reicht aber gewiss nicht für alle, an dem be¬ 
treffenden Orte häufig auffindbaren Gänge aus. Man findet sie 
bei Leuten, die nie an Gonorrhoe erkrankt waren, angeboren, 
und wo gar nichts für die drüsige Natur derselben spricht. 
Die Ansicht Jadassohn’s’) geht auch dahin, dass klinisch 
kein Anhaltspunkt dafür vorhanden sei, die Talgdrüsennatur der 
fraglichen Gebilde anzunehmen. Histologisch hat er auch nie 
irgend etwas gefunden, was die Touton’sche Ansicht bestätigt 
hätte. — Gleichzeitig weist er darauf hin. dass die Gänge 
mit entwickelungsgeschichtlichen Anomalien Zusammenhängen 
könnten. 

In einer früheren Arbeit *) theilt Jadassohn nach seinen 
Beobachtungen die paraurethraleu und präputialen Drüsengange 
in vier Abtheilungen ein. 1. Solche zwischen den Blättern des 
Präputiums; drüsengangartige Einsenkungen der Epidermis. 
2. Feine Gänge dicht neben dem Orif. urethrae, oder auf der 
Schleimhautseite der Labien; das ist das häufigste Yorkommniss. 
Die siud vorgebildete Gänge, die vielleicht einer abnorm ver¬ 
lagerten Ausinündung der in der l'rethra ant. mündenden 
Littre’sehen Drüsen entsprechen. 3. Gänge an der Unterlläche 
des Penis, neben der Baplie, seitlich und nach hinten vom 
Frenulum; von unbekannter Herkunft. 4. Weite Gänge am 
Dorsuin Penis vom Sulcus coronarius bis zur Symphyse reichend. 
Hierher gehört der Fall von Lejars. 

Ausserdem wären noch die Publicationen von Pick J ) 
und Fabry 4 ) anzuführen. Der letztere spricht sich auch für 
die Drüsennatur der Gänge aus. 


*) Jadassohn. Zur pathol. Anatomie und allg'-m. Pathologie des 
gonorrk. Processes. IV. dornuit. Congress 1894. 

2 ) Jadassohn. Ueher die Gonorrhoe der pars urethralen und 
präputialen Drüsengänge. Deutsehe med. Woehensehr. 1890, Nr. 25. 20. 

3 ) Pick, Feber einen Fall von Folliculit. )>räput. gonorrhoica. 
I. dermat. Congress 1889. 

4 ) Fabry. Zur Frage der Gonorrhoe des parsurethr. u. präputialen 
Gänge. Monatsk. f. prakt. Dermat. 1^91. 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


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Zum Schlüsse sei noch einer Eintheilung Erwähnung ge- 
than, welche C. Taruffi 1 ) gibt. 1. Aberirte Samengänge. 
2. Blindsackförmige Gänge. 3. Nebenharnröhren. 4. Abnorme 
Afterbildung unterhalb der Harnröhre (Anus penieu). 

Nach den im Ehrmann’schen Ambulatorium gemachten 
Beobachtungen, kommen abgesehen von den als sogenannte 
■doppelte Harnröhren bezeichneten Gängen am Dorsum Penis 
folgende, für die Blenorrhoe wichtige Gänge vor. 

1. Solche, die an den Bändern der Urethra, respective 
am Orif. Urethrae ausmünden; das sind Hohlgänge mit einer 
feinen punktförmigen Oeffnung theils in den Urethrallippen, 
fheils an der Frenularcommissur. Diese kommen auch bei 
normal entwickelter Ux-ethralmündung vor. 

2. Gänge bei Hypospadie. Die Hypospadie ist in dieser 
Iteihe von Fällen entweder der Art, dass von der an der 
Unterfläche des Penis hegenden Mündung der Urethra eine 
tiefe Furche bis zum Apex glaudis zieht, die Furche ist offenbar 
der nicht geschlossene vordere Theil der Urethralrinne und 
findet sich an der Stelle des hier fehlenden Frenulums. In zwei 
dieser Fällen, einer davon ist Tal. V, Fig. 1 abgebildet, sahen 
wir an beiden Rändern der Rinne und an ihren Seitenflächen 
eine grössere Anzahl, in dem einen Falle je 3, in dem anderen 
zusammen 8, parallel zur Urethra verlaufende, nach vorne 
mündende 2 Mm. bis 1 Cm. lange Gänge, in einem Falle 
blennorrhöisch erkrankt, im anderen nicht. Ein dritter, ähnli¬ 
cher Fall, der für die Genese der Gänge sehr lehrreich ist, 
wird weiter unten genauer beschrieben. In der anderen Reihe 
von Fällen mündet die Urethra durch eine kleine Oeffnung. 
vor welcher unter Umständen statt der Rinne eine dünne Mem¬ 
bran vorgelagert ist; da befindet sich die Mündung meist noch 
hinter dem Ende der Corona glandis, also hinter der Stelle, 
wo sich sonst das Freuulum befindet. In diesen Fällen ist 
häufig auf dem Apex glandis ein kürzerer oder längerer Blind¬ 
sack, der offenbar die Anlage der normalen Urethralmündung 

*) Cesare Taruffi. Sur les cauaux abnorineaux de laVerge. Bull- 
delle sc. med. die Bologna. Maggio. Ref. im Anual. des malad, des org. 
mrin. 1891, p. 817. 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Baud XXXIX. 3 


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R ö n a. 


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bezeichnet. Da ist die Anlage der Urethralmiindung und die 
Anlage der Urethra nicht zusammengetroffen, wie wenn etwa 
beim Tunnelbohren die Achsen der Bohrhöhlen einander nicht 
treffen. Die Entfernung der beiden Mündungen, der wirklichen 
und der bloss angelegten beträgt meist nicht mehr als einen 
Centimeter. — Zwischen beiden Gruppen liegen die Fälle, bei 
welchen die wirkliche und die als Rinne angelegte Harnröhren¬ 
mündung nur durch eine dünne Ilautfalte von einander getrennt 
sind, die man nur durchtrennen muss, um beide zu vereinigen. 
In einem solchen Falle habe ich nach Durchtrennung der Falte, 
welche zu dem Zwecke vorgenommen wurde, um die zu enge 
Urethralöffnung zu erweitern, an der oberen Urethral wand, 
unmittelbar in das hypospadeisehc Orificium mündend, eine feine 
Oeffnung gefunden, durch welche mit einer feinen Sonde ein 
6 Mm. langer, parallel zur Harnröhre verlaufender Gang son- 
dirt werden konnte. 

Bei genauer Untersuchung der Ilypospadeischen stellt es 
sich heraus, dass bei einer grossen Anzahl von ihnen, in dem 
rinnenförmig offen gebliebenen vorderen Theil der Harnröhre, 
ein mehr oder minder tiefer oder wenigstens trichterförmig 
angedeuteter Hohlgang zu finden ist. Ja man kann sagen, 
dass in der Mehrzahl der Fälle sich ein, selbst zwei kurze 
nabel- oder trichterförmige Einziehungen in der Rinne, die eine 
auf der Seite der wirklichen, die andere auf der Seite der 
als Rinne angelegten Harnröhrer.mündung befinden. — Fig. 3, 
Taf. VI. 

3. Die präputialen I’araurethralgiinge. Es sind dies die be¬ 
kanntlich von Touton und Pick anatomisch untersuchten, an 
Blennorrhoe häufig erkrankenden Gänge im Rimbns Praeputii; 
die genauere Beschreibung eines solchen Falles folgt weiter 
unten. 

4. Priiputiale Hautgänge. Es sind jene Gänge, die an der 
Innenfläche des Präputiums münden, die wir nie blenorrhoisch er¬ 
krankt sahen, und aus denen häufig eine sehumähnliche Masse, bei 
Entzündungen (Balanitis) eine seröse Flüssigkeit ausgedrückt 
werden kann; sie sind nicht zu verwechseln mit den ihnen sonst 
verwandten Gängen, welche oft rechts und links vom Frenulum sich 
finden und nichts anderes als vertiefte Freuularnischen sind, die 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


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dadurch zustande kamen, dass das innere Blatt des Präputiums 
mehr an die Corona glandis herangezogen ist als de normu; 
die ersteren kommen auch an anderen Stellen als wirkliche Aus¬ 
buchtungen des Präputialsackes, die blindsackförmig sind, mit 
einer schmalen Oeffnung in den Präputialraum einmünden und 
Talgdrüsenausführungsgänge in sich aufnehmen, vor (siehe unten ). 
Sie erkranken nie an Blennorrhoe. 

5. Paraurethrale Gänge im Freuularkörper selbst, welche 
an der Unterfläche des Penis liegen und nicht in’s Oriticum 
urethrae münden; sie können blennorhoisch erkranken. Sie 
gehören in eine Kategorie mit den Folgenden. 

6. Paraurethrale Gänge an der Unterfläche des Penis in 
der Raphe oder schräg über dieselbe verlaufend, wie bei dem 
von Touton beschriebenen Falle, die ebenfalls bleunorrhoisch 
erkranken könnten. 

Ich hatte Gelegenheit fünf paraurethrale Gänge histo¬ 
logisch zu untersuchen. Darunter waren vier gonorrhoisch 
inficirt. 

Fall I gehört der unter 3. angeführten Gruppe an; er betraf 
einen Patienten, der schon wiederholt an Blennorrhoe erkrankt 
war. Er hat z. Z. ein stark gonococcenhaltiges Secret. Im Limbus 
Präputii zwischen beiden Blättern befindet sich ein 1 Ctm. 
langer, durch die äussere Lamelle fühlbarer bindfadendicker 
Strang, der am Rande der Vorhaut ausmündet, daselbst ca. 1 Ctm. 
vom Frenulum eutfernt. Der Gang wurde in toto excidirt, in 
Alkohol gehärtet. Zur Färbung der Schnitte benutzte ich Sah 1 i's 
Boraxmethylenblaulösung, woriö dieselben 5—10 Minuten blieben, 
mit nachfolgender Entfärbung in schwach mit Essigsäure an¬ 
gesäuertem Wasser und absolutem Alkohol. Oder es geschah 
die Entfärbung nur in Alkohol. Ausserdem ist eine Schnittreihe 
nach Unna’s Vorschrift auf Plasmazellen gefärbt worden, in 
polychromen Methylenblau mit nachheriger Entfärbung in 
Glycerinäther. Dieselben Methoden sind auch bei den anderen 
Gängen angewendet worden. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab Folgendes. Die 
Epidermis der Präputialhaut setzt sich continuirlich in die 
Epithelbedeckung des Ganges fort, verliert aber sehr bald den 
Epidermischarakter; die Hornschicht hört auf, die Papillen 

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werden niedriger, bis sie endlich ganz fehlen; die Zellen, auch 
die basalen sind grösser, sueculenter, namentlich in der Stachel¬ 
zellenschicht. 

Der Gang verlauft leicht gebogen, so dass er in einzelnen 
Schnitten zweimal getroffen wurde. Reste von Drüsen oder 
Drüsenmündungen sind nirgends zu sehen. Die Auskleidung 
des Ganges bildet auch in der Tiefe ein mehrschichtiges Pflaster¬ 
epithel, dessen oberflächlichste Reihe von einer dichten Schichte 
von Eiterkörperchen bedeckt wird. Dieselben liegen theils rasen¬ 
förmig auf und in den sehr grossen Epithelzellen, theils in Einbuch¬ 
tungen der Zellen, wie in einer Nische. In allen Schichten sind 
die weiten Intercellularräume von polvnucleären Leukocvten 
dicht erfüllt, die Epithelzellen stellenweise auseinandergedrängt, 
hier und da desquamirt. 

Die den Gang umgebende dichte Infiltration des Rinde¬ 
gewebes besteht fast ausschliesslich aus V n n a's Plasmazellen, 
welche auch um die erweiterten Capillaren an vielen Stellen 
herdweise Anhäufungen bilden, gewöhnlich so, dass sie nicht 
der Capillarwand unmittelbar anliegen, sondern durch einigt* 
Bindegewebsfasern, oder von einigen kleinen mononucleären 
Leukocyten von derselben getrennt sind. Im infiltrirten Gewebe 
sieht man auch viele Mastzellen. Reste von Talgdrüsen oder 
Spuren derselben, die in den Gang eingemündet hätten, sind 
nirgends vorhanden. Gonococeen fand ich am reichlichsten in 
den oberflächlichen Lagen des Epithels, wo sie auf den Epithel¬ 
zellen oder in den Intercellularräumeu frei liegen. In den Eiter¬ 
zellen eingeschlossen sah man sie nur in den seltensten Eallen. 
Ausserdem waren spärliche Gonococeen auch in den tieferen 
Epithelschichten und den oberflächlichsten Rindegewebslagen 
vorhanden, wohin sie wahrscheinlich durch Spalten im Epithel 
gelangt sind ; hier lagen sie auch extracellulär. 

Fall II. Derselbe gehört in die suhl» angeführte Gruppe. 
Der Gang liegt an der Enterfläche des Penis. Es handelt sich 
um einen Mann, der seit zwei Wochen eine leichte Secretion aus 
der l rethra hat. in welcher spärlich Gonococeen nachgewiesen 
werden. Früher war er nie an Gonorrhoe erkrankt. An der 
Luterfläche des Penis befindet sich ein 2 Ctm. langer, schräg 
über die Mitellinic verlaufender Gang, etwa 2'„ Ctm. von der 


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Die Genese der parauretbraleu Gänge. 

Glans entfernt, aus welchem ebenfalls trübes, gouocoeceuhaltiges 
Secret ausdrückbar ist An Längsschnitten sieht man, wie die 
Epidermis in das Epithel des Ganges übergeht, um gleich den 
Schleimhautcharakter anzunehmen. Es ist ein geschichtetes 
Pflasterepithel von fünf bis sechs Lagen, dessen weite Inter¬ 
cellularräume von zahlreichen mononucleäreu und relativ weni¬ 
ger polynucleären Zellen durchsetzt sind. Im Epithel Anden 
sich auch typische Mastzellen. Eine ungemein dichte Inflltration 
scbliesst sich eng an die epitheliale Bedeckung an, welche 
im Gegensatz zu dem früheren Falle nur aus kleinen mono- 
nucleären Leukocyten besteht, und nicht nur den ganzen Ver¬ 
lauf des Ganges begleitet, sondern als collaterale Entzündung 
sich auch darüber hinaus erstreckt. Auch hier sind sehr viele 
Mastzellen im Bindegewebe. Der Gonococcenbefund ist hier, 
wie im ersten Falle: die meisten ßndet man in den oberfläch¬ 
lichen Schichten, hier und da eine Epithelzelle vasenförmig 
bedeckend, in den tieferen Epithel- und oberflächlichen Binde- 
gewebsschichten nur sehr spärliche, freiliegende Gouococcen- 
paare. Im Bereiche der collateralen Entzündung konnte ich 
keine Gonococcen aufflnden. Hieher gehört auch: 

Fall III ; er betrifft einen Hohlgang von 2 Ctm. Länge, der 
genau in der Raphe penis unmittelbar vor dem Angulus peno- 
serotalis liegend, erst beachtet wurde, als er durch einen 
enge anliegenden Verband gerieben sich entzündete. Es wurde 
nämlich bei dem Patienten, der eine chronische Blennorrhoe 
hatte, eine kleine Balggeschwulst an der oberen Fläche des Penis 
exstirpirt. Der Verband, der deswegen angelegt wurde, führte 
zu der Entdeckung des Ganges, es zeigte sich die Raphe 
durch das Reiben von Seite des Verbandes geschwellt, ge- 
röthet und in derselben ein kleiner Punkt, aus dem eine 
seröse Flüssigkeit sich entleerte, die keine Gonococcen enthielt. 
Das Epithel des Ganges, ebenfalls frei von Gonococcen, war 
ein Schleimhautepithel, es war keine Spur von Talgdrüsen vor¬ 
handen. Der Kranke, ein sehr intelligenter Mann (Buchhalter), 
gibt auch genau an, dass er nie vorher eine Entzündung oder 
Secretion an dieser Stelle bemerkt hat, w r as umso mehr in's 
Gewicht fällt, als er uns selbst auf den Gang aufmerksam 
machte. 


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Fall IV. Eine blindsaekförmig angelegte Urethral¬ 
mündung bei einem Manne, der schon wiederholt Gonor¬ 
rhoe gehabt hat. Zur Zeit ist ein reichlich Gonococcen ent¬ 
haltender Ausfluss aus der Urethra vorhanden. Die wirkliche 
Urethralmündung nach unten verlagert, an der Stelle, wo nor¬ 
maler Weise der vordere Theil des Frenulum sich befindet; es 
besteht also ein leichter Grad von Hypospadie. Am Apex 
Glandis, an Stelle der normalen UrethralötFnung ist ein 3 Mm. 
tiefer Blindsack vorhanden, aus welchem ebenfalls ein Gono¬ 
coccen enthaltendes Secret ausdrückbar ist; dieser wurde mit 
einem flachen Schnitt excidirt und die Hautfalte, welche ihn 
von der Harnröhre trennte, durchschnitten. Es wurde dann die 
Mündung, des bereits oben erwähnten Hohlganges an der dor¬ 
salen Wand der Urethra sichtbar. Geschichtetes Pflasterepithel, 
dessen einzelne Zellen auch hier durch weite, von mono- und 
polvnucleären Eeukoeyten erfüllte Intcrcellullirräume von 
einander getrennt sind, kleidet den Gang aus. Wahrscheinlich 
dem Zerfall des Protoplasmas entsprechend, findet man sowohl 
die Epithelzellen als auch die Bäume zwischen denselben von 
unregelmässigen, ungleich grossen Körnern, Klümpchen und 
Protoplasmaschollen begrenzt und bedeckt; es war ein ähn¬ 
liches Bild, wie es Ehr mann 1 ) an den vergrösserten Zellen 
des Stratum spinosum der breiten Condylome gefunden hat. 
Eine Verwechslung dieser Körner, mit den gleichmässig grossen, 
paarweise angeordneten und stärker gefärbten Gonococcen, die 
auch in diesem Präparate nicht nur in der Epithellage, sondern 
auch in den oberflächlichsten Bindegewehsschichten zu finden 
waren, ist ausgeschlossen. Die Infiltration wird in diesem, wie 
im ersten Falle, wiederum fast ausschliesslich aus Plasmazellen 
gebildet, auch das Verhalten um die erweiterten Capillaren ist 
ein ähnliches. Mastzellen sind ebenfalls in grosser Zahl im 
Bindegewebe vorhanden. 

In dieser Schnittreihe begegnete ich zum ersten Male 
einer Zellform, deren Jadassohn schon Erwähnung timt.*) 
Er beschreibt dieselbe als „unregelmässige, 1‘idige. bald sehr 

') Ebrniann. Verhandlungen der Wiener denn. tie>ellschaft. 1 SfM;. 

*) Jadassohn. Zur pathnl. Anatomie und allgvmeiin.n Pathologie 
des gotiorrh. Prozesses. IV. denn. Congres*. 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


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langgezogene, bald au Bindegewebsspindelkerne erinnernde 
Gebilde“. Diese Beschreibung entspricht vollkommen den von 
mir beobachteten Bildern. In sehr dichter Aneinanderlagerung 
fand ich sie am Rande des Infiltrates; sie sind aber auch in¬ 
mitten der entzündlichen Zellanhäufung zu sehen, und greifen 
über die Epithelgrenze auch in die Epithelschichte hinein. Ich 
möchte mich, nach den von mir beobachteten Bildern, mehr 
der Ansicht hinneigen, dass die fraglichen Zellen veränderte 
Wanderzellen resp. Leukocyten sind, da ich vielfach Ueber- 
gänge von langgezogenen dünnen, zu kurzen breiteren, und 
ganz kurzen deutlich den Charakter der Leukocyten tragenden 
Zellen gesehen habe. 

Fall V. Derselbe zeigt einen ähnlichen Blindsack, wie 
der eben beschriebene. Der Fall, den ich der Güte des Herrn 
Prof. Lang verdanke, hatte früher nie an Gonorrhoe gelitten. 
Seit sechs Tagen bemerkt er ein Brennen in der Harnröhre und 
heftigen Harndrang. Der eitrige Ausfluss enthält zahlreiche 
Gonococcen. Hier besteht ebenfalls ein leichter Grad von Hy¬ 
pospadie; an Stelle der normalen Harnröhrenöffnung ist ein 
ca. 5 Mm. langer blind endigender Gang vorhanden, aus 
welchem auch ein reichlich Gonococcen enthaltendes Secret 
ausdrückbar ist. Der Gang wurde excidirt und mir zur 
mikroskopischen Untersuchung überlassen. Das Resultat der 
Untersuchung war Folgendes. Das, die Bekleidung des Ganges 
bildende, geschichtete Pflasterepithel ist vielfach zerklüftet, 
desquamirt, stellenweise fehlend, sodass das Bindegewebe von 
der schützenden Decke entblöst, freiliegt. Zum Theile sind 
diese Verhältnisse wohl auf mechanische Insulte, durch die 
der Operation vorausgegaugene Sondirung, zurückzuführen. 
Das Epithel ist reichlich durchsetzt von mono- und polynue- 
leären Leukocyten. Die Infiltration ist mässig dicht, und 
besteht ebenfalls aus mono- und polynucleären Leukocyten; 
die Plasmazellen fehlen ganz. Die zahlreichen Mastzellen 
sind von einer ganz besonderen Grösse, die den Zelleib 
ausfüllende Granula sehr grob, und finden sich scheinbar 
auch ausserhalb des Protoplasmas, als wären sie aus dem¬ 
selben herausgefallen. Die Bindegewebszellen sind ebenfalls 
vergrössert, wie aufgetrieben, mit grossen runden oder ovalen 


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Kernen. In den dem Lumen zunächst liegenden Seliieliten des 
Epithels sind die Gonoeoceen am reiehliehsten zu finden, mei¬ 
stens freiliegend. Die tieferen Seliieliten und die obertlächliche 
Dindegewebslage sind aber aueh nicht frei von denselben, in 
letzter sind es namentlich die vom Epithel entblößten Stellen, 
wo man sie reichlicher findet. 

Fall VI. Der fünfte von mir mikroskopisch untersuchte 
Gang gehört der sub 4 angeführten Kategorie an und war nicht 
gonorrhoisch inticirt. Der Kranke hat vor 3 Jahren eine mehrere 
Monate dauernde Blennorrhoe mit Epididvmitis durchgemacht, 
die ebenfalls im Elirm an n’schen Ambulatorium behandelt wurde. 
Das Vorhandensein des Ganges wurde schon damals constatirt. 
Zur Zeit der Excision besteht keine Gonorrhoe, keinerlei Ausfluß 
aus der Harnröhre. An der Innenfläche des Präputiums links oben 
ca. 3 Ctm von der Krenularnisehe entfernt befindet sich eine 
2 Mm. breite, schleienmaulähnliche, beim Zurückziehen des Prä¬ 
putiums klaffende Mündung, aus welcher manchmal tliissiges 
Sccret, manchmal eine etwas trübe, schmierige, dickliche Masse 
ausdriiekbar ist. Das mikroskopische Bild des exeidirten Gan¬ 
ges ist ein von den vorhergehenden toto coelo verschiedenes. 
Die Haut setzt sich, ohne ihren Charakter zu verlieren und 
zur Schleimhaut zu werden, durch den ganzen Gang, bis an 
das blinde Ende desselben, welches von der Mündung 4 Mm. 
entfernt ist, fort. Die Ilornschieht überzieht denselben in wech¬ 
selnder Dicke auch in der Tiefe der Einbuchtung und fehlt 
nur an einzelnen Stellen. Während in den vier vorher¬ 
beschriebenen Fällen nirgends Talgdrüsen, noch Spuren oder 
Reste derselben, die auf eine früher bestandene Einmündung 
von drüsigen Anhängen hindeuten würden, vorhanden waren, 
münden hier im Verlaufe des ganzen Ganges zahlreiche kleine 
Talgdrüsen in das Lumen, so dass das Bild eine grosse Aehn- 
lichkeit mit dem der Meibom’sehen Drüsen des Augenlids 
erhält. Nach alledem möchte ich diesen Gang als Haut- 
gang, den vorhergehenden als S eh le i m hau t gä n g eu 
gegenüber stellen. Die epitheliale Bekleidung umgab eine 
aus kleinen mononudeären Lenkoevten bestehende Infil¬ 
tration. Plasmazellen fehlen im Entzündungsherd. Die Ent¬ 
zündung ist hier offenbar auf eine, auf den Gang sich fort- 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


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setzende Balanitis zurückzuführen. Im hohen Grade bemerkens- 
werth ist, dass trotzdem hier reichlich Gelegenheit zu einer 
gonorrhoischen Infection des Ganges vorhanden war, denn die 
Mündung klaffte ja bei der Zurückziehung des Präputiums, und 
der Kranke hatte eine langdauernde Blennorrhoe, doch von einer 
Infection zu keiner Zeit, (der Patient stellte sich wegen einer 
gleichzeitig vorhandenen Lues wiederholt im Ambulatorium vor) 
etwas zu merken war. Auch die deutlich wahrnehmbare Ent¬ 
zündung, welche doch eine gewisse Lockerung des Epithels 
bewirkte, war nicht im Stande, einen günstigen Boden für die 
Infection zu bereiten. 

Vor der zusammenhängenden Analyse der bis jetzt be¬ 
schriebenen Fälle, möchte ich noch eine klinische Beobachtung 
aus der Privatpraxis des Herrn Docenten Dr. Ehr mann, der 
die Bekanntmachung derselben mir ebenfalls giitigst überliess. 
mittheilen. Sie trägt wesentlich für das Verständuiss der 
Natur dieser Gänge bei. 

Fall VII. Taf. VI, Fig. 4. Dieser Fall — mikroskopisch 
nicht untersucht — betrifft einen seit Jahren an chronischer 
Blennorrhoe leidenden, mit Hypospadie behafteten Patienten, 
bei welchem folgende anatomische Verhältnisse vorliegen. Die 
wirkliche Urethralmündung befindet sich an der Unterfläche 
der Glans, dort, wo sonst der vordere Theil des Frenulums liegt, 
hinter der Mündung ist die Urethralwand membi’anös. Die 
Raphe Penis spaltet sich etwa 1 Ctm. hinter der Oeffnung 
gabelig in zwei Aeste, welche den membranüsen perforirten 
Endtheil der unteren Harnröhrenwand zwischen sich fassen 
und dann anderseits gegen den Sulcus coronarius hinziehen und 
allmälig in die Präputialreste übergehen; dort, wo der linke 
Ast an. den Sulcus coronarius stösst, ist ein 4—5 Mm. langer, 
in die Haut führender Gang, der etwa in der Richtung 
des Astes parallel zur Hautoberfläche verläuft, und aus 
welchem ein Eitertroplen sich entleert. Das Präputium fehlt 
an der Unterfläche ganz, so da~s nur der dorsale und laterale 
Theil desselben entwickelt ist und in 2 flügelförmige Lappen endigt, 
in welche eben die Aeste der gabeligen Raphe sich verlieren. 
(Taf.VI, Fig. 4).Wir haben es hier demnach mit einem paraurethralcn 
Gang zu thun, der anstatt im Frenulum in einem Aste der 


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Raplie Penis liegt, dort wo diese in einen Wulst übergeht, der 
das unvollständig entwickelte Präputium darstellt. 

Wenn man die häufige Reobaehtung. 1 ) dass diese parau¬ 
rethralen Gänge mit anderen Fntwickelungsanomalien der 
Urethra Zusammenhängen, ins Auge fasst, so wird man natur- 
gemäss zu der Anschauung gedrängt, dass dieselben auch einer 
embryonalen Störung ihre Entstehung verdanken. Hie Tliat- 
sache, dass die Gänge meistentheils nachweislich angeboren 
sind, spricht schon dafür. ') 

Die Erklärung dieser Bildungen ist offenbar durch die 
Art der Urethralbildung gegeben. Die Urethra wird be¬ 
kanntlich als eine nach unten offene, vor der Uloake bis an die 
Untertläche des Genital-Stiickes verlaufende Pinne angelegt, 
welche sich im 4. Monate schliesst und so die Harnröhre 
bildet. Als Zeichen dieses Verschlusses bleibt äusserlich sicht¬ 
bar die Raplie Perinei, Scroti et Penis und das Frenulum, 
resp. das Septum des Bulbus Urethra«. In einzelnen Fällen 
reicht der Verschluss nur bis zum Frenulum. die Gegend, wo 
sonst das Frenulum ist, bleibt als offene Pinne zurück, und 
in zwei Fällen der Ehr m an n’schen Ambulanz, haben wir in 
den Seitenflächen der Rinne selbst und dort, wo die Schleimhaut 
in die äussere Bedeckung des Penis übergeht, eine Reihe von 
llolilgängen beobachtet, die parallel zur Achse des Penis 
verlaufen. Fig. 1, Taf. V. Diese Ilohlgänge waren in beiden Fällen 
angeboren, bei dem einen gonorrhoisch inlieirt und sind 
zweifellos Schleimhautgänge, auch die Partie, auf der sie sich 
befinden, trägt den Charakter der Schleimhaut in Bezug auf 
Zartheit, Durchsichtigkeit des Epithels und in Bezug auf die 
in der Harnröhrenschleimhaut sehr deutlich vorspringenden 
Venen. Bei der mikroskopischen Untersuchung eines dieser 
(hinge, der excidirt wurde, war keine Spur von Talgdrüsen 

') Ausser den schon früher erwähnten Autoren betont neuerer Zeit 
auch Feleki ijtie Urethritis externa des Mannes, fester nied. Chirurg. 
Presse p. oo‘J.) dass in allen drei, von ihm untersuchten Fällen, 

der Penis auch anderweitige liildungsanomalien darhüt. Man hat als 
solche ausser der Hypospadie, eine abnorme Weite oder Fuge dos Harn- 
rohrencanals, eine gewisse Diformität der Ilarnrölirenmündung indem 
dieselbe weit oder horizontal gestellt, I förmig etc. ist, be.uhriobon. 


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Die Genese der pnrauretliraleu Gänge. 


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oder deren Mündungen bemerkbar. Denken wir uns nun, dass 
die Urethralrinne sich in diesen Fällen auch im Frenulartheil 
geschlossen hätte, so wären die an ihren Seitenwänden verlaufenden 
Hohlgänge genau in die Lippen der Urethra gekommen, wie wir 
die paraurethralen Gänge gewöhnlich vorfinden. Der Bildungs- 
modus der Gänge selbst wird aber auch aus unseren Fällen 
klar. Einzelne von diesen Gängen öffneten sich nämlich in 
seeundäre Längsfalten der Schleimhaut, so dass die einen 
die Verlängerung der anderen sind, wodurch es klar wird, 
dass die Gänge durch Verwachsung der Ränder von secun- 
däreu Längsfalten der Urethralrinne entstanden sind, die in 
einzelnen Fällen total, in anderen nur zum Theile erfolgt ist. 
Wir müssen mithin annehmen, dass auch die, bei nicht hy- 
pospadeischen Individuen gefundenen, in der Harnröhrenmün¬ 
dung gelagerten Hohlgänge auf dieser Weise im embryonalen 
Leben entstanden sind. Eine scheinbare Schwierigkeit ergibt 
sich nur bei der Erklärung der präputialen Gänge, d. h. der¬ 
jenigen, die zwischen beiden Blättern des Präputiums laufen, 
aber auch diese ist durch die genaue Beobachtung der Bildungs¬ 
anomalien zu lösen. Es ist der letzte mitgetheilte Fall VI, Fig. 2, 
Taf. V, der die Eutsteliungsweise der präputialen Gänge beleuchtet. 
W'ir sehen da die Raphe in zwei Aeste auseinaudergewicheu, 
die mit den zusammenstossenden Rändern der Corona Glaudis 
einen Rhombus einscliliesst, dessen mediane Diagonale in der 
Richtung der ungetheilten Raphe liegt, dessen quere Diagonale 
die Richtung andeutet, in der das Präputium sich hätte ent¬ 
wickeln sollen; denn von den Enden dieser Diagonale zieht 
sich jederseits ein Wulst zur den Resten des Präputiums. Der 
rhomboidale Raum ist eingenommen von der membrauös ge¬ 
bliebenen unteren Wand der Urethra. Die dünne Beschaffen¬ 
heit derselben rührt offenbar daher, dass die beiden Ränder 
der embryonalen Urethralrinne an ihren dem Orificium nahen 
Enden erst sehr spät und nicht fest genug verwachsen waren, 
zu einer Zeit, wo die Corpora cavernosa schon entwickelt waren, 
und in weiterem Verlaufe der Entwickelung, vielleicht durch 
den Blutdruck im Corpus cavernosum sind sie auseinander¬ 
gewichen, so dass sie nur durch eine Membran zusammen 
hängen. Wohl daher rührt auch die scheinbare Gabelung der 


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Raphe Penis in zwei Aeste. Es handelt sich also hier um eine 
unvollständig entwickelte Hypospadie, bei welcher aber die Bil¬ 
dung des Präputiums an der Unteriläche unterblieb, was bei 
Hypospadie sehr häutig ist. Das Präputium ist nur durch 
niedrige Wülste angedeutet, welche von den Enden der gega¬ 
belten Raplie ziehend in flügelförmig entwickelte Seitentheile 
der Vorhaut übergehen. An der Uebergangstello des linken 
Rapheastes in der Präputialwulst befindet sich ein Ilohlgang, 
der in der Richtung des Rapheastes zieht. Man kann sich nun 
zweierlei vorstellen. Beim festen Zusammenwachsen der Rinnen¬ 
ränder zu einem Frenulum wäre dieser Gang entweder ins 
Frenulum zu liegen gekommen, und wäre ein im Erenulum lie¬ 
gender (frenularer) paraurethraler Gang geworden, oder der 
niedrige Präputialwulst, an dessen medianem Ende er liegt, 
hätte sich weiter emporgehoben, dann wäre er in den Limbus 
des Präputiums zu liegen gekommen und von der Harn¬ 
röhre weit weg abgehoben werden; er wäre also von der Fre- 
nulargegend in den Präputialrand gelangt, mit dem er nach 
Lösung des inneren Präputialhlattes fürs ganze Lehen ver¬ 
schiebbar gebliehen wäre. 

Nach der Lage des Ganges liegt es ja — wenn mau das 
Vorhergesagte berücksichtigt — sehr nahe anzunehmen, dass der 
Gang ursprünglich eine Falte der nach unten otfenen Frethral- 
rinne war, und zwar am Rande der letzteren, dort wo diese 
in die äussere Bedeckung des Genitalhiigels übergeht. Die 
Falte schloss sich zu einem Gange, noch bevor die Frethral- 
rinne selbst sich vollständig schloss. Es hängt nur von der 
Lage diese Falte zur Verlöthungsstelle der Lrethralrinnc ab, ob 
der aus der Falte entstandene Gang in das Frenulum zu liegen 
kommt und in das Orificium mündet, oder neben das Frenulum 
zu liegen kommt und frei auf der Haut ausmündet. Der 
Vorgang ist schematisch folgendermassen darzustellen: In der 
Entwicklungsreihe I, II, III der nebenstehenden Fig. 1 entsteht 
die Falte an der Stelle der zukünftigen Verlöthung seihst und 
deshalb kommt der Hohlgang in’s Frenulum zu liegen, in der 
Reihe Ia, Ha, lila ist die Falte nach auswärts, ausser dem 
Bereiche der Verlöthungsstelle entstanden und deshalb kommt 
der Hohlgang nicht ins Bereich des Frenulum, sondern rechts 


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Die Genese der paraurethralen Gänge. 


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oder links von demselben in die Haut zu liegen, wie Fig. 2, 
Taf. V. Auf ähnliche Weise ist die Entstehung der zuerst von 
Touton an der Unterfläche des Penis im Bereiche der Baphe 
Vorgefundenen Hohlgänge zu erklären. Im Ehrmann’schen 
Ambulatorium wurden hei zwei Pallen derartige Gänge beob¬ 
achtet. Der eine (Fall II) lag schräg, der andere lag genau in 
der Raphe Penis an der Uebergangsstelle ins Scrotum. Fig. 4, 


/ Ia 



Schema der Entwickelung eines paraurethralen Ganges aus einer 
Hohlfalte der Urethralrinne im Querschnitt. 

O Genitalhügel. U Urethralrinne resp. Urethralkanal, h Hohlfalte 
resp. Hohlgang. In I, II, III kommt die Rinne ins Frenulum F, 
bei Ia Ha III ausserhalb desselben zu liegen. 

Taf. VI. Der Gang wurde erst entdeckt, als man wegen 
Exstirpation einer kleinen Balggeschwulst aus der Penishaut 
einen Verband anlegte, der den Gang rieb, so dass er an¬ 
schwoll und eine seröse Flüssigkeit absonderte, in der 


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R «'• n a. 


keine Gonoeoccen vorhanden waren. Der Gang war ca. 2 Ctm. 
lang, mündete vorne, rückwärts endigte er vor dem Angulus peno- 
scrotalis blind. Er zeigte auch auf mikroskopischen Durch¬ 
schnitten ein Schleimhautepithel ohne Spur von Horn¬ 
schichte, ohne Spur von Talgdrüsen. Da es ein echter Schleim¬ 
hautgang ist, so ist seine Entstehung so zu erklären, wie die der 
Frenularengänge. Wie aber der aus der Urethra entstandene 
Gang in die Haut zu liegen kommt, zeigt eine einfache Be¬ 
trachtung über die Art und Weise, wie die Raphe penis ent¬ 
standen ist. Ehr mann hat hierauf bereits 1886 (Wr. Medic. 
Presse) hingewiesen. Wenn die Urethralrinne des Foetus sich ge¬ 
schlossen hat, so wachsen durch die Verlöthungsstelle von 
rechts nach links die Geflechte des Corpus cavemosura 
urethrae hindurch, dies unterbleibt soweit die Pars pendula 



7 * 

n 



Fig. 2. 

Schema um das Abdrängen des Hohlganges von der Urethra durch 
das Zusammenwachsen des Corpus cavernosum Urethrae zu erklären. 
H Haut, h Hohlgang. U Urethra. Cu Corpus cavorn. urethrae. 


urethrae in Betracht kommt nur an zwei Stellen, nämlich dort 
wo das Frenulum und dort wo das Septum bulbi entsteht. 
An diesen Orten ist die Haut durch ein straffes Bindegewebe 
direct mit der Harnröhre verbunden; an allen anderen 
Orten wird die Haut durch das sich entwickelnde Corpus ca¬ 
vernosum urethrae von der Harnröhre abgedrängt und es bleibt 


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Die Genese der parauretbralen Gange. 


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als Ausdruck der Verwachsung der Urethralriune nur ein Hautwulst 
sichtbar: die Rap he. Durch das Corpus cavernosum urethrae 
kann aber auch ein in oder neben der Verlöthungsstelle der 
Urethra gebildeter Hohlgang von der Schleimhaut in die Haut 
gedrängt werden, wie nebenstehendes Schema zeigt. Fig. 2 des 
Textes. 

So wie aber durch ungleichmässiges Wachsthum der Haut 
die Raphe penis selbst ihre mediaue Lage verlieren kann, 
häufig sogar zu einer Zickzacklinie verzerrt wird, ebenso kann 
auch der in die Haut gelangte Hohlgang in eine zur Mittel¬ 
linie schräge Lage kommen, wie sie der Fall vonTouton und 
der hier von mir beschriebene Fall II zeigt. 

Kommt aber ein so gebildeter Gang gerade an die Stelle 
zu liegen, wo sich der Präputialwulst erhebt, so kann er, wie 
schon oben erwähnt wurde, durch die sich erhebende Falte 
weit weg von seiner ursprünglichen Bildungsstätte in den Rand 
des Präputiums als versprengtes Schleimhauttheilchen hinein¬ 
gelangen, so dass es schwierig wird, den genetischen Zusammen¬ 
hang mit der Harnröhre herauszufinden. 

Der Schleimhautcharakter dieser Gänge zeigt sich be¬ 
sonders in dem Charakter des Epithels, den grossen basalen 
Zellen, dem Mangel von Verhornungsvurgängen auch in jenen 
Fällen, wo Eiterbildung gänzlich fehlt, und an eine Vereiterung 
nicht zu denken ist. Wo aber solche Hohlgiinge wie in unserem 
Fall VI wirklich von der Haut stammen, zeigt das Epithel 
ausserdem Verhornungserscheinungen, und es sind noch deut¬ 
liche Talgdrüsen vorhanden, selbst wenn Entzündungen und 
Eiterung in demselben vorangegangen sind. 

So wie nämlich die Urethralrinne ihre secundären Falten 
und Ausbuchtungen hat, die zum Theile zu Gängen sich 
schliessen, so hat auch der Präputialsack, wie wir oben be¬ 
schrieben haben, seine Falten; und so wie die Abkömmlinge 
der Urethralrinne, wenn auch noch so weit versprengt, zeit¬ 
lebens den Charakter der Schleimhautgänge bewahren, so be¬ 
halten auch die präputialen Ausbuchtungen stets den Haut¬ 
charakter. 

Die an der Spitze der Eichel befindlichen blindsackartigen 
Gänge kann man als Reste der Urethra glandis, die hier nicht 


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zur Verschmelzung mit der Urethra penis gekommen sind, 
auffassen. 

Noch einige Worte über die Plasmazellen! Der Umstand, 
dass ich die Plasmazellen in zwei Fallen ganz vermisste, 
während in zwei anderen die Infiltration fast ausschliesslich 
aus dieser Zellenart gebildet wurde, lässt sich aus dem 
Verhalten der Gonococcen im Gewebe nicht erklären, da das¬ 
selbe in allen vier Untersuchungen ein ähnliches war. Eher 
gelingt eine Erklärung aus dem klinischen Verlaufe des Pro- 
cesses. In beiden Fällen, wo die Plasmazellen vorhanden 
waren, handelt»' es sich um eine chronische Gonorrhoe, die 
nur zur Zeit eine aeutere Exacerbation durchmachte, in den 
zwei anderen haben wir hingegen mit der ersten Affectiou zu 
tliun, in ihrem acuten Stadium. Nach diesen Deobachtungen 
ist der Schluss zu ziehen, dass die Plasmazellen eher bei einer 
mehr chronischen Entzündung Vorkommen, während sie bei 
ganz acuten fehlen. 

Zum Schlüsse theile ich noch die mikroskopische Unter¬ 
suchung eines paraurethralen gonorrhoischen Abscesses mit. 
Er stammt von einem Patienten, der schon wiederholt Gonor¬ 
rhoe gehabt hat. Diesmal, 8 Tage nach dem verdächtigen 
Coitus, ist eine profuse Secretion aus der Urethra vorhanden, 
und an der Basis Frenuli, namentlich in der linken Frenular- 
nische, wölbt sich ein bohnengrosser, schmerzhalter Knoten 
vor. Im Urethralsecret sind überaus zahlreiche Gonococcen 
vorhanden. Am sechsten Tage wird die Ahseessdecke gelblich 
verfärbt; die Perforation bereitet sich vor. Die noch intacte 
Decke wird mit einem flachen Schnitt abgetragen, und so der 
Abscess eröffnet. Im Abscesseiter findet man nur eine massige 
Menge von Gonococcen. Die angelegten Agar- und Gelatine- 
culturen gingen nicht auf, eine Mischinfection ist also ausge¬ 
schlossen; übrigens kann man auch mikroskopisch die Strepto- 
und Staphylococcen mit der grössten Sicherheit ausscbliesscn. 

Die Abscesshöhle erscheint unter dem Mikroskope von 
einer dichten Meuge polyuudeärer Leukocyten erfüllt; auch die 
epitheliale Decke ist ganz durchwuchert von denselben, ihre 
Continuität ist aber noch nirgends unterbrochen. Dort, wo die 
Leukocyten besonders reichlich im Epithel sich vorfiuden, ist 


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Die Genese der parauretbralen Gänge. 


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die Tingirbarkeit des Zellprotoplasmas vermindert, auch die 
Zellkerne erscheinen blässer. Stellenweise färben sich die 
Zellen ungleiclimässig, indem der untere Theil stark, der obere 
schwach oder gar nicht gefärbt ist, eine Erscheinung, die 
Ehr mann 1 ) beim breiten Condylom beschreibt, und die er 
auf den ungleichmässigen Wassergehalt der Zellen zurückfährt. 

Drüsenreste sind in den Präparaten nirgends zu finden. 

Das Bindegewebe ist reich an sehr grossen, unregel¬ 
mässig geformten, oft mit Ausläufern versehenen, wie aufge¬ 
blähten Zellen, die einen ebenfalls grossen ruuden oder ovalen, 
heller gefärbten, mit 1—2 Nucleoli versehenen Kern enthalten. 
Einige darunter sind mit Eiterkörperchen erfüllt, viele zeigen 
karyokinetische Figuren. Aehnliche Zellformen erwähnt auch 
Jadassohn. 2 ) Gonococcen wurden nur in massiger Anzahl 
in den Präparaten gefunden; am ehesten in der Abscesshöhle, 
wo sie theils intra-, tlieils extracellulär lagen. Sie waren aber 
auch in den oberflächlicheren Lagen vorhanden, in zwei 
Schnitten sah ich sie sogar in den tieferen Epithelschichten 
in extracellulärer Lage. 

Die hier niedergelegten Erfahrungen zusammenfassend, 
kommen wir bezüglich der Pathologie der Gonorrhoe zu fol¬ 
genden Resultaten: Es ist nicht so sehr der Umstand, ob ein 
ungeschichtetes oder geschichtetes, Cylinder- oder Pflaster- 
■epitliel vorliegt, für das Fortkommen der Gonococcen ent¬ 
scheidend, sondern die Frage, ob das Epithel dem Charakter 
der Schleimhaut oder der Haut entspricht. Auch die Frage, 
ob das Epithel mehr oder weniger locker ist, kommt nicht so 
sehr in Betracht, als der Umstand, ob das Epithel in sich die 
Fähigkeit besitzt, eine Hornschicbt zu bilden oder nicht, was 
bekanntlich nicht die Folge des Freiliegens oder Gedecktseins 
ist. Ist es im Stande eine Hornschicht zu bilden, so scheint 
es immun zu sein. 

Bezüglich der Fähigkeit der Gonococcen Eiter zu bilden 
lehrt uns der zuletzt angeführte Fall von periurethralem Ab- 


') Ehrmann. III. dermat. Congress p. 311. 

2 ) Jadassohn. Zur pathol. Anatomie und ullgem. Pathologie des 
gonorrh. Proeesses. IV. deim. Congr. 

Archiv f. Dermatol. u. Syphil. Band XXXIX. 4 


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R 6 n a. 


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scoss, (lass wenn auch der Ausgangspunkt derselben eine 
Littre'sche Drüse, oder eine Morgagnisehe Tasehe ist, doch 
eine echte Eiterung des Bindegewebes selbst stattrindet, wie 
das auch schon von anderen Autoren beobachtet wurde, (l’eliz- 
zari, Jadassohu etc.) 

Zum Schlüsse ist meine angenehmste l’Hicht, meinen 
hochverehrten Lehrer Herrn Doc. I)r. Ehr mann sowohl für 
das mir zu Gebote stehende Material, als auch für die viel¬ 
fache Unterstützung und Anregung während meiner Arbeit, 
den besten Dank auszusprechen. 

Die Erklärung der Allbildungen auf Tuf. V und VI ergibt sieh aus dein 

Text. 


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Ueber virulente Bubonen und den Ulcus 

molle-Bacillus. 

Von 

Dr. Rudolf Krefting, Christiania. 


Was die Entwickelung von Bubonen nach Ulcus molle 
bedingt, ist bei der Mehrzahl der vorkommenden Fälle unauf¬ 
geklärt. 

Die nicht virulenten enthalten bekanntlich Eiter, in welchem 
weder mikroskopisch noch durch Züchtungsversuche auf den 
bekannten Nahrungssubstraten Mikroben nachgewiesen werden 
können. 

Bei Probeinoculationen gibt dieser Eiter keinen Ausschlag 
und entspricht dem, was man bakteriologisch unter sterilem 
Eiter verstehe. 

Diese Art Bubonen sind der Erfahrung aller Kliniken 
gemäss die am häufigsten vorkommenden und können periodisch 
in so überwiegend grosser Anzahl Vorkommen, dass einzelne 
Forscher, *) die eine Serie solcher Fälle angetroffen, sich haben 
verleiten lassen, die Existenz der virulenten Bubonen zu leugnen. 

Einzelne Fälle von Drüseneiterung nach Ulcus molle, wo 
Staphylococcen oder Streptococcen nachgewiesen werden können, 
müssen als durch Mischinfection hervorgerufen angesehen werden 
und dürfen nicht hierher gerechnet werden, obschon sie sich 
klinisch den nicht virulenten Bubonen mit sterilem Eiter sehr 
ähnlich verhalten. Was die virulenten Bubonen betrifft, scheint 
dagegen die Aetiologie klar zu sein, obwohl noch verhältuissmässig 

*) Traedgaard, Strauss. Aus der späteren Zeit Ducrey. 

4 * 


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K r e f t i u g. 


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wenige Untersuchungen vorliegen, die das Vorhandensein vom 
Ulcus molle Bacillus in denselben zeigen. 

Da es nur meine Absicht ist, ganz kurz meine fortge¬ 
setzten Untersuchungen der von mir behandelten Fälle von 
Bubonen mitzutheilen, will ich die Geschichte mit Rücksicht 
auf die Ulcus molle-Frage nicht wiederholen. Seitdem ich mich 
mit der Frage beschäftigt habe, ist es mir oft eingefallen, dass Ulcus 
molle nicht ein so sicher begrenzter Krankheitsbegriff zu sein 
braucht, und dass die Krankheit z. B. nicht vollständig dieselbe 
ist, wenn sie in Christiania auftritt, wie in Neapel, Wien etc., 
sowie dass Finger, der angibt, dass die Wiener Schule den 
Krankheitsbegriff etwas weiter definirt, zum Theil Recht haben 
könnte. 

Es liegen jedoch jetzt nach dem Nachweise des Bacillus 
so zahlreiche, völlig übereinstimmende Untersuchungen aus so 
vielen weit von einander liegenden Orten vor, dass die Krank¬ 
heit überall als einartig und unbedingt dieselbe 
constatirt werden muss. Die Anzahl derjenigen, die ihre 
Funde vom Bacillus in den Schankerwunden und den Inocula- 
tionspusteln mitgetheilt haben, ist schon jetzt sehr gross. 

Der, welcher zuerst den Bacillus nachwies, D u c r e y, war 
aus dem südlichsten Theil Europas und kam mit seinen Unter¬ 
suchungen im Jahre 1889.') Darauf kamen meine Untersuchungen, 
die zum Theil von mir ausgeführt waren, ohne D u c r e y zu kennen, 
aus dem nördlichsten Theile Europas — Christiania — ver¬ 
öffentlicht im Jahre 1891 .") Dann Unna 3 ) aus Hamburg im 
Jahre 1892, der eine Methode zum Färben der Bacillen im 
Schnitt erfand. Quinquaud und Nico Ile 4 ) aus Paris, 
Petersen 5 ) aus St. Petersburg, Ri viere 6 ) aus Frankreich 


*) Congres internat. de derraat. et de syph. Paris 1889. Comptes 
rendus p. 279. 

2 ) Nord. raed. Archiv 1891. Archiv für Denn. u. Syph. 1892. Ann. 
de derm. et svph. 1893. 

3 ) Monatshefte für prakt. Dermat. 1892 u. lS9f). 

4 ) Annales de Dermatol, et syph. 1892 p. 818. These de Paris 1893. 
*) Wratsch. Februar 1893. 

b ) Journal des connaissauces med. Mai 1893. 


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lieber virulente Bubonen und den Ulcus molle -Bacillus 


53 


Walther Peterseu 1 ) aus Bonn, Mermel, a ) Colombini 3 ) 
aus Siena, A u d r y 4 ) aus Toulouse, Dubreuilh und L a s n e t ') 
aus Bordeaux, Spietschka 6 ) aus Prag. Aus Wien und Breslau 
haben Rille 7 ) und Buschka 9 ) Untersuchungen mit posi¬ 
tivem Resultat mitgetheilt. 

Bei einem Falle von Ulcus molle auf der Zunge ist in 
Paris in Fournier’s Abtheilung der Bacillus sowohl iin Secret 
der Wunde als auch in den Wundwänden nachgewiesen worden. 9 ) 

Bei einem Falle von Ulcus molle am Finger, der als 
Panaritium angenommen war, hat der Nachweiss vom Ulcus 
molle-Bacillus die Diagnose bestätigt. ,0 ) 

Wenn man sieht, dass alle diese Untersuchenden aus so 
fern von einander liegenden Orten im Wesentlichen zu dem¬ 
selben Resultat gekommen sind, kann man sich nicht — wie 
Verfasser neuerer Lehrbücher es thun —.allzu skeptisch ver¬ 
halten, selbst wenn es auch noch Niemandem gelungen ist, die 
Mikroben auf künstlichen Nahrungssubstraten zu züchten. 

Eine Art Reincultur ist es jedoch, wenn mau den Bacillus 
in Serien von Inoculationspusteln ohne Beimischung von anderen 
Mikroben nachweisen kann — eine Reincultur mit der mensch¬ 
lichen Haut als Nahrungssubstrat. Der Leprabacillus kann weder 
gezüchtet noch inoculirt werden, aber dennoch zweifelt Niemand 
daran, dass er die Krankheit hervorruft. 

Während in Betreff der Schankerwunden zahlreiche, völlig 
übereinstimmende Untersuchungen, die alle das Vorhandensein 
des Bacillus sowohl im Eiter aus denselben in den Wundwänden 
(Schnitt) und den Inoculationspusteln, bestätigen, sind die 
Mittheilungen, welche über dessen Verhältniss zu den Bubonen 

*) Centralblatt f. Bakter. Juni 1893. 

; ) Archiv gen. de med. August 1893. 

*) Comm. clin. delle mal. cut. e gen. 1893—94. 

4 ) Gazette hebdom. 1893. 

'“) Archiv klin. de Bordeaux. 1893. 

t> ) Archiv f. Denn. u. Syph. 1894. 

') Verhandl. V. Deutscher Dennat.-Cungress in Graz. 1896. 

*) Ebendaselbst. Ref. in diesem Archiv 1896. 

s ) Emmery und Sabourand. Anuales de dermat. p. 198. 1S96. 

10 ) Krefting. Extragenitale Ulcera mollia. 7 Fälle. Norsk. .Mag. 
for Laegev. 1896 p. 168. 


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K re f t i n <r. 


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vorliegen, ziemlich spärlich. Was die nicht virulenten 
Bubonen betrifft, sind jedoch alle Untersucher darüber einig, 
dass in diesen weder Ulcus molle-Bacillen noch andere Mikro¬ 
ben nachgewiesen werden können. 

Nachweis vom Ulcus molle-Bacillus in 2 Fällen von viru¬ 
lenten Bubonen sind von mir schon im Jahre 1892 in diesem 
Archiv mitgetheilt worden. 

Der eine dieser Fälle war besonders merkwürdig, indem 
bei demselben Patienten sich in der einen Leiste ein virulenter 
und in der anderen ein nicht virulenter Bubo befand. 

Iu den „An nales de denn, et syph. 1899 pag. 897“ wurde 
ein dritter Fall mitgetheilt, woselbst ich ausser im Buboeiter 
und den hiermit hervorgerufenen luoculutionspusteln, nach 
Unna’s Methode die Bacillen auch in Schnittpräparaten von 
excidirten Stücken der Bubowand, nachwies, ln demselben 
Jahre kamen Dubreuilh und Las ne Fs 1 ) Untersuchungen 
einer grossen Anzahl von Bubonen während einer Ulcus molle- 
Epidemie in Bordeaux. Die Genannten kamen ebenfalls zu 
einem positiven Besultat und schreiben die Virulenz dem Vor¬ 
handensein des „bacille de Ducrey“ zu. 

„Von dem Augenblick an, da der Bacillus nachgewiesen 
werden kann, ist der Eiter virulent und inoculabel.“ 

ln den nicht virulenten Bubonen fanden diese Forscher 
auch keine Mikroben. 

In einer kurzen Zeit — vom 12. Januar bis 11. August 
1899 — haben dieselben observirt: 

196 Fälle von Bubonen, von denen 27 resorbirt wurden, 
ohne sich zu öffnen. 49, die geöffnet- wurden, waren nicht virulent. 
51 wurden nach dem Octfneu virulent, waren es aber nicht 
gleich. 12 Fälle, die sich von selbst geöffnet hatten, ehe die 
Patienten ins Hospital gebracht wurden, waren sämmtlich 
virulent. 9 Fälle waren virulent vom ersten Tage an. 

Es scheint eine sehr intensive Epidemie gewesen zu sein, 
sowohl mit häutig vorkommenden Fällen von Bubonen als auch 
intensiven Fällen, indem von 109 Fällen, die sich öffneten oder 
geöffnet wurden, 69 virulent waren. 


’l Archive* cliniques de Iioiffcnux. l'UH. Nr. 10 und 11. 


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Ueber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillus. 


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Spietschka aus Prag, der in diesem Archiv im Jahre 
1894 eine Reihe Untersuchungen von Bubonen, 46 Fälle, mit- 
getheilt hat, hat nur 2 Mal gesehen, dass der Bubo schankrös 
wurde und beide Male nach dem Oeffnen. Sowohl im Wund¬ 
sekret als auch in den hiermit hervorgerufenen Inoculations- 
pustelu konnten die Bacillen nachgewieseu werden. Der Ver¬ 
fasser legt jedoch diesen beiden Fällen keine Bedeutung bei, 
da er die Möglichkeit nicht ausschliessen kann, dass eine von 
Aussen kommende Infection die Ursache ihres Schankröswerden 
gewesen sein kann. 

Ich möchte jedoch geneigt sein zu glauben, dass dies 
nicht der Fall gewesen ist, da es nicht so selten geschieht, 
dass die Virulenz und damit der Bacillus erst nach dem Oeffnen 
des Bubos 1 ) auftritt, welches auch mit Dubreuilh’s Unter¬ 
suchungen stimmt. Für Dubreuilh ist es Regel gewesen, dass 
der Bubo im Augenblicke des Oeffnens nicht virulent war. Nur 
3 Mal fand er „virulence d’emblee“. 

Wenn mau im Uebrigen die Fälle von Dubreuilh, wo 
über die Hälfte virulent war, und Spietschka’s 46 Fälle, von 
denen nur 2 virulent wurden, vergleicht, bekommt man den 
Eindruck, dass das Virus in Bordeaux sich am Intensität sehr 
von dem Virus in Prag unterscheiden musste. 

Jeder, der Inoculationsversuche vorgenommen hat, wird 
auch erfahren haben, dass der Anschlag in Bezug auf Inten¬ 
sität bedeutend variiren kann, gleichwie man erfahren haben 
wird, dass die Bacillen in grösster Menge vorhanden sind, 
wenn der Anschlag lebhaft ist. 2 ) Wenn die Angaben mit Rück¬ 
sicht auf die Häufigkeit der Bubonen, zumal der virulenten 
Bubonen, aus den verschiedenen Städten so abweichend sind, 
muss man annehmen, dass dies von Abweichungen im Charakter 
der Epidemien herrührt. 


') In meiner, im Jahre 1392 in diesem Archiv raitgctheilten Arbeit 
habe ich etwas übereilt angenommen, dass ein von Anfang an nicht viru¬ 
lenter Bubo nicht virulent wird, ohne dass er von aussen inficirt wird. 
Später habe ich selbst Gelegenheit gehabt, einen Fall zu beobachten, wo 
die Virulenz erst 3 Tage nach dem Oeffnen eintrat. 

‘ 2 j „Die Menge der Bacillen steht im Verhältniss zur Intensität des 
Ausschlags.“ Krefting. Annale« de dermat. et syph. 1893 p. 838. 


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K r oft i n g. 


Aus Breslau liegen jetzt auch Untersuchungen von viru¬ 
lenten Bubonen mit positivem Resultat von Buschke 1 ) vor. 
der in 9 von den untersuchten 30 hallen die Bacillen fand, 
die er auch in Schnittpräparaten vom Düsenparenchym nacli- 
weisen konnte. 

In sämmtlichen 9 Fällen war der Eiter im Augen¬ 
blicke des üeffnens i n o c u 1 a b e 1, aber der Verfasser 
gibt zu, dass es Fälle gibt, wo der Bubo erst mehrere Tage 
nach dem Oeffnen schankrös wird und erklärt es auf die 
Weise, dass die im Eiter vorhandenen Bacillen todt sind, dass 
aber das in der Tiefe noch nicht zerfallene Drüsengewebe die 
virulenten Mikroben enthält, die das Schankroswerden veran¬ 
lassen. Raff, 2 ) auch aus Breslau, berichtet von Judas so h n’s 
Abtheilung von 22 Fällen von Bubonen nur 2 F ii 11 e v i r u 1 e n t e r 
Bubonen, die dasselbe Verhältnis« wie Busehke’s 9 Fälle 
zeigten. In den übrigen 20 Fällen ergab sowohl die mikro¬ 
skoptische als auch die bakteriologische Untersuchung ein negatives 
Resultat (steriler Eiter). 

In Wien fand Rille 3 ) von 100 Fällen 9 mit inocula- 
blem Eiter, mit Bacillen, die auch in excidirten Drüsen¬ 
stücken und excidirten Impfgeschwüren nachgewiesen werden 
konnten. Er bekam auch stets Anschlag mit Materie, die un¬ 
mittelbar nach dem Oeffnen genommen worden. 

Im Uebrigen hat Rille eine Statistik der Anzahl der 
Haftungen nach Impfungen mit Buboeiter gesammelt. 

Unter 2117 Inoculatiouen, von 22 Autoren vorgenommen, 
beiiudeu sich G09 Haftungen, also 28%. 

Im Anschluss an diese verhältnissmiissig wenigen vor¬ 
liegenden Mittheilungen über den Fund des Ulcus molle-Ba- 
cillus in virulenten Bubonen will ich in Kürze meine fortge¬ 
setzten Untersuchungen erwähnen, die übrigens nicht Neues 
ergeben, sondern nur bestätigen, was früher mitgetheilt 
worden. In den Jahren 1895 und 1890 habe ich unter meiner 


') Verband]. des V. deutschen Derraatolopen-Conprivssos Graz. 
lief, in diesem Archiv 181N3. XXXIV. 24. 

*) V. J>ennat.-Congr. In diesem Archiv Jul. XXXIV p. 121. 

3 ) Daselbst. 


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Ueber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillus. 


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Privatclientei 143 Fälle von Ulcus molle behandelt, wovon 
27Fällemitßubouencomplicirtwaren — also nur 19°/ 0 . 

Ich habe hier nur die Fälle mitgerechnet, die geöffnet 
werden mussten. Sämmtliche Fälle wurden, mit Ausnahme 
eines virulenten Falles, wo der Patient wegen hochgradiger 
Schmerzen einige Tage zu Bette lag, ambulatorisch be¬ 
handelt und die Patienten gingen mit Stärkebandagen herum. 
Unter diesen 27 Fällen waren 7 virulent mit inocli¬ 
la bl em Eiter. 

Wenn Viru 1 enz vorhanden war, wurde nie ver¬ 
geblich nach Bacillen gesucht. 

In einem dieser 7 Fälle trat die Virulenz erst 3 Tage 
nach dem Oeffnen auf. 

Im Uebrigen bieten diese Fälle nichts von dem obener¬ 
wähnten Abweichendes dar. Die Zahlen sind leider allzu 
klein, als dass es eine Bedeutung haben könnte, den Procent¬ 
satz der Virulenz auszurechnen, der hier 26% war. 

Diese Zahl entspricht jedoch ziemlich genau der Durch¬ 
schnittszahl, welche Rille von aller vorliegenden Inoculations- 
statistik ausgerechnet hat, nämlich 28%. 

Die übrigen 20 Fälle enthielten sterilen Eiter, 
es konnten weder durch mikroskopische Untersuchungen noch 
durch Züchtungsversuche Mikroben nachgewiesen werden. Ich 
will .den Platz hier nicht zu sehr in Anspruch nehmen, in dem in 
diese meine Fälle näher referire, aber diese, sowie früher be¬ 
obachtete haben mich dazu gebracht, einige allgemeine Be¬ 
trachtungen, sowie einen Vergleich zwischen virulenten und 
nicht virulenten Bubonen vom klinischen Standpunkt anzu¬ 
stellen. 

Weshalb bekommt man Bubonen nach Ulcus molle? 

Obschon es von besonderer Bedeutung für die Prophy¬ 
laxe der Buboneu sein müsste, hierüber Gewissheit zu be¬ 
kommen, muss doch diese Frage leider dahin beantwortet 
werden, dass man den Grund nicht kennt. Freilich werden 
verschiedene Gelegenheitsursachen angegeben, aber dieselben 
spielen keine entscheidende Rolle. 


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5S Krofting. 

Gleichwie man beobachten kann, dass die hartnäckigsten 
und virulenten Bubonen sieh bei einem Patienten entwickeln 
können, der ganz ruhig in einem Hospital liegt, siebt man 
auch, dass keine Bubonen bei Patienten mit Ulcus rnolle 
kommen, die gehen, stehen und den ganzen Tag hart arbeiten. 

Dass die Bildung von Bubonen von der Grösse der ursprüng¬ 
lichen Wunden nicht abhängt, geht aus meinen Fällen hervor. 
Ich habe gerade hierauf meine Aufmerksamkeit gerichtet und 
gefunden, dass die ursprünglichen Wunden in der Pegel ver- 
hältnissmässig klein und wenig umsichgreifend sind und ver- 
hältnissmässig schnell zuheilen in den meisten Fällen, wo sich 
Bubonen entwickeln. 

In einem dieser meiner Fälle von virulenten Bubonen 
hatte ich die ursprüngliche Schankerwunde exstirpirt. Die 
Operationswunde heilte pr. primam und dennoch entwickelte 
sich ein virulenter Bubo. 

In einem anderen Falle entwickelte sich ein virulenter 
Bubo 14 Tage nach dem Zuheilen der ursprünglichen Wunde. 
Solche Fälle werden von vielen erwähnt. 

Bei den meisten der von mir beobachteten Fälle haben die 
ursprünglichen Wunden ihren Sitz am Frenulum gehabt und 
dasselbe perforirt und abgefressen. Vielleicht ist das Frenu¬ 
lum eine Localisation. von der aus es dem Lymphstrom am 
leichtesten fällt, die Bacillen nach den Leistendrüsen zu führen. 
Das Frenulum als die der Infeetion am meisten ausgesetzte 
Stelle ist jedoch so oft der Sitz weicher Schankerwunden, 
ohne dass Bubonen kommen, dass auch dieses Yerhältniss nicht 
erklären kann, weshalb die Bubonen kommen. 

Von den 1-13 Fällen von Ulcera mollia aus meiner Privat¬ 
praxis, die ich hier erwähnt habe, waren nur 27 Fälle mit 
Bubonen complicirt — ca. 1 

Berichte aus Hospitälern zeigen selbstredend einen viel 
grösseren Procentsatz von Bubonen im Yerhältniss zu den be¬ 
handelten Fällen von Ulcus molle, da vorzugsweise die com- 
plicirten Fälle das Ilospitel aufsuchen. 

Nach Dubreuilh ist ca. die Hälfte der im Hospital be¬ 
handelten Fälle mit Bubonen complicirt. Jullien hat eine 


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lieber virulente Bubonen und den Ulcus laolle-Bacillus. 


59 

Statistik über 2698 Fülle von l'lcus molle, wovon 57% mit 
Bubonen complicirt waren. 

Petersen in St. Petersburg hat eine Statistik über 
4275 Fälle mit einer Häufigkeit von Bubonen von 39%. 

Neu mann hat auf 2696 Fälle von Ulcus molle 41% mit 
Bubonen complicirt. Ungefähr denselben Procentsatz hat v. 
Zeissl. Ebensowenig wie mau die Frage, ■weshalb überhaupt 
Bubonen kommen, beantworten kann, ebenso wenig kann man 
erklären, weshalb einige Bubonen virulent werden, während 
der grösste Theil nicht virulent wird, ungeachtet die ursprüng¬ 
lichen Wunden in siimmtlichen Fällen keinen Unterschied 
zeigen. 

Eins scheint jedoch sicher zu sein: damit Virulenz 
zu Stande kommen soll, muss der Ulcus molle-Ba- 
ci 11 us die Lymp hb a h n e n bis zu den Drüsen pa s- 
siren. 

Was dagegen den sterilen, nicht inoculablen Eiter in den 
nicht virulenten Bubonen hervorruft, weiss man nicht. Bis 
auf Weiteres muss man sich mit der Hypothese über die 
Stoffwechselprodu cte der Mikroben, die Eiterung ohne 
Bakterien hervorrufen können sollen, begnügen. 

Die Häufigkeit der virulenten Bubonen. 

Die Angaben über die Häufigkeit der virulenten Bubonen 
im Verhältniss zu den nicht virulenten, variirt, wie man sieht, 
bedeutend. 

Während Dubr euilh aus Bordeaux, wenn nur die geöff¬ 
neten Bubonen mitgerechnet werden, 0S% virulente hat, sind 
die Angaben aus Breslau, wenn man Buschke und Kaffs 
Fälle zusammen legt, 19%. Aus Prag nach Spiet sc ha nur 
4%. Aus Wien nach Kille nur 9%. Nach meinen Fällen 
von früher und jetzt sollte das Verhältniss ca. 25% sein. 

Ich habe mit Willen hier nur Untersuchungen mitge¬ 
nommen, die nach der Entdeckung des Bacillus vorliegen. 

Wie man sehen wird, sind diese Zahlen bedeutenden 
Schwankungen unterworfen, nicht nur an den verschiedenen 
Orten, sondern auch inderseiben Stadt, indem Buschke und 
Raff aus Breslau resp. 25% und 8% haben. 



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Iv r e f t i n g. 


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fiO 


Wenn das Verhältniss mit Bezug auf die Virulenz so 
bedeutend variiren kann, ist es auch nicht so seltsam, dass 
einzelne Untersucher, die eine Serie von nicht virulenten Bu¬ 
bonen treffen, sich dazu verleiten lassen können, die Existenz 
der virulenten Bubonen zu leugnen. Im Allgemeinen sind die 
virulenten Fälle nicht gleiehmüssig vertheilt zwischen den nicht 
virulenten, sondern sie kommen nacheinander. 

Wenn die Abweichungen mit Rücksicht auf die Häufigkeit 
der Virulenz nicht recht bedeutend sind, so kann dies ja nur 
auf einem Zufall beruhen. 

Die Untersuchungsserie ist nicht gross genug 
gewesen; aber wenn die Abweichungen so gross sind wie 
zwischen D u b r e u i 1 h’s 68% aus Bordeaux und Spiet- 
scbka’s 4% aus Prag, muss man annehmen, dass dieses ge¬ 
wissen Verhältnissen beim Virus zuzuschreiben ist, die der 
Epidemie ihr Gepräge gelten dürften. 

Als Ausdruck eines beständigen Ab- und Zunehmens in 
der Intensität des Virus kann das bekannte periodenweise, 
plötzlich epidemische Auftreten der Krankheit in verschiedenen 
Städten ’) genannt werden, während sie zu anderen Zeiten bei¬ 
nahe aussterben kann. Während die Anzahl der Fälle von 
Syphilis und Gonorrhoe freilich bedeutend wechseln kann, sind 
diese Krankheiten doch nicht solchen plötzlichen Schwingungen 
unterworfen wie Ulcus molle. 

Man hat gesagt, dass die grössere oder geringere Häufig¬ 
keit von Ulcus molle ein besonderer Indicator für eine schlechte 
oder gute Controle sein sollte. Dies ist auch bis zu einem ge¬ 
wissen Grade richtig, insofern als diese Krankheit sich ver- 
hältnissmässig leicht controliren lässt, aber es sind doch auch 
gewiss andere unbekannte Verhältnisse in Betreff der Intensität 
und Lebensfähigkeit des Virus vorhanden, die eine grosse Rolle 
spielen und von der Controle unabhängig sind. Hier aus Chri- 
stiania hat W. Bo eck unter seiner Syphilisationsbehandlung 
gute Beweise dafür geliefert, wie das Virus förmlich aussterben 


ü Ulcus molle scheint besonders epidemisch aufzutreteu in See¬ 
städten, wo alsdann besonders die Seeleute anscheinend neuen und Irischen 
Virus von dem einen Ort zum andern bringen. 


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I 



Ueber virulente Bubonen und den Ulcus inolle-Bacillus. 


61 


konnte — es verlor seine Virulenz — selbst wenn es fort¬ 
während von einem Individuum auf andere geführt wurde. 

Wenn der Christianiafjord durchs Eis geschlossen war 
und keine Fahrzeuge kommen und mit ihnen Seeleute mit 
neuem Import von Ulcera mollia, konnte es geschehen, dass 
es unmöglich war, Virus in der Stadt aufzutreiben. 


Der klinische Unterschied zwischen nicht virulenten und 
virulenten Bubonen. 


Ich will diese kurze Mittheilung nicht schliessen ohne 
den grossen klinischen Unterschied zwischen virulenten und 
nicht virulenten Bubonen, sowohl mit Rücksicht auf Sjinptome 
als auch Verlauf, zu pointiren. Schon ehe der Bubo sich 
öffnet oder geöffnet wird, kann man eine ziemlich 
sichere Vermuthung haben, ob er virulent wird 
oder nicht. Geht das Hinschmelzen des Drüsengewebes 
schnell vor sich, ist wenig Empfindlichkeit, nicht 
besonders intensiver Rubor der Haut über demselben vorhanden, 
kann man mit ziemlich grosser Sicherheit die Diagnose nicht 
virulenter Bubo stellen. Macht man Probepunction und 
hat der ausgezogene Eiter ein grauliche s, halb schleimiges 
Aussehen, kann man ohne noch Bacillen zu suchen, mit 
Sicherheit den Fall als nicht virulent ansehen. Nach 
dem Oeffnen zeigen diese Bubonen auch ein charakteristisches 
Verhalten. Die Secretion nimmt schnell ab. Die 
Wundränder werden nicht angefressen und heilen 
oft sehr schnell, oft innerhalb 8 Tagen. Ausnahmsweise 
kann bei scrophulüsen Patienten die Drüsenanschwellung sich 
sehr lange halten und die Theilung lauge Zeit in Anspruch 
nehmen mit Bildung von Senkungen und Fisteln. 

Ein grosser Theil der nicht virulenten Bubonen werden 
resorbirt, ohne dass sie sich öffnen oder geöffnet 
werden, was nie mit den virulenten geschehen kann. 

Entwickelt sich dagegen der Bubo schnell mit grosser 
Empfindlichkeit und intensivemRuborinderHaut^ 
so kann die Entwicklung eines virulenten Bubos befürchtet 
werden. Wenn er nicht incidirt wird, wird er sich schnell 
durch die Haut fressen, während die nicht virulenten sehr 


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K r e i’ti ng. 


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lange stehen können ohne durehzuhrechen, seihst wenn die 
Haut über denselben sehr dünn ist. 

Der Buboinhalt unterscheidet sich auch vom Inhalt des 
nicht virulenten Bubos, indem er gewöhnlich eine s c h m u t z i g e 
Chocoladenfarbe besitzt. 

Wenn ein solcher Bubo durch Incision geöffnet ist. wird 
es auch nicht lange dauern, bis die scharfen Wundränder 
angefressen werden und ein charakteristisches chaneröses 
Aussehen annehmen. Mit Rücksicht auf die Dauer der Be¬ 
handlung besteht auch ein grosser Unterschied zwischen den 
nicht virulenten und den virulenten Bubonen. 

Während die ersteren gewöhnlich (wenn sie nicht mit 
Scrophulose complicirt werden) überaus schnell nach dem 
Oeffnen zuheilen, ja sogar nicht selten, selbst nachdem das 
Drüsengewebe in grosser Ausdehnung weich geworden, zurück¬ 
gehen ohne sich zu öffnen, nimmt die Behandlung der 
virulenten stets ziemlich lange Zeit in Anspruch, bei 
beliebiger Behandlung. 

Wenn diese Patienten den ganzen Tag gehen oder stellen 
sollen, wie hei mehreren meiner obenerwähnten l all*', zieht 
die Behandlung sich selbstredend etwas mehr in die Länge, 
als wenn sie im Hospital behandelt werden oder sich absolut 
ruhig verhalten; aber unter allen Umständen erfordert die 
Behandlung eine ziemlich lange Zeit. 

Wenn in der Literatur verschiedene Mittheilungen über 
schnelle, zum Thei 1 abortive Beha n d 1 u ngsme t hoden 
für Bubo nen erschienen sind, so ist nicht genügend 
Rücksicht darauf genommen worden, inwiefern 
der Buho vir u 1 en t wa r o de r nieh t. 

Trifft man eine Serie nicht virulenter Bubonen und be¬ 
nutzt eine beliebige Behandlung, wird man stets glänzende 
Resultate erzielen. 

Behandlung. 

Nach meiner geringen Erfahrung scheint den virulenten 
Bubonen gegenüber die eine Methode nicht sonderlich besser 
als die andere zu sein. 


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lieber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillen. 


63 


Wo man Jodoform gebrauchen kann, ist solches sicherlich 
das beste Mittel, aber ich habe es des Geruches wegen nur 
ausnahmsweise bei meinen Patienten gebrauchen können. 

Ich habe nur grosse Incisionen und Auslöfflung sowie 
Entfernung von unterminirten Hautpartien vorgenommen. Ab 
und zu Aetzungen mit rauchender Salpetersäure. 

Verbinden mit Dermatol, Salicylwatte sowie Stärkebinde, 
die ein paar Mal wöchentlich gewechselt wurde. 

Die rationellste und wirksamste Behandlungsmethode ist 
Welander’s Wärmebehandlung, die auf dem Factum basirt 
ist, dass das Virus bei verlniltnissmässig niedriger Temperatur 
ca. 40° getödtet wird. 

Leider erfordert diese Methode so viele Apparate, dass 
dieselbe nur für Hospitalsbehandlung passt. 

Das Verhältniss der virulenten Bubonen kann somit in 
wenigen Zeilen resumirt werden: 

1. Die Häufigkeit der virulenten Bubonen im 
Verhältniss zu den nicht virulenten scheint bedeu¬ 
tend zu variiren. 

2. Die Virulenz wird vom Vorhandensein des 
Ulcus molle Bacillus bedingt. 

3. Die Virulenz und somit auch der Bacillus 
sind gewöhnlich vor dem Oeffnen des Bubos vor¬ 
handen (bubon virulent d’emblee), können aber auch 
kommen, nachdem er geöffnet ist ^bubon virulent con- 
secutivement). 

4. Die Differe ntialdiagnose zwischen virulentem 
und nicht virulentem Bubo kann im Allgemeinen mit 
ziemlich grosser Sicherheit gestellt werden, ehe 
derselbe geöffnet wird. 

Der klinische Unterschied zwischen nicht 
virulentem und virulentem Bubo lässt sich fol- 
gendermassen schematisiren: 


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K r e f t i n g. 


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Nicht virulenter Bubo. 

Das Hineinschmelzen des Drüsen¬ 
gewebes gellt langsam vor sieh. 

Geringe Empfindlichkeit. Wenig 
ausgesprochener Rubor der Haut 
über dem Bubo. 

Der Inhalt ist von graulichem, schlei¬ 
migem Aussehen. 

In demselben lassen sich keine Mi¬ 
kroben nachweisen, weder mikro¬ 
skopisch noch durch Züchtungs- 
Versuche. 

Die liundzellen färben sicli schlecht. 

Kann zurückgehen, ohne sich zu 
öffnen oder geöffnet zu werden. 


Nach dem Oeffnen nimmt die Secre- 
tion schnell ab. 

Die Wundränder nach der Ineision 
werden nicht angefressen. 

Die Heilung geht sehr schnell, oft 
innerhalb 8 Tagen. 


Virulenter Bubo. 

Das Hinschmelzen geht schnell vor 
sich. 

Starke Empfindlichkeit. Intensiver 
Rubor. 

Der Inhalt ist gewöhnlich schmutzig, 
chocoladenfarbig. 

Der I leus molle-Bacillus lässt sich 
nachweisen, wennschon in spär¬ 
licher Anzahl. 

Die Kundzellen färben sich. 

Geht niemals zurück, ohne sich zu 
öffnen od*T geöffnet zu werden. 
Wenn er nicht inridirt wird, wird 
die Haut schnell von selbst per- 
forirt. 

Nach dem Oeffnen lvichliche puru¬ 
lente Secretion. 

Die Wundränder werden angefressen 
gleichwie die ganze Bubohöhle 
das Aussehen einer grossen Schan¬ 
kerwunde annimmt. 

Die Heilung geht sehr langsam und 
nimmt oft Wochen und Monate. 


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Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik von Prof. 

F. J. Pick in Prag. 


Ueber extragenitale Syphilisinfection. 

Von 


L>r. Friedrich Bloch, 

Seeundärant der Klinik. 


Bei dem extragenitalen Sitz des syphilitischen Prirnär- 
aftectes ist es der Umstand, an ganz ungewöhnlicher Stelle 
den syphilitischen Initialaffect zu finden, was die richtige 
Beurtheilung dieser sowohl in praktisch diagnostischer, wie in 
forensischer Beziehung interessanten Fälle sehr erschwert und 
manchmal den Primäraffect ganz übersehen, oder eine 
andere Erkrankung diagnosticiren lässt. Weniger gilt dies von 
dem extragenitalen Sitz der Sclerose im Bereiche solcher 
Stellen, wo die Localisation doch noch zu den häufigeren ge¬ 
hört, wie z. B. an den Lippen, wohl aber von den Fällen, bei 
welchen die Sclerose an Stellen vorkommt, wo sie nur sehr 
selten oder noch gar nicht beobachtet wurde, während doch 
eine jede der Infection zugängliche Stelle des menschlichen 
Körpers der Sitz des syphilitischen Primäraffectes sein kann. 

Wenn auch schon eine beträchtliche Anzahl von Fällen extra¬ 
genitaler Sclerosen publicirt wurde, so erscheint trotzdem noch 
immer das Studium der Symptome und ätiologischen Momente 
der extragenitalen Syphilisinfection sehr interessant, sowohl 
vom rein wissenschaftlichen, als auch vom praktischen Stand¬ 
punkt und insbesondere auch vom Standpunkte der socialen Pro¬ 
phylaxe von hohem Interesse, weil es nicht allein die Verbrei¬ 
tungswege der Syphilis, sondern auch die Art und Weise 
der Uebertragung des syphilitischen Contagium kennzeichnet 
und gleichzeitig auf Massnahmen hindeutet, welche sich als 

Archiv f. Dermatol, ti. Syphil. Baud XXXIX. c 


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Bloch. 


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höchst nothwendig erweisen, um die Verbreitung dieser Krank¬ 
heit zu verhindern. 

Wenn in früherer Zeit die Fälle extragenitaler Ini'ection 
als etwas sehr seltenes galten, so verlassen sie leider gegen¬ 
wärtig das Gebiet der „Raritäten“ und gelangen immer häutiger 
zur Beobachtung. 

Ich wurde zu vorliegender Arbeit veranlasst, weil von 
unserer Klinik schon seit längerer Zeit keine Zusammenstellung 
extragenitaler Infectionen stattgefunden hat, und wir gerade in der 
letzten Zeit in der Lage waren, eine grössere Reihe von Fällen 
zu beobachten, bei denen durch mannigfach unterlaufende Um¬ 
stände der Initialaffect sich an ganz aussergewöhnlicben Orten 
der allgemeinen Hautdecke entwickelt hat und es wünschens- 
werth erscheint, über die Häufigkeit der extragenitalen Infection 
in den verschiedenen Ländern orientirt zu werden und die 
Statistik wie sie Bulkley, 1 ) in so ausgezeichneter Weise 
inaugurirt hat, zu fördern. 

Im Folgenden werde ich meine Fälle, einschliesslich der 
seinerzeit von Plumert") und Baum 3 ; publieirten, nach der 
Häufigkeit der Localisation angeordnet, mittheilen und einige 
kurze zusammenfassende Bemerkungen amchliessen. 

Meine Zusammenstellung umfasst einen Zeitraum von 11 
Jahren, vom Jahre 1K85 bis inclusive l*!ii>. anschliessend an die 
seinerzeit von Baum 4 ) publicirten Fälle. 

I. Primäraffecte an den Mundlippen. 

«) An der Oberlippe. 14 Fälle. 

1. S c 1 e r o s i s initialis labii s u ]> e r i or i s oris. Lucs 
maculosa. Ly mpli ade ni t.is sclcrotica univorsalis p r a e- 
cipne subnieutalis et submax i 11 aris. 

') Bulkley. Syphilis in tbc Innocent. 181*1. Xew-York. 

J ) l’hnnert. Einige Fälle vom abnormen Sitz der primären Af- 
fection bei Syphilis. Wiener medic. Zeitung. 

s ) Baum. Casuistischer Beitrag zur Kenntnis'' der extragenitalen 
Inifial-selerose. Arcbiv 1'. Bonn. u. Syph. ]S85 p. 07. 

*) s. o. 


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Ueber extragenitale SypLilisinfeetion. 


67 


S. L.j 30jährige Musikersfrau. I)ie Oberlippe ist stark geschwollen ; 
in der Mitte derselben eine 2'/., Cm. grosse Exuleeration, ihre Ränder 
scharf begrenzt, die Pasis stark sclerosirt. Sämrntliche Drüsen, insbe- 
sondere die submentalen und submaxillaren vorgrössert, hart. Ara Körper 
ein Fleckensyphilid. Pat. ist von ihrer eigenen Schwester infieirt, die 
schon durch 2 Jahre an Syphilis leidet. Der behandelnde Arzt warnte 
unsere Pat. zum öfteren; sie brauchte jedoch keine weitere Vorsicht und 
benützte dieselben Ess- und Trinkgeschirre. Pat. hatte lange Zeit hin¬ 
durch an der betreffenden Stelle eine Rhagade, aus der sich alltnälig das 
Ulcus entwickelte. 

2. Prima rs der ose an der Oberlippe. A d e u i t i s u n i ver¬ 
sa 1 i s, 

W. J., 26jähriger Kellner, zeigt in der Medianlinie der Ober¬ 
lippe einen harten Knoten von der Grösse einer kleinen Haselnuss. Sämmt- 
liche Drüsen namentlich am Halse multipel geschwellt. 

Pat. gibt erst über öfteres Inquiriren an, dass er Lippen und 
Zunge mit den Genitalien seiner Geliebten, einer Prostituirten in Be¬ 
rührung gebracht habe. 

3. S c 1 e r o s i s initialis 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lympli. 
a d e n i t. i s subm axillaris s c 1 e r o t i c a. 

A. W., 21jährige Dienstmagd, eingetreten am 14. Juli 1880. 

In die Substanz der Oberlippe findet sich ein dieselbe durchsetzender, 
haselnussgrosser Knoten eingelagert, der an der Oberfläche mit speckigem 
Belage versehen, gegen die Umgebung scharf abgegrenzt ist. Die 8ub- 
maxillardriiscn beiderseits hart, fast wallnussgross. Infectionsmodus ist 
nicht zu eruiren. 

4. S c 1 e r o s i s initialis 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lues con- 
d y 1 o m a t o s a. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s. 

M. P., lOjälir. Kellnerstochter. Eingetreten am 21. April 1887. 
Die Oberlippe ectropionirt, in der Mitte derselben sitzt ein circa 2 Cm. 
im Durchmesser haltendes Geschwür, dessen Basis indurirt erscheint. 
Sämmtliche zugängliche Lymphdrüsen tastbar, sclerosirt. An den Geni¬ 
talien exuleerirte Papeln. Pat. wurde von ihrem Geliebten infieirt. Ihr 
Leiden begann mit der Bildung eines kleinen Knötchens an der Ober¬ 
lippe, das allmälig exuleerirte und bis zur gegenwärtigen Grösse her- 
anwuchs. 

5. Sclerosis initialis 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lues cuta¬ 
nea papulosa. L y m p h a d e n i t i s s c 1 e r o t i c a s u b m a x i 11. e t ingui- 
n a 1 i s. 

R. D., 30jähr. le lige Dienstmagd. Eingetreten am 14. Nov. 1885. 

An der ectropionirten Oberlippe sitzt etwas nach links von der Mittel¬ 
linie ein fast zehnhellergrosses Geschwür, dessen Grund massig indurirt 
erscheint. Die submaxillaren Drüsen sind multipel geschwellt, hart. An 
den Genitalien exuleerirte Papeln. 


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B 1 o e h. 


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Bat. wurde von ihrem Cieliel»teil iuticirt. Ihr Leiden begann mit 
der Bildung eines kleinen Knötchens an der Oberlippe. An dieser Stelle 
wurde Bat. von ihrem Geliebten, der mit Lues eondvlomatosa im Kranken¬ 
haus lag, geküsst. 

b. I n i t i a 1 a f fe c t an de r 0 b e r 1 i p p e. S e h w e 11 u n g d e r s u b- 
m a x i 11 a r e n L y m p h d r ii s e n. 

J. M., 2djähr. Medieiner. Hinget eten am 13. Mürz 1SS6. In der 
Medianlinie der Oberlippe findet sieh ein haselnnssgmsser Knoten, dessen 
Basis indurirt erscheint. Oie submaxillaren Lymphdrüscn sind beider¬ 
seits haselnussgross geschwellt. 

Oer Bat. gibt an, dass er ursprünglich an der betreffenden Stelle 
eine Rhagade bemerkt habe, die er öfters aulriss; seit 2 Wochen be¬ 
merkt Bat. das Auftreten eines -Knötchens, das immer grösser wurde 
und allmalig exuleerirte. Letzter Coitus vor 4 Wochen. 

7. Sclerosis i n i t i a 1 i s 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lues 
c o n d v 1 o m. B a p u 1 a e e x u 1 e. ad t ans i l 1 u s. A d e u i t i s uni- 
v e r s a 1 i s p r a e e i p u c s u b m a x i 1 1 a r i s. 

< t Hi. M., lüjuhr. Maler. Finget reten am 30. Mürz 18>0. 

Ls fand sich in der Medianlinie der Oberli|ipe «‘in derber Knoten 
von der Grösse einer kleinen Wallnuss. Derselbe war mit der äusseren 
Haut verlöthet, durchsetzte die Muskelpartie und ragt» 1 noch ein wenig 
über die Schleimhaut- an der Innenfläche empor. Oie submaxillaren 
Drüsen multipel geschwellt bis zu Bohuengrösse. An der Schleimhaut 
der Tonsillen exuleerirte Papeln. 

Bat. über sein Leiden aufgeklärt, gibt im Verlaufe meines Spitals- 
Aufenthaltes an, dass er Lippen und Zunge mit den Genitalien seiner 
Geliebten, die ein«; Prostituirt«; war, in Berührung gebracht, habe. Oie 
jetzige AtVection soll in Form eines Knötchens begonnen haben. 

S. Sclerosis initial is ad labium super, oris. \deuitis 
submaxill. sinistra sclcrotica. 

M. B., dOjähr. le«liger Bahnbeamter, traf am 17. August lN"d in die 
Klinik ein. 

An d«‘r Medianlinie der Oberlippe, u. zw. am Febergang de> Lippen- 
rotli in die Sclih imhaut, zeigte sieh eine 1 Cm. im Durchmesser messende 
papelförmige Frlielmng von BohnengWLse. Das Gewebe um dieselbe von 
charakteristischer Härte. Oie Drüsen in der Submaxillargegend ge¬ 
schwellt, hart. Bat. bemerkt seine OberlippenatVcrtion ^eit 3 Wochen. 
Feber die Fufsfelnmg des Geschwürs w«*iss der Krank« 1 nielits anztigrbrn. 

!). Sclerosis initial is labii s u per i oris oris. Adenitis 
s u b m a x i 11 a r i s b i 1 a t e r a 1 i s s »• 1 e r o t i e a. 

P. M., 22jühr. Oicnstmädehen, kam atn ld. März auf die Klinik. 
Fast in ihr Mitte der geschwollenen und cctropionii t< i n Oberlippe bildet 
man eine indurirte, eitörmige Stelle, deren Ob.u llacln» 1 1 *■ s FpiiheD be¬ 
raubt ist. D«*r Grund intiltrirt, von derber Con-isten/. Die ^ubmaxiil. 
Orii^en b* i«0■ i* its geschwollen. derb, gc^.-n Druck nimmptindli.-li. Ibe 


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Ueber extragenitale Syphilisinfection. 


69 


Pat. bemerkt seit 14 Tagen die Affection an der Oberlippe, die in Form 
eines Knötchens begonnen haben soll. Der Modus der Infection konnte 
in diesem Falle nicht eruirt werden. 

10. Primär-Sclerose der Oberlippe. Schwellung der 
regionären L y m p h d r ü s e n. 

W. S., 10 Monate alte Giesserstochter, wird von ihrer Tante am 
29. October 1891 auf unsere Klinik gebracht. 

Das für sein Alter schwächlich entwickelte und schlecht genährte 
Kind trägt in der Medianlinie der Oberlippe einen ungefähr haselnuss¬ 
grossen Knoten, der sich knorpelhart anfühlt und an der Oberfläche exul- 
cerirt erscheint. Die submaxillaren Drüsen der rechten Seite bilden ein 
kleinapfelgrosses, hartes Packet. Die Affection an der Oberlippe besteht 
seit 2 Monaten; es bildete sich ein kleines Bläschen an der betreffenden 
Stelle, das später exuleerirte und allmälig in das jetzt vorhandene Geschwür 
sich umwandelte. Die Mutter der Pat. hatte vor einigen Monaten eine 
fieberhafte Krankheit durchgemacht, der später eine Halsentzündung und 
nässende, entzündete Stellen an den Lippen und an den Mammen 
folgten, während sie das Kind nährte. Die Begleiterin des Kindes wird 
beauftragt, die Mutter der kleinen Pat. mitzubringen. Seit dieser Zeit 
war jedoch der Fall unseren Augen entschwunden, indem weder Mutter 
noch Kind sich vorstellten. 

11. Ulcus sei e rot i cum labii superioris oris. Lymph¬ 
adenitis sclerotica sub- et re tromaxillaris, s u b mentalis 
et colli superficialis. 

B. S., 2Gjähriger Finanzaufseher. Eingetreten am 13. Juli 1892. 

Die Oberlippe rüsselartig vorstehend, zeigt gerade in der Mitte der 
Oberlippe einen derben, scharf begrenzten Tumor, der mit einer blutig- 
«eitrigen Borke bedeckt ist; in der Mitte derselben findet sich eine senkrecht 
zur Lippe verlaufende Rhagade, die auf ihrem Grunde speckig eitrig be¬ 
legt erscheint. Nach Ablösung der Borke sieht man die Oberfläche der 
Sclerose im grösseren Umfang als eitrigen Geschwürsgrund. Die Lyroph- 
<lrüsen an beiden Unterkieferwinkeln, sowie die submaxillaren und sub¬ 
mentalen deutlich tastbar, bis bohnengross, derb; gleiche Veränderungen 
zeigen die oberflächlichen Lymphdrüsen des Halses, besonders rechts; 
hier lässt sich dieser Lymphdrüsenkranz bis in die Supraclaviculargrube 
verfolgen. Der Krauke, der bereits zweimal auf unserer Klinik lag, das 
erstemal mit Ulcus scleroticum in Sulc. glandis, dann später mit Secundör- 
er^cheinungen, gibt an, dass er seit seiner Entlassung aus dem Spital 
fortwährend gesund gewesen ist. Drei Wochen nach dem letzten Coitus 
bemerkt Pat. das Auftreten eines kleinen Knötchens an der Oberlippe, 
das allmälig grösser wurde und zerfiel. Pat. erzählt, dass er an der 
kritischen Stelle von einer Prostituirten geküsst wurde. 

12. S c 1 e r o s i s initialis labii superioris oris. Lucs condy- 
lomat. cutan. macul. papu 1. S c 1 era d enit i s submax i 11. s ufe¬ 
rn e n t. et nuchalis bilateral is. 


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Bloch. 


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T. K., 2Sjähi*iire Ieilige Kellnerin. Eingetreten am 19. Juli 1893. 

Man sieht die Oberlippe stark geschwollen. Rechts von de»* Median¬ 
linie derselben am Lippenroth beginnend findet sich eine 2 Om. grosse 
Ulceration, deren Ränder scharf begrenzt, deren BaMs mit Eiter bedeckt, 
erscheint. Das Geschwür fühlt sich sehr hart an; die nächste Eingebung 
ist auf 1'/, Cm. in die S leroso einbezogen. Die Drüsen in der sub- 
maxilh, ment, und mich. Gegend stark geschwellt, manche als taub» n- 
eigrosse Tumoren tastbar. Am Stamme ein maeul. papulöses Exanthem. 
Die Bat. gibt an, dass sie sich vor etwa 2 Monaten mit einem von einem 
Gast bereits benützten Zahn-tocher an der Schleimhaut der Oberlippe 
verletzte. Diese kleine Läsion heilte nicht, sondern wurde zu einem Ge¬ 
schwür, »las trotz Behandlung von Seite eines eonsultirten Arztes mit 
einer Tinetur und Argentumstift nicht heilen wollte, weshalb sie v<>u 
ihrem Arzt auf eine chirurgisch»' Klinik geschickt wurde; von dort wurde 
sie unserer Ambulanz zugewiesen. 

13. Ulcus sei e r o t i c u m 1 a l) i i s u p e r i o r i s o r i s. S c 1 e r a <1 e“ 

n i t i s s u b - e t r e t r o in a x i 11 , c c r v i c., a x i 11., c u b i t a 1 i s b i 1 a t e r a 1 i s. 

K. K., ein 7 Jahre altes Mädchen, wird von ihrer Mutter am 

10. Januar 1SD4 in die Ambulanz unserer Klinik gebracht. 

Die Oberlippe der Bat. massig ectropionirt, zeigt in der Median¬ 
linie eine etwas dunkler gcröthete, nur wenig über das Niveau erhabene 
bis liuscngrosse stark intiltrirte Stelle. Die sub- und retromaxillareii 

Lymphdrüsen bis haselnussgross, plejadenfürmig geschwellt, hart; die 
cervic. axill. und cubitalen gleichfalls vergrößert, selerosirt. Die Arcad» n 
zeigen beiderseits Knickungen, sonst am Körper nichts Abnormes, Geni- 
tale rein. 

Das Kind hat seit ca. 2 Monaten seine ObeiTippenatfection. die erst 
in Form eines Bläschens aufgetreten ist. Als die Mutter der Bat. auf 
Wunsch meines Chefs den folgenden Tag ihre anderen 2 Kinder mit¬ 
brachte, fand man bei dem 9 Jahre alten Bruder der Bat. eine Initial- 
sclerose am rechten Mundwinkel und bei der 13 Jahre alten Schwester 
unserer Bat. einen Initialaffect am linken Mundwinkel. Auf beide Fälle 
werde ich noch zu sprechen kommen. Die Aetiologic der Infcetion war 
hier vollkommen klar. Eine 20 Jahre alte Schwester A. K. der oben er¬ 
wähnten Kinder lag im Spital mit Erscheinungen einer fioriden Lues. 
Die Mutter selbst führt die Erkrankung ihrer Kinder zurück auf Infectbui 
seitens dieser Schwester, mit der die Kinder in einem Bette schliefen. 

1 L Sclerosis initialis ad labium super, oris Lues Con¬ 
dylom at. eut. pap ul., i»u stu los., ulcerosa. S c 1 e r a d e n i t i s uni¬ 
versal. p r a e e i p u e s u 1) m a x i 11 a r i s d e x t r a. 

M. B., 21j. ledige Näherin. Eingetreten am 14. August 1^95. 

An der Oberlippe u. z. am Eiltrum findet sich ein circa 1 Em. 
breites, die rechte Ilälfte der Oberlippe einnehmende*, zum Theil in der 
Haut, zum ibeil im Lippenrutli sitzendes Infiltrat, das an seiner Oberfläche 
mit einer eitrigen Burke bedeckt ist. Nach Abnahme derselben sieht man 
ein oberlläcLlirhes schüs*eliörmiges Geschwür mit wallartig aufgeworfenen 


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(Jeher extragenitale Syphilisinfection. 


71 


Rändern; unter dem rechten Kieferrande eine etwa faustgrosse Geschwulst, 
dem submaxillaren Drüsenpaket angehürend; über dem centralen Theile 
derselben die Haut geröthet; die Geschwulst an ihrer Kuppe deutlich 
Huctuirend; die übrigen Drüsen selerosirt. 

Ueber den ganzen Stamm, die Extremitäten und das Gesicht aus- 
gebreitet ein papulo-pustulöses Syphilid. 

P. gibt an, dass sie zuerst u. z. 6 Wochen vor ihrem Spitalseintritt 
eine Anschwellung unter dem rechten Kieferwinkel und eine Woche später 
die Affection an der Oberlippe bemerkt habe. Diese trat in Form einer 
Pustel auf, welche aufbrach und allmähg an Grösse zunahm. Ueber die 
Entstellung weiss P. keinerlei Angaben zu machen, doch gibt sie zu, dass 
sie sehr oft Rhagaden an der Oberlippe habe. Im Laufe des Aufenthaltes 
der P. auf der Klinik nimmt das Exanthem an Intensität zu, es treten 
Ulcera an den Tonsillen auf; zwei Wochen nach ihrem Spitalseintritt 
kommt es unter dem rechten Knie allmälig zur Bildung eines scharf- 
randigen Geschwürs mit speckig belegtem Grunde; am Ende der 3. Woche 
hatte dasselbe bereits die Grösse eines Guldenstückes erreicht; die Sclerose 
an der Oberlippe, die bereits überhäutet war, ist neuerdings aufgebrochen, 
nimmt serpiginösen Charakter an; an den oberen Extremitäten treten 
neue ulceröse Herde auf. 

Beginnend vom primären Geschwür an der Oberlippe, durchlief 
der Process bei dieser Kranken mit rapider Geschwindigkeit alle Phaseu 
der malignen Syphilis. Schon beim Beginn der Sclerose stellte sich eine 
Suppuration der rechten Submaxillardrüse ein. Zwei Monate, nachdem 
die P. die Sclerose bemerkt hate, kam es zum Auftreten eines papulösen 
Exanthems, zugleich zerfiel die Sclerose neuerdings und entwickelten 
sich zahlreichen Hautgummen. 


&) Au (1er Unterlippe. 31 Fälle. 

IG. Ulcus scleroticura labii inferioris oris. Lues cutanea 
maculosa. Scleradenit. submaxill. 

L. L., 21 j. lediger Commis. 

Zwei Centimeter vom rechten Mundwinkel entfernt findet sich an 
der Unterlippe ein kreuzergrosses Geschwür mit speckigem Belag. Die 
Basis des Geschwürs von charakteristischer Härte. Die Drüsen in der 
Submaxillargegend geschwellt. 

Das Geschwür begann in Form eines Bläschens, das allmälig durch 
Zerfall seine heutige Grösse erreichte. 

Der Infectionsmodus konnte nicht eruirt werden. 

17. Sclerosis initialis labii inferioris oris. Lues cuta¬ 
nea maculosa. Scleradenitis regional. 

J. J., 4j. Schmiedstochter. Eingetreten am 29. Juni 1880. 

Das für sein Alter schlecht entwickelte Kind trägt in der rechten 
Hälfte der Unterlippe 1 Cm. vom Angulus oris entfernt, einen haselnuss- 


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72 


Bl och. 


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grossen Knoten, der sich knorpelhart anfühlt und an der Oberfläche 
exulcerirt erscheint. Die Submaxillardrüsen derselben Seite sind multipel 
geschwellt, taubeneigross und indurirt. Auch die Collar- und Cervicaldriisen 
tastbar. lieber den Stamm ist ein rnaculöses Exanthem verbreitet. 
Das Kind hatte sich vor etwa (> Wochen bei einem Sturze mit den Zähnen 
an der Unterlippe verletzt. Die Wunde, die anfangs stark blutete, bedeckte 
sich später mit einem Schorfe, der sich wiederholt abstiess und eine 
nässende Fläche zu Tage treten liess, die sich immer mehr vergrösserte; 
zugleich nahm die Unterlippe in ihrem Volumen zu und indurirte. 

Becherchen nach der Infectionsquelle führten zu einem positiven 
Resultate. Es ergab sich, dass ein zu wiederholten Malen an unserer 
Klinik mit Syphilis condylomatosa in Behandlung gewesener Mann zu 
den Hausgenossen der Familie gehörte und, wie die Mutter des Kindes 
auf das bestimmteste angab, das Kind nach dem Falle durch Küssen auf 
die verletzte Stelle zu beruhigen versucht hatte. Kurz nach Spitalseintritt 
unserer P. stellte sich dieser Mann wieder vor und er bot nebst Condy¬ 
lomen ad anum auch zahlreiche Papulae mucosae an den Lippen dar. 

18. Primär-S der ose der Unterlippe. Schwellung 
der regionäre n L y m p h d r ii s e n. 

B. H., 21 j. ledige Dienstmagd. Eingetreten am 2. März 1881. 

Die ganze rechte Hälfte der Unterlippe wird von einem Geschwür 
eingenommen, das mit einer dünnen, braunrotheil Borke bedeckt ist, nur 
gegen die Mundschleimhaut zeigt es einen speckigen Belag. 

Der Grund ist bedeutend resistent. Die rechten Submaxillardrüsen 
erheblich vergrössert, indurirt. 

Die Erkrankung begann vor etwa 7 Wochen mit einem Knötchen, 
das allmälig grösser und resistenter wurde. 

19. Initial sei erose der Unterlippe. Syphilis cutanea 
m ac u 1 o -papu 1 o s a. Larynxal fe c t i o n. 

M. W., 24j. Stubenmädchen. Eingerreten am 4. December 1882. 

An der Unterlippe u. z. gerade in der Medianlinie eine manifeste 
Solerose. Am Stamme ein maeulopapulöses Exanthem, ausserdem bestanden 
die Erscheinungen einer acuten Laryngitis. 

Der Modus der Jnfeetion war hier nicht zu cruiren. 

20. S c 1 e r o s i s i n i t i a 1 i s 1 a b i i i n f e r i o r i s o r i s. Syphilis 
cutanea maculosa. 

J. W., 28j. Begenschirmmacher. Eingetreten am lö. Jänner 1883. 

In der linken Hallte der Unterlippe befand sich ein mehr als 
haselnussgrosses, bereits in Abschwellung begriffenes Inliltrat, das an 
seiner Oberfläche ein kreuzergrosses, speckig belegtes Geschwür trug. 
Die Submaxillardrüsen links bedeutend geschwellt, scleroMrt. Am Stamme 
ein orbiculär angeordnetes maeulöses Syphilid. 1 >ie AtTeclion entstand 
vor 7 Wochen aus dem Pat. unbekannter Ursache. 

21. Selerosis initinlis lahii infer. oris. Lues eondylom. 
cutanea maculosa. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s. 


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Ueber extragenitale Syphilisinfection. 


73 


J. N., 24j. verli. Tischler. Eingelreten am 7. Februar 1884. 

An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein fast kreis¬ 
rundes, 1 Cm. im Durchmesser haltendes, speckig belegtes Geschwür, 
dessen Basis sclerosirt erscheint. 

Die submaxillaren Drüsen der linken Seite sind in eine hühnerei¬ 
grosse, harte Geschwulst verwandelt. Die Affection der Unterlippe besteht 
seit 4 Wochen und hatte mit einem kleinen Bläschen begonnen, das 
später exulcerirte. 

Eine Woche vor Beginn der Affection will P. einem fremden Mann, 
über dessen Gesundheitszustand er jedoch keine Angaben zu machen 
vermag, seine Pfeife geborgt haben. 

22. Sclerosis initial, labiiinfer. oris. Syphilis cutanea 
mac ulo-papulosa. Scleradenitis buccalis, submaxillaris, 
nuchalis axillaris et cubitaiis dextra. 

B. B., 31 j. ledige Magd, wurde am 18. Mai 1884 aufgenommen. 

Zwei Centimeter vom rechten Mundwinkel beginnend, bis etwas 
über die Medianlinie der Lippe hinausreichend, sitzt in der Substanz der 
Lippe ein taubeneigrosser Knoten von derber Consisteuz. Von dem Knoten 
aus zieht ein gänsekieldicker, fester Strang unter der Schleimhaut 
der Lippe, durch das Gewebe der dem Kiefer anliegenden Wange, 
zu einer etwa erbsengrossen, harten Drüse, die 2 Cm. über dem Kiefer¬ 
rand unter der Haut fühlbar ist. Die submentalen und die submaxillaren 
Drüsen vergrössert, hart. Die Drüsen des Nackens sind multipel rosen- 
kranzförraig, erbsengross geschwellt. Auch die axillaren und cubitalen 
tastbar. Am Stamme und an den Extremitäten ein aus Flecken und Papeln 
bestehendes Exanthem. 

Ueber den Ursprung der Affection wusste P. nichts anzugeben. Vor 
6 Wochen soll sich in der Mitte der Unterlippe ein Knötchen gebildet 
haben, das allrcälig bis zur jetzigen Grösse heranwuchs. 

23. Ulcus scleroticum ad labium infer. oris. Sclerade¬ 
nitis submaxillaris bilateral. 

J. W., 24j. Messerschmied. Eingetreten am 23. Februar 1885. 

An der Unterlippe links von der Medianlinie auf die Mundschleim¬ 
haut übergreifend, findet sich ein etwa kirschkorngrosses speckig belegtes 
Geschwür mit indurirter Basis. Die submaxillaren Drüsen namentlich 
links vergrössert, hart. 

Der Modus der Infeotion konnte in diesem Fall nicht eruirt werden. 
P. wusste nur anzugeben, dass seine Erkrankung vor 7 Wochen begon¬ 
nen habe. 

24. Sclerosis initialislabii inferioris oris. Lues condy- 
lomat. cutan. mac ul. pap ul. Scleradenitis submaxillaris, 
corvicalis, axillaris et cubitaiis bi lat. 

W. M., wurde am 13. December 188b aufgenommen. 


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Bloch. 


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In der Mitte der Unterlippe eine baselnussgrosse infiltrirte Ge¬ 
schwulst, die mit einer braunrothen Borke bedeckt erscheint. Nach Ent¬ 
fernung derselben sieht man ein kraterförmiges Geschwür mit eitrig 
belegter Basis. Die oben bezeiekneten Drüsen vergrößert, hart. Im Ver¬ 
laufe des Spitalsaufenthaltes tritt ein über den ganzen Körper ausgebrei¬ 
tetes Syphilid auf. 

P. erzählte, dass er mit einer Prostituirten Umgang pflegte, die 
eine Affection an der Lippe hatte. Auf diese Stelle habe er das Mädchen 
geküsst. Vier Wochen darnach bemerkte P. ein Bläschen au der Unter¬ 
lippe, das zerfiel und sich allmülig vergrösserte. 

25. Ulcus durum labii inferior, oris. Lues cut. macul. 
p a p u 1. Scleradenitis s u b in a x i 11. c e r v i e a 1. et axillar. 

W. Z., 20j. Taglöhner. Eingetreten am 26. Februar 1887. 

Auf der Unterlippe u. z. gerade in der Medianlinie eine mauifeste 
Sclerose. Daneben bestand macul. papulöses Exanthem am Körper. Die 
oben angeführten Drüsen hart, vergrössert. P. ist Tabakkauer, und um 
seiner Leidenschaft zu fröhnen, schreckt er nicht davor zurück, auf der 
Strasse gelegene Cigarrenreste aufzuheben und zu kauen. 

26. Sclerosis initial is labii infer. oris. Lymphadenitis 
sclerotica submaxi llaris. 

A. Iv-, 27j. Kellnerin. Eingetreten am 16. Juni 1887. 

An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein fast kreis¬ 
rundes, 1Cm. im Durchmesser haltendes, speckig belegtes Geschwür, 
dessen Basis sclerosirt erscheint. Die submaxill. Drüsen namentlich links 
vergrössert, hart. 

P. führt ihre Lippenafiection darauf zurück, dass sie die Gewohnheit 
habe, das Geld der Gäste beim Wechseln zwischen die Lippen zu nehmen. 

27. Ulcus durum labii infer. oris. Scleradenitis s u b ■ e t 
retromaxillaris. 

M. B-, 30j. Näherin. Fingetreteu am 10. August 1888. 

Es zeigte sich in der Mittellinie der Unterlippe ein kreuzergrosses 
Geschwür mit speckigem Belag, das Gewebe um dasselbe von charakteri¬ 
stischer Härte. Die sub- und retromaxill. Drüsen vergrössert, hart. 

Der Modus der Infection konnte in diesem Falle nicht aufgeklärt 
werden. 

28. Ulcera dura labii in fer. oris. L u es cut an ea m ac u 1. 
papulosa. A d e n i t i s s c 1 e r o t i c. submaxill. ccrvic. et a x i 11. 

J. J., 26j. Taglöhuer. Eingetreten am 6. August 1880. 

An der vorderen Fläche der Unterlippe zu beiden Seiten der 
Medianlinie je ein tiefes, kraterförmiges Geschwür mit aufgeworfenen, 
sclerotisch intiltrirten Rändern. Am Stamme ein maculopapuloses Syphilid. 
Die oben angeführten Drüsen vergrössert, hart. 

Die Affection der Unterlippe datirt seit 4 Wochen und begann mit 
Bildung zwei kleiner Knötchen, die allmälig grösser wurden und exul- 
eerirten. 


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Ueber extragenitale Syphilisinfeetion. 


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29 a. Sclerosis labii infer. oris. Lues cutan. macul. papu¬ 
losa. Scleradenitis submaxill. axillar, et inguin. bi lat. 

M. Scb., 28j. Commis. Eingetreten am 4. December 1888. 

An der ectropionirten Unterlippe links von der Medianlinie, vom 
Lippenroth auf die Schleimhaut übergreifend, sitzt ein kreuzergrosses speckig 
belegtes Geschwür, dessen Umgebung stark iniiltrirt erscheint. Am Stamme 
und an den Extremitäten ein maculöses Syphilid. Die oben genannten 
Drüsen geschwellt, sclerosirt. 

P. gibt an, dass er vor der Lippenatleetion, die er seit 4 Wochen 
bemerkt, an derselben Stelle eine Rhagade gehabt habe und dass er an 
dieser Stelle von einer Prostituirten geküsst wurde. 

29 b. Ulcus durum ad labiuin infer ins oris. Lues cutan. 
inaeul. papulosa. Adenitis sclerotica universalis. 

J. Sch., 21 j. Jurist. Eingetreten am 18. April 1888. 

An der Unterlippe u. z. gerade in der Mitte eine manifeste Sclerose. 
Ueber den gjinzen Körper ein maculo-papulöses Exanthem. Sämmtliche 
dem Tastsinn zugängliche Drüsen tastbar, hart, schmerzlos. 

Unser P. bemerkte die Lippenatleetion seit 4 Wochen im Anschluss 
an eine Rhagade. Modus der Infection blieb unbekannt. 

80. Initialsclerose der Unterlippe. Allgemeine Drüsen¬ 
schwellung. 

F. B., 31j. Schuhmachersgattin. Eingetreten am 25. April 1888. 

Die ganze rechte Hälfte der Uuterlippe wird von einem Geschwür 
eingenommen, dessen Basis bedeutend resistent erscheint. Die sämmtlichen 
zugänglichen Drüsen, namentlich die rechte submaxillare Drüse vergrös- 
sert, indurirt. 

Aus der Anamnese ergab sich, dass ein zu wiederholten Malen an 
unserer Klinik mit Syphilis condylomat. in Behandlung gewesener Mann 
zu den Hausgenossen der Familie gehörte. 

31. Ulcus sclerotium ad labium infer. oris. Lymph¬ 
adenitis sclerotica s u b in axillaris sinistra. 

K. K., 38j. Lackirer. Eiugetreten am 3. Jänner 1889. 

An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein fast kreis¬ 
rundes speckig belegtes Geschwür, dessen Basis sclerosirt erscheint. Die 
submaxillaren Drüsen sind in eine hühnereigrosse harte Geschwulst 
verwandelt. 

P. erzählt, dass die Affection der Lippe seit 4 Wochen bestehe, 
mit einem kleinen Bläschen begonnen habe, das später exulcerirte. Eine 
Woche vor Beginn der Aftection will unser Kranker einem fremden 
Mann, der angeblich einen Ausschlag im Gesicht gehabt hätte, seine 
Pfeife geborgt haben. 

32. Sclerosis initialis labii inferior, oris. Lues Con¬ 
dylom. cutanea maculo-papulosa. Lymphadenitis univer¬ 
salis sclerotica. 

F. G., 22j. Jurist. Eingetreten am 29. Februar 1889. 


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In der linken Hälfte der Unterlippe fand sich ein mehr als hasel¬ 
nussgrosses, bereits in Abschwellung begriffenes Infiltrat, das an seiner 
Oberfläche ein kreuzergrosses Geschwür trug. Am Stamme ein orbiculär 
angeordnetes maculo-papulöses Syphilid. Die Aflection entstand vor 
12 Wochen aus dem I\ unbekannter Ursache. 

3o. Ulcus durum labii infer. oris. Lues condylomat cu¬ 
tanea maculo-jiapulosa. S c 1 e r a d e n i t i s s u b - e t retromaxil- 
laris, nuehalis ct ccrviealis. 

B. W., 21 j. Dienstmädchen. Eingetreten am 6. Mai. 1889. 

Genau in der Mitte der Unterlippe sitzt ein 1 Cm. langes, I */ 2 Cm. 
breites flaches Infiltrat, dessen Oberfläche eine glänzendrotlie, etwas 
nässende Fläche darstellt. Die Basis des Geschwürs fühlt sich derb an. 
Am Stamme ein reichliches Exanthem, an den Arcaden Papeln; die sub- 
und retromaxillaren Drüsen mächtig geschwollen, hart, die nuehalen 
multipel rosenkranzförmig geschwellt. 

P. bemerkt die Lippenaffection seit 4 Wochen. Sie behauptet von 
ihrem Geliebten inficirt worden zu sein, der eine ähuliche Aflection an 
der Oberlippe gehabt habe. 

34. Sclerosis initialis ad labium infer. oris. Lues 
condylom. cutan. pap u 1 o s a. L y m p h a d e n i t i s sclerot-ica uni- 
v ers a 1 i s. 

M.M., 18j. ledige Bergmannstochter. Eingetreten am 15. Sept. 1889. 

Am rothen Saum der Unterlippe rechts von der Medianlinie befindet 
sich eine scharf begrenzte, derbe Geschwulst von Haselnussgrösse, an 
ihrer Kuppe ein etwa linsengrosses Geschwür tragend. Sämmt liehe zu¬ 
gängliche Drüsen vergrnssert, hart. Am Körper ein ausgebreitetes Exan¬ 
them. An den Arcaden Papeln. Das Genitale virginal. 

Unsere P. bemerkt die Lippenaftection seit 17 Wochen; von einem 
Arzt durch längere Zeit mit verschiedenen Salben behandelt. Ueber die 
Ursache der Infection wurde nichts bekannt. 

35. Primäraffeet an der Unterlippe. Allgemeine Drü- 
se n sch we 11 ung. A usgebrei te t es Hautsy p hi 1 i d am Körper. 

G. E., 25j. Mediciner. Eingetreten am 30. September 1889. 

In der Mitte der Unterlippe eine typische Sclerose. Am Stamme 
ein maculöses Syphilid. Säinmtliehe zugängliche Drüsen namentlich die 
snbmaxillaren geschwellt, sclerosirt. Seit 6 Monaten bemerkt P. die 
Lippenaftection, über deren Ursache er nichts anzugehen weiss. Es ent¬ 
wickelte sich im Anschluss an eine Bhagade ein Bläschen, das aufbrach 
und später cxulcerirte. 

Hfl. Ulcus scleroticum labii infer. oris. Adenitis sub- 
m a x i 11 a r i s bilateral, s c 1 e r o t i c. 

M. V., 20 j. Kellnerin. Eingetreten am 3. September 1891. 

An der Unterlippe zu beiden Seiten der Medianlinie vom Lippen- 
roth auf die Haut übergreifend je ein derbes umschriebenes, et wa bohnen¬ 
grosses Infiltrat. I>ie subniaxili. Drüsen stark vergrössert, hart, indolent. 


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Ueber extragenitale Syphilisinfection. 


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P. bemerkt die Lippenaffection seit circa 3 Wochen und gibt an, dass 
sie von dem Glase eines Gastes getrunken hätte, der einen Ausschlag 
im Gesichte gehabt habe. Eine Woche darnach bemerkte sie das Auf¬ 
treten von zwei Knötchen an den betreffenden Stellen. 

37. Sclerosis initialis ad labium infer. oris. Lues con - 
dylom. cutanea maculo-papulosa. Papulae exulceratae ad 
genitale externum Lymphadenitis sclerotica universalis 
praecipue subraaxillaris. 

Fr. D., 22j. Hausknecht. Eingetreten am 26. Februar 1890. 

Die Unterlippe stark geschwellt. In der Mitte derselben findet 
sich eine 1 ’/ 2 Cm. grosse Exuleeration, deren Ränder scharf begrenzt, 
steil erscheinen, die Basis stark sclerosirt. Am Stamme ein maculo-papu- 
löses Syphilid. Sämmtliche zugängliche Drüsen, namentlich die sub- 
maxill. Drüsen, geschwellt, hart. 

P. erzählt, dass er eine Rhagade an der betreffenden Stelle hatte. 
Eine Woche nach dem letzten Coitus bemerkte er, dass die bereits 
zugeheilte Verletzung wieder aufbrach und Eiter absonderte. 

38. Ulcus durum labii inferius oris. Lymphadenitis 
submentalis sclerotica. 

S. E., 25j. Commis. Eingetreten am 2. Februar 1893. 

Die Unterlippe ectropionirt, mächtig geschwollen. Die Schwellung 
fühlt sich sehr hart an und zeigt gerade in der Medianlinie ein circa 
kreuzergrosses kraterförmiges, speckig belegtes Geschwür. Die submentale 
Lymphdrüse stark vergrössert, hart. 

P. erzählt, dass er an der Stelle des heutigen Ulcus eine Rhagade 
batte, auf welche er von einer Prostituirten geküsst wurde. Die Rhagade ver¬ 
heilte; am 6. Tage bemerkte jedoch Patient an Stelle der Rhagade ein 
Bläschen, das er sich aufkratzte. Bald darauf kam es zu starker 
Anschwellung der Lippe und zur Bildung eines Ulcus an Stelle des 
Bläschens. 

39. Sclerosis initialis labii inferior, oris et labii 
d e x tr i o r i f i c i i e x t e r n i u r e t h r a e. L y m p h a d e n i t i s s u b m a x i 11. 
et inguinal, bilateral, sclerotica. 

W. Z., oOj. verheirateter Conducteur. Eingetreten am 15. Mai 1893. 

An der 1. Unterlippenhälfte unmittelbar neben der Medianlinie 
ein kirschgrosser etwa 2 Cm. im Durchmesser betragender Knoten. Die 
Basis desselben von bedeutender Consistenz. Ein ganz analoger Knoten 
befindet sich am orificium externum urethrae, woselbst er die ganze 
rechte Seite einniramt. Auch dieser Knoten von derber Consistenz. Die 
submaxill. und inguinalen Drüsen vergrössert, hart. 

P. gibt an, dass er sowohl die Affection an der Lippe wie am Ge¬ 
nitale seit 14 Tagen bemerkt. Ueber die Art der Infeetion wusste er 
nichts anzugeben. 

40. Ulcus s c l e r o t i c u m labii i n f e r. oris. S e 1 e r a d e n i t i s- 
submaxill. dextra. 


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Bloch. 


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J. R.j 24j. Eisendrechsler. Eingetreten am 11. April 1894. 

An der Unterlippe rechts von der Medianlinie sitzt ein circa 
bohnengrosser harter Knoten, dessen Oberfläche exuleerirt, dessen Grund 
sclerosirt erscheint. 

Die submaxill. Drüsen zu einem mächtigen Tacket angeschwollen, hart. 

P. hatte sich angeblich durch heisse Suppe an der betreffenden 
Stelle verbrannt, darnach sei ein Bläschen entstanden, das sich P. aufriss, 
worauf sich ein Geschwür entwickelte. Infectionsquelle blieb unbekannt. 

41. Ulcus s o 1 e r o t i c u in 1 a b i i i n f e r. o r i s. Lues cutanea 
maculosa Lymphadenitis s u b m a x i 11 a r i s, axillaris et in- 
g u i n a 1 i s s c 1 e r o t i e a. 

A. X., ISj. Prostituirte. Eingetreten am 5. Februar 1895. 

Man fand an der Unterlippe u. z. rechts von der Medianlinie einen 
circa hellorgrossen, speckig belegten, massig über die Schleimhaut erha¬ 
benen, wenig intiltrirten Substanzverlust. Erst im Laufe des Aufenthaltes 
bildete sieh das Ulcus zu einer typischen Sclerose heraus, der in kurzer 
Zeit darauf eine mächtige Anschwellung der submaxillaren Drüsen folgte. 
Koch im Laufe ihres Spitalsaufenthaltes trat ein maculöses Exanthem am 
Stamme auf. 

P. gibt an, dass sie von einer anderen Prostiluirten, die eine 
ähnliche Atfection an der Lippe hatte, beim Abschied vor ihrem letzten 
Spitalsaufenthalte geküsst wurde. Drei Wochen darnach bemerkte sie das 
Auftreten eines Knötchens, das exulcerirte. Die Recherchen ergaben, dass 
diese Puella Secundärcrschoinungen an den Lippen hatte. 

42. S c 1 e r o s e s initiales 1 a b i i i n f e r i o r i s o r i s. Lues con¬ 
ti y 1 o in. c u t a n e a m a c u 1 o - p a p u 1 o s a. Papulae excoriatae penis, 
scroti et ad an um; Pa pule mucosae gingivae, tonsillarum 
et arcuum. Sei eradenitis submaxill. nuchal. axillar, et in- 
g u i n a 1 i s b i 1 a te ru 1 i s. 

A. P., 22j. Maurer. Eingetreten am 20. März 1S95. 

Man findet an der Haut der Unterlippe u. z. links von der Median¬ 
linie bis zum Lippenroth reichend ein kronengrosses, derbes, knorpelhartes, 
braunrothes im Cent rum schuppendes, über das Hautniveau etwa % Cm. 
erhabenes Infiltrat-. Ein zweites, ebenfalls derbes, braunrotbes, circa 
erbsengrosses Infiltrat fiiidct- sieli gegenüber dem ersten am Ueber- 
gange des Lippenroth in die Schleimhaut. Die Oberfläche dieses Infiltrats 
ist ihres Epithels beraubt und mit einem sperkigen Belag verseilen. Die 
submaxillaren Drüsen beiderseits besonders links mächtig geschwellt, 
hart. Am Stamme ein reichlich ausgebreitetes Exanthem, an der Schleim¬ 
haut der Mund- und Rachenhöhle, ad genitale, ad anum exulcerirte Papeln. 
Die übrigen tastbaren Drüsen vergrössert, sclerosirt. 

P. erzählt, dass er zu Weihnachten im Streite beim Nachhausegehen 
aus einem Gasthaus von einem Kameraden in die Unterlippe gebissen 
wurde. P. schenkte diesen kleinen Wunden, die sich mit einer Blutborke 
bedeckt hatten, keine Aufmerksamkeit und ging seiner gewohnten Arbeit 


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Ueber extragenitale Syphilisinfection. 


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nach. Nach circa 3 Wochen bildeten sich aus den Bisswunden kleine 
Knötchen, die allmälig zerfielen und sich zu Geschwüren heranbildeten. 
Gleichzeitig bekam P. die Drüsenschwellung am Halse. Als 14 Tage vor 
seiner Aufnahme die Affection am Genitale auftrat, sucht P. Spitalshilfe 
auf. P. gibt weiter an, dass sein Kamerad, der ihm die Verletzung bei¬ 
gebracht, einen Ausschlag hatte, und deshalb in Behandlung eines Arztes 
stand, auch stehe dieser Kamerad mit einem verrufenen Mädchen im stän¬ 
digen Verkehr. 

43. Ulcus durum ad labium infer. oris. Lues condy¬ 
lomatos. cutan. maculosa. Scleradenitis submaxill. cervic. 
et axillari-s. 

J. K., 42j. Gastwirth. Eingetreten am 26. März 1895. 

Die Unterlippe erscheint in toto geschwollen, ectropionirt. Links 
von der Medianlinie ist das Lippenroth und die angrenzende Schleim¬ 
hautpartie von einem kreuzergrossen, flachen Ulcus eingenommen, das 
derb anzufühlen ist. Am Stamme ein maculöses Syphilid. Die oben ge¬ 
nannten Drüsen vergrössert, hart. 

P. bemerkt die Affection seit zwei Mon. Ueber die Krankheit auf¬ 
geklärt gibt er an, dass er von dem Glase eines seiner Gäste, der einen 
Ausschlag im Gesichte gehabt haben soll, getrunken hatte. Nach circa 
2 Wochen bemerkte er das Auftreten eines Knötchens an der Unterlippe, 
das immer grösser wurde und allmälig zerfiel. 

44. Sc 1 erosis initia 1 is 1 abii inf. oris. Lues cutan. maculo- 
papulosa. Scleradenitis submaxill. et cervicalis. 

A. K., 29j. Kammermädchen. Eingetreten am 14. Juni 1895. 

An der Unterlippe u. z. in der rechten Hälfte gleich neben dem 
Frenulum findet sich ein zweihellerstuckgrosses derbes, braunrothes In¬ 
filtrat. Die submaxill. und cervicalen Drüsen vergrössert, hart. Am Körper 
ein reichliches maculo-papulöses Syphilid. 

P. acquirirte vor 5 Wochen an der Unterlippe ein Bläschen, das 
sich öffnete und exulcerirte. Der consultirte Arzt touchirte das Ulcus mit 
Lapis; auf die geschwellten regionären Drüsen applicirte er eine Salbe. 
Erst als ein Exanthem am Körper auftrat, sah sich der Arzt veranlasst, 
die P. ins Spital zu schicken. Der Modus der Infection blieb unbekannt. 

45. Ulcus scleroticum ad labium infer. oris. Lues con- 
dylom. cutanea maculosa Papulae exulcerat. ad labia et ad 
nymphas. Scleradenitis sub et retromaxillaris, cervical. 
i nguinal. bilat. 

A. Th., 20j. Magd. Eingetreten am 25. December 1895. 

An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein circa kreuzer¬ 
grosser Substanzverlust, der scharf begrenzt, eitrig belegt ist. Die Unter¬ 
lippe im Bereiche des Ulcus ödematös, derb infiltrirt; ad genitale exul- 
ccrirte Papeln. Am Stamme ein maculöses Syphilid. Die oben angeführten 
Drüsen vergrössert, hart. 


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Bloch. 


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P. bemerkt seit 8 Wochen das Auftreten eines Geschwürs im An¬ 
schluss an eine Rhagade. Ein consultirter Arzt verordnete eine weisse 
Salbe, jedoch ohne Erfolg. Ueber die Aetiologie dieses Falles wurde 
nichts bekannt. 


c) Primäraffecte an der Ober- und Unterlippe. 1 Fall. 

46. Scleroses initial, ad labium super, et inferioris 
oris. Lymphadenitis sclerotic. sub et retromaxil laris. 

R. K., 21 j. Cadet. Eingetreten am 25. April 1889. 

Gerade in der Mitte der etwas eetropionirten Oberlippe und an der 
correspondirenden Stelle der Unterlippe tindet sich je ein etwa halb- 
kreuzerstückgTosses, speckig belegtes, scharfrandiges Geschwür, dessen 
Basis indurirt erscheint. Die sub und retromaxillaren Lymphdrüsen zu 
einem mächtigen Packet angeschwollen, hart, indolent. 

P. erzählt, dass er seit etwa 6 Wochen die Affection an den Lippen 
bemerkte. Er hatte vorher an den betreffenden Stellen Rhagaden. Letzter 
Coitus vor 9 Wochen, wo er die ganze Nacht bei einer Prostituirten zu¬ 
brachte. Aus den Rhagaden entwickelten eich allmälig Geschwüre, die 
er anfangs mit verschiedenen Salben behandelte. 

d) Initialsolerosen an den Mundwinkeln. 5 Fälle. 

47. Ulcus sclerotic. ad angulum oris. dextrum. Lues 
condylomatos. cutanea maculosa. Sc 1 eradenit. univcrsalis. 

M. K., 41 j. Taglöhnerin, zeigt die Ober- und Unterlippe rechterseits 
bis über die Medianlinie geschwellt. Im Mundwinkel derselben Seite ein 
Ulcus, auf beide Lippen etwa 1 Cm. weit sich erstreckend. Die Basis des 
Geschwürs fühlt sich sehr derb an. Die submaxillaren Drüsen derselben 
Seite bilden ein faustgrosses Packet. Sämmtliehe anderen zugänglichen 
Drüsen sind multipel tastbar. Am Stamme ein maculöses Exanthem. 

P. glaubt sich von ihrer Miethsfrau inficirt zu haben. Dieselbe 
wird von ihrem Arzte wegen Syphilis behandelt, schmiere sich täglich 
mit einer grauen Salbe und nehme ein weisses Pulver. Pat. pflegt das 
jüngste 14 Wochen alte Kind dieser Frau, das Kind wird mit einem so¬ 
genannten „Zutzel“ aufgezogen, bekanntlich ein Leinwandlappen, in 
welchem gestossene Semmel und Zucker eingehüllt werden, und der 
dann zu einer Kugel gestaltet unten zusammengebunden wird. Bevor sie 
ihn dem Kind zum Saugen gab, tauchte sie ihn in wanne Milch, und 
nahm ihn, um sich zu überzeugen, dass er nicht zu heiss sei, vorher in 
den Mund. Ebenso machte es auch ihre von ärztlicher Seite ausdrücklich 
als syphilitisch bezeicknete Mitwohnerin. An ihrem eigenen Kinde be¬ 
merkte sie ein Ulcus am Kinn. Die P. brachte ihr Kind mit und wir 
konnten an der betreffenden Stelle eine Initialsclerose 1 ) constatiren. Auf 
diesen Fall komme ich noch zu sprechen. 

l ) Siehe unten Fall 79. 


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Ueber extragenitale Syphilisiufection. 


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48. Ulcus scleroticu m ad a u g u 1 u m o r i s s i n i s t r u m. S c 1 e r- 
adenitis sub — et retrornaxill. sin ist r. 

M. J., 60j. Bedienerin. Eingetreten am 11. Februar 1887. 

Im 1. Mundwinkel auf beiden Lippen sich ungefähr 1 Cm. weit- 
erstreckend sitzt ein Geschwür, dessen Basis speckig belegt ist, dessen 
Bänder zerfressen sind. Der Grund des Ulcus fühlt sich derb an. Die re¬ 
gionären Drüsen derselben Seite bilden ein grosses, hartes Packet. 

-P. erzählt, es sei vor circa 3 Wochen ein kleines Knötchen am 
Mundwinkel entstanden, das zu dem heutigen Geschwür zerfallen sei. 
P. ist Bedienerin bei einer Frau, die sich den Körper mit einer grauen 
Salbe einreibe. P. wurde von einem Arzt auf eine chirurgische Klinik 
geschickt, wo das Geschwür geätzt wurde. Erst als dasselbe nicht heilte, 
wurde sie zu uns gesandt. 

49. Sclerosis initialis ad nngulum oris sinistr. Scler- 
a d e n i t. submaxill. et subment, n u c h a 1. et cervicalis 
bi lateral. 

K. K., lOj. Böttcherstochter. Eingetreten am 10. Februar 1888. 

Am 1. Mundwinkel findet sich ein etwa kreuzergrosses, ziemlich 
tiefes, am Grunde zum Theil speckig belegtes, zum Theil mit braunen 
Eiterborken bedecktes Geschwür, dessen Bänder sehr derb infiltrirt und 
scharf sind. Die obengenannten Drüsen vergrößert, hart. 

Der Vater des Kindes erzählt, dass er vor 14 Tagen eine kleine 
Beule am Kinne unserer P. bemerkt habe, einige Tage später ein Ulcus 
am linken Mundwinkel. Der Vater erzählt weiter, dass er vor einiger 
Zeit eine Puella publica durch 14 Tage beherbergt habe, und dass das 
Kind wiederholt von diesem Mädchen geküsst, worden sei. 

50. Ulcus scleroticu m ad angulum oris. sinistr. Lues 
condyloma t. Ly mpliade n it. sclerotica submaxill. cer vical 
et axi 11. 

A. K., 13i. Tischlerstochter. Eingetreten am 17. Februar 1890. 

Am 1. Mundwinkel findet sich ein fast kreisrundes, l J / 2 Cm. im 
Durchmesser haltendes, speckig lelegtes Geschwür, dessen Basis sele- 
rosirt erscheint. An den Arcaden Papeln. Die submaxill. cervical. axillaren 
Drüsen vergrössert, hart. 

Das Kind soll seit circa 8 Wochen die Lippenatfection haben, die 
in Form einer Rhagade auftrat. 

Unsere kleine Patientin hat sich wie ihre 7j. Schwester') von 
ihrer eigenen Schwester, der 20j. K. K., iuficirt, die im Spital mit Er¬ 
scheinungen einer floriden Lues lag. Ebenso inficirte sich der neunjährige 
Bruder A. K., bei dem es sich handelte um 

51. Sclerosis initialis in angulo oris dextr. Lues 
condylom. cutanea macul. - papulosa. Scleradenitis 
universalis. 

A. K., 9j. Tischlerssohn. Eingetreten am 17. Februar 1891. 


‘) Vide Fall 13. 

Archiv f. Dermatol, u. övphil. Baud XXXIX. 


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B 1 o c b. 


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Am rechten Mundwinkel iindet man ein etwa linsengrosses mit 
dickem grau-gelben Belag bedecktes Geschwür, dessen Basis eine derbe 
Consistenz hat. Am Stamme ein maculö-papuloses Exanthem. Papeln an 
der Mundschleimhaut und an den Tonsillen. Samintliche tastbaren Lymph- 
drüsen vergrössert, hart. 

Die Mutter des Kindes beobachtete vor etwa 3 Monaten am r. 
Mundwinkel des P. ein kleines Knötchen, «las immer grösser wurde. 
Einige Tage nach dem Auftreten des Knötchens kam es zur Anschwellung 
der Drüsen am Halse; seit 2 Wochen beobachtete die Mutter das Exanthem. 

Sowohl dieser Patient, wie seine beiden kleinen Schwestern schliefen 
abwechselnd mit der älteren Schwester in einem Bett. 

II- Initialsclerosen an der Mamma. 

15 Falle. 

52. Sclerosis i n i t i a 1 i s m a m i 11 a e d e x t r. Lues cutanea 
maculosa. Seleradenitis universalis praecipue axil¬ 
laris dextr. 

A. K., 25j. Taglöhnerin, hat ein über den ganzen Körper ausge¬ 
breitetes orbiculär angeordnetes Syphilid. Der Warzenhof der r. Brust 
zeigt einzelne, violettblau pigmentirte strahlige Karben. Die Warze selbst 
etwas geschrumpft, von eigenthümlicher, fast knorpelharter Resistenz. Die 
Drüsen in der rechten Achselhöhle taubeneigross; von denselben lässt 
sich ein deutlicher, gänsekieldicker Strang gegen die Mamma verfolgen. 

Die Infection erfolgte durch ein Pflegekind. Nachdem P. durch 
14 Tage das fremde Kind bei sieh hatte, bemerkte sie an demselben 
einen Ausschlag am Stamm und besonders reichlich in den Schenkel - 
falten. Mit der Indolenz der Leute, denen es hauptsächlich um Entgelt 
für Pflegekinder zu thun ist, beachtete sie die Sache nicht weiter. Nicht 
lange darauf begann sieh ihre Brust zu entzünden und es entstand ein 
Ulcus zunächst der Warze. Erst nach 12 Wochen heilte das Geschwür. 
Seit zwei Monaten bemerkte sie den Ausschlag am Körper. 

53. S c 1 e r o s i s i n 1 1 i a 1 i s m a m m a e s i n i s t r a e. A d e n i t i s suppu¬ 
rativa axillaris sinistra; allgemeines Knotensyphilid der 
Haut; G u in m a t a auf dom Ko p f e, a n d e r W a n g e und in der 
Sch 1 ii s s e 1 b e i n g e g c n d. 

M. W., 2Gj übrige Taglöhnerin, zeigt auf dem Kopfe zunächst dem 
linken Seitenwandbein drei Exulcerationen, von denen die eine fünf, die 
anderen 2—3 Cm. im Durchmesser haben. Sümmtliohe haben scharf be¬ 
grenzte, kallös aufgeworfene Künder, die Basis theils mit nekrotischem 
Gewebe, theils mit schlaffen Granulationen bedeckt, ln der Mitte der 
1. Wange ein kreuzergrosses, blaurothes Infiltrat; der rechte Nasenflügel 
defcct. Ein ebenso beschaffenes Infiltrat wie an der Wange befindet sich 
rechterseits über dem Schlüsselbein, die Brustwarze links nur rudimentär 
vorhanden, in der Achselhöhle derselben Seite eine 3 Cm. grosse lineare 
Narbe. 


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Uebor extragenitale Svphilisinfection. 


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P., die ibr Kind, nachdem es 1 Jahr alt war, abstillte, verdingte 
sich zu einer Beamtensfrau als Amme. Das Pflegekind hatte am ganzen 
Körper und auch im Munde nässende Knötchen und Flecken. Sie hatte 
das Kind ungefähr 3 Wochen an der Brust, als links an derselben ein 
Ulcus entstand, das zwar von dem Hausarzt mit dem „blauen Stift u sofort 
zerstört wurde, jedoch immer weiter griff. Während dieser Zeit schwollen 
ihr die Drüsen in der Achselgegend derselben Seite an ; gingen in Eite¬ 
rung über und wurden von dem Arzte eröffnet. Die P. war bereits 
3 Monate von dem Kinde weg, als sie am ganzen Körper einen Flecken¬ 
ausschlag bekam, gegen den sie Jodkali verordnet erhielt. Unter der 
Behandlung mit Jodkali schwand der Ausschlag. Jedoch schon 8 Wochen 
später war sie am ganzen Körper mit kleinen Knoten übersät. Später 
bildete sich ein grosser Knoten am rechten Nasenflügel. Ihre jetzige 
Aifection besteht seit 3 Monaten. 

64. Primäre multiple Geschwüre an beiden Brüsten, 
Roseola; recidives schuppendes Exanthem; Papeln an den 
Genitalien und zwischen den Zehen. 

A. B., 21j. Dienstmagd, bemerkte seit ungefähr 1 Woche brennende 
Schmerzen zwischen den Zehen des r. Fusses. Es zeigten sich in den 
Spatien zwischen der 4. und 3., 3. und 2., 2. und 1. Zehe des rechten 
Fusses macerirte Papeln. Am Stamme zahlreiche, leicht schuppende Infil¬ 
trate; der Warzenhof beider Brüste dunkel pigmentirt, innerhalb desselben 
rechts zwei, links drei ungefähr, 2 Cm. grosse, sich pergamenthart anfüh¬ 
lende Narben. Die Drüsen allgemein, besonders in der Achselhöhle bei¬ 
derseits geschwellt. P. hatte vor 1 Jahr ein kräftiges, gesundes Kind 
geboien, das 6 Monate darnach an einer fieberhaften Krankheit starb. 
Damals w’urde in ihrer Heimat eine kräftige Amme mit reichlicher Milch 
für ein, wie man ihr sagte, krankes Kind nach Wien gesucht. Der be¬ 
handelnde Arzt des Kindes untersuchte sie bei ihrem Eintritt und sie 
nahm in seiner Gegenwart (!) das Kind an die Brust. Sie selbst wunderte 
sich, wie elend das Kind sei, und ist ihr besonders die gelbliche Haut¬ 
farbe desselben und ein Ausschlag an der Stirne, an Händen und Füssen 
aufgefallen. Im Verlauf der zweiten Woche bildeten sich an beiden Brüsten 
einzelne Bläschen, die aufbrachen und sich dann zu grösseren Geschwüren 
vereinigten. Nach 4 Monaten trat ein Exanthem am Körper auf, ebenso 
die Affection zwischen den Zehen. 

55. P r i m ä r a f f e c t an der rechten Brustwarze, p a p u 1 o- 
maculöses Syphilid. Zerfall eines Gumma am weichen 
Gaumen. 

M. F., 3(Jj. verheiratete Taglölmerin. 

Der weiche Gaumen zum Theile abgängig. Die Ränder des Defectes 
stark gewulstet, uneben mit neerotisclien Gewebstrümmern bedeckt. 

An der rechten Brust eine Narbe von 4 Cm. Durchmesser, die von 
der Mamilla beginnend sich bis nahe zum Rand des Warzenhofes erstreckt. 
In der rechten Achselhöhle eine taubeneigrosse indolente Drüse. 

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Die Aetiologie der Iufection war wieder dieselbe. P. hatte ihr Kind 
abgestillt und ein fremdes Iviud an die Brust genommen. Dieses Kind zeigte 
in den Schenkelfalten und am After linsengrosse, nässende Stellen. 

5(>. I n i t i a 1 a f f e c t der linken Brustwarze, m a c u 1 o - papu¬ 
löses Hautsyphilid. 

A. AI., 29j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 22. Juli 1S80. 

Die linke Brustwarze und der Warzenhuf erschien von mehreren 
linsen-bis bohnengrossen Knoten durchsetzt. Die ganze Partie war bedeu¬ 
tend resistent. Von dieser Brustwarze aus konnte man unter der Haut 
gegen die linke Achselhöhle ziehende derbe federkieldicke Stränge ver¬ 
folgen, die linksseitigen Achselkühlendrüsen waren bis hühnereigross 
geschwellt, selerosirt. Die rechte Brustwarze hot ähnliche Verhältnisse, 
jedoch mit geringerer Intiltration und Mackeren Knoten. Die r. axillaren, 
collaren und mentalen Drüsen selerosirt, tastbar. An den Genitalien 
bestanden zahlreiche nässende Infiltrate. Am Körper ein maculo-papulüses 
Syphilid. 

Die Kranke, die fünf gesunde Kinder geboren hatte, nahm eine 
Woche vor dem Tod ihres jüngsten, 22 Wochen alten Kindes einen 
Findling aus der hiesigen Anstalt in ihre Fliege. Weder die Alutter noch das 
Kind boten, wie uns von dort aus mit getheilt wurde, irgend welche Zeichen 
von Lues, — Baid nach der Lebernalime bemerkte die Amme am Körper 
des Kindes ein gelb abschillerndes Exanthem, daneben einzelne erbsen¬ 
grosse Etflorescenzeii mit eitrigem Inhalte. Später wurde seine Stimme 
heiser, es wurde immer schwächer, so dass sie sich bewogen funlte, es 
nach 2 Aloiiaten zu restituiren. Es war sehr liei abgekommen, hatte bei¬ 
derseits ulceröse Keratitis und starb schon am 2. Tage. Aeussere Zeichen 
von Lues wurden am Kindt* nicht coustatirt, die Lustration unterblieb. 

\ ierzehn Tage nuek der Abgabe des Kindes bemerkte die Krau, 
dass ihre linke, später auch die rechte Brustwarze zu jucken begannen 
und an denselben nässende Geschwüre entstanden. 

ö7. 1 1 ) i t i a 1 s e 1 e r o s e der re c h t e u B r u s t w ar/e mit cunse- 
cutivum F1 e c k e n s y p h i 1 i d. 

A. (J., 44j. verheiratetes Schneiders weih. Lingetrctcn am 17. Mai 16Sl. 

An der rechten Mamma fand sich oberhalb der Brustwarze ein mehr 
als haselnussgrosses, an der Oberfläche exulcerirtes Infiltrat mit speckig 
belegtem Grunde und derben infiltrirteu Bändern. Kach unten und aussen 
von der linken Alammilla süssen kleinere, dieselben Charaktere trügenden 
Infiltrate. Die Drüsen m der rechten Achselhöhle waren bedeutend ange- 
schwolien und hart. Ad Genitale nassende Papeln. Am Stamme ein macu- 
lüses Exanthem. 

Die P. hatte vor o Aloiiaten ein 0 W ochen altes Kind in Pllege 
genommen und dasselbe genährt. Der Säugling war schwächlich, blutete 
häutig aus der Käse und dem Zahnfleisch, hatte gesprungene Lippen und 
litt an KurzatInnigkeit. Mach 14 Tagen traten bei ihm nässende Papeln 
in der Anal -Genitaigegend auf. Drei Wochen vor ihrem Spitalseintritte 
bemerkte sie oberhalb ihrer rechten Brustwarze ein kleines Knötchen, 


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Ueber extrageuitalc Syphiiisinfection. 


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welches bald exulcerirte und verhärtete. Eine Woche später entstanden 
ähnliche Knötchen an der 1. Mararailla, die denselben Verlauf nahmen. 
Von dem Exanthem und der Genitalaffection ist ihr nichts bekannt. Ihr 
eigenes Kind war zur Zeit der Uebernahme des fremden 4 Monate alt. 
Seit dem Auftreten der Affection an der rechten Brust legte sie dasselbe 
stets an die linke an, das fremde an die rechte. An ihrem Kinde will 
sie bisher keinerlei Erscheinungen beobachtet haben. 

58. Syphilis ulcerosa serpiginosa. Sclerosis initiales 
sanatae mamraae utriusque. 

M. P., 36j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 22. Novem¬ 
ber 1881. 

In der Mitte der Ulnarfläche des 1. Vorderarmes befand sich ein 
beinahe kreisrundes, 6 Cm. im Durchmesser haltendes Geschwür, das im 
Centrum bereits vernarbt war, während die Ränder zu beiden Seiten auf¬ 
geworfen, der Grund zerklüftet erschien. Ausserdem fanden sich Narben 
in der Mitte der Beugefläche des Vorderarmes und unter beiden Brust¬ 
warzen, besonders unter der linken Mammilla. Eine linksseitige Axillar- 
drüse etwa wallnussgross tastbar. 

Die Krankheit der Patientin begann vor circa 2 Jahren mit Ulcera- 
tionen der Brustwarzen, als sie ein zur PHege übernommenes Findelkind 
säugte. Später trat zeitweilig Halsschmerz auf, vor einem Jahre bildete 
sich das Geschwür auf dem linken Arme. Sie ist Mutter von fünf Kindern, 
welche, wie ihr Mann, stets gesund waren. 

59. Ulcus scleroticum mammae dextrae. Syphilis cuta¬ 
nea papulosa. 

A. S., 25jähr. verheiratete Schuhmachersfrau. Eingetreten am 
27. Mai 1882. 

An den Genitalien fand man zahlreiche Papeln. Ueber Stamm und 
Extremitäten ein papulöses Exanthem. Sämmtliche Lymphdrüsen waren 
geschwellt, die in der rechten Achselhöhle wallnussgross. Die Infection 
war in diesem Falle von der rechten Mammilla ausgegangen. Die P. hat 
im December 1881 geboren; da ihr Kind an „Fraisen“ starb, nahm sie ein 
Findelkind in Pflege, welches sie durch 2 Monate nährte. Dasselbe war 
bei der Uebernahme sehr schwächlich und soll viele Geschwüre am Rücken 
gehabt haben. Da sich sein Befinden nicht besserte, gab sie es der An¬ 
stalt zurück, wo man ihr angeblich mittheilte, dass das Kind früher einen 
Ausschlag durchgemacht habe. Einen Monat später bemerkte sie an den 
Brustwarzen das Auftreten kleiner Geschwüre, die sich später verhärteten, 
drei Wochen nachher trat ein Ausschlag am ganzen Körper auf. 

60. Initiaisclerosen beider Brustwarzen; allgemeine 
Drüsenschwellung; papulöses Hautsyphilid. 

F. M., 25j. ledige Dienstmagd. Eingetreten am 6. Juli 1884. 

An der r. Brustwarze, entsprechend der äusseren Hälfte des Warzeri- 
hofes, befand sich ein 2 Cm. langes, 1 Cm. breites, auf sclerosirter Basis 
aufsitzendes, exulcerirtes, mit schwammigen Granulationen bedecktes 
Infiltrat; nach aussen unten von demselben zwei ähnliche bohnengrosse, 


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Bloch. 


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In der oberen Hälfte des 1. Warzenhofes sass ein denselben Charakter 
tragendes Geschwür. Diebeiderseitigen axillaren Drüsen waren vergrössert, 
hart, die linksseitigen über wallnussgross. Von der rechten Mamma liess 
sich ein rabenkieldicker, sclerosirter Strang bis in die Achselhöhle ver¬ 
folgen. An den Genitalien zahlreiche nässende Papeln, über dem ganzen 
Körper ein kleinpapulö>es Syphilid. 

Die P. hatte vor 5 Monaten geboren; weder an der Mutter noch an 
dem Kinde wurde während ihres Aufenthaltes in der Findelanstalt irgend 
welche Erkrankung constatirt. Nach ihrem Austritte aus der Anstalt 
nahm sie eine Stelle als Amme bei einem 2 Tage alten Kinde an, dessen 
Mutter bei der Geburt gestorben war. Dieselbe soll, wie P. später in Er¬ 
fahrung brachte, einige todte Kinder geboren haben. Als der Säugling 
eine Woche alt war, will sie an demselben ein Exanthem bemerkt haben, 
zugleich soll er schlecht gesaugt und öfters aus dem Munde geblutet 
haben. Es starb im Alter von 5 Wocheu. Acht Tage zuvor hatte die 
Amme das Ilaus verlassen. Einige Tage später bemerkte sie dieBildung harter 
Knötchen an beiden Brustwarzen, ca. 3 Wochen wurde sie mit essigsaurer 
Thonerde behandelt, bis sie endlich unserer Ambulanz zugewiesen wurde. 

61. S c 1 e r o s i s i n i t i a 1 i s m a m m a e dextrae. Lues c o n d v 1 o rn. 
cutanea ra a c u l o-p a p u 1 o - p u s t u 1 o s a. Selo r ade nitiscervicalis, 
i n g u i n a 1 i s, axillaris, p r a e e i p u e dextra. 

J. Sch., 37 j. verheiratete Tag löhnerin. Eingctrot.cn am 6. April 1886. 

An beiden Mammae um die mamilla herum, besonders in der unteren 
Circurnferenz finden sich mehrere bis über kreuzergrosse, stark elevirte 
nässende Infiltrate, von denen sich eines, etwa 2 Cm. langes, 1 Cm. breites 
im rechten unteren Quadranten der rechten Mamilla durch besondere 
Resistenz auszeiclinet. Am Stamme ein reichliches maculo-papulüses 
Syphilid. Ad Genitale nässende Papeln, die oben angeführten Drüsen ge- 
sebwellt hart, die rechten axillaren bis wallnussgross, sehr derb. 

Die 1\, die 7 gesunde Kinder geboren hatte, nahm am 15. October 
1885 ein fremdes Kind in Pflege, das 3 Wochen alt war. Nach zwei 
Monaten bemerkte P. an dem in Pflege übernommenen Kinde ad nates 
Biäscheneruptionen und nach einigen Tagen ein über den ganzen Körper 
ausgebreitot.es Exanthem. P. nährte das fremde Kind zuerst an der 
r. Brust, während sie ihr eigenes an der linken hatte. Erst als ihr Kind 
an Diphtheritis starb, nährte sie das Pflegekind abwechselnd an beiden 
Brüsten. Sechs Wochen vor ihrem Spitalseintritt bemerkte P. das Auf¬ 
treten von Bläschen an der rechten Brust, die sich allmülig zu Ulcera 
heranbildeten; 4 Wochen nach dieser Atfection trat das Exanthem auf. 

62. U 1 c u s scleroticum m a m i 11 a e s i n i s t r a e. L u e s c o n d y - 
1 o m. cutan. macul. papulosa. S c 1 e r a d e n i t i s u nivcrsalis prae- 
c i p u e a x i 11 a r. s i n i s t. 

M. R., 30 j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 10. Fe¬ 
bruar 1887. 

Die linke Brustwarze und der Waivenhof erscheinen von mehreren 
bis bohnengrossen Knoten durchsetzt. Die ganze Partie war bedeutend 


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Ueber extragenitale Sypbilisinfection. 


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resistent. Von dieser Brustwarze aus konnte man unter der Haut gegen 
die 1. Achselhöhle ziehende federkieldicke Stränge verfolgen. An den 
Genitalien zahlreiche nässende Papeln, am Stamme ein maeulo-papulöses 
Syphilid; säramtliche Drüsen waren vergrössert, hart, namentlich aber 
die linksseitigen Achselhöhlendrüsen. Dieselben waren bis hühnereigross 
geschwellt, hart. 

Die P. nahm eine Woche vor dem an „Fraisen“ erfolgten 
Tod ihres 2 Monate alten Kindes ein fremdes Kind in ihre Pflege. Einige 
Tage nach der Uebernahme desselben bemerkte die Amme einen Aus¬ 
schlag an ihrem Pflegekind. Später wurde seine Stimme heiser, und nach 
2 Monaten starb das Kind. Vier Wochen vor ihrem Spitalseintritt be¬ 
merkte die P., dass an ihrer 1. Brustwarze nässende Geschwüre entstanden. 
Vor 1 Woche traten die Erscheinungen am Genitale auf und das Exanthem 
am Körper. P. hatte 4 gesunde Kinder geboren und war nie krank. 

63. Sclerosis initialis ad mammam sinistr. Lues Con¬ 
dylom. cu tan. macul. Scle radenitis axillar, bi lat. 

/, B., 32j. verheiratete Fleischersgattin. Eingetreten am 3. Aug. 1892. 

An der 1. Mamma fand sich oberhalb der Brustwarze ein mehr als 
haselnussgrosses, exulcerirtes Infiltrat mit derben infiltrirten Rändern. Die 
Drüsen in den Achselhöhlen beiderseits bedeutend angeschwollen und 
hart. Am Stamme ein maculöses Exanthem. Die P., die 2 Jahre ver¬ 
heiratet ist und ihr Kind selbst stillt, nie abortirt hat, deren Mann voll¬ 
kommen gesund war, bemerkt seit etwa 1Monaten einen Ausschlag 
am Körper ihres Kindes, seit 4 Wochen Geschwüre an den Lippen und 
ad genitale. Ihre Affection bemerkt sie seit 3 Wochen. Es wurde, da die 
Infectionsquelle nicht klar war, das Kindermädchen unserer P. citirt und 
da stellte es sich heraus, dass dasselbe vor etwa */, Jahre mit Erschei¬ 
nungen einer floriden Lues im Spital lag. 

64. U1 cu8 Bcleroticum mammae dextrae. Lues cutan 
papulosa. S c 1 e r a d e n i t i s universalis praccipue axillaris 
dextra. 

M. M., 35j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 4. Aug. 1892. 

An der rechten Mamilla findet sich ein ungefähr linsengrosses, 
speckig belegtes Ulcus, dessen Grund sich sehr derb aufühlt. Die regionären 
Drüsen wallnussgross, hart. Am Körper ein maculöses Exanthem. 

Die P. hatte vor 3 Monaten ein 6 Wochen altes Kind in Pflege 
genommen und dasselbe genährt. Der Säugling war schwächlich, blutete 
häufig aus der Nase, hatte gesprungene Lippen. Nach 14 Tagen traten 
Geschwüre ad genitale und ad anum auf. Seit 3 Wochen bemerkte P. die 
Affection an ihrer rechten Brustwarze. Ihr eigenes Kind war einige Tage 
vor Uebernahme des Pflegekindes au „Fraisen“ gestorben. 

65. Sclerosis initialis mamillae s i n i s t r a e. Luescon- 
<1 y 1 o m. cutanea macul -papulös. S c 1 e r a d e n i t. universalis 
praecipue axillar. 

K. S., 2Sj. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 15. März 1894. 


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An der linken Mamilla findet si<*h ein pilzförmiger, liaselnussgrosser 
Tumor, der in seinem Centrum die Färbung und Zusammensetzung der 
Mamilla erkennen lässt, in der Peripherie aber aus derben, oberflächlich 
zerfallenem, speckig belegtem Gewebe zusammengesetzt ist. Von diesem 
Intiltrat lässt sich zur linken Achselhöhle ein fedurkicldieker, derber Lymph- 
strang verfolgen. Die entsprechenden Drüsen bis hühnereigross, sclerosirt. 
Am Körper ein ausgedehntes maculo-papulöses Exanthem. Hier wurde 
die Aetiologie der Infeetion nicht klar; die I\ hatte nie geboren, ist seit 
4 Jahren verheiratet; ihr Mann soll angeblich gesund sein. 

fifl. Sc 1 erosis initialis mammae dextrae. Lues condvlom. 
cutanea m a c u 1 o s a. Seleradenitis u n i v e r s a 1 i s praecipue axil¬ 
laris d extra. 

J. Z., 29j. ledige Magd. Eingetreten am 12. December 1895. 

Man sieht rechts von der Mamilla ein circa kreuzergrosses, braun- 
rothes, knorpelhartes Infiltrat, das an der Oberfläche zart überhäutet Pt. 
Am Stamme ein maculöses Syphilid. Ad genitale, sowie an den Gaumen¬ 
bögen exulcerirte Papeln. Summt liehe Lymphdrüsen vergrössert, hart, 
die der rechten Achselhöhle wallnussgross vergrössert und sehr derb. 

Fiisere P. gebar am 17. Aug. 1895 in der Gebäranstalt und wurde am 
1. September in die Findelanstalt transferirt. Daselbst wurde ihr nebst 
ihrem eigenen Kinde noch ein zweites Kind zugetheilt. Dieses Kind starb 
angeblich mit einem Ausschlag (!) behaftet bald nach der Entlassung 
der P. aus der Anstalt, die am 10. September erfolgte. Anfangs October 
bemerkte nun P. die Afleetion an der rechten Brustwarze, seit 3 Wochen 
die Afleetion ad genitale. 

Initialaffect an der Brust eines Mannes. 1 Fall. 

<>7. Ini ti a lscl erose unterhalb der Clavicula. Suppu- 
r a t i o n der rechten Achscldrüsen; maculöses E x a n t li e m. 

J. Sch., 21 j. lediger Agent. Eingetreten am 15. Februar 1879. 

An der rechten Brusthälfte 4 Cm. unter dein Schlüsselbein findet 
sieb ein Geschwür von 2‘/ a Cm. Länge und 1 Cm. Breite mit steilen 
Bändern, stark infiltrirtem Grunde. Die Drüsen in der Achselhöhle rechts 
stark geschwellt. Am Stamme ein ausgebreitetes maculöses Exanthem. 

Als Entstehungsursache gibt der P. eine Kratzwunde an, die ihm 
sein ältester Bruder mit dem Fingernagel beigebracht habe. Dieser Bruder 
war zu wiederholtenmalen mit allgemeiner Syphilis an der Klinik in 
Behandlung gestanden. 

III. Primäraffecte an den Fingern. 

5 Falle. 

68. S c 1 e r o s i s initialis digit. sec und. dex t r. Lues condy 1. 
cutan. maculo-papulosa. Seleradenitis universalis prae- 
cipue cubital. dextr. 


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Ueber extragenitale Syphilisinf'ection. 


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J. H., 46j. verheiratete Hebamme, wurde am 28. Juli 1880 ausge¬ 
nommen. 

An der Yolarseite des rechten Zeigefingers sieht man auf der Haut 
zwischen dem 1. und 2. Gliede eine unregelmässig begrenzte, erhabene, 
narbige, etwa kreuzergrosse Stelle von glänzender, blassvioletter Farbe 
und harter schwieliger Consistenz. Die freie Beweglichkeit des Zeige¬ 
fingers im ersten interphalaugealen Gelenk ziemlich gehemmt. Am 
Stamme ein maculopapulöses Exanthem, ad genitale zahlreiche Papeln. 
Sämmtliche Drüsen vergrössert, hart, die rechte Cubitalis fast wallnuss¬ 
gross, sclerosirt. 

Unsere P., Mutter zweier gesunder Kinder, erzählt, dass sie vor 
circa 3 Monaten zur Entbindung eines unverheirateten Mädchens gerufen 
wurde. Ob diese einen Ausschlag gehabt, weiss P. nicht anzugeben. 
Drei Wochen nach dieser Entbindung bemerkte P. an der betreffenden 
Stelle ein kleines Geschwür, das allmälig grösser wurde. P. behandelte sich 
allein mit verschiedenen Salben. Anfangs nahm das Geschwür an Grösse 
zu, später jedoch verheilte es, aber sehr langsam. Vor circa 3 Wochen 
bemerkte P. den Ausschlag am Körper und ad genitale; seit dieser Zeit, 
seit Bestand des Auschlags, übt P. ihr Geschäft nicht mehr aus, wohl 
aber vorher mit dem nur locker verbundenen Zeigefinger. 

69. Ulcus scleroticum ad digit. sec und. man. sin. U1- 
cera sclerotic. ad genitale extern. Seieradenitis inguinalis 
et cubitalis sinistr. 

K. K., 32j. Goldarbeitergehilfe. Eingetreten am 28. Üctober 

Ueber der Basis der Grundphalange des linken Zeigefingers befindet 

sich ein über kreuzergrosses Geschwür. Die Ränder desselben sind auf¬ 
geworfen, hart. Die Umgebung des Ulcus derb infiltrirt. An der Über¬ 
gangsstelle des äusseren in das innere Blatt des Präputiums findet sich 
entprechend den beiden Seitenlinien je ein elevirtes, circa linsengrosses 
Geschwür mit Behr Btark infiltrirtem Grunde. Die inguinalen Drüsen 
beiderseits multipel geschwollen, sehr hart. Die cubitale Drüse links 
stark vergrössert, knorpelhart. 

Fünf Wochen vor seinem Spitalseintritt bemerkte unser P. ad 
genitale Geschwüre, die er sich selbst mit Jodoform behandelte. Zur 
selben Zeit fügte sich der P. eine Stichwunde am linken Zeigefinger zu. 
Da die Stichwunde ihn schmerzte, legte sich der Kranke Talg auf, unter 
welcher Behandlung sich ein Geschwür bildete, das vollkommen schmerz¬ 
los war und nach der Peripherie sich ausdehnte. Der Wundrand war 
erhaben und hart. 

70. Sclerosis initiaiis ad digit. med. sin. Lues con- 
dylomat. cutan. maculo-papulosa; Scleradenitis cubitalis 
axill. et cervical. bilat. 

W. T., 36j. verheirateter Bademeister. Eingetreten am 11. April 1S94. 

An der Dorsalseite der ersten Plialange des 1. Mittelfingers 
findet man eine Exulceration von der Grösse eines Zwanzigkreuzer¬ 
stückes. Die Ränder sind aufgeworfen und derb infiltrirt. Am Körper 



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zerstreut und ad genitale theils exulcerirte, theils oberflächlich schuppende 
Infiltrate. Ausserdem findet sieh am Stamme ein reichliches maculöses 
Syphilid. Die Körporlymphdrüsen sind tastbar, besonders vergrössert 
und hart sind die cubitalen, axillaren und eervicalen Drüsen. 

P., der nie eine Genitalaffection durchgemacht hatte, ist 13 Jahre 
verheiratet und Vater von G gesunden Kindern. Die Affection am 1. 
Mittelfinger besteht 8 Wochen u. zw. trat zuerst an der Dorsalseite des 
1. Mittelfingers eine kleine Blase auf, die sich P. mit einer Bürste abrieb, 
worauf eine nässende Fläche sich entwickelte. Die Affection vergrösserte 
sich immer mehr. Seit 14 Tagen konnte P. nicht mehr seiner Beschäf¬ 
tigung nachgehen, da in der ganzen 1. Extremität starke Schmerzen be¬ 
standen. 

71. Sclerosis initialis pollic. sin. Lues condyl. cutan. 
m a c u 1. - p a p u 1 o s a. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s. 

J. R., 24j. Elektrotechniker, Eingetreten am 10. December 1895. 

Am lateralen Rande des Daumens findet sich in der Gegend des 
ersten Phalangealgclenkes ein etwa kreuzergrosser Substanzverlust mit 
stark infiltrirten Rändern und derbem Grunde. Der Nagel grau verfärbt 
vom Nagelfalz etwas gelockert. Am Stamme ein nnculo-papulöses Syphilid. 
Die Drüsen allenthalben vergrössert, hart, namentlich die linke Cubitalis. 

P., der nie inficirt war, zog sich in Ausübung seines Berufes an 
der betreffenden Stelle eine Verletzung zu. Dieselbe heilte nicht, sondern 
es bildete sich ein Ulcus, das immer grösser wurde. Die Aetiologie der 
Infection wurde in diesem Falle nicht eruirt. 

72. Cicatrix ad digit. mt;d. sin. post sclerosim initial. 
L u e s condvlom. cutanea papulös. Iritis 1 n e t i c a d e x t r. 
Scleradenitis universalis p r a e c i p u e cubitalis et axillaris 
s i n i s t r. 

M. II., 02j. verheiratete Hebamme. Eingetreten am 13. Februar 1895. 

An der zweiten Phalanx des 1. Mittelfingers sieht man an der Dorsal¬ 
seite eine etwa kronengrosse, glänzende, blassviolette, strablige Narbe, 
die sich von dem darunter liegenden Knochen verschieben lässt. Am 
Stamme ein ausgebreitetes maculo-papulöses. Syphilid; ad genitale zahl¬ 
reiche exulcerirte Papeln. Am rechten Auge die Erscheinungen einer 
acuten Iritis. Sämmtliche Lymphdrüsen vergrössert, hart, die Cubitalis 
links und die 1. Axillaren fast wallnussgross sclorosirt. 

Unsere P., die früher stets gesund war, bemerkte im August vorigen 
Jahres an der betreffenden Stelle ein Knötchen, das exulcerirte, zugleich 
schwoll der ganze Finger an und im Lauf* von 8 Tagen erstreckte sich 
die Anschwellung über die ganze 1. Extremität, u. zw. war es ein längs 
der Beugeseite des Armes verlaufender rot her St rang, längs dessen sich 
die Anschwellung localisirte. Dieser rot he Strang Hess sieh bis zur Achsel¬ 
höhle verfolgen, wo das Drüsenpaket bedeutend angeschwollen war. Nach 
2 Monaten bemerkte sie das Auftreten des Haiitausschlages. 

P. ist 38 Jahre verheiratet, bat lOmal geboren, alle Kinder leben 
und sind gesund. P. fungirt 33 Jahre als Hebamme. Anfang Juli d. J. war 


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lieber extragenitale Syphilisinfection. 


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sie bei einer Wöchnerin, deren Kind 8 l äge nach der (jehurt, starb; von 
den früheren wurden 2 todt geboren und 8 andere starben kurz nach 
der Geburt an einer der P. unbekannten Krankheit. 


IV. Initialsclerosen an den Tonsillen. 

3 Fälle. 

73. Sclerosis initialis tonsillaesinistr. Luescondylom, 
cutanea macul-papul. Scleradenitis universalis praecipue 
mu b-et retromaxillar. 

J. P., 25j. Kautmann. Eingetreten am 5. Jänner 1889. 

Man findet bei dem P. die 1. Tonsille in ein rundes, tiefes, krater- 
förmiges Geschwür mit scharfen, zackigen Rändern umgewandelt. Die 
Basis des Ulcus speckig belegt, der Geschwürsgrund sowie die Ränder 
fühlen sich derb an. Am Stamme ein macul. papul. Exanthem. Die 
l.vmphdrüsen u. zw. namentlich die submaxill. mächtig geschwollen hart 
die übrigen gleichfalls derb, vergrössert. 

Die Infectionsquelle blieb hier unbekannt. 

74. Ulcus sc 1 ero ti cum ad t o n s i 11. s i n i s t r. Lues condylom. 
cutan. macul. Scleradenitis sub-et retromaxill., cervicalis 
et axillaris. 

B. K., 24). Lackirersfrau. Eingetreten am 18. September 1892. 

Die P. zeigt an ihrer l. Tonsille ein vierkreuzerstückgrosses krater¬ 
förmiges Geschwür, dessen scharfe Ränder sich knorpelhart anfühlen. 
Auch der Grund erscheint derb infiltrirt. Am Stamme ein reichliches 
Fleckensyphilid. Die oben angeführten Drüsen mächtig geschwollen, hart. 

P. gibt an, dass sie seit 3 Wochen Halssohmerzen verspürte, wes¬ 
halb ihr ein consultirter Arzt ein Gurgelwasser verschrieb. Da aber das 
Leiden nicht besser wurde, und seit einigen Tagen ein Ausschlag am 
Körper auftrat, suchte sie Spitalshilfe auf. P. war nicht im Stande uns 
über die Aetiologie näheres mitzutheilen. 

75. Sclerosis initialis tonsill. sinist. Lues condyl. 
cutan. macul. Scleradenitis sub-et retromaxill. nuchal. et 
cervical. sinistr. 

B. J., 24j. Steinbrechersgattiii. Eingetreten am 15. März 1895. 

Man findet an der ziemlich vergrösserten 1. Tonsille ein etwa 
kreuzergrosses, speckig belegtes Geschwür, dessen vorderer Rand sich 
sehr hart anfühlt. Am Körper ein maculöses Syphilid. Die Drüsen unter 
dem 1. Processus mastoideus sind zu einem nussgrossen derben Tumor 
angeschwollen. Genitale rein. 

P. verspürte seit circa 4 Wochen Halsschmerzen, die immer inten¬ 
siver wurden; seit dieser Zeit besteht auch die Drüsenschwellung am 
Halse. Seit einigen Tagen besteht der Ausschlag am Körper. Hier war 
die Ursache der Infection vollkommen klar. 

Die P. nahm ein 5 Monate altes Kind in Pflege, mit der Weisung, 
das Kind nicht zu stillen. Die P. hatte das Kind mit der Flasche auf- 


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gezogen und dieselbe angeblich nie in den Mund genommen. Dagegen 
nährte sie das Kind zuweilen auch mit einem Löffel, den sie selbst immer 
beim Essen benützte, und verkostete die Speise, bevor sie dieselbe dem 
Kinde reichte in den Mund geführt, um sich zu überzeugen, ob die 
selbe nicht zu heiss ist. Das Pflegekind, das P. gleich mitbrachte, zeigte 
die Erscheinungen einer floriden Lues. 

V. Initialaffecte am Abdomen- 

3 Fälle. 

76. Ulcus scleroticum abdominis. Scleradenitis ingu¬ 
inal. bilateral is. 

A. T., 19j. lediger Flösser. Eingetreten am 1. März 1887. 

An der Haut des Abdomens links von der Mittellinie, etwa 2 Cm. 
oberhalb der Grenze der Pubes findet sich ein ovales, circa 3y a Cm. 
langes und 3 Cm. breites, speckig belegtes Geschwür, dessen Ränder 
aufgeworfen und hart sind, dessen Grund derb infiltrirt erscheint. Die 
Drüsen in beiden Leisten bis wallnussgross, sehr hart. 

Vor 4 Wochen verletzte sich P. beim Coitus an der betreffenden 
Stelle durch einen Kratzaff ect. Nach 14 Tagen bemerkte P. an dieser 
Stelle ein Knötchen, das allmälig grösser wurde und exulcerirte. 

77. Sclerosisinitialis abdominis. Lues condylom. cutan. 
macul. Scleradenitis universal. 

A. M., 37j. verheirateter Kaufmann. Eingetreten am 13. Mai 1^89. 

In der linken Unterbauchgegend ungefähr 3 Cm. über der Mitte 
des ligament. Poupartii findet sich ein etwa zwanzigkreuzerstückgrosses 
Geschwür mit harten, aufgeworfenen Rändern und sfark infiltrirtem 
Grunde. Ausserdem findet man Papeln an den Arcaden und an den 
Tonsillen; ferner ein reichliches maculüses Exanthem am Körper. Säinrut- 
üche zugängliche Lymphdrüsen vergrössert, hart. 

P., der 13 Jahre verheiratet ist, gibt ausserehelichen Coitus zu 
und erzählt, dass er bei einem solchen von dem Mädchen an der be¬ 
treffenden Stelle verletzt wurde. Vier Wochen nachher entwickelte sich 
aus der Verletzung ein Geschwür, das allmälig an Grösse zunahm, seit 
14 Tagen besteht das Exanthem. 

78. Ulcus scleroticum abdominis Scleradenitis ingu¬ 
inal i s. 

Fr. C., 18j. Brauer. Eingetreten am 4. August 1890. 

In der rechten Unterbauchgegend, ungefähr 5 Cm. von der Mitte 
der Linea alba entfernt, sitzt ein circa wallnussgrosse9, kraterförmiges 
Geschwür, mit harten, aufgeworfenen Rändern und derbem Grunde. Die 
inguinal. Lymphdrüsen, namentlich rechts, mächtig geschwollen, hart, 
indolent. 

P. bemerkte etwa 3 Wochen nach dem letzten Coitus an der be¬ 
treffenden Stelle ein Knötchen, das, sich aufkratzte und das später 
exulcerirte. 


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Uel>er extragenitale Syphilisinfection. 


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VI. Initialsclerosen am Kinn. 

5 Fälle. 

79. Sclerosis initialis ad men tum. Lues cutan, raaculo- 
papulo-pustulosa. Sclera denitis univers. 

H. K., 14 Wochen altes Kind der M. K., ‘) hat am Kinn u. zw. 
links von der Medianlinie, 2 Cm. von dem Lippenrotli nach abwärts, 
einen scharf begrenzten Substanzverlust, dessen Basis mit schwammigen 
Granulationen bedeckt ist. Der Grund des Geschwürs erscheint von 
einer eigenthümlichen Lederhärte, die Drüsen am ganzen Körper ge¬ 
schwellt: in der Regio submentalis eine etwa bohnengrosse geschwellt, 
hart. Ara Stamme zahlreiche Papeln. 

Unsere kleine P. wurde von ihrer eigenen Mutter inficirt; wahr¬ 
scheinlich wurde hier das Virus auf eine durch den Speichel macerirte 
oder sonst zufällig des Epithels beraubte Stelle am Kinn inoculirt. 

80. Sclerosis initial, m e n t i. A d e n i t i s s u b m a x i 11. s i n i s t r. 
8 c 1 e r o t i c a. 

M. C., lGj. ledige Dienstmagd. Eingetreten am G. Juni 1881. 

Am Kinn etwas nach links von der Medianlinie befand sich eine 
1 Cm. im Durchmesser haltende, kreisrunde, das Niveau der Haut etwas 
überragende, infiltrirte Narbe. Die entsprechenden Submaxillardrüsen 
waren wallnussgross. 

Das Leiden der P. begann vor 3 Monaten mit einer kleinen 
juckenden Pustel am Kinn, welche auf brach, sich vergrüsserte und unter 
Narbenbildung heilte. 

Die Mutter der P. lebte in Gemeinschaft mit einem luetisch infi- 
cirten Manne, abortirte zweimal; zum dritten Male gebar sie ein 
schwächliches aber wohl ausgetragenes Kind, welches schon bei der Ge¬ 
burt gesprungene Lippen hatte, ferner an Schnupfen und an Kurz- 
athmigkeit litt. Dieses Kind starb im Aller von 6 Monaten und von 
demselben glaubt P., die es pflegte, inficirt worden zu sein. 

81. Initialsclerose am Kinn; Lues condylom. cutan. 
papul. S c 1 er ad e n i ti s u n i ver sa 1 i s, p r a e c i p u e s u b m a x i 11. de xtr. 

J. H., 28j. lediger Tischlergeselle. Eingetretcn am 22. Mai 1883. 

Ziemlich in der Mitte des Kinnes befand sich ein kreisrundes Ge¬ 
schwür, dessen Umgebung stark infiltrirt war. Die rechtseitigen Submaxillar¬ 
drüsen waren kleinapfelgross geschwellt, hart. Auf dem Stamme ein 
papulöses Syphilid. Die Aetiologie der Infection blieb unbekannt. 

82. Sclerosis initialis ad men tum. Lues condvl. cutan. 
papulös. Scleradenitis submaxill., cervical., axill. et cubi- 
talis bilateral. 

Th. G., 28jähr. ledige Dienstmagd. Eingetr. am 30. Juni 1887. 

Am Kinn, etwas nach rechts von der Medianlinie, befand sich ein 
über 3 Cm. langes und über 2 Cm. breites Geschwür, dessen Ränder 

') Siehe Fall 47. 


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Bloch. 


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stark infiltrirt erscheinen; die submaxill. und ccrvicalen Lympbdrüsen, 
letztere in doppelter Rosenkranzreihe geschwellt, bis nussgross, hart. An 
der Schleimhaut der Mundhöhle Papeln. Die Ursache der Infection konnte 
in diesem Falle nicht eruirt werden. 

83. Sclerosis initial, menti. Lues condvl. cutan. macul. 
pap ul. Scleradeni tis submaxill. cervical. inguinal, bilate¬ 
ral. 8clerotica. 

M. A., 25jähr. Mediciner. Eingotr. am 20. Jänner E s 04. 

Am Kinn u. zw. rechts von der Medianlinie, 2 Cm. vom Lippenroth 
nach abwärts, findet sich ein vierkreuzergrosser, tiefer, scharf begrenzter 
Substanzverlust, dessen Basis mit schwammigen Granulationen bedeckt 
ist. Am Stamme ein reichliches, maculo-papulöses Exanthem; ad 
genitale Papeln. 

P. hat eine Acne indurata faciei mit Narbenbildung, gegen die er 
sieh schon längere Zeit selbst behandelte. P. bemerkte an der betreffen¬ 
den Stelle das Auftreten eines Knötchens, das ihm als Acneknötchen 
imponirte, kurze Zeit nachdem er von seinem Raseur an dieser Stelle 
geschnitten wurde. P. behandelte sich zuerst allein mit essigsaurer Thon¬ 
erde; das Knötchen wurde jedoch immer grösser und exulcerirte allmälig. 
Als jedoch Pat. von einem Exanthem überrascht wurde, suchte er die 
Klinik auf. 


VII. Initialaffecte an der Zungenspitze. 

2 Fälle. 

81. Sclerosis i n i t i a i i s a p i c. 1 i n g u a e. Eues c •> n d y 1 o m. 
cutan. in a c u 1. Seleradenitis submaxill. c e r v i c. et axillaris. 

N. IE, 33j. Kaufmann. Eingctr. am 2b. Februar 181*3. 

An der Zungenspitze sieht man ein cirea kreuzergrosses Geschwür, 
dessen Grund sich sehr derb anfühlt. Am Stamme ein reichliches maeu- 
löses Exanthem. An den Arcaden exulcerirte Papeln. Die oben ange¬ 
führten Drüsen geschwellt, sclerosirt. 

Pat. acquirirte 3 Wochen nach dem letzten Coitus an der Zungen¬ 
spitze ein Bläschen, das er mit einer Nadel aufstaeh; spater wandelte 
sich das Bläschen in ein Geschwür um. beit einigen Tagen bemerkt er 
den Ausschlag. Pat. gibt erst nach öfterem lnquiriren an, dass er Zunge 
und Lippen mit den Genitalien einer Prostituirten in Berührung ge¬ 
bracht habe. 

85. U1 c u s scleroticum a p i c i s 1 i n g u a e. Lymphadenitis 
subm axillaris s e 1 e r o t i c a. 

J. Z., 22j. Dienstmädchen. Eingctr. am 18. Februar 1880. 

An der Zungenspitze sitzt ein acharfrandiges, speckig belegtes Ge- 
schwur, dessen Grund stark iuiiltrirt erscheint. Die submaxillaren Drüsen 
beiderseits hart, geschwollen. 

Seit 14 Tagen bemerkt Pat. eine Anschwellung am Halse unterhalb 
des Kiefers und einen Tag darauf ein Bläschen an der Zungenspitze. Das 


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Ueber extragenitale Svphilisinfection. 


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Bläschen platzte und zertiel zu einem Geschwür, das allmälig grösser 
wurde. Der Modus der lnfection blieb unbekannt. 

VIII. Primär-Sclerosen an der Wange. 

2 Fälle. 

86. Initialaffect der linken Wange. Lues condylom. 
cutan. maculos. Scleradenitis uni versalis. 

J. Sch., 25j. lediger Fleischer. Eiugetr. am 6. Dec. 1880. 

In der Mitte der linken Wange befand sich ein haselnussgrosser, 
circumscripter, oberflächlich exulcerirter Knoten, von dem aus sich einige 
sclerosirte Lymphsträuge zu einem über wallnussgross angeschwollenen 
submaxillaren Lymphdrüsenpackete verfolgen Hessen. Auch die cubitalen 
und nuchalen Drüsen waren tastbar. Am Stamme ein reichliches Fleeken- 
syphilid. Ad genitale Papeln. 

Der Pat. acquirirte vor 7 Wochen ein Knötchen an seiner linken 
Wange, das er beim Rasiren verletzte, und welches sich seither stetig 
vergrösserte. Nach der Aetiologie befragt, gab er an, dass er eine Dirne 
zu besuchen pflegte, deren Gewohnheit es war, beim Coitus den Mann 
ins Gesicht zu beissen; jedesmal wäre der Eindruck der Zähne sichtbar 
gewesen. Ob die Haut dabei verletzt wurde ist ihm nicht erinnerlich. 

87. Sclerosis initialis malae sinistrae. Lues condylom. 
Papulae mucos. ad arcum palatogloss. et 4 -pliaryngeum. Scler¬ 
adenitis submaxill. et nuchal. sinistra. 

K. W., 24j. Dienstmagd. Eingetr. am 15. März 1892. 

In der Mitte der linken Wange fand sich ein kreuzergrosser, exul¬ 
cerirter Knoten. Die Ränder des Ulcus unregelmässig, hart. Die nächste 
Umgebung hart infiltrirt. Die submaxill. Drüsen links vergrössert, hart. 

Pat. bemerkte 4 Wochen vor dem Spitalseintritt an der 1. Wange 
ein Knötchen „Wimmerl“, das sie sich beim Waschen aufriss, worauf sich 
ein Geschwür bildete, das allmälig grösser wurde. Auf die Natur ihres 
Leidens aufmerksam gemacht, gibt P. an, von ihrem Liebhaber, der ge¬ 
sund sein soll, an der kritischen Stelle öfters geküsst worden zu sein. 

IX. Primäraffecte am Augenwinkel und Conjunctiva tarsi. 

2 Fälle. 

88. Initials der ose am inneren Augenwinkel. Schwel¬ 
lung derKörperiymphdrüsen besonders dercervicalen und 
submaxillaren, nach folgend ein m acu 1 öses Syphilid. 

L. R., 18j. lediger Tischler. Eingetr. am 20. Oetober 1880. 

Am Uebergange der Haut in die Conjunctiva palpebrarum fand 
man eine etwa l / 2 Cm. gegen die Nase zu sich erstreckende wallartige 
Infiltration, über welcher die Haut intensiv gerüthet ist und die sich hart 
anfühlte. Die Conjunctiva palpebrae zeigte bis zur Uebergangsfulte eine 
intensive Röthung und Schwellung, die sieb auch auf die Bulbusconjune- 


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<)(> Bloch. 

tiva erstreckte. Die Drüsen der Cervical- und Submaxilbirgegeml waren 
beiderseits tastbar. Auch die anderen zugänglichen Lyraphdrüsen waren 
multipel erbsengross geschwellt. 

Sechs Wochen vor dem Spitalseintritt bemerkte Bat. an der ge¬ 
nannten Stelle ein Knötchen, das anfangs für ein Hordeolum angesehen 
wurde. Da es aber sich stetig vcrgrösserte und exulcerirte, wandte er 
sieh an einen Arzt, der das Ulcus für ein Epitheliom erklärte und ihn 
an eine chirurgische Klinik wies. Von dort kam er zu uns. 

P. gibt an, dass er mit einem Manne, der, wie ihm bekannt war, 
mit einem Ulcus specificum behaftet war, in einer Werkstätte arbeite und 
mit ihm ein und dasselbe Handtuch benützte. 

89. Sclerosis initialis conjunctivae tarsi palpebrae 
i n f e r. o c u 1 i s i ti i s t r i. Lues condvlom. cu tan. m a c u 1. p a p u 1. 
L y m p h a d e n i t. u n i v e r s a 1 i s s c 1 e r o t i c. 

A. J., 37j. verheirateter Taglöhner. Eingetr. am (>. Juli 1888. 

Das Unterlid des linken Auges massig geschwollen, die Lidspalte 
kleiner als am anderen Auge. Die Conjunctiva tarsi des unteren Lides 
zeigt eine circa l / 2 Cm. lange, Cm. breite, ziemlich scharf begrenzte 
Geschwulst, die am inneren Augenwinkel neben der Canmcula beginnt, 
bis fast zur Mitte des Lides reicht und knapp neben der inneren Kante 
des Lides gelagert ist. Ueber die Anschwellung hinaus zeigt die Con- 
junetiva tarsi sowie die Uebergangsfalte geringe Reizcrsclieinungen, 
während die Conjunctiva bulbi stark geröthet und gelockert erscheint. 
])ie Secretion im Conjunctivalsack gesteigert. Das obere Lid sowie die 
einzelnen Abschnitte des Bulbus zeigen normale Verhältnisse. Am Stamme 
ein reichliches rnaculo-papulöses Syphilid. Ad genitale exulcerirte Papeln, 
ebenso an der Schleimhaut des Mundes, sowie des Nasenseptums. Sämint- 
liche zugänglichen Lymphdriisen, insbesondere aber die linke präauri- 
culare, submaxillare, multipel geschwollen, s<‘lcrosirt. 

Acht Wochen vor dem Spitalseintritt bemerkte P. eine Anschwel¬ 
lung am linken unteren Augenlide. Er wurde von dem eonsultirten Arzt 
auf die Augenklinik, von dort in unsere Ambulanz geschickt. Patient ist 
seit 1 Jahr verheiratet, Vater eines angeblich gesunden Kindes. Mit 
seiner Frau, die ebenfalls gesund sein soll, hatte P. regelmässig bis in 
die letzte Zeit den Coitus ausgeübt. 1*. behauptet nie inticirt gewesen zu 
sein, während seiner Verheiratung nie extra matrimonium mit einem 
Mädchen verkehrt oder ein Osculurn auf die betreffende Stelle bekommen 
zu haben. Doch gibt er an, dass er sich täglich, bevor er von der Arbeit 
nach Hause gehe, Hände und Gesicht mit einem Handtuch wasche, das 
auch seine Collagen benützten. Ob einer von diesen krank wäre, weiss P. 
nicht anzugeben. 

X. Initialsclerose am Nasenflügel. 

1 Fall. 

90. Sclerosis initialis a 1 a o iloxtrue n a s i; Lues oon- 
d y 1 o ra. entan. papulosa. S c 1 e r a d <* n i t i s u n i v er s a 1 i s praccipuc 
jiraea uricular. et siiIj in a x i 1 1. d c x t r a. 


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Ueber extni'jcnitnle Sypbilisinfectiou. 


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M. K, 44j. verwitwete Hebamme. Eingetreten am 29. Mai 1895. 

Die Haut des rechten Nasenflügels vorgewölbt, leicht geröthet, 
gefaltet und oberflächlich schuppend. In der Tiefe tastet man ein sehr 
derbes, ungefähr bohnengrosses Infiltrat. Die rechte praeauriculare und 
submaxillare Drüse bedeutend vergrüssert, hart, indolent. 

Am Stamme zahlreiche bis kreuzergrosse Papeln. An der Haut der 
Planta beiderseits mehrere brauurothe Infiltrate mit centraler Schuppung. 
Ad genitale gleichfalls nässende Papeln. 

Die Kranke, die fünf gesunde Kinder geboren und nie abortirt 
hatte, bekam 1 ] / 7 Monate vor ihrer Aufnahme eine Anschwellung der 
rechten Gesichtshälfte woran sich eine Schwellung der rechten Halsseite 
anschloss. Nach Application einer Salbe, die ein Arzt verordnete, soll die 
Anschwellung im Gesichte nach 8 Wochen vollkommen, die des Halses 
bis auf die jetzige Vergrösserung der Drüsen geschwunden sein. Von 
der AfFection am rechten Nasenflügel weiss P. nichts anzugebeu, 
14 Tage vor dem Spitalseintritt bekam P. das Exanthem. Infectionsmodus 
ist nicht zu eruiren. 

XI. Initialaffecte am Schamberge. 

2 Fälle. 

91. Initials clerose oberhalb des Schamberges, darauf¬ 
folgend maculöses Syphilid. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s. 
Eczema post scabiem. 

W. F., 55j. Schuhmacher. Eingetreten am lfl. November 1880. 

Es handelte sich um eine stark malträtirte Scabies, welche von 
hochgradigen ekzematösen Erscheinungen begleitet war. Daneben bestand 
etwa 3 Finger oberhalb der Peniswurzel 1 Cm. nach links von der Median¬ 
linie in der Bauchhaut eine etwa kreuzergrosse, lividrothe, scharf begrenzte 
Einlagerung von Knorpelhärte, deren Oberfläche leicht schuppte. Säiumt- 
liche zugänglichen Lyraphdrüsen waren multipel geschwellt, hart. Am 
Stamme eine deutliche Roseola syphilitica. 

Neben seiner Scabies, mit der er durch 4 Monate behaftet war, 
bemerkte P. 3 Wochen nach einem Coitus das Knötchen um Unterleib 
das ihn besonders juckte und von ihm aufgekratzt wurde. 

92. Sclerosisinitialisadmontemveneris. Lues cutanea 
maculo-papulosa. Lymphadenitis sclerotica inguinalis. 

A. A., 21j. Kaufmann. Eingetreten am 9. Jauner 1888. 

Circa 2 Finger oberhalb der Peniswurzel in der Medianlinie sieht 
man ein etwa vierkreuzergrosses, scharf begrenztes Ulcus, dessen Grund 
sieh sehr derb anfühlte. Am Stamme ein maculo-papulöses Syphilid. 

Die inguinalen Lymphdrüsen waren multipel geschwellt, hart. 

P., der noch nie inticirt war, bemerkte 4 Woehen nach dem 1. Coitus 
am Mons veneris einen kleinen, leicht gerötheton Fleck, der in Kurzem 
zu nässen begann. Der Modus der Infection blieb in diesem Falle un¬ 
bekannt. 

Archiv f. Dermatol, u. Svphil. Baud XXXIX. j 


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Bloch. 


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XII. Primäraffect am Perineum. 

1 Fall. 

93. S c 1 erosis in i ti a 1 is ad perineum. Lymphadenitis 
sclerotica inquinalis bilateralis. 

A. J., 2Gj. Dirne. Eingetreten am G. Februar 1887. 

Am Perineum rechts von der Mittellinie, etwa 2 Cm. vom Introitus 
vaginae entfernt, findet sich eiu rundliches, 1 Cm. im Durchmesser messen¬ 
des Geschwür mit speckigem Grunde, knorpelharten, unterminirten Rändern 
und stark infiltrirter Umgebung. Die Inguinaldrüsen beiderseits bohnen¬ 
gross, sclerosirt. Das Genitale rein. 

P. bemerkte zwei Wochen vor ihrer Aufnahme ein Knötchen an 
derselben Stelle, wo das Geschwür sitzt. Bei Ausübung ihres Geschäfte» 
wurde ihr das Knötchen aufgerissen. Es entwickelte sich ein Geschwür, 
das immer grösser wurde. 


An der extragenitalen Infection betheil’gteu sich die 
Frauen mit einer verhältnissmässig grösseren Zahl als die 
Männer. Die Gesammtzahl der Fälle extragenitaler Syphilis- 
infection betrug vom Jahre 1880 bis 1895 auf unserer Klinik 93. 
Davon entfallen allein 65 auf den Zeitraum von 11 Jahren 
vom Jahre 1886 bis zum Jahre 1895 inclusive. In dem eben 
genannten Zeitraum wurden behandelt 1575 Patienten mit 
Syphilis, genital inficirt. Von diesen waren 1256 
Männer und 319 Frauen. 

In demselben Zeitraum befanden sich in Behandlung 65 
Patienten, die auf extragenitalem Wege inficirt 
wurden — also 4’l°/ 0 . Von diesen waren 32 männliche Indi¬ 
viduen und 33 weibliche. Auf 1256 genital inficirte Männer 
kamen 32 extragenital inticirte, das ist 2 - 5°/ 0 i während 33 
extragenital inficirte Frauen auf 319 genital inficirte entfielen 
also 10-3“/ 0 . Diese Zahlen entsprechen den Angaben anderer 
Autoren ziemlich genau. 

Krefting 1 ) fand von sämmtlichen Kranken 15*6°/ 0 extra¬ 
genital inficirt und zwar 4 , 3°/ 0 bei Männern und 12*8°/ 0 hei 


') Krefting. Extragenitale Syphilisinfection. Archiv f. Denn. u. 
Syph. 1894 p. 167. 


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Ueber extrageuitale Syphilisinfeetion. 


99 


Frauen. Aus Moskau (dem Mjassnitzky’schen Krankenhaus) 
liegen von Pospelow 1 ) Berichte über 198 Fälle von extrageni¬ 
talen Infectionen vor, die im Laufe von 10 Jahren beobachtet 
wurden und zwar gibt Pospelow an, dass jährlich 15—25 
Personen aus der Arbeiterclasse auf unschuldige Weise inficirt 
werden. 

Joseph 2 ) fand 2 - 73% bei Männern und 27 - 94% bei Frauen. 
Die grösste französische Statistik datirt von Juli ien. 3 ) Dieser 
berichtet über 126 extragenital inficirte Fälle, u. z. 18% bei 
Frauen und 3 - 6% hei Männern. 

Bulkley 4 ) gibt an, dass von der extragenitalen In- 
fection die Männer in 6%, die Frauen aber in 12% be¬ 
troffen werden. Diesen hohen Procentsatz erklären sich 
einige Autoren dadurch, dass die Frauen als Mütter, Wärte¬ 
rinen, Ammen, der extragenitalen Ansteckung viel leichter 
ausgesetzt sind, als die Männer. Ich kann mich dieser Ansicht 
nicht vollkommen anschliessen. Von den von mir zusammen¬ 
gestellten 65 extragenital iuficirten Fällen waren 32 männliche 
und 33 weibliche Individuen. Schon dies, dass die Anzahl der 
extragenital inficirten Frauen der Anzahl der Männer, wenigstens 
auf unserer Klinik, fast gleichkommt, spricht dafür, dass der 
Grund der hohen Procentzahl bei den Frauen wo andei’S 
gesucht werden muss. Sammelt man, wie ich es gethan habe, 
die Anzahl der genitalen Sclerosen bei den Frauen und Männern 
durch eine längere Reihe von Jahren, so findet man, dass die 
Anzahl der genitalen Initialsclerosen bei den Frauen eine viel 
kleinere ist, als bei den Männern. Dies erklärt sich daraus, 
dass die Frauen nicht wie die Männer, sofort wenn sie eine 
Genitalaffection acquirirt haben, ärztliche Hilfe aufsuchen, 
sondern zumeist erst, wenn sie von secundären Symptomen 
überrascht werden, also zu einer Zeit, wo der lnitialaffect 


') Pospelow. Ueber extragenitale Syphilisinfeetion. Archiv für 
Derm. u. Syph. 1889 p. 59. 

J ) Joseph. Ueber extragenitale Syphilisinfeetion. Referat im Arch. 
f. Denn. u. Syph. p. 316. 

J ) Juli ien. Maladies veneriennes. 18SG p. 528. 

*) Bulkley. Syphilis in the Innocent. 1894. New-York. 

7* 


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100 


Bloch. 


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gewöhnlich spurlos -verschwunden ist. Sucht man nun das 
Verhältnis der extragenitalen Sclerosen zu den gleichzeitig 
vorgekommenen genitalen, so erhält man infolge dessen diese 
hohe Procentzahl hei den Frauen. 

In dem genannten Zeitraum von 11 Jahren hat die 
Häufigkeit der extragenitalen Infectionen bedeutend variirt, wie 
dies aus folgender Tabelle ersichtlich ist. 




Extragenital angesteckt 

Summa 

cz er 

*a 

O > 

: 

1 


— t? - 


Ervvac 

lisene 

Kinder 

<D ;► 

gf| 

■ 

Mämter 

Frnuon 

Summe 

Miinnl. 

Weibl. 

Mäunl. 

Weibl. 

* 2 

_ 

=T '. ■ 

1885 

75 

20 

95 | 

1 

1 



! 

2 

2-47, 

1886 

85 

28 

113 

2 

3 


— 

! 5 

4-4 •/, 

1887 

95 

35 

130 

2 

5 

_ 

— 

| 7 

5-37. 

1888 

117 

23 

145 

1 

5 

2 

— 

— 

| 7 

4-8% 

1889 

137 

45 

182 

6 

3 

— 

“ 

9 

1 4-9% 

1890 ' 

120 

24 

144 

8 

— 

— 


1 

1 3 

2-17. 

1891 1 

1 98 

17 

115 | 

— 

1 

1 

— ü 2 

! 1'77„ 

1892 | 

145 

30 

175 • 

1 

4 


i 

6 

3-47. 

1893 

j 102 

21 

123 j 

3 

1 

— 

— 

4 

32% 

1894 

135 i 

32 

167 

4 

1 

1 

2 

8 

4-77» 

H-* 

CD 

Cn 

1 147 

i 

39 

186 j 

3 

9 

— 


12 

! 

6-47. 

j Total 

1256 

319 

i 

1575 

i 

1 30 

[ 

30* 

i 

O 

l 

3 

i 

i 

65 

4-i 7. 


Wie man sieht, ist die absolut grösste Zahl von extra¬ 
genital Inficirten im Jahre 1805 in Behandlung gestanden, 
nämlich 12 Fälle. Der Grund mag darin liegen, dass auf 
unserer Klinik die Anzahl der luetisch inficirten Kranken 
jährlich eine bedeutende Steigerung aufweist, und Hand in 
Hand mit der jährlichen Steigerung der genital Inficirten auch 
eine Zunahme der extragenital Inficirten einhergehen dürfte. 
Die Gesammtzahl der Fälle extragenitaler Sypliilisinfection 
betrug im Laufe des obengenannten Zeitraumes 05, u. z. waren 
die Sclerosen nach dem Ort des Eindringens des syphilitischen 
C'ontagiums folgendermassen vertheilt: 


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Uelier extragenitale Sypliilisinfectiou. 


101 


1. An den Lippen: 39 Fälle, und zwar bei 21 Männern 
und 18 Frauen. 

2. An der Zungenspitze: 2 Fälle, bei 1 Frau und 1 Mann. 

3. An den Tonsillen: 3 Fälle, 1 Mann, 2 Frauen. 

4. An der Bindehaut der Augenlider: 1 Fall bei 1 Mann. 

5. An der "Wange: 1 Fall bei einer Frau. 

0. Am Nasenflügel: 1 Fall bei einer Frau. 

7. Am Kinn: 2 Fälle, bei einer Frau und 1 Mann. 

8. An der Mamma: bei 6 Frauen. 

9. An den Fingern: bei 5 Fällen, und zwar bei 2 Frauen 
und 3 Männern. 

10. Am Abdomen: 3 Fälle bei Männern. 

11. Am Perineum: 1 Fall bei einer Frau und schliesslich 

12. Am Mons Yeneris: Fall, bei einem Mann. 

Schon bei flüchtiger Betrachtung dieser Zahlen lallt es 
in die Augen, dass die Infectiou per os die häutigste Form 
der extragenitalen Syphilisinfection bildet; ihr folgt die Infee- 
tion durch Stillen an der Brust, dieser schliesst sich als nächst 
häufigste Form die Infection durch die Finger an. während an 
anderen Körpertheilen die Primäraffecte in relativ geringerer 
Zahl vertreten sind. 

.4. Primäraffecte an den Lippen, Zunge, Tonsillen. 

Die Gesammtzahl der per os Inficirten betrug 44, darunter 
23 Männer und 21 Frauen. In 39 Fällen sassen die Selerosen 
an den Lippen, in 2 Fällen an der Zungenspitze und in 3 
Fällen an der Tonsille. 

a) Wie bei meinen Fällen die extragenitalen Lippenge¬ 
schwüre, was die Häufigkeit ihres Vorkommens betrifft, die 
erste Stelle einnehmen, so finden wir dies auch bei anderen 
Autoren. Bulkley, der bis zum Jahre 1894 alle beschriebenen 
Fälle von extragenitaler Syphilisinfection sammelte und die 
imposante Zahl von 9058 Fällen aufweist, theilt mit, dass die 
Lippen in 1992 Fällen der Sitz der primären syphilitischen 
Papeln waren. Pospelow, der 198 Fälle von extragenitalen 
Selerosen publicirt, fand in 49 Füllen primäre Lippongeschwiire. 
Krelting in 142 Fällen. 


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102 


Bl ocli. 


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Was die Sclerosen der Lippen anbelangt, so boten sie 
zumeist die Zeiclien einer Ulceration von harter Consisteuz 
mit unterminirten Bändern, oder sie waren mit einer braunen 
Borke bedeckt, nach deren Entfernung ein typisches Geschwür 
zu Tage trat. In den meisten Fällen war den Lippen- 
schankern eine Rhagade an der betreffenden Stelle, die nicht 
heilen wollte, vorausgegangen. Die Mehrzahl der primären 
Papeln der Mundlippen waren von einem derben Oedem der 
befallenen Lippe in toto oder der angrenzenden Lippentheile 
begleitet. 

Von den 39 beobachteten Fällen waren 10 auf der Ober¬ 
lippe, 24 an der Unterlippe, 3 an den Mundwinkeln localisirt 
und in einem Falle sass die Sclerose an der Oberlippe, die 
andere an der Unterlippe, und schliesslich waren in 1 Falle 
2 Schanker an der Unterlippe, der eine am Lippenroth, der 
andere an der vorderen Fläche der Unterlippe. Das patho- 
gnomisehe Symptom der Sclerosen, „die Induration“, war fast 
in allen Fällen vorhanden, und auch die Schwellung und Härte 
der Submaxillardriisen, besonders auf der Seite, wo der Primär- 
affect seinen Sitz hatte, fehlte nie. In einigen Fällen bemerkten 
die Patienten zuerst die Driisenschwellnng und dann erst später 
das Geschwür. Wenn bereits eine universelle Seleradenitis da 
war, so imponirten trotzdem die submaxillaren Drüsen durch 
ihre Grösse und Resistenz. 

Was die Aetiologie der Syphilisinfection per os betrifft, 
so hatten bei meinen Fällen den Hauptantheil die Küsse; 
ferner vermittelten die Infection mit grösster Wahrscheinlich¬ 
keit Trinkgläser Fall XXXVI und XLIII, Handbürste LXX, 
Cigarrenstümpfe Fall XXV, Zahnstocher Fall XII, Pfeifen¬ 
spitze Fall XXXI und endlich ein Biss in die Unterlippe Fall 
XL1I. Dieser letzte Fall verdient in Bezug auf die Ursache 
der Infection einiges Interesse, da extragenitale Sclerosen, 
hervorgerufen durch Biss, zu den Seltenheiten gehören. 
Analog unserem Falle 36 berichtet Sturgis 1 ) von einem 
Manne, der durch Biss in die Wange eine Initialsclerose 
acquirirte; Baum erwähnt einen gleichen Fall, ,J ) Zeissl 3 ) eine 

') Referat in der Viert eljalirsehr. f. Denn u. Svpli. 1874 p. 58t». 

s ) Vide Fall 80. 

3 ) Ibidem 1878 p. 485. 


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Ueber extrageuitale Syphilisinfection. 


103 


auf dieselbe Weise entstandene Infection an der Dorsalfläche 
des linken Daumens. In diesen Fällen handelte es sich immer 
nur um eine Sclerose, während bei unserem Fall sich aus jeder der 
Bisswundeu, die etwa 1% Cm. von einander entfernt waren, je 
ein Schanker sich entwickelte. Meine Befunde der Infections- 
formen per os schliessen sich an zahlreiche in der Literatur 
verzeichnete Beobachtungen an, die aufzuzählen viel zu weit 
führen würde. Um nur Einiges hervorzuheben, seien erwähnt 
ausser den Küssen die verschiedensten und mannigfachsten 
Handwerksutensilien, die die damit Beschäftigten während der 
Arbeit in den Mund nehmen: Ansatzstücke zu Musikinstru¬ 
menten, Geldstücke, Löffel, Saugdüten von Kinderflaschen, 
Trinkgläser etc. etc. 

Interessante Beobachtungen, wie die mannigfachsten 
Gegenstände die Ansteckung per os vermitteln können, erwähnt 
Pospelow in seiner Abhandlung über extragenitale Syphilisin- 
fection und Bulkley in seinem Buche: „Syphilis in the Inno¬ 
cent.“ Die Infection per os wird im grössten Masse durch 
den regen gesellschaftlichen Verkehr und durch Ansteckung im 
häuslichen Kreise veranlasst, siehe Fall X, XIII, XXX, XLVIil, LI. 

b) Was die primären Sclerosen der Zunge anbelangt, 
so wurden auf unserer Klinik 2 Fälle beobachtet. Der eine 
Fall LXXXIV betraf einen Mann, der seine Lippen und Zunge 
mit dem Genitale seiner Geliebten, in Verbindung brachte, bei 
dem 2. Fall war der Infectionsmodus unklar. In beiden Fällen 
boten die Geschwüre typische Symptome und waren stets von 
einer auffallenden Schwellung und Resistenz der submaxillaren 
Drüsen begleitet. 

c) Was endlich die dritte Infectiousform per os, die 
Ilacheninfection betrifft, so wurden auf der Klinik 3 Fälle von 
Tonsillarschanker behandelt. In allen 3 Fällen hat die Scle¬ 
rose auf der linken Tonsille gesessen. Pospelow fand die rechte 
Tonsille, Krefting die linke als die am häufigsten afficirte, was 
wohl von Zufälligkeiten des Infectionsmodus abhängig sein 
dürfte. Die Diagnose bei unseren Fällen bot keine beson¬ 
dere Schwierigkeiten. Es waren kraterförmige Geschwüre mit 
knorpelharten Rändern und infiltrirtem Grunde. Die typische 


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104 


15 locii. 


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Schwellung der retro- und submaxillaren Drüsen auf der Seite 
der Alfection war immer vorhanden. Alle 3 Fälle kamen wegen 
Beschwerden beim Schlucken und wegen flalsschinerzen in 
unsere Ambulanz. Ich glaube, dass die Anzahl der Rachen- 
infcotionen in unserer Stadt eine grössere sein dürfte, als die 
oben genannte, da ein grosser Theil sich vermuthlich der 
Aufmerksamkeit entzieht und diese Leute wegen ihrer Hals- 
beschwerden und Schmerzen beim Schlucken viel eher einen 
anderen Arzt consultiren als den Syphilidologen. Lenz. 1 ) der 
fünf Fälle von extragenitaler Syphilisinfection publicirt, erwähnt 
einen Fall von Tonsillarschanker bei einer Gastwirthsfrau, so 
dass bisher nur 4 Fälle im Ganzen an den I’rager Kliniken 
beobachtet wurden. 

Der Infectionsmodus konnte nur in einem Falle eruirt 
werden und zwar bei dem Fall LXXV durch Fliegen eines 
syphilitischen Kindes; die FHegomutter benützte denselben 
Löffel, mit dem sie dem Kinde die Speise reichte, und ver¬ 
kostete immer vorher die Speise, die sie dem Kind verab¬ 
reichte. 


B. Primärafteete im Gesichte. 

An dieser Stelle kamen 4 Fälle vor und zwar ein Fall ijbif) 
an der Bindehaut des rechten unteren Augenlides, 2 Fälle am 
Kinn (82, 83) und 1 Fall an der Wange (*7 1 . Was den Fall S!) 
am Augenlid anbelaugt, so scheint die Infection durch ein 
Handtuch vermittelt worden zu sein. Man kann annehmen, 
dass auf diesem Wege ein vielleicht zu Borken eingetrocknetes 
und durch die Feuchtigkeit wieder erweichtes Seeret, das nach 
B o e c k*) seine Inoeulabilitiit durch lange Zeit bewahrt, übertragen 
wurde. In dem Falle V. Initialaffect am Kinn, dürfte wahr¬ 
scheinlich die Infection durch Verletzung mit einem Rasirmesser 
erfolgt sein. 


') Lenz. Fünf Fälle extiMgcnit-aler Syphilis. Wiener klin. Rund- 
schau. 180(5. 

; ) lioeck. Lieber syphilitische Inleef ionsweisen nml die Inoenla- 
liilität des syphilitischen Virus. Arcli. 1’. Ferm. u. Syph. IsTO p. 1C8. 


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Ueber extragenitale Syphilisinfection. 


105 


C. Primärscleroseu au der Mamma. 

Die Anzahl der beobacliteten Infectionen an der Mamma 
war 6 und zwar in 3 Fällen auf der rechten, in den anderen 
3 Fällen auf der linken Seite. Die Diagnose der syphilitischen 
Primäraffection bot keine besondere Schwierigkeiten, da sowohl 
Induration als auch charakteristische Drüsengeschwulst stets 
deutlich ausgesprochen vorhanden war. In zwei Fällen be¬ 
obachtete man einen federkieldicken Lymphstrang vom Prirnär- 
affect bis zu den betreffenden Axillardrüsen. In 5 Fällen war 
der Infectionsmodus nachweisbar; es handelte sich um Mütter, 
die ein fremdes Kind, das später Zeichen von Lues zeigte, in 
Pflege genommen. 

Es ist auch leicht erklärlich, wie durch derart erkrankte 
Kinder eine Infection herbeigeführt werden kann. Durch den 
Saugact der Kinder kommt es sehr oft und sehr leicht zu 
Maceration und oberflächlichen Verletzungen der Mammilae die 
die Eingangspforte für das syphilitische Virus bilden. 

Es scheint, dass es sich in den auf unserer Klinik be¬ 
obachteten Fällen um noch nicht eclatant gewordene, oder 
leicht zu übersehende luetische Erkrankungen der Säuglinge 
gehandelt hat. Unverzeihlich ist es aber, wenn ein Arzt — 
Fall 54 — eine solche Infection verschuldet hat. 

Professor Pick unterlässt es nie, in seinen Vorlesungen 
darauf aufmerksam zu machen, dass es absolut unstatthaft 
sei, ein syphilitisch krankes Kind einer gesunden Amme an 
die Brust zu legen. Kann eine Mutter ihr syphilitisches Kind 
nicht selbst stillen und findet sich nicht eine schon kranke 
Amme, so soll das Kind künstlich genährt werden; nie sei 
man aber berechtigt, um eines noch sehr problematischen 
Lebens willen die Gesundheit einer Person zu gefährden. 

Eine weitere sehr häutige Ursache der Brustdrüseninfection 
ist der im Volke übliche Gebrauch, der sogar als ein Beweis 
von Artigkeit angesehen wird, dass die Frauen, wenn sie 
einander besuchen, dem fremden Kinde die Brust reichen. Und 
macht man die Frauen auf die Gefahr der Ansteckung auf¬ 
merksam, so hört man oft, wie letztere mit vollster Ueberzeu- 


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106 


Bloch. 


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gung erwidern, »man könne von einem unschuldigen Kinde 
nicht angesteckt werden.“ 

D. Primäraffecte an den übrigen Körpertheilen. 

Am Abdomen wurde der syphilitische Primäraffect in 3 
Füllen hei Männern beobachtet, am Perineum in einem Fall 
bei einer Frau und am Mons Yeneris bei einem Mann. In allen 
diesen Fällen ist aus der Aetiologie das Moment des Kratzens 
hervorzuheben. Die Geschwüre boten stets charakteristische 
Symptome und waren stets mit Schwellung und auffallender 
Resistenz der regionären Lymphdriisen verbunden. 

An den Fingern ist der Primäraffect in 5 Fällen beobachtet 
worden. In zwei Fällen LXYIII, LXXII handelte es sich um 
Hebammen. Bei dem ersten Fall LXYIII war die Schwangere 
angeblich gesund, bei dem zweiten Fall LXXII handelte es 
sich um eine notorisch syphilitische Person. Der Schanker an 
den Fingern ist das den Aerzten und Hebammen eigene extra¬ 
genitale Geschwür, eine Form der Lues, die Bukley „Syphilis 
technica“ benannt hat. Bukley sah in seiner Praxis 15 Finger- 
sderosen, darunter hei 10 Aerzten. 

Die Diagnose der an den verschiedensten Stellen vor¬ 
kommenden Initialerscheinungen der Syphilis kann mitunter 
sehr schwierig werden. Es können mannigfache andere Pro- 
cesse, die an den genannten Stellen aufzutreten pflegen, zur 
Yerwechslung Anlass geben. An den Lippen kann das Epi¬ 
theliom in Frage kommen, an den Brustdrüsen neben dem 
Epitheliom eine Form des chronischen Ekzems, das mit starker 
Infiltration einhergeht. Der Tonsillarschanker kann sehr leicht 
mit einer Angina oder Diphtheritis verwechselt werden. Dass 
ein solcher Mensch, der umhergeht, ohne etwas von seinem 
Leiden zu wissen, ein gefährlicher Factor in der Ver¬ 
breitung der Lues wird, ist selbstverständlich. Namentlich beim 
Tnnsillarschanker ist dies am ehesten der Fall, weil die Schluck¬ 
beschwerden von den Patienten selbst als ein gewöhnliches 
Halsübel angesehen werden. Diese Kranken suchen sehr spät 
den Arzt auf, sie trösten sich so lange damit, dass das 
Halsübel wieder bald vorübergehen werde, bis sie von secun- 
diiren Erscheinungen überrascht werden. An den Fingern wird 


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lieber extragenitale Syphilisinfection. 


107 


die Affection in der Regel verkannt, als ein Panaritium oder 
bei Aerzten als eine septische Infection angesehen. 

Es kann Vorkommen, dass an Ort und Stelle, wo das 
syphilitische Virus eingedrungen ist, die Veränderungen nichts 
Charakteristisches darbieten, nur unter dem Bilde einer ein 
lachen Erosion oder Excoriation, einer oberflächlichen, schein¬ 
bar insonten Ulceration ablaufen. In solchen Fällen kann der 
Primäraffect sehr leicht übersehen werden; namentlich wird 
das dann der Fall sein, wenn die Haut des Körpers durch 
anderweitige Entzündungsprocesse verändert ist, wie dies zum 
Beispiel der Fall ist bei Scabies, Prurirgo, Acne. Ich erlaube 
mir auf den Fall LXXXHI zu verweisen, wo der Primäraffect 
durch eine längere Zeit von einem coijsultirten Arzt für einen 
Acneknoten angesehen wurde, nachdem sich am Gesichte eine 
ausgebreitete Acne befand. In dieser Hinsicht ist ein Fall von 
„Familiensyphilis“ bemerkenswerth, den ich in Kürze bei¬ 
fügen will. 

R. W. kommt mit ihren 23 Monate und 3 Jahre alten Kindern auf 
unsere Klinik wegen Halsschmerzen und eines Ausschlages am Körper. 
Man findet an den beiden Kindern sowie an der Mutter Erscheinungen 
einer floriden Lues. Die Infection erfolgte von einem bei dieser Familie 
in Diensten stehenden syphilitisch inficirten Dienstmädchen. In keinem 
dieser Fälle war man im Stande trotz der genauesten Untersuchung den 
Primäraffect oder Spuren desselben zu finden. 

Was den Verlauf der auf extragenitalem Wege erworbenen 
Syphilis anbelangt, ist es uns vielfach aufgefallen, dass die extra¬ 
genitalen Primäraffecte eine längere Zeit zur vollständigen Heilung 
bedürfen als die genitalen, so dass bereits anderweitige, secundäre 
Symptome bei noch manifester Sclerose beobachtet werden. Dies 
lässt es erklärlich erscheinen, dass man häufig von einem 
schweren gallopirenden, malignen Verlaufe nach extragenitaler 
Infection berichtet. Plumert theilt 2 Fälle von inficirten 
Ammen mit, bei denen kurze Zeit nach erfolgter Infection 
gummöse Bildungen aufgetreten sind. Baum erwähnt einen 
ähnlichen Fall. Auch bei meinem Fall XIV durchläuft der Process 
bei dieser Patientin, beginnend vom primären Geschwür an der 
Oberlippe, mit rapider Geschwindigkeit sämmtliche Phasen der 
Syphilis. 


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108 


ßl O eil. 


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Im Allgemeinen kann man jedoch auch aus unseren 
Fällen entnehmen, dass wie bei der genital erworbenen Lues, 
auch bei der extragenitalen aus zumeist individuellen Ursachen 
einzelne Fälle einen schweren Verlauf nehmen. 

In dem oben Mitgetheilten möge es mir gelungen sein, 
einen weiteren Beitrag zur Kenntniss der extragenitalen Syphilis- 
infection geliefert zu haben. Bei der besonderen Wichtigkeit 
der Erkrankung muss es Pflicht eines jeden Arztes sein, sich 
mit den Symptomen der extragenitalen Syphilisinfection 
genau vertraut zu machen, um im gegebenen Falle die rich¬ 
tige Diagnose stellen zu können. Der Arzt muss sich immer 
der grossen Verantwortung bewusst sein, die er bei Behand¬ 
lung solcher Fälle trägt, ebenso der Gefahr, die ein solches 
Individuum für die Familie und die Gesellschaft bedeutet. 

Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Hetrn 
Prof. Pick, meinem hochverehrten Chef, für die Ueberlassung 
und Förderung dieser Arbeit, meinen verbindlichsten Dank 
auszusprechen. 


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Bericht über die Leistungen 

auf dem 

Gebiete der Dermatologie und Syphilis. 


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I 



Verhandlungen der Wiener dermatologischen 
Gesellschaft. 

Sitzung vom 13. Januar lb97. 

Vorsitzender Kaposi. Schriftführer: Spiegler. 

Freund demonstrirt ein bereits vorgestelltes Kind aus der Al>- 
theilung des Docenten Schiff mit Naevus pigmentosus pi losus. Hals, 
Rücken, Seitentheile des Thorase und die obersten Theile der Oberarme 
des kleinen Mädchens waren bei der ersten Demonstration, wie vorge¬ 
legte Photographien zeigen, mit einem dichten Haarkleide bedeckt, das 
ohne scharfe Grenze in die Kopfbehaarung überging. 

Durch eine Zeitungsnotiz veranlasst, nach welcher amerikanische 
Forscher bei Belichtung der Haut mit Röntgenstrahlen eine Dermatitis mit 
folgendem Ausfall der Haare beobachtet haben sollen, ging F. daran, 
auch bei seiner Patientin mit den Röntgenstrahlen einen Versuch zu 
machen. 

Ueber den physikalisch-technischen Thcil seiner Beobachtungen 
will F. in der Gesellschaft der Aerzte berichten, klinisch war Folgendes 
zu beobachten. 

Es wurde zunächst der Nacken des Kindes täglich zwei Stunden 
mit Kathodenstrahlen belichtet, das Kind blieb dabei ganz munter und 
zeigte anfangs auch sonst nichts Auffälliges. Am 11. Tage begannen in 
der belichteten Gegend die Haare spontan auszufallen und durch leichten 
Zug liessen sich Büschel von 5—10 Haaren herausziehen. Trotzdem von 
diesem Tage an die Belichtung ausgesetzt wurde, dauerte der Ausfall 
der Haare in gleicher Intensität fort und führte bis zum 18. December 
zu einer totalen Alopecie des untersten Theiles des Hinterkopfes. Schon 
früher wurde eine diffuse llöthung constatirt, innerhalb welcher am 
5. Januar mehrere exeoriirte Stellen, die stark nässten, auftraten. Unter 
einer Behandlung mit Ichthyolsalbe heilten dieselben jedoch rasch, wobei 
auch die letzten übrig gebliebenen Haare schwanden. Die ausgefallenen 
Haare wurden von Herrn Prosector Zeh mann untersucht, welcher an 
ihnen statt der verdickten Haarzwiebel eine atrophische, zugespitzte 
Haarwurzel fand, nur wenig Haare endigten stumpf. Der Rücken und das 


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112 


Verhandlungen 


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Hinterhaupt sind an den belichteten Stellen kahl, stellenweise gerüthet 
als Ueberrest der überstandenen Dermatitis, ein grosser Tbeil hat jedoch 
überhaupt nie Symptome einer Dermatitis gezeigt. 

Um nachzuweisen, dass die Kathodenstrahlen das wirksame Agens 
waren, belichtete man 12 Tage lang mit Anodenstrahlen, jedoch ohne 
Erfolg. Nun wurde vor die die Kathodenstrahlen aussemknde Röhre ein 
Schirm aus Aluminium gebracht, welcher die Strahlen durchliess, jedoch 
die hochgespannten elektrischen Strom wellen durch einen Draht in die 
Wasserleitung ablcitete. An der auf diese Weise belichteten Stelle am 
untersten Theile des Naevus begannen nach achttägiger Belichtung die 
Haare erst spärlich, dann büschelweise auszufallen und acht Tage später 
entwickelte sich wieder ein leichtes Erythem, das jetzt noch vorhanden 
ist. Das lichte Haarkleid dieser Gegend ist bedeutend gelichtet, in der 
Mitte ganz kahl, nach 10—14tägiger Belichtung dürfte die ganze Stelle 
kahl sein. 

Durch die Versuche sind folgende drei Momente zutage getreten: 

1. Der oben erwähnte Effect wurde durch die Kathodenstrahlen 
erzeugt. 

2. Die langen, dünnen Koplhaare wurden leichter zum Ausfall ge¬ 
bracht als die stärkeren kurzen des Naevus. 

3. Die Kathodenstrahlen entfalten erst nach ein- bis zwei wöchent¬ 
licher Belichtung ihre Wirkung, die jedoch auch nach Sistirimg derselben 
durch vierzehn Tage fort dauert, also eine eumulative ist. 

Ob der Ausfall der ILtare auf die Dermatitis zurückzuführen \<t 
ähnlich der Alopecia synyitomatica nach Erysipel oder Ekzem, wie sie 
von Kaposi beschrieben wurde, will F. nicht entscheiden, er weist 
jedoch darauf hin, dass ein grosser Theil der jetzt kahlen Stellen nie 
eine Entzündung gezeigt hat. Ebensowenig lässt sieh jetzt entscheiden, 
oh die Haare nachwachsen werden oder nicht. Das Kind ist seit 0 Wochen 
in Beobachtung, in welcher Zeit die Haare nicht nachwuchsen. Uebcr 
weitere Versuche wird wieder berichtet werden. 

Schiff fügt hinzu, dass mit Mühe eruirt wurde, dass jene Zei¬ 
tungsnotiz aus Amerika stamme und jeder wissenschaftlicher Basis entbehre. 
Indessen berichtete Markuse aus Berlin über ähnliche Beobachtungen, 
weshalb sich Sch. an R eg i e r u n g s r a t h Eder wandte, der zwar nie 
ähnliche Beobachtungen gemacht hat, jedoch Freund bei seinen Ver¬ 
suchen aufs Bereitwilligste unterstützte. 

Ehrmann fragt, wie das zu verstehen sei, dass die Haarwurzeln 
atrophisch waren. Es sind vielleicht die Bulbi der Haare nicht mitge- 
gaugeu oder sind eiiigetrorknet, wenn nicht gleich untersucht wurde. 
Vielleicht handelte es sich um Beet- oder Papillenhaare. 

Freund entgegnet, dass die Haare von Prosector Zehmann unter¬ 
sucht wurden, der sich bisher nicht genauer über den Befund ausge¬ 
sprochen hat. 


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v. Hebra hat in der letzten Zeit ein Kind mit reichlicher Be¬ 
haarung an den Ohren gesehen. Es war das fünfte von den Kindern einer 
Frau, von denen vier die gleiche Anomalie aufwiesen. 

v. Hebra wendet sich ferner gegen den in der letzten Nummer 
des Archivs für Dermatologie und Syphilis erschienenen Artikel von 
Zarubin über die Wirkung des Jodothyrins bei Psoriasis, 
nach welchem das Medicament nichts nützen und sehr gefährlich sein 
soll. H. hat in vier damit behandelten Fällen (die gleiche Zahl wie bei 
Zarubin) das Gegentheil gesehen, ein sehr schönes Resultat und in keinem 
Falle unangenehme Symptome. 

Fall 1. Seit 10. November in Behandlung, täglich 020 steigend 
bis 1*80 Gramm Jodothyrin, Gesammtdosis 76\S(>. Der Patient hat um 
4‘020 Kg. zugenommen, im Urin fand sich weder Kiweiss noch Zucker. 
Die früher 1 Cm. dicken Epidennisauflagerungen an beiden Händen, Ellen¬ 
bogen. Knien sind jetzt bis auf minimale Reste geschwunden, nur ein¬ 
zelne erbsengrosse Knötchen deuten die Grenzen der früher bestandenen 
Psoriasis an. 

Fall 2. Seit 21. November 020 Jodothyrin steigend bis 1*80, im 
Ganzen 66*20. Von der ausgebreiteteu Psoriasis mit mächtigen Aullage¬ 
rungen ist jetzt wenig mehr vorhanden. 

Fall 3. Erst seit 22. December in Behandlung bis 1*20 pro die, im 
Ganzen 21*00. Bei der letzten Untersuchung fanden sich Spuren von Jod 
im Urin, während in allen übrigen Fällen nie Jod nachzuweisen war. Die 
Besserung ist bis jetzt gering, doch ist die Psoriasis nicht mehr so con- 
tiuirend, mehr zerrissen. 

Fall 4. Betrifft ein Mädchen, das seit dem 18. November 55,00 er¬ 
halten hat, eine Gewichtszunahme von l / 2 Kg. aufweist. Es bestand sehr 
starke Psoriasis, die sich nur wenig gebessert hat. Die Patienten haben 
nur alle 2 Wochen ein leichtes Bad bekommen, wurden dabei nie geriehen. 
Jedenfalls ist das Resultat günstig, ohne Schädigung des Allgemein¬ 
befindens. 

Ne um a n n demonstrirt im Anschluss daran drei mit Jodothyrin 
(Baumann) behandelte Fälle von Psoriasis vulgaris: 

1. Einen 33jährigen, seit 15. November in Behandlung stehenden 
Mann. Derselbe erhielt bisher 297 Pulver ä 0*5 Gramm. Es wurde erst 
ein Pulver gegeben, dann jeden dritten Tag um ein Pulver gestiegen, 
bis zu zwölf Pulvern. Es bestand über Stamm und Extremitäten ausge- 
breitete Psoriasis nummularis, an den Unterschenkeln auch grössere 
Plaques. Jetzt sind die meisten Etllorescenzen noch sichtbar, aber stark 
abgeblasst, die Infiltration derselben geschwunden, die Sehuppenbildung 
verringert. Der Effect ist etwa derselbe wie bei interner Darreichung von 
Arsen oder Jodkalium, steht jedoch dem durch subeutane Arsenikinjec- 
tion erzielten nach. Dazu kommt, dass in sämmtliehen so behandelten 
lallen Nebenerscheinungen wie Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, leichte 
1 emperatursteigerung, Schwindel, starkes Durstgefühl und Diurese auftraten. 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. g 


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2. Bei dem lHjährigeii zweiten Patienten trat nach Gebrauch von 
27 Pulvern ein namentlich die Streckfläche der Vorderarme bis zum 
Handgelenke, Unterschenkel, Nacken und Gesicht befallendes Erythema 
Iris auf. Es ist allerdings nicht sichergestellt, ob dasselbe durch das 
Jodothvrin bedingt war, es trat nach Aussetzen und neuerlicher Dar¬ 
reichung des Mittels das Erythem nicht wieder auf. Es haben sich aber 
nach Abblassen des Erythems an Stelle desselben in acuter Weise schup¬ 
pende Psoriasiseiflorescenzen entwickelt. Gegenwärtig wird der Kranke 
mit Theer behandelt. 

3. Ein 40jähriger Pat., schlecht genährt, Potator, der seit einem 
Jahre an Psoriasis leidet, hat 422 Pulver erhalten, ohne dass Heilung 
erfolgt wäre. Die Ffflorescenzen sind blässer, weniger infiltrirt, jedoch 
die Schuppenmenge noch beträchtlich. — Das Mittel wird jedenfalls bei 
Psoriasis stets versucht werden müssen. 

Eh rin an n hat unter den von ihm mit Jodothvrin behandelten 
sechs Fällen auch einen mit Erythema multiforme beobachtet. Es betraf 
einen Fall, den E. schon vor zwei Jahren mit Jodkalium behandelte, 
worauf schon nach wenigen Grammen ein ausgedehntes toxisches Erythem 
auftrat. In grossen Massen hob sich die Epidermis ab, die Fusssohlen 
und die Flaeldiand verloren ihre Epidermis ganz. Vor 14 Tagen gab E. 
dem Pat. Jodothvrin zu halben Grammen, stieg jedoeh mit Rücksicht auf 
die bei dem Pat. gemachte Erfahrung nicht mit der Dosis. Dennoch 
trat am 5. Tage ein ausgedehntes Erythem auf, so dass jetzt keine Stelle 
der Haut von Epidermis bedeckt ist, wie bei schwerem Pemphigus folia¬ 
ceus. Mit Rücksicht aut die gleiche Beobachtung bei Darreichung des 
Jodkaliums und des Jodothyrins möchte E. die Wirkung des letzteren 
doch als Jodwirkung ansehen, obschon Jod im Harn der Patienten nicht 
gefunden werden konnte. Bei rascher Epidermisabstossung bei diffuser 
Psoriasis wird man vorsichtig sein müssen. 

Grosz macht darauf aufmerksam, dass das Präparat Zarubins 
nicht mit dem an unseren Kliniken verwendeten identisch sei. Es ist das 
T h y r e oj o di n u m siccatiun (Merk), das sich als ein sehr unverläss¬ 
liches Mittel erwiesen hat, da es in einzelnen Fällen schwere Neben¬ 
erscheinungen hervorrief, wahrend ein Kind irrtümlicherweise 80 Stück 
nahm, ohne einen Schaden davon zu erleiden. Das von uns verwendete 
Jodotliyrin dagegen ist ein chemisches Präparat, das genau dosirt werden 
kann. Wenn sich die Beobachtungen mehren werden, wird sich auch 
zeigen, dass die Reaction auf das Mittel eine individuell sehr verschie¬ 
dene ist, so dass die Wirkungsweise nie vorausgesagt werden kann. 
Audi G. möchte gleich F h rm an n die Wirkung des Jodothyrins wesent¬ 
lich als Jod Wirkung au Hassen. 

E h rrn an n demonstrirt 

1. ein t rau ma ti sch es Gesc h w ii r d er Z u n gc lierrährend von 
einem schadhaften Zahne. Es unterscheidet sich von einem tuberrulüsen 
durch den Mangel der Schmerzhaftigkeit, der diffusen Rütkung, der cha¬ 
rakteristischen eingeschnittenen Ränder und der Knotehen an der Peri- 


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pherie. Der Belag enthält keine Tuberkelbacillen. Solche Geschwüre ent¬ 
stehen auch an der Oberlippe alter Leute, indem die gelockerten Zähne 
durch die Zunge an die Lippe gepresst werden. Hier können solche Ge¬ 
schwüre für Rhinosklerom gehalten werden. 

Neumann hält das Geschwür seiner Derbheit wegen fürcarcinomatös. 

2. einen Pat., der noch Reste eines vorausgegangenen Svphilides zeigt. 
Seit 10 Tagen bestehen Schmerzen im Sulcus bicipitalis internus aus¬ 
strahlend gegen den Vorderarm. Bei Druck zucken die Muskeln des Vor¬ 
derarms, es wurde auch gesteigerte Schmerzempfindlichkeit nachgewiesen. 
Es handelt sich also um eine Neuritis des Nervus medianus in 
der acuten Periode der Lues. Solche Neuritiden sind gar nicht 
selten und gleichzustellen den Entzündungen des Periostes und der 
Sehnenscheiden. 

Ullmann demonstrirt einen Fall von Syphilis hereditaria 
recidiva bei einem 22jährigen Manne. Er wurde vor 6 Wochen in die 
ambulatorische Behandlung der Poliklinik aufgenoramen wegen einer Ge¬ 
schwulst an der Aussenseite des r. Talocruralgelenkes, die damals vielfach 
sinuös zerklüftet, von mächtigen Exsudatmassen bedeckt war und reichlich 
Eiter entleerte. Eine antiluetische Behandlung besserte den Zustand, der 
Process schritt nicht weiter. Die Affection war im Juli für einen kalten 
Abscess gehalten worden trotz energischer chirurgischer Behandlung 
(Excochleation) jedoch nicht besser geworden. Der Pat. zeigt ferner eine 
Affection der Kniegelenke, deren er sich gar nicht bewusst gewesen war. 
Die Gelenkskapsel ist allenthalben ausgedehnt, die Gelenkbänder sind je¬ 
doch nicht gelockert, Gehfähigkeit normal, Schmerzfähigkeit fehlt. An 
den Tibien finden sich beträchtliche Tophi, Femur, Wirbelsäule, Schädel¬ 
knochen, Oberarmknochen sind normal, dagegen zeigen die Unterarm¬ 
knochen Verdickungen, die auch in einer nach Röntgen aufgenommenen 
Photographie als spindelige Auftreibungen der Knochen zu erkennen sind. 
Sonst finden sich keine Zeichen von hereditärer Lues. Von seinem 
Vater hat Pat. erfahren, dass die Mutter nach seiner Geburt im Wochen¬ 
bette an Syphilis gestorben sei, und dass Pat. selbst gleich anfangs Zeichen 
von Lues geboten habe, namentlich Eiterungsprocesse am Halse. Doch 
sind jetzt keine Spuren solcher luetischer Affectionen vorhanden, was bei 
hereditärer Lues ja oft vorkommt. Es handelt sich gewiss um eine Sy¬ 
philis gummosa und zwar hereditaria recidiva, nicht hereditaria tarda. 

Hochsinger bemerkt, dass er bei zwei Kindern, die er in den 
ersten Lebensmonaten mit frischen luetischen Exanthemen behandelte, im 
7. beziehungsweise 8. Lebensjahre einen ganz analogen Befund (symmetrisch 
an beiden Kniegelenken Flüssigkeitserguss bei vollständiger Schmerz¬ 
losigkeit) beobachtet habe. Er hatte auch sonst Gelegenheit, die Schick¬ 
sale von Kindern, die er in den ersten Monaten mit congenitaler Syphilis 
gesehen, weiter zu verfolgen, und fand, dass in manchen Fällen die 
Narben an Schleimhäuten, am Lippensaum, oder ein Zurückbleiben in der 
Entwicklung oder allgemeine Ernährungsstörung zu beobachten waren. 
Es blieben aber genug Fälle, die im späteren Alter ein tadelloses Aeussere 

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und normale Entwicklung aufwiesen, trotzdem in den ersten Lebens¬ 
monaten sichere hereditäre Lues constatirt worden war. 

Schiff fragt, ob Ul 1 mann überhaupt eine Syphilis heredi¬ 
taria tarda gelten lasse, oder ob er. wie es den Anschein habe, annimmt, 
dass in allen Fällen, die als solche bezeichnet werden, die ersten Symp¬ 
tome der Lues übersehen wurden. 

Ullmann ist der Ansicht, dass es praktisch überhaupt schwer zu 
entscheiden sei, ob früher Symptome vou Lues vorhanden waren oder 
nicht, so namentlich auch, wenn die ersten Symptome der Lues keine 
besonderen subjeetiven Beschwerden machen, wenn sie z. B. in einem 
leichten Schnupfen bestehen. 

Lang freut sich, dass, wie es nach den Zwischenrufen den An¬ 
schein hat, alle Anwesenden sich in der Frage der Syphilis hereditaria 
tarda gleich skeptisch verhalten. Die Autoren, welche für eine solche ein- 
treten, hätten zu beweisen, dass vorher nie luetische Erscheinungen be¬ 
standen haben, was ihnen, wie neuerdings die Erfahrungen Hochsin¬ 
ger’s lehren, gewiss schwer fallen dürfte. 

Neu mann ist der Ansicht, dass das entscheidende Wort in der 
Angelegenheit den praktischen Aerzten zukommt, da nur diese Gelegen¬ 
heit haben, die verschiedenen Phasen des Familienlebens mitzumachen 
und so den Verlauf der congenitalen Lues zu verfolgen. Zu erwähnen 
wäre noch die Möglichkeit, dass ein Kind intrauterin Syphilis innerer 
Organe, so Lebersyphilis, durehmacht. und später tertiäre Symptome zeigt. 

Grünfeld betont, dass die in der Literatur angeführten Fälle 
von Syphilis hereditaria tarda auf die Anamnese gestützt werden und 
diese gilt ja grade bei Syphilis niemals als ganz verlässlich. 

Kaposi erwähnt, dass sich die Wiener Schule schon wiederholt 
gegen die Annahme einer Syphilis hereditaria tarda ausgesprochen hat. 
Bemerkenswerth wäre noch, dass auch Becidiven im Gefolge frühzeitig 
erworbener Lues acijuisita von manchen als Syphilis hereditaria tarda be¬ 
zeichnet werden können. 

Kaposi demonstrirt eine 40jährige Frau, die seit 2 Jahren an 
Keloiden der SternalgegenJ, wie es scheint einer Prädilectionsstelle 
des Keloides, leidet. Es finden sich daselbst zwei quere rothe Wülste 
von derber Beschaffenheit im Ceutrum weislich schimmernd und depre- 
mirt, von einer Länge von 2'5—4 Cm. Ueber den Mammen finden sich 
noch einige kleinere weizenkornähnlicke Wülste. Sie sind schmerzhaft 
und erweichen unter Pliasterbehandlung. 

Lang demonstrirt den schon einmal vorgestellten Pat. mit einer 
allgemeinen Dermatitis exfoliativa, die anfangs als Pemphigus 
foliaceus gedeutet worden war. Auch in der letzten Zeit hat sich der 
Zustand nicht geändert, nie hat sich irgendwo ein Bläschen gezeigt. Wenn 
die Salbenbehaiuliung ausgesetzt wurde, mehrten sich die Rhagaden. 

Kaposi sieht den Fall zum ersten Male. Er hält es für Psoriasis 
universalis. Er hat im Laufe der Jahre mehrere solche Fälle gesehen 
und hat Besserung erzielt durch partienweise locale Behandlung mit 


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Compression, Pyrogallussäure etc. bei gleichzeitiger interner Darreichung 
von Arsenik, Jodkalium (wofür jetzt Jodothyrin zu geben wäre). Pem¬ 
phigus möchte K. mit Rücksicht auf die Felderung ausschliessen. 

Lang hat, trotzdem er keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer 
Psoriasis gesehen, Jodothyrin versucht, jedoch keinen Erfolg gesehen. 

Neu mann hält eine Psoriasis mit so weicher elastischer Haut für 
unwahrscheinlich, er hat einen solchen Fall noch nicht gesehen. Sonst 
könnte ein Chininexanthem oder eine Pityriasis rubra so aussehen. Als 
der Fall das erste Mal vorgestellt wurde, hat N. daran erinnert, dass 
Fälle von ausgebreitetem Pemphigus foliaceus bei denen es nicht zu 
Blasenbildung kommt, ähnlich aussehen können. Damals war jedoch das 
Bild ein anderes, da die ganze Haut mit Salbe bedeckt war. 

Lang hält den Fall für eine Affection besonderer Art, und zwar für 
eine schwere Erkrankung, da bei der permanenten Hyperämie und Exsu¬ 
dation in der Haut, es endlich zu einer dauernden Ueberschweminung 
des Blutes mit Leukocyten kommen muss. Für Psoriasis hält er die 
Affection auch deshalb nicht, da diese speciell auf der Kopfhaut ein an¬ 
deres Bild bieten müsste. 

Kaposi könnte seine Diagnose nicht genauer begründen, die Dif¬ 
ferentialdiagnose sei in manchen Fällen mehr Gefühls- und Erfahrungs¬ 
sache. Ein gleiches Bild könne jede allgemeine Dermatitis erzeugen. Der 
Einwand, dass die Therapie nicht wirksam gewesen, sei nicht stichhältig. 
K. hat bei den von ihm beobachteten ähnlichen Fällen von Psoriasis 
auch die verschiedensten Mittel versucht, bis endlich eines Heilung her¬ 
beiführte. Es lässt sich nicht sagen, wie lange der Process dauern werde, 
aber K. hat selbst die schwersten Fälle heilen gesehen. Freilich kann da¬ 
durch wie durch jede allgemeine Dermatitis auch der Tod herbeigeführt 
werden, so durch Amyloidose innerer Organe. 

Neumann demonstrirt: 

1. eine 25jährige Patientin mit Fibroma m oll u sc um. Es be¬ 
finden sich an der Haut des Stammes zahlreiche theils aufsitzende, theils 
an der Basis abgeschnürte oder gestielte Geschwülste von verschiedener 
Grösse, stecknadelkopfgross und darüber, einzelne von der Farbe der 
normalen Haut, teigig weich, die meisten dunkelbraun, schlaff herabhän- 
gend, dazwischen allenthalben Pigmentflecke in Form grosser blassbrauner 
Naevi, oder kleiner ephelidenartig. Am 1. Oberschenkel eine besonders 
grosse schwammartig vorspringende faustgrosse, teigig weiche Geschwulst. 
Pat., physisch und geistig ziemlich normal entwickelt, gibt an, dass ihr 
Vater mit derselben Affection behaftet sei. 

2. einen schon einmal vorgestellten Fall mit Myom ata cutanea. 

3. Die bereits wiederholt vorgestellte Patientin mit ausgedehnter 
ulceröser Syphilis der Nase und des Gesichtes. Beim Eintritte 
ins Spital, anfangs October, bestand ein fast fhichhand- grosses Geschwür 
an der rechten Schläfe und ein Knochen und Weichtheile der Nase fast 
ganz zerstörendes von der Stirne zur Oberlippe reichendes Geschwür mit 
derb iniiltrirtem Rande. Nach 50 Dosen Decoct. Zittmann. fortius und 


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mitius und dreiwöchentlichem Jodkaliumgehrauche. Jodoformverband und 
energischer Lapisätzung sind beide Geschwüre bis auf etwa kreuzergrosse 
rein granulirende Stellen vernarbt. Der Rest des linksseitigen Nasenflügels 
wurde ausgeheilt, so dass an der Nasenwurzel noch ein halbkreuzergrosser, 
in die Nasenhöhle Einblick gestattender Defecf besteht, der durch Plastik 
zu decken wäre. Endlich besteht noch eine gummöse Erkrankung im 
linken Kniegelenk. 

4. einen 28jährigen Pat. mit tuberculösen Geschwüren au 
der Mundschleimhaut. An der Schleimhaut der Unterlippe in der 
Medianlinie ein längsovales, über kreuzergrosses Geschwür mit scharfem 
feinzackigem, leicht unterrainirtem gerötheten Rande und drüsig unebener, 
blassrother, theils graugelb belegter Basis. Neben demselben eine etwa 
ebenso grosse zarte weissliche Narbe nach einem spontan abgeheilten 
Geschwüre, ein weiteres linsengrosses Gesehwürchen am Zahnfleisch des 
Unterkiefers. Das Zahnfleisch der ganzen rechtsseitigen Unterkieferhälfte 
narbig retrahirt, so dass allenthalben der Hals der Zähne frei liegt. Ein 
drittes, über kreuzergrosses Geschwür an der Zungenspitze, dasselbe kreis¬ 
förmig flach von etwas derber Gonsistenz, mit festhaftendem Belage. Die 
Zungenspitze wird dadurch verkürzt, so dass sie nicht über die Zahn¬ 
reihe hervorgestreckt werden kann. Die Geschwüre sind schmerzhaft, es 
besteht starke Salivation. Miliare Tuberkelknötchen am Rande der Ge¬ 
schwüre sind nicht zu sehen, Drüsen am Unterkieferwinkel beiderseits 
über wallnussgross, etwas druckempfindlich. Dauer der Aflection angeblich 
4—5 Monate. 

Rille demonstrirt. einen 65jährigen Pat. mit einem grossen gum¬ 
mösen Geschwüre am Mundboden und an der Zunge. Unter¬ 
halb der Zungenspitze vorne bis zum Alveolarfortsatz reichend, nach 
rückwärts die Zunge vom Mundboden etwa 2 Cm. weit abhebend und 
unterminiren ein über thalergrosses Geschwür mit drüsig unebenem 
ldassgrau belegtem, leicht blutendem Grunde. An der Zungenoberfläche 
findet sich ein etwa haselnussgross vorspringender eindrückbarer, etwas 
druckempfindlicher Knoten. Hochgradige Salivation. Die tieferen Rachen¬ 
gebilde normal, auch die Wangenschleimhaut glatt, am Zungenrande 
Zahnabdrücke. Die Drüsen am Halse nicht vorgrössert. Anamnestisch weiss 
Pat. nichts anzugeben. 

Kaposi demonstrirt einen Mann mit hartem Schanker an der 
Unterlippe. Ein maculo- papulöses Syphilid beginnt bereits abzublassen. 
Am Nacken reichliche Acnenarben und Keloide. Am Vorderarm eine 
1 Cm. lange, */ a Cm. breite vertiefte, secernirende Wunde, lierrührend von 
einer Fontanelle, die dem Pat. wegen eines schmerzhaften Ohren¬ 
leidens vor 8 Monaten in Constantinopel angelegt worden war. 

Popper stellt vor aus der Abtheilung Lang: 

1. eine Kranke, die schon einmal mit gummösem Fungus der 
Strecksehnen des 1. Unterschenkels vorgestellt wurde. Die Gegend des 
Sprunggelenkes war damals aufgetrieben, die Haut wies zahlreiche Ge¬ 
schwüre auf, innerhalb deren die Sehnen bloss zutage liegen. Heute bat 


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«das Sprunggelenk seine normale Configuration, die Geschwüre sind sämmt- 
lieh überhäutet. Die Therapie bestand in Auskratzen der Geschwüre mit 
scharfem Löffel, welche hierauf der Granulation überlassen wurden. Der 
zurückgebliebene oberflächliche Defect wurde nach Thierseh gedeckt. 
Kosmetisch und functionell ist die Heilung befriedigend. 

2. Einen Fall von ausgedehnten gummösen Ulceratiouen. 
Der 35jährige Pat. zeigt die Streck- und Beugeseite der zwei unteren 
Drittel der r. Unterschenkel und die Kniegelenksgegend von zahlreichen, 
zumeist über thalergrossen Geschwüren eingenommen, zwischen denen 
die noch vorhandene Haut narbig verändert ist. Die Geschwüre zeigen 
alle luetischen Charaktere. Besonders gross ist ein flachhandgrosses Ge¬ 
schwür an der Hinterfläche des Oberschenkels, welches die Muskeln bloss¬ 
legt. Pat. hat vor 15 Jahren ein Geschwür am Penis acquirirt, welches 
keine Allgemeinerscheinungen zur Folge hatte. Er wurde nicht allgemein 
behandelt, die Erkrankung am Oberschenkel besteht seit 4 Jahren und 
wurde nur local behandelt. Die Therapie wird in Excochleation der Ge¬ 
schwüre und eventuell plastischer Deckung nach Thiers ch bestellen. 


Sitzung vom 27. Januar 1R»7. 

Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer: Spiegler. 

Hochsinger demonstrirt zwei Fälle von hereditärer Lues 
bei Säuglingen, die besonders dadurch ausgezeichnet sind, dass die Dia¬ 
gnose auf Lues vor Ausbruch des Exanthems gestellt werden konnte. 

Der erste Fall betrifft ein Kind, das gut genährt ist, mit 14 Tagen 
ein Gewicht von 4 Kg. hatte und durch nichts von der Norm abwich, 
als durch eine Coryza und eine Vergrösserung der Leber. Die Coryza 
der luetischen Kinder hat das Charakteristische, dass sie auf den Rachen 
nicht übergreift. Untersucht man bei einem Schnupfen z. B. in Folge 
von Grippe, so findet man stets eine starke Röthung und acute Schwellung 
der Pharynxschleimhaut. Bei Coryza der hereditär syphilitischen Kinder 
findet man höchstens eine leichte Röthung an der hinteren Rachenwand, 
Gaumenbögen und Zäpfchen sind vollständig frei. Ein solcher Befund be¬ 
rechtigt zu dem Verdachte, dass es sich um Lues handelt. H. hatte mit 
der antiluetischen Behandlung gewartet, um zu sehen, ob nicht doch ein 
Exanthem kommt; thatsächlich zeigte das Kind nach 5 Tagen ein cha¬ 
rakteristisches, scheibenförmiges Exanthem an den Fusssohlen. 

Das zweite Kind wurde im Alter von 11 Tagen zur Behandlung 
gebracht mit der Angabe, es sei normal zur Welt gekommen. Vom 
7. Tage jedoch konnte das Kind den Arm schwer heben, welcher Zu¬ 
stand sich immer mehr verschlimmerte. Man fand am oberen Eude des 
Humerus eine spindelförmige Anschwellung, eine ähnliche Anschwellung 
am unteren Ende und den anstossenden Enden der Vorderarmknochen, 
gleichzeitig bestand eine Schwellung der Mittelhand beiderseits. Auch 
bei diesem Kinde bestand eine Coryza, die Rachengebilde waren eben¬ 
falls frei. Ferner besteht eine Vergrösserung der Leber, dagegen kein 


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Milztumor. H. untersuchte die Verdickungen an den Extremitäten mit 
Röntgenstrahlen und erwartete auch hievon Aufklärung über die schlatfe 
Lähmung, die sich bei dem Kinde in Folge des Knochenprocesses ein¬ 
stellte, während sonst bei Gelenkserkrankungen durch Contraction der 
Muskeln das Gelenk tixirt wird. Die Photographie zeigte jedoch keinerlei 
Verdickung der Knochen, die Anschwellung betrifft also nicht die Knochen, 
sondern die Weielitheile, Muskeln, Perieliondrium. Das bestätigt die 
Angaben von Kassowitz in seiner Arbeit „Syphilis und Rachitis“, dass 
Pseudoparalysen zu Stande kommen durch Uebergreifen des syphilitischen 
Processes vom Periost auf die Sehnenscheiden und Perimysien. Wichtig 
ist ferner der Befund einer vergrüsserten Leber bei beiden Kindern. 
II. hatte auf dem Naturforschercongresse in Lübeck über 148 Fälle here¬ 
ditärer Lues berichtet, von denen 45 starke Leberschwellungen aufwiesen. 
Fs wurde damals eingewendet, dass die Leberschwellung vielleicht auf 
Anaemia splenica beruhe, die sich oft bei hereditär luetischen Kindern 
findet. Dabei ist jedoch die Milz vergrössert, die Leber nur wenig. Findet 
sich jedoch bei einem Kinde die Leber sehr gross, die Milz klein, dann 
ist das auf Lues verdächtig, namentlich wenn auf anliluetische Behand¬ 
lung die Leberschwellung zurückgeht. — Im ersten demonstrirten Falle 
bestand geringe Milzschwellung, im zweiten fehlt sie, die Leber reicht 
in beiden Fällen zur Nabellinie und bildet sich auch in der Röntgen - 
photographie deutlich als Schatten ab. Die Blutuntersuchung ergab im 
ersten Falle nichts Abnormales, im zweiten geringe Leukocytose, besonders 
reichlich Myelocyten, was mit dem Ivnochenprocesse in Zusammenhang 
stehen dürfte. Die beiden Fälle zeigen, dass ein Fortbestehen foetaler 
Erkrankungen nach der Geburt gar nichts Seltenes ist und dass die Di¬ 
agnose der Syphilis vor Ausbruch des Exanthems möglich ist. 

Neumann meint, dass die Diagnose gewöhnlich aus der Beschaf¬ 
fenheit des ganzen Organismus gestellt wird, Leherinturnescenzen finden 
sich oft, aus der Leberschwellung allein wird die Diagnose jedoch nicht 
zu stellen sein. In den Muskeln kennt Neumann diffuse Entzünduugs- 
processe im acuten Stadium und gummöse in Spätstadien. Gerade bei 
Kindern, die ja meist an der Erkrankung sterben, Hessen sich genauere 
anatomische Nachweise erbringen. 

Hoch singer betont, dass das erste Kind in nichts von der 
Norm abweicht, sondern bloss eine Coryza und den Lebertumor aufwebt. 

Rille verweist auf den hohen diagnostischen Werth der Blut¬ 
untersuchung, die in solchen Fällen entscheidend sein kann. Nament¬ 
lich haben die Untersuchungen von Loos sehr constante Verhältnisse er¬ 
geben, so ausser dem vom Vorredner citirten Befunde von Markzellen oder 
Mveloplaxen (C o r n i 1, II. F. Mülle r) noch ganz marcante Veränderungen 
an den rothen Blutkörperchen, welche Hoch singer nicht erwähnt bat, 
insbesondere das Auftreten von kernhaltigen Erythrocyteil in bisweilen 
kolossaler Menge. Auch R. konnte einmal in einem keine klinischen Er¬ 
scheinungen darbietenden Falle der hiesigen Findelanstalt mit Hilfe der 


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haematologischen Untersuchung Syphilis diagnosticiren, wo dann später 
ein luetisches Exanthem auftrat. 

Kaposi meint, dass es merkwürdig sei, dass die Affection der 
Muskeln und Sehnen keinerlei Reizungs- sondern bloss Lähmungser- 
scheinungen erzeuge. Er erinnert sich an eine Reihe von Fällen allge¬ 
meiner Pseudoparalyse bei Kindern der Findelanstalt, bei denen zum 
Theil wegen bekannter Lues der Mutter der Ausbruch derselben bei dem 
Kinde erwartet wurde, zum Theil jedoch keine Verdachtsmomente für 
Lues Vorlagen. Es trat bei vollständigem Wohlbefinden bei den gut ge¬ 
nährten Kindern allgemeine Pseudoparalyse auf, dauerte einige Tage und 
schwand bei Ausbruch des Exanthems. Es waren keine Veränderungen 
an Knochen und Weichtheilen zu palpircn, man musste auch wegen des 
gleichzeitigen Befallenseins aller Muskeln an eine centrale Ursache denken, 
aber auch hiebei ist nicht klar, warum keine Reizungssymptome auf¬ 
traten und warum die Paralyse mit Auftreten des Exanthems verschwand. 

Hochsinger bemerkt gegenüber Rille, dass der von Loos als 
charakteristisch für hereditäre Lues angegebene Befund im Blute auch bei 
Anaemia splenica sich finde. Auch Heubner erklärt in seiner letzten 
Bearbeitung der hereditären Syphilis, dass die Blutuntersuchung nichts 
beweisen könne. Der erste der demonstrirten Fälle zeigte absolut keine 
Abnormität des Blutbefundes. — Fälle wie die von Professor Kaposi 
citirten hat H. nicht gesehen. 

Lang ist der Ansicht, dass die Lähinungssymptoine durch menin- 
geale Reizung erzeugt werden, wie sie auch bei acquirirter Lues Vorkommen. 
Es besteht ferner der anatomische Nachweis einer meningealen IJaemor- 
rhagie in einem Falle, der im Leben Lähmungserscheinungen darbot. 

Lang erwähnt eine Abhandlung von Dr. Pollak in der deutschen 
niedicinischen Wochenschrift über eine Reihe von Fällen von allgemeiner 
Lähmung, die mit dem Auftreten des Exanthems schwand. 

Neu mann erinnert an eine Arbeit von Diday in den Annalen 
für Syphilis und Dermatologie, in welcher Lähraungserschei- 
nungen bei Kindern auf Myositis in Form von Infiltraten und Gummen 
zurückgeführt werden. 

Rille glaubt nicht, dass die in Rede stehenden Blutbefunde er¬ 
schüttertwerdendürfen. Es handelt sich noch um eine Reihe detaillirterer 
Veränderungen, auf welche jetzt nicht genauer eingegangen werden kann, 
so um sehr beträchtliche Differenzen in der Grösse der rothen Blutkörper¬ 
chen und gewisse höchst charakteristische tinetorieile Verschiedenheiten 
derselben. Dass die Anaemia infantum pseudoleukaemica ähnliche Ver¬ 
hältnisse aufweist, ist ihm genau bekannt, und hat dies schon Loos 
betont, doch sind da die morphologischen Veränderungen nicht so hoch¬ 
gradig nnd wissen wir vorläufig noch nicht, ob zwischen diesen beiden 
Processen nicht doch irgend welche Beziehungen bestehen. 

Ehr mann deraonstrirt einen Fall von Sklerodermie an der 
Haut der unteren Extremität von der Inguinalgegend längs der 
inneren Seite bis zum inneren Condylus der Tibia. Es hatte sich eine 


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Verhandlungen 


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Pseudocontractur entwickelt, deren Streckung im Gypsverband Gangrän 
erzeugt hatte. Daher stammen eine Reihe von Narben. Die Vertheilung 
entspricht nicht etwa einem Nervengebiete, eher dem der Yena saphena 
magna. Nach Wolters besteht die Sklerodermie in einem Process an 
den Gefassen. Neben erweiterten Lymphgefässen sind auch Blutgefässe vor¬ 
handen, die Muskeln schwinden und werden durch Bindegewebe ersetzt. 

v. Hebra hat sehr gute Erfolge bei Sklerodermie durch syste¬ 
matische Massage erzielt. So wurde ein diffuses Sklerem, das von den 
Füssen bis zu Nabelhöhe reichte, in zwei Monaten gut. 

Ehrmann hat ebenfalls gute Resultate bei Massage gesehen, im 
vorgestellten Falle muss gewartet werden, bis alle Wunden geheilt sind. 

Neumann demoustrirt als Pendant einen schon einmal vorge¬ 
stellten Pat. mit Sklerodemie, Massage ist nur im elevirten Stadium 
des Skierems von Nutzen, wenn einmal die Knochen und Muskeln be¬ 
fallen sind, nützt sie nichts mehr. Dass es sich hiebei um eine Gefässer- 
krankung handelt, wurde von N. vor langer Zeit nachgewiesen. 

Nobl dcmonstrirt aus der Abtheilung des Docenten Grünfeld 
einen Fall von Initialsklerose an der Unterlippe bei einem jungen Mäd¬ 
chen. Interessant ist der Befund von centraler Excavation an den 
Schneidezähnen, wie sie als typisch für hereditäre Lues beschrieben 
wurde und hier mit recenter Lues zusammentrifft. 

v. Ilebra dcmonstrirt einen Fall von Raseurinfection mit Syphilis 
in der Mitte des Kinns. H. erzählt ferner von einem andern Falle extra- 
genitaler Infeetion. Es betraf eine Frau mit allgemeinem Exanthem und 
besonders grossen Papeln im Gesicht. Das Kind derselben hatte eine noch 
weiter vorgeschrittene Lues. Später konnte nachgewiesen werden, dass 
das Kind von einem Kindsmädchen inficirt worden war und die Mutter 
sich in der Weise inficirte, dass sie den Kopf des Kindes an ihre Wangen 
drückte. Das Kind hatte namentlich am Munde Exuleerationen und die 
Mutter litt an Aene des Gesichtes, was die Infeetion erleichterte. 

Neu mann deraonstrirt: 

1. einen 17jährigen Pat. mit Orchitis epidemica. Die linke 
Scrotalhälfte vergrössert, die Haut geröthet, oedematös geschwellt, der 
Ilode dieser Seite vergrössert, gleichmässig derb und druckempfindlich, 
auch der Nebenbode vergrössert, namentlich am Caput, während der 
Caudaltheil nicht deutlich abgegrenzt werden kann. Die Affection besteht 
seit fünf Tagen, Fieber soll nicht bestanden haben, doch Unwohlsein und 
Appetitlosigkeit. Eine gleichzeitige Schwellung der Parotis besteht nicht. 
Der Harn ist klar, kein Ausfluss, keine Gonococcen im Urethralschleim. 
Kocher berichtet über zwei Parotitisepidemien, die letzte in einem 
Schweizer Infanteriebataillon. Innerhalb 23 Tagen traten 23 Fälle von 
Parotitis auf, Ecomplicirt mit Orchitis, 4 Fälle primärer Orchitis, aus¬ 
schliesslich Männer in den 20er Jahren. Bei einer Genfer Epidemie be¬ 
obachtete Rilliet 23mal Orchitis, der jüngste Pat. war 14, der älteste 
45 Jahre alt. 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


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2. Im Anschluss an den Vortrag Tarnowsky’s in London, der 
annimmt, dass es sich bei maligner Lues um Mischinfection mit Eiter- 
coccen handle, demonstrirt Neumann einen Fall von maligner 
Lues, von dem Gewebsstücke darauf hin untersucht werden sollen. 
Wenn man bedenkt, wie viele ulceröse Primäraffecte, wie selten ulceröse 
Syphilide gesehen werden, scheint obige Annahme nicht sehr wahr¬ 
scheinlich. Lang macht aufmerksam, dass vor T arnowsky andere und 
auch er selbst sich mit der Angelegenheit beschäftigt haben. 

3. Einen 24jährigen Pat. mit Keloiden. Zwei bisquitförmige, 
scharf begrenzte, flach erhabene, geröthete schmerzlose Wülste mit run¬ 
zeliger Epidermis bedeckt finden sich in der Sternalgegend. Eine weitere 
kreuzergrosse rundliche ebenso beschaffene Erhabenheit in gleicher Höhe 
an der linksseitigen Brusthälfte. Die Aftection soll seit der Geburt be¬ 
stehen, gegenwärtig suchte Pat. das Spital wegen recenter Lues auf. 

Kaposi kennt aus der Literatur und aus eigener Erfahrung eine 
Reihe von Fällen mit Keloiden der Sternalgegend, es wäre des Studiums 
werth, zu ergründen, weshalb das Keloid mit Vorliebe an dieser Stelle 
sich localisirt. 

4. Einen 30jährigen Kranken mit ausgedehnter Alopecia areata. 
An vielen Stellen der Kopfhaut umschriebene haarlose Stellen, theils 
einzelstehend kreisförmig, theils coufluirend zu flachhandgrossen Stellen. 
Es fehlen die Augenbrauen- und Wimperhaare, ebenso die früher be¬ 
standenen Barthaare. Grössere haarlose Stellen finden sich ferner an der 
Symphyse und Bauchwand, wo theilweise noch jetzt starke Behaarung 
besteht. Der Haarausfall soll im vorigen Jahre begonnen haben. 

Rille demonstrirt einen 64jährigen Pat., Schankwirth aus Galizien, 
mit multiplem primären pigmentlosen Hautsarcomen. Anden 
verschiedenen Hautstellen zahlreiche (über 100) zum Theil subcutan voll¬ 
ständig oder mit der Cutis verschiebbare Geschwülste von normaler 
Haut bedeckt, meist kugelig erbsen-haselnuss- bis wallnussgross, schmerzlos 
sehr hart. Daneben weniger zahlreiche, über das Hautniveau vortretende, 
mit der Haut verwachsene blassrothe, matt glänzende Geschwülste. Diese 
sind meist erbsengross, im Gesichte, in der Supraclaviculargrube 
grössere. Am Rücken in der Lumbalgegend thalergroäse, plaqueartig vor¬ 
stehende exulcerirte Knoten mit steilen Rändern, blassbraun, eine dünne 
seröse Flüssigkeit absondernd bei zufälligen Verletzungen stark blutend. 
Die umgebende Haut geschwellt, livid. Ein über faustgrosser, von dunkel 
gerötheter, gespannter Haut bedeckter Knoten findet sich rechts zwischen 
Rippenbogen und Darmbeinkamm, ein weiterer faustgrosser Knoten 
subcutan in der Scapulargegend. Ein Convolut von zahlreichen Knoten 
links am Rande des M. pectoralis major bis in die Achselhöhle reichend, 
ein kleineres oberhalb der linken Kniescheibe. Das Hautcolorit blass, gelblich, 
auch die Schleimhäute blass, jedoch frei von Geschwulstbildungen, ab¬ 
gesehen von einem haselnussgrossen derben Knoten unter der Oberlippen- 
8ckleimhaut. 


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Verhandlungen 


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Die Erkrankung soll vor Jahresfrist mit dem grossen Knoten an 
der Lende begonnen haben. Seitens der inneren Organe nielis Abnormes, 
ausser Appetitlosigkeit, keine subjektiven Erscheinungen, im Harne weder 
Zucker, noch Eiweiss. Leber den histologischen Befund und die genaue 
Blut Untersuchung wird später berichtet werden. Es besteht leichte, vor¬ 
wiegend polynucleäre Leukoevtose, kein sichtliches Leberwiegen der 
acidophilen Elemente. Der Kranke erhielt jetzt einige Tage Arsmihaemol- 
pillen (Kobert-Bart eit), doch wird die Behandlung mit subcutanea 
Arseninjectionen fortgeführt werden. 

Lang demonstrirt einen Fall von beginnender Elephan¬ 
tiasis des Lntersehenkels. Die Affection begann zu Ostern 1 ROH, ohne dass 
Kothlauf oder sonst eine Affection vorausgegangen wären. Am unteren 
Bande des Pectoralis rechts erscheint die Haut geröthet und bei der 
Untersuchung- fühlt man eine derbe Platte. Auch an den untersten Theilen 
des Scrotums findet man eine cireumscripte derbe Partie. 

Kaposi hält die Affection am Unterschenkel für rccidivirendes 
Erisypel, nach welchem jedesmal Oedem zurückbleibt und nicht zur De¬ 
sorption kommt. Endlich entsteht daraus die elephantiastLche Verdickung. 
In Bezug auf die anderen Herde lässt sich nichts Bestimmtes sagen. 

Popper stellt aus der Abtheilung des Prof. Lang vor: 

1. Einen 5bjährigen Pat. mit Elephantiasis des 1. Beines. 
Die ganze Extremität ist sehr vergrössert. Die Haut ist grösstentbeils 
normal gefärbt. An der Innenseite des Oberschenkels ist durch die Haut 
ein Convolut von fingerdicken Gefässen sichtbar, einzelne sind als derbe 
Stränge durchzutasten. Inguinal- und Gruraldriisen stark geschwollen. Die 
Haut fühlt sich derb, trocken an. Muskeln und subcutanes Gewebe lassen 
sich nicht isoliren. Am Unterschenkel in der Knöchelgegend beiderseits 
Ulcera, das an der Ausscnseito handtellergross, unregelmässig begrenzt 
mit zahlreichen Ilautinseln. Ueberdies in der Knochelgegend ein Wall 
von warzenähnlichen, theilweise macerirten Wuelierungen. Der Knochen 
der Tibia verdickt, aber glatt. Der Fuss ist polsterartig aufgetrieben. 
Die grosse und kleine Zehe scheinen intaet zu sein. 

2. Einen Fall von atonischem Geschwür geheilt durch 
Transplantation nach Thier sch. Die Pat. wurde mit einem vier- 
kreuzerstiiekgrossen Geschwür vor den Hymenairesten, welches sieh auf 
die Vaginalwand fortsetzte, aufgeiiommen. Trotz mehrwöcheutlieber to¬ 
pischer Behandlung zeigte das Geschwür keine Heilungstendenz, auch 
Auskratzen, Excision führten nicht zur Heilung. Es wurde daher nach 
vorherigem Abkratzen mit T h i ers cIrschen Lappen gedeckt, die Lappen 
heilten an, so dass das Geschwür bis auf eine linsengrosse, granulireiule 
Stelle überbautet ist. 

Lang bemerkt hiezu, dass er am Tage nach der Transplantation 
meinte, sie sei missglückt, da sich das Geschwür belegt zeigte. Nach 
einigen Tagen fand man jedoch, dass das Epithel haften geblieben sei. 
Doch unterscheidet sieh die Stelle auch jetzt von der rosig gefärbten 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


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Umgebung durch eine mehr weissliche Färbung uud gibt so die Abstam¬ 
mung von der Epidermis zu erkennen. 

Wilhelm fragt, ob nicht auch Transplantation von Schleimhaut 
versucht werden könnte. 

Neumann bemerkt, dass Transplantation von Schleimhaut mit 
Erfolg bereits von Wölfler ausgeführt wurde. 

Kaposi demonstrirt einen Fall von besonders gestaltetem papu¬ 
lösen Erythem. Es sind scheibenförmige, scharf begrenzte Flecken, 
lebhaft injicirt wie bei einem acuten Exanthem, und zeigen eine ganz 
geringe Infiltration, viele tragen in der Mitte ein Knötchen und werden 
so einem Erythema annulare ähnlich. Einen ähnlichen Fall hat K. vor 
einigen Tagen bei einer Frau gesehen, bei ihr waren EfTlorescenzen über¬ 
dies an den Handrücken. 


Verhandlungen der Berliner dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung vom 5. Januar 1897. 

Vorsitzender: Lassar. Schriftführer: Joseph. 

I. Gebert stellt bei einer 31jährigen Patientin einen Fall- von 
Alopecia areata vor, welche seit ungefähr 10 Wochen besteht. Das 
Leiden hat unmittelbar nach einer sehr starken seelischen Erregung, 
welche durch den Tod ihres Vaters verursacht wurde, angefangen. Seitdem 
ist die Pat. nervös und leidet an hochgradiger Schlaflosigkeit. Vor 9 Jahren 
hat die Pat. bereits die gleiche Affection im Anschluss an den Tod eines 
ihrer Kinder gehabt. Der Zusammenhang der Erkrankung mit den psy¬ 
chischen Erregungen scheint in diesem Falle ausser Zweifel zu sein. 

II. Heller: Reinfection oderReinduration? Die Forde¬ 
rungen, die man an einen Fall von Reinfection stellen muss, sind fol¬ 
gende: 1. Die Beobachtung der ersten Syphilis durch einen einwands- 
freien Fachmann. 2. Beim Beginn der zweiten syphilitischen Infection 
muss die erste völlig abgelaufen sein und 3. der Primäraftect der zweiten 
Syphilis muss auch von secundären Erscheinungen gefolgt sein. Bei der 
Anwendung dieses Massstabes scheidet eine grosse Anzahl von Reinfec- 
tionsfällen, die in der Literatur bekannt sind, aus. Zur Illustration 
stellt H. einen 33jährigen Patienten vor, der vor 10 Jahren syphilitisch 
inficirt war. Im Jahre 1886 heiratete er und nach 7 Monaten gebar seine 
Frau angeblich ein todtfaules Kind. Drei andere Kinder leben und sind 
mehr oder weniger rachitisch. 1894 hatte Pat. ein Recidiv und Septem¬ 
ber 1996 beobachtete H. den Pat. mit Plaques am rechten Zungenrand. 


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Verhandlungen 


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Dieselben schwanden nach einer subcutaneu Sublimatbehandlung. Nach 
Heilung derselben stellte sich Pat. Mitte November wieder vor und zeigte 
genau an der Stelle des früheren Schankers eine knorpelharte Induration. 
Die Aehnlichkeit mit einem Frimäraffect wurde dadurch noch grösser, 
dass sich auf der Sclerose zwei kleine Ulcerationen entwickelten, indessen 
Drüsenschwelluugen traten nicht auf. Erst Darreichung von Jodkali be¬ 
wirkte eine Verkleinerung der Sclerose. Die fragliche Verhärtung muss 
in diesem Falle als Reinduration aufgefasst werden. Indessen, hatte der 
Kranke die Plaques an der Zunge noch gehabt, so würde man sicherlich 
geneigt gewesen sein, den Fall als Reinfeotion aufzufassen. 

Rosenthal glaubt, dass selbst, wenn die Plaques an der Zunge 
noch vorhanden gewesen wären, man bei dem Fehlen von Drüsonschwel- 
lungen und sonstigen Erscheinungen auf der Haut, doch nicht den Fall 
anders als Induration hätte deuten können, besonders da das Auftreten 
des Primäraflectes gleichzeitig mit Plaques im Munde nicht gewöhnlich ist. 

Köbner spricht sich entschieden gegen die Annahme einer Reindu¬ 
ration aus und hält die Affection für ein zerfallenes Gummi. 

Lassen glaubt, dass, falls die vorausgegangene erste Infection 
unvollkommen immumsirt, die zweite Ansteckung nur local verlaufen 
könnte, so vielleicht auch in dem vorgestellten Falle. 

III. Gumpertz stellt zwei Fälle von syphilitischer spasti¬ 
scher Spinalparalyse vor. Der erste Fall ist bereits von G. im Juni 
vorigen Jahres in der Gesellschaft demonstrirt worden. Der Gang ist in¬ 
zwischen ataktisch geworden, die Kniereflexe sind noch gesteigert, Sensi¬ 
bilitätsstörungen bestehen nicht und die Atrophie des N. opticus ist noch 
vorhanden. Der 2. Fall betrifft einen bSjährigen Mann, der sich vor 
9 Jahren syphilitisch inticirt hat. Derselbe zeigt einen hervorragend 
spastisch paretischen Gang, gest eigerte Knicphänomene, keinen Dorsal- 
clonus. Es bestellt bei passiven Bewegungen keine Rigidität der Beine, 
ein Phänomen, das von Erb als charakteristisch für die syphilitische 
Spinallähmung hingestellt worden ist. Der Augenspiegelbefund ergibt 
eine blasse Papille mit stark verengten Gelassen, Rothgrüu-Blindheit und 
Einengung des Gesichtsfeldes, Pupillenstarre ist nicht vorhanden. Dieser 
Fall ist noch dadurch interessant, dass die Frau des Pat. seit 7 Jahren 
in Folge von spinaler Opticusatrophie vollständig erblindet ist und an 
Tabes leidet. 

Gemeinsam beiden Fällen ist der Umstand, dass ihre syphilitische 
Affection keine oder nur ungenügende Behandlung gefunden hat. Die 
Prognose ist in beiden Fällen eine erträgliche. 

Oes trei eher glaubt, dass der Ansicht, dass die Schwere der 
Erscheinungen sich in den vorgestellten Fällen aus der unzureichenden 
Behandlung erkläre, bedingt zuzustimmen sei. Er selbst *ah vor 2 Jahren 
einen Fall von Syphilis mit schweren Erscheinungen von seiten de» 
Centralnervensystems, der im obigen Sinne zu verwert hon ist. 


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der Berliner dermatologischen Vereinigung. 


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Indessen die Erfahrung lehrt leider, dass trotz der sorgfältigsten 
Behandlung sich später die schwerston syphilitischen Symptome zeigen 
können. CJnd wenn statistisch feststeht, dass bei progressiver Paralyse 
75% nach Strümpell und bei Tabes noch ein grösserer Procentsatz 
auf eine syphilitische Vergangenheit zurückblickt, so wird man nicht allzu 
weit gehende Hoffnungen bezüglich der Dauerhaftigkeit unserer modernen 
Hg-Cur hegen dürfen. 

Köbner ist nicht der Ansicht, dass alle spinalen Atrophien des 
N. opticus syphilitischen Ursprungs sind. 

Mackiewicz fragt, ob man bei dem ersten Kranken beständig 
eine Reflexsteigerung beobachtet hat. 

Gumpertz erwidert, dass, wo andere Ursachen für eine Sehnerveu- 
atrophie nicht vorliegeu, der Verdacht auf Lues sehr nahe liegt. Reflex- 
Steigerung ist in dem ersten Falle stets vorhanden gewesen. Was die 
mangelhafte Behandlung betrifft, so hat G. nur die Ansicht Erb’s aus¬ 
sprechen wollen. Bei Tabes und Paralyse liegen aber die Verhältnisse 
insofern anders, als sie nicht Affectionen einer directen Nervensyphi- 
lis sind. 

IV. Blaschko stellt einen 16jährigen jungen Mann vor, welcher 
auf dem Hinterkopf mehrere 2 markstückgrosse, kreisrunde, ziemlich 
kahle Stellen zeigt. Die Haut ist auf denselben nicht geröthet, jedoch 
mit Schuppen bedeckt. Die Haare folgen dem Zuge sehr leicht und zeigen 
eine grauweisse, eingetrocknete Wurzelscheide als Hülle. Auch in der 
Umgebung der Flecke schuppt die Haut, jedoch sitzen die Haare dort 
fest. Auf der Stirn des Pat. besteht die gleiche Aflection, welche zu einem 
Verlust eines grossen Theils der Augenbrauen geführt bat. Im Laufe der 
letzten Jahre sind ähnliche Fälle von französischen Autoren beschrieben 
worden, so namentlich von Quinquaud als Folliculitis spilans s. destructiva, 
von Lailler als Acne decalvans und von Besnier als Alopecie eicatri- 
sante innominee. Doch in allen diesen Fällen war Narbenbildung vor¬ 
handen, was bei seinem Pat. bisher vollständig fehlt. Es ist augenscheinlich, 
dass es eine ganze Reihe von ätiologisch miteinander vielleicht gar nicht 
verwandter Affectionen gibt, die zur Alopecie führen. Zu erwähnen ist 
noch, dass die Untersuchung der ausgefallenen und ausgezogenen Haare 
nicht das typische Bild von Atrophie geben, wie es Sabouraud in seiner 
Arbeit über Alopecie eingehend beschrieben hat. Blaschko ist geneigt, 
den Fall als Eczema seborrhoicum aufzufassen. 

Köbner glaubt, dass der Fall einer Area celsi nicht ähnlich ist, 
sondern durch die Fortsetzung des entzündlich desquamativen Processes 
in die Haarbälge bedingt sei. Die weit überwiegende Zahl der bei uns 
vorkommenden Fälle von Alopecia areata ist truphisclien oder neurotischen 
Ursprungs. 

V. Blaschko stellt ein 10jährige9 Mädchen vor, welches seit 
ihrem 13. Lebensjahr an einer schweren Urticaria leidet. Dieselbe 
charakterisirt sich dadurch, dass die Quaddeln nach kurzem Bestand hämo r- 
rhagisch werden. Inden nächsten Tagen stellen sich natürlich die iibli- 


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eben Farbenveränderungen der cutanen Blutungen ein. Diese Erscheinung 
hat dahin geführt, dass der Fall als Urticaria pigmentosa aufgefasst 
worden ist. Indessen mit dieser typischen Form hat der vorgestellte Fall 
keinerlei Verwandtschaft, hauptsächlich sind bei seiner Pat. die Streck¬ 
seiten der Extremitäten befallen, während der Rumpf fast vollständig 
freigebliebenist; das Gesicht ist bei jeder Attaque wenn auch nur massig, 
ergriffen. Die symmetrische Vertheilung der Eruptionen nähert den Fall 
den exsudativen Erythemen. Und auch sonst finden sich noch einige 
Momente, welche für eine Verwandtschaft mit dieser Krankheitsgruppe 
sprechen. So sind mehrfach im Laufe der Zeit rheumatische Erkrankun¬ 
gen verschiedener Gelenke au (getreten. Ausserdem ist der Fall auch von 
schweren Complicationen nicht, verschont geblieben. Vor 1 Jahre zeigte 
sich eine Keratitis parenchymatosa, die bald von Blutungen gefolgt war. 
Dieselbe trat zu einer gleichzeitig bestehenden Retinitis haemorrhagiea, 
bei welcher um die Opticuspapille ein seröses Exsudat mit partiellen 
Hämorrhagien bestand, hinzu. Nach mehrmonatlicher Dauer trat voll¬ 
ständige Heilung ein. Ob diese Augenatlection nicht auf hereditärer Lues 
beruht, ist nicht zu entscheiden. Die anamnestischen Daten geben für 
diese Diagnose nur wenig Anhaltspunkte. 

Heller hatte Gelegenheit, die Pat. in der Charite zu sehen, und 
damals bot die Affection das typische Bild einer Urticaria haemorrhagiea. 

O. Ros ent hal. 


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Venerische Krankheiten. 

(Eedigirt von Prof. Neisser und Primararzt Jadassohn in Breslau.) 


Gonorrhoe und deren Complicationen. 

Blokusewski. Zur Verhütung der gonorrhoischen In- 
fection beim Manne. Derraatolog. Zeitschr. Bd. II., 1895. 

Zur Verhütung der Tripperinfection beim Manne empfiehlt Blo¬ 
kusewski Einträufeln von 2—3 Tropfen einer 2°/ 0 Arg. nitr.-Lösung in 
die Fossa navicul. möglichst bald, bis ungefähr l / 4 Stunden nach dem Coitus, 
nachdem zuvor durch Uriniren das in der Fossa navicul. vorhandene 
Secret entfernt wurde. Durch zeitweiliges Zuhalteu der Urethralmündung 
mit dem aufliegenden Finger kann die Ausspülung des Secretes durch 
den Harnstrahl unterstützt werden. Nach '/ 4 4 wird die Lösung mit 
Wasser abgespült. Ist längere Zeit nach dem Coitus verflossen, so ist, 
eine längere Einwirkung der Lösung (*/ 2 4 ) notlnvendig. Ebenso empfiehlt 
es sich durch Vertheilen des über der Fossa navicul. stehenden Tropfens 
die Frenulurogegeud zu reinigen. Zur entsprechenden Ausführung dieser 
Methode hat B. ein portatives Troplglas anfertigen lassen. 

Ludwig Wae 1 sch (Prag). 

Lyon. Comraent doit-on traitcr la bl ennorrhagie aigue 
c\iez l’homme? Le Mercredi medical, Nr. 20. 2b. Juni 1 >95. 

Lyon empfiehlt vor Allem die Janet’sche Behandlung und 
zwar soll immer die Abortivcur der Gonorrhoe versucht werden. Man 
leitet dieselbe ein durch Auswaschen der ganzen Urethra mit einer 
Lösung von Kal. hypermang. 10: 100*0, 2mal täglich, dann folgen nach 
4 Tagen Spülungen mit einer 2—4° 0 Lösung. Guiard bevorzugt noch 
schwächere Lösungen 1 : 5000 bis 1*0 : 4000. Die Menge der Flüssigkeit soll 
V 2 L. betragen. L. hebt hervor, wie wichtig für den Verlauf einer Gonor¬ 
rhoe die Gonococcen-Untersuchung ist; dann gibt er die bekannten 
diätetischen und hygienischen Massnahmen bei der Gonorrhoe-Behandlung 
an. Wenn die Abortivcur misslingt, soll man die J anet’schen Ausspülungen 
nach 10—14 Tagen beginnen. Je nachdem man bloss die Urethra anterior 
oder die Urethra in toto ausspülen will, hängt man den Irrigator 0*75 Cm. 
oder 2 M. hoch auf. Eine Ausspülung täglich genügt, man braucht etwa 
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 9 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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8—15 Ausspülungen. Besteht dann noch Secretion ohne Vorhandensein 
von Gonocoecen, so wendet Verf. eine Lösung von 1:20000 an, welche 
nach 2—3 Tagen den Ausfluss beseitigt. Nur in Fällen, in denen der Kranke 
die Ausspülungen der Urethra nicht an wenden kann, lässt L. Einspritzungen 
mit der gewöhnlichen Tripperspritze machen und empfiehlt dazu eben¬ 
falls Kal. permang. 2*5: 100*0. Contraindicirt sind Auswaschungen und 
Einspritzungen : 1. Bei Epididymitis und Prostatitis. 2. Bei Infiltrat ions- 
herdeli längs der Urethra. 3. Bei Stricturen. Als unterstützende Mittel 
empfiehlt L. noch die Balsamica im Stadium der Abnahme der Gonorrhoe. 

Julius Raff (Stuttgart). 

Lyonais. Traitement methodique de la blennorr liagi e. 
La Medec. mod. 20. Jänner 1800. 

Die methodische Behandlung der Gonorrhoe theilt Lyonais 
in 3 Abschnitte: 1. Die hygienische Behandlung: Vermeidung reizender 
Speisen und Getränke, sowie mechanischer Irritationen. 2. Die antiphlo¬ 
gistische Behandlung: Trinken von grossen Quantitäten Limonade mit 
oder ohne Zusatz von salicylsaurem und doppelkohlensaurem Natron, 
Vollbäder, im Nothfalle Blutegel ans Perineum, Opium- und Antipyrin- 
klvstiere. 3. Die unterdrückende Behandlung (NB erst nach völligem Ab¬ 
klingen der entzündlichen Erscheinungen anzuwenden): Per os: Copaiva r 
Sandelöl, besser Cubeben; erst zum Schluss, wenn der Ausfluss schon fast 
ganz verschwunden, sind adstringirende und desinficirende Inject ionen 
in die Urethra angezeigt. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Petrini de Galatz. Le traitement de la b 1 e nn o r r h ag i e 
Presse med. roumaine. 7. Juli 1805. lief. La Medecine moderne 0. Jahrg. 
Nr. 74. 15. September 1805. 

Petrini hält viel von der Fournier’sehen Gonorrhoebehandliing : 
Buhe, Alkalien, Bäder, Balsamica etc. Von Abortiveuren verspricht er 
sich keinen Nutzen. Mit Injectionen sollte erst nach 4 Wochen begonnen 
werden. Bei der Urethritis anterior spritzen die Patienten selbst, in 
acuten Fällen am besten mit. Ichthyol, welches bessere Resultate gibt als 
Sublimat oder Argentum nitricum. Bei alten Posterioren Instillationen 
nach Guyon, bei frischen Behandlung nach Casper. 

1 'au 1 O p p 1 o r »Bres 1 au). 

Allen, G. W. Behandlung der acuten Urethritis. Boston 
Journal. 28. Mai 1801. Ref. D. Medic.-Ztg. 1803, p. 28. 

Allen tritt für sofortige Behandlung der acuten Urethritis mit 
antiseptischen, nicht mit adstringirenden Mitteln ein, die er mit interner 
Darreichung von Copaiva oder dem noch wirksameren Sandelholzöl com- 
binirt. Die besten Erfolge seien durch 2 — 3mal täglich ausgeführte Irri¬ 
gationen mit Sublimat (1:10000 bis 1:40000) zu erzielen. Eine Cou- 
pirung der Gonorrhoe könne man nur in ganz frischen Fällen erwarten 
wenn der Put. schon einige Stunden nach der Infection in Behandlung 
komme. M ü n c h h e i m e r. 

Strauss. Der heizbare Irrigator mit selbstthätiger 
Temperaturregulirung in Verbindung mit einer neuen Bügelhahn- 


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der Syphilis. 


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canüle zur Behandlung de9 Trippers mittelst Ausspülungen mit Kalium 
hypermang. Allgem. Medicin. Central-Zeitung 64. Jahrg. Nr. 59, 1895. S.-A. 

Die Veröffentlichung von Strauss schildert den im Titel charak- 
terisirten Apparat des Näheren. Er ist von G. Beuthel jun. (Barmen, 
Wupperstrasse) zu beziehen und kostet 10 M. Strauss empfiehlt 
das Janet’sche Verfahren warm. Er macht täglich eine Irrigitation 
von ca. 300 Ccm. und verwendet hierzu eine Lösung hvpermangaii- 
sauren Kalis von 1:5000, welche, solange Gonococcen nachzuweisen 
sind, auf 30—35° ß. erwärmt wird. Je geringer die Reactiun ist, desto 
schneller steigt er mit der Concentration (bis 1 : 1000). Tritt starker 
Harndrang ein, so muss die Concentration herabgesetzt werden. St. hat 
überraschend gute Resultate von dieser Behaudlungsweise gesehen; täg¬ 
liche Untersuchung des Secretes auf Gonococcen ist erforderlich. Sind die 
Gonococcen definitiv verschwunden, so kann man zur Beseitigung des meist 
zurückbleibenden schleimigen Secretes noch einige Zeit Irrigationen von 
1% lauwarmen Lösungen von Alaun, Zinc. sulfur. oder suifocarbolic. 
u. s. w. vornehmen. Contraindicirt ist die Methode bei folliculären und 
cavernösen Infiltraten und Abscessen, acuter Cowperitis, Prostatitis, Epi- 
didymitis und Cystitis. Paul Oppler (Breslau). 

Guitäras. Report of Ten Cases of Anterior Urethritis, 
Treated in the Wards of the City Hospital by the Author’s 
Method. The Therapeutic Gazette. 15. Nov. 1895. 

Nachdem Guiteras gute Erfahrungen bei der Augen bien - 
norrhoe mit seiner Behandlung gemacht hatte, wandte er sie auch bei 
der Gonorrhoe der Urethra an. Nach Auswaschen der Harnröhre mit 
irgend einer indifferenten Lösung macht er eine Arg. nitric.-Injection (ca. 

1:5000) und spült dann wieder mit 4°/ 0 Borsäure nach. Dieser Vorgang 
wird täglich wiederholt unter steter Steigerung der Concentration der 
Silberlösung. Geeignet sind nur Fälle, die zum ersten Male inficirt sind, 
da bei den anderen Stricturen (I) den Erfolg verhindern. Der Erfolg ist 
ein angeblich überraschender, da die Fälle meist abortiv heilen. Berichte 
simd beigefügt über 10 Kranke, von denen 60% (•') in einer Woche 
geheilt wurden. Max Pinner (Breslau). 

Routier. Traitementdelablennorrhagie. Journal de Mede- 
cine de Paris. Ref. Journal d’accouchements. 15. September 1895, Nr. 37. 

Routier behandelt die Gonorrhoe mit baktericiden Mitteln und 
zwar mit Kali hypermanganicum. Er wartet, bis die entzündlichen Er¬ 
scheinungen vorüber sind und der Process subacut geworden ist. Dann 
wird sofort Urethra anterior und posterior behandelt mit langdauernden 
Spülungeu einer lauwarmen Lösung von Kali hyp. 1 : 2000. Jedesmal 
2—4 Liter. Gewöhnlich tritt die Heilung nach 7 oder 8 Spülungen ein. 
Bei Complicationen wird deren Heilung abgewartet. Um die Heilung 
iestzustellen, wird eine „epreuve des bocks“ (Janet) vorgenommen, 
da R. im Biergenusse das beste provoeatorisehe Mittel erblickt, eventuell 
auch eine Injection von Argentum nitricum (Concentration V) dem 
gonococcentödtende Eigenschaften abgesprochen werden. Die Einfach- 

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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

heit der Methode und die Möglichkeit, die Ausführung derselben ganz 
in die Hände der Patienten zu legen, werden hervorgehoben. 

Paul Oppler (Breslau) 

Jaison, Pb. Alkalische Injeetionen bei der Gonorrhoe- 
Behandlung. Sem. med. 1805, Nr. 48, Vol. CXC. 

Jaison hat auf Grund der Erfahrung, dass Gonococcen auf saurem 
Nährboden besser wachsen, antiseptische Injeetionen mit Alkalien verbunden 
und dabei gute Erfolge erzielt. Er empfiehlt besonders eine Sublimat¬ 
lösung (1 : lOOfMTt, welche <’>% Liquor Kal. caustic. (5*81 °/ 0 ) enthält. 

Dagctt, B. H. Flooding the Urinary Tract. Buffalo Medical 
Journ. Bd. XXXV, Nr. 3. 

Daggett bespricht die Methoden zur Ausspülung der Blase 
ohne Catheter insbesondere die von Feleki und Jan et angegebenen; 
er hält keine derselben für empfehlenswert]!, weil sie einerseits namentlich 
bei jüngeren Individuen nicht immer zum Ziele führen, andrerseits bei 
bestehender Cystitis die Entzündung steigern. Er empfiehlt daher eine 
ähnliche Methode, bei welcher der Irrigator nur einen Fuss über dem 
Becken sich befindet ; die injicirte Flüssigkeit soll eine Temperatur von 
110 bis 112° F. haben; der Patient muss sich iu halber Rückenlage 
mit angezugenen Beinen befinden, weil dann die Becken muskulatur und 
der Sphineter urethrae am besten entspannt sind. I). glaubt, dass unter 
diesen Bedingungen der Eintritt der Flüssigkeit in die Blase durch active 
Thätigkeit der Harnröhrenmuskcln unterstützt wird. Zum Beweise dafür, 
dass ein nennenswerther Flüssigkeitsdruck bei dieser Methode nicht noth- 
wendig ist, wird u. A. ein Fall angeführt, bei welchem die Blasen¬ 
ausspülung trotz einer nach Urethrotomia externa zurückgebliebenen 
llarnröhrentistel gelang. Die Ausspülung der Blase soll so oft wiederholt 
werden, bis die ablaufende Flüssigkeit klar ist; auch der Kranke selbst 
kann die Procedur leicht erlernen und allein an sich vornehmen. 1>. 
empfiehlt seine Methode besonders bei Cystitis und Urethritis mit Epi- 
didymitis und anderen Coinplicationen. Es werden mehrere Kranken¬ 
geschichten von derartigen Fällen mitgetlieilt, bei denen mit Hilfe der 
neuen Methode rasche Heilung erzielt wurde, nachdem die sonstigen 
therapeutischen Eingriffe im Stiche gelassen hatten. Auch bei der Be¬ 
handlung der chronischen Prostatahypertrophie leistete die Irrigations- 
raethode sehr gute Dienste, u. A. bei einem 74jährigen Kranken mit sehr 
hochgradiger Prostatavergrösserung, der sich in der geschilderten Weise 
selbst zu behandeln lernte und so vor einem chirurgischen Eingriff’ be¬ 
wahrt werden konnte. J. Schaffer (Breslau). 

Cipriani. Inanuovacannula per 1 a i r r i g a z i o n e a d o p p i a 
corr ente de 11a ure tri te anteriore. Riv. CI. e terap. Xov. 1S05, Nr. 11. 

Cipriani beschreibt eine von ihm angegebene Camile zur 
Behandlung der Gonorrhoea anterior des Mannes. Dieselbe hat vorn 
zwei Schenkel und ist durch ein Septum getheilt. Dadurch entstehen 
2 Kammern, eine obere und eine untere, welche mit den betreffenden Schenkeln 
comramiiciren. Jede Kammer enthält 5 kleine Löcher. Die Vortheile des 


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der Syphilis. 


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Instrumentes sind nach Verf. folgende: 1. Die Canüle ist sehr leicht zu 
handhaben. 2. Man kann in 5 Minuten etwa 2 L. Flüssigkeit durch die 
Urethra spülen. 3. Man kann, ohne dass eine Störung in der Function 
der Canüle eintritt, so tief in die Urethra eingehen, als nöthig ist. 
C. machte bei 34 Kranken 3mal täglich eine Ausspülung und sah nach 
3 Wochen Heilung eintreten. Eine Urethritis posterior oder eine andere 
Complication sah er niemals. Mit der Behandlung wurde erst nach Auf¬ 
hören der acuten Erscheinungen begonnen. Als Spülflüssigkeit diente 
Kali permang. 0’5—1 : 1000*0, Arg. nitr. 0*1 : 100*0, Zinc. sulfur. 
0*5: 1*0:100*0. Julius Raff (Breslau). 

Albertazzi. La cura specifica della blenorragia con 
Targentammina. Gazetta degli ospedali a delle cliniche 1S95, 16. Juli. 

Albertazzi stellt folgende Thesen über seine bisherigen Er¬ 
fahrungen über die Wirkung des Argentarain bei Gonorrhoe auf: Die 
Argentaminlösungen dringen tief in das Gewebe, ohne es zu verletzen. 
Eine Argentaminlösung 1 : 4000 vernichtet eme Reincultur von Gonococcen 
leichter als eine Arg. nitr.-Lösung von 1 : 4000 oder eine Sublimatlösung 
1:10000. Einspritzungen in die Urethra von Argentaminlösungen bis 1: 1ÜUÖ 
werden sehr gut vertragen; das Secret wird nach den ersten Injectionen 
etwas stärker, nimmt aber dann rapide ab. Argentamin-Injectionen sind 
fast in jeder Periode der Gonorrhoe angebracht. Die Heilungsdauer 
schwankt von 6—15 Tagen. Otto Lasch (Breslau). 

CailOYa. De rieht hyol da ns le traitement de la 
B1 ennorrhagie. These de Paris 1805. 

Canova hat unter Balze Fs Leitung Gonorrhoen mit lang- 
dauernden Ichthyolausspülungen behandelt, auf Grund der Vorzüge, 
welche den Ichthyolinjectionen nachgerühmt werden. (Dass Jadassohn 
seinerzeit das Ichthyol für ein „ideales“ Antigonorrhoicum erklärt haben 
soll, ist ein Irrthum C.’s. Ref.) C. verwendet Anfangs wenigstens immer 
eine 1°/ Q Lösung und spült einmal täglich mit ungefähr einem Liter 
von 30—35°. Nach einigen Tagen werden abwechselnd 1% und 2% Lösungen 
gespült. Wirkung soll schnell eintreten: Aufhören der Mictionsbesehwerden, 
Verminderung der Erectionen, Secretbeschränkung, ausgiebige Epithelab- 
stossung.Keine Schmerzen, ausser in einem Falle bei einem Neurastheniker; 
jedoch Blasenreizung bei öfterer Wiederholung der Ausspülungen der po¬ 
sterior. Behandelt wurden 

14 acute \ 8 Erfolge, 5 Misserfolge, 1 nicht beob. 

3 subac. \ Gonorrhoen, darunter 2 „ 

9 chron. 1 6 „ 2 „ 1 fraglich. 

Das Auf hören des Ausflusses und Verschwinden der Gonococcen 

fielen zeitlich beinahe stets zusammen, bei den acuten Fällen im Durch¬ 
schnitt nach 10, bei den subacuten nach 7, bei den chronischen nach ca. 
7 Tagen. Paul O ppler (Breslau). 

Orlow. Ueber die Behandlung der Gonorrhoe der 
Urethra mit Formaldehyd. Woenno-medicinskij Journal 1895. Mai. 
Ref. Jeszenie-djelnik 1895, Nr. 34, p. 496. Russisch. 


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Bericht über die Leistlingen auf dem Gebiete 


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Orlow kommt auf Grund von 10 von ihm beobachteten Fällen zu 
dem Schlüsse dass das Formaldehyd in 1—5% Lösungen günstig auf die 
Gonorrhoe einwirkt. Unter dem Einfluss der Einspritzungen (schwache Lö¬ 
sungen 3—lraal des Tages, starke nur Imal) sollen dieGonococcen aus demSe- 
crete schnell verschwinden und das Secret selbst schnell aus dem eitrigen 
in den serösen Zustand übergehen. Dabei soll das Formalin, in schwachen 
Losungen, keine reizende Wirkung ausüben. A. Grünfeld (Rostow). 

Constantini B. Blenorragia curata col dermatolo. Ref*. 
in Gazetta degli ospedali e delle eliniche 1895, Nr. 156. 

Constantini hat bei vier Fällen von Gonorrhoe Injectionen mit 
2—4% Suspensionen von Dermatol in sterilem Wasser angewandt. Die 
Injectionen wurden täglich 2mal ausgeführt. Die Schlussfolgerungen des 
Verfassers sind kurz folgende: Das Dermatol bildet für die erkrankte 
Schleimhaut ein gutes Dock- und Schutzmittel; es wirkt ad^tringirend 
und seeretionsbehindernd. Es wirkt entwicklungshemmend auf die Gonu- 
cocctn, vernichtet dieselben, ebenso auch die gewöhnlichen Eitererreger. 
Es kann die üblichen Adstringentien uud Desinticientien vollständig er¬ 
setzen und während der ganzen Dauer einer Goiiorrhoebehandlung ange¬ 
wandt werden, da eine Gewöhnung der Schleimhaut an das Medicament 
nicht eintritt. Max Dreysel (Leipzig). 

Gülltz, J. E. Die Behandlung der Gonorrhoe nach den 
neueren Methoden, insbesondere mit Zinkst ä 1) c h e n, auf der 
Grün d la g e d e r L ehre vom T r i p p e r p i 1 z. A1 lg. Wiener med. Ztg. 
1393. Deutsche Med.-Ztg. 1894, (»0 p. (>(>8. 

Giintz beliauptet, dass einzig und allein Jodoform und Calcaria 
clilorata die an ein Antigonorrhoicum zu stellenden Pos tu late erfüllen, 
nämlich, dass sie ohne zu reizen, sowohl in der praktisch anwend¬ 
baren Dosis die Gonococceu zu tödten, als auch in den Hauptsitz der¬ 
selben im submucösen Gewebe zu dringen vermögen; und zwar schliesst 
G. Letzteres aus ihrer „Eigenschaft zu verdunsten und als gasartige Körper 
von den Flüssigkeiten überhaupt und somit auch, wie ausserdem experi¬ 
mentell nachgewiesen ist, von den Flüssigkeiten der Gewebe resorbirt zu 
werden“. Jodoform ist in dicktlüssiger Suspension in Wasser mit einer 
Art Salbenspritze, Ualear. chlor, in V,—2% Lösung zu injiciren. Chron. 
Gonorrhoe behandelt G. mit Zinkstähchen, die durch Anrühren von prä- 
cipitirtem Zinkoxyd mit Wasser bereitet sind und durch ihre austrock¬ 
nende Wirkung die Gonococcen ebenso vernichten, wie die Malariapilze 
in einem Sumpfe durch dessen Austrocknung vertrocknet und vernichtet 
werden. M ü n c h h e i m e r (Colberg). 

G. L. Trait erneut de la blennorr liagi e chronique chez 
Thora me. Le Mercredi medical. 17. Juli 1895, Nr. 29. 

Im Eingänge betont L., dass an der langen Dauer vieler Gonorr¬ 
hoen die schlechte Leitung der Behandlung schuld sei; die grosse 
"Mehrzahl der Acrzt-e behandelt nach einem Schema mit Injectionen oder 
Instillationen mit Arg. nitr. oder anderen Substanzen, ohne sieh um se¬ 
kundäre Infectionen, die Ausdehnung und Tiefe des Brocesses oder um 


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der Syphilis. 


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das Bestehen von inficirten Drüsengängen, paraurethralen Hängen etc*, und 
vor Allem ohne sich darum zu kümmern, ob noch Gonococcen vorhanden 
seien oder nicht. Dabei sei der Nachweis derselben und ihre gute Färbung 
sehr leicht, doch ist es nöthig, dass zur genauen Untersuchung der Morgen¬ 
urin der Pat. verwendet werde. Der Verf. empfiehlt, ohne zunächst auf 
eine Anterior- und Posterior-Trennung einzugehen und von einer Aus¬ 
spülung der Anterior zu sprechen, man solle den Pat. einen Tlieil seines Urins 
entleeren lassen, dann auf die Harnröhre und Prostata drücken und dann den 
2. Theil uriniren lassen; finden sich in dieser 2. Portion Flocken, so sind diese 
auf Gonococcen zu untersuchen und eventuell die Prostrata resp. paraurethrale 
Herde als Aufenthaltsort von Gonococcen anzunehmen. Um des Verschwindens 
derGonococcen ganz sicher zu sein, räth der Vf. entweder mehrere Gläser Bier 
trinken oder Injectionen mit Arg. nitr. Solut ’/ 2000 oder Sublimat-Injec- 
tionen y 200 oo in die Urethra vornehmen zu lassen, welch letztere zugleich 
den Zweck hätten, andere Mikroben, die ausser dem Gonococcus in der Urethra 
anter. vegetiren könnten, zu vernichten und die event. noch vorhandenen 
Gonococcen isolirt darzustellen. Der Verf. verbreitet sich dann übersecundäre 
Infection mit anderen Mikroben der Luft oder der weibl. Vagina, da für 
die Ansiedlung solcher die Blennorrhoe eine erhöhte Disposition zu schäften 
scheint; um von einer durch andere Mikroben verursachten secundären 
Infection reden zu können, müssen sich dieselben in ziemlich grosser 
Anzahl zeigen. Der Lieblingssitz dieser gonorrhoischen Secundär-Infection 
ist die Fossa navicularis; in diesem Falle findet man die Mikroben 
wohl im Secret, nicht aber in den Filamenten des Urins. Sind die¬ 
selben in den Fäden der I. Portion, so ist die Anterior durchweg 
inficirt, sind sie in den Fäden beider Portionen, so hat sich die Iu- 
fection über die Urethra in ihrer ganzen Ausdehnung verbreitet; auch 
<iie Blase kann iuficirt sein, was durch eine leichte Urintrübung, die 
sich weder auf Salpetersäure, noch Wärme aufhellt, oder durch das Auf¬ 
finden einer beträchtlicheren Anzahl von freien oder in Leukocvten einge¬ 
schlossenen Mikroben im Sediment des Urins zu constatiren ist. Pvelo- 
nephritiden, die auch Vorkommen können, geben immer eine zweifelhafte 
Prognose. Ebenso muss man an die Tiefe der Schleimhaut, Drüsen, Pro¬ 
stata, Samenbläschen denken, um sich die Erfolglosigkeit der Therapie 
zu erklären. Mit Hilfe eines Bougie ä boule oder Benique’scher Sonden 
kann man die Unterschiede der Elasticität und des Calibers der Urethra 
in den verschiedenen Theilen feststellen. Der Druck mit dem Finger 
verschafft das Secret der Urethraldrüsen und der Prostata und lässt die 
Tiefenatisdehnung des Processes in dieser Hinsicht erkennen. Auch die 
Endoskopie kann behufs Feststellung des Vorhandenseins von Polypen, 
Fissuren, Drüsenabscessen etc. nothwendig werden. 

Dann erwähnt der Verf. kurz diejenigen Fälle, in denen zwar eine 
und zwar oft eine sehr hartnäckige Secretion vorhanden ist, aber nicht 
niehr Mikroorganismen nachweisbar sind; dieses Secret rührt von den 
Secretionsproducten dilatirter Urethraldrüsen her. Nach diesen Erörte¬ 
rungen, durch welche der Verf. beweisen will, dass die Indieationen und 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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damit die Methoden der Behandlungen sehr verschiedene sind, kommt er 
zur eigentlichen Therapie, die 3 verschiedene Ziele hat. I. Das nacLf dem 
Yerf. am leichtesten zu erreichende ist die Entfernung der Gono- 
coccen. Kr empfiehlt täglich 1 Ausspülung der Urethra mit 1000 Gr. 
Solut. Kal. permang. ( 7 1000 , am 2. Tage 7, c00 , nach 7 Tagen so 

dass die eine Hälfte zur Ausspülung der Urethra anter., die andere zur Blasen¬ 
ausspülung verwendet wird. II. Die Bekämpfung der secundäreu Infeetion. 
Bo lange Gonococcen vorhanden sind, soll man der Kal. permang.-Lösung Viooa 
noch Sublimat zusetzen oder Solut. Arg. nitr. */ j000 oder Instillationen 
mit Arg. nitr. ’/ J00 oder Y 100 anwenden. Wenn keine Gonococcen mehr da 
sind, so genügen im Ganzen 2 Sublimatausspülungen (einmal y iö00# , dann 
Vioooo) un, l ausserdem gründliche Reinigung des Orificium urethrae mit 
Sublimatlösung (y. 2000 ) getränkter Watte. Für veraltete Fälle mit Sclero- 
sirung empfiehlt Verf. allmälige Dehnung mit Böniques nach vorheriger 
Sublimatausspülung. Otto Lasch (Breslau). 

Schalenkamp. Die Insufflation trockener Pulver. Ein 
Beitrag zur localen Behandlung des chronischen Harnröhrentrippers beim 
Manne. Monatsh. f. prakt. Denn., Bd. XX, Nr. 5. 

Schalenkamp macht für die Formen des chronischen Harn¬ 
röhrentrippers, bei denen ein spärliches, dünnflüssiges, gonococcen- 
freies Secret abgesondert wird, das bisweilen verschwindet und auf Reize 
aller Art wieder erscheint, den — übrigens nicht neuen — Vorschlag, 
eine Behandlung mittelst trockener Pulver adstringirender Mediearaente 
einzuleiten. Die Medieamente (z. B. Jodoform, Calomel, Dermatol, Tannin, 
Thioform, Bismut. subnitr., Zinkoxyd etc.) werden mittelst eines aus 
einem Jacques-Patent-Katlieter leicht zu improvisirenden Instrumentes, 
dessen nähere Beschreibung im Original nachzulesen ist, eingebiasen. 
Vor dem Einblasen des Pulvers muss der Kranke Urin lassen. Er soll 
möglichst wenig Flüssigkeiten zu sich nehmen. Die Anwendung der In- 
suftlation erfolgt mindestens dreimal am Tage und muss noch kurze Zeit 
nach dem vollständigen Verschwinden des Secretes fortgesetzt werden. 

Sternthul (Braunschweig). 

Isaae. UeberdenWerthderSalbenbehdl. bei der chron. 
Gonorrhoe. Festschrift für Lewin, 5. Nov. 1895. S. Karger-Berlin. 

Isaae versucht die Salbenbehandlung bei der Urethritis posterior 
gonorrhoica wieder zu Ansehen zu bring«» und empfiehlt, da er nur den 
Mangel einer ordentlichen Salbenspritze für den Grund der Vernach¬ 
lässigung der Salbenthcrapie hält, einen nach seinen Angaben gefertigten 
Apparat. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Philip. Le candelette e le instillazioni nella cura 
de Ile blennorragie chroniche ri belli. Lyon med. 1895. August. 
II Morgagni, 23. Noveinbre 1895, Nr. 44. 

Wenn bei einer chronischen Gonorrhoe die Instillationen nach 
14 Tagen keinen Erfolg haben, empfiehlt Phelip die Behandlung aus¬ 
zusetzen. Er unterlässt dann 2—4 Wochen jegliche Therapie, beginnt wieder 
mit Injectioneu, um endlich nach weiteren 2 Wochen eventuell zur 


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der Syphilis. 


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Behandlung mit Metallsonden überzugehen. Er hält 2 aufeinander 
folgende Sitzungen mit einem Zwischenraum von 1—8 Tagen, nach 
weiteren 24—48 Stunden macht er eine Instillation und wiederholt 
den ganzen Cyklus noch einmal. Nach diesem Modus verfahrend, hat 
er 82% Heilungen gehabt. Auch hat er 2 Fälle von chronischer 
Prostatitis bei Gonorrhoe heilen sehen. Auch bei chronischer Gonor¬ 
rhoe mit Strictur wendet Verfasser diese combinirte Behandlung an. 
Die Wirkung der Sonde sucht er nicht in einer Dehnung der 
Urethra, sondern in einer Massage derselben. P. empfiehlt nicht mit d e r 
Sonde die Behandlung zu beginnen, welche bei der ersten Sitzung die 
Strictur passirt, sondern mit einer solchen, die um 5 Nummern schwächer 
ist. Dann erst geht er allmählich zu stärkeren Sonden über. Der Verfasser 
wendet die Sonden von Benique an. Julius Kaff (Stuttgart). 

Röchet, V. De l’uretlirite chronique granuleuse et de 
son traitement par le Sulfate de c ui vre solide. Areh. prov. 
d. Ckir., Th. III, p. 440. 

Bei Fällen chronischer Urethritis mit klarem Secret und kleinen 
isolirten Granulationsherden benutzt Röchet Kupfersulfat in Substanz 
(%—%) mit grösserem Vortheil als Argentum nitricum. Stricturen müssen 
vorher geheilt sein; durch die mittels eines neuen Aetzmittelträgers appli- 
cirten Aetzungen sollen solche nicht zu Stande kommen. J. 

Akazatow, N. Behandlung der chronischen U r e t h r i t i s 
bei Männeru. Woenno-Medizinskii Journal 1894, März. (lief. Jeszenie- 
djelnik 1895, Nr. 23). Russisch. 

Auf Grund von 31 beobachteten Fällen empfiehlt Akazatow 
die Behandlung des chronischen Trippers mit den schweren Bougies von 
Benique. Die Behandlung soll kurze Zeit nach Ablauf der acuten Symptome 
eingeleitet werden. A. Grünfeld (Rostow). 

Ehrmann, S. Ueber Behandlung paraurethraler Hohl¬ 
gänge und Urethralpapillome. Wiener med. Presse 1895, Nr. 8. 

Ehr mann gibt nach einer kurzen Besprechung der Wichtig¬ 
keit des Bestehens gonorrhoisch inficirter paraurethraler Gänge für den 
Träger, der dadurch stets Autoinfectionen in der Urethra ausgesetzt ist, 
(eine ja oft genug hervorgehobene Thatsache) eine Methode an, die es 
ermöglicht, solche Gänge mittelst Elektrolyse unblutig und ohne Schmerz 
zu zerstören. E. hat bereits 21 Fälle derartig zur eompleten Heilung ge¬ 
bracht, ohne je einen Misserfolg gehabt zu haben. Als Kathode verwendet er 
eine knopfförmig endigende Sonde — das knopftÖrmige Ende von Metall — 
die in den Gang geschoben wird. Die Stromstärke bleibt stets unter 
4 MA. Der Strom wird dabei mittelst zweier eingeschalteter Rheostaten 
minutiös regulirt. — Im Orificium sowie tiefer in der Urethra spriessende 
Papillome entfernt der Autor je nach Grösse und Sitz mittelst als Kathode 
armirter „Lüffelchen“ Lanzen, Stachel, oder einer Kugelelektrode, welche 
im Endoskop (Hartgummi) unter Spiegelbeleuchtung vorgeschoben und 
unter Augencontrole gehandhabt werden. Die Instrumente werden näher 
beschrieben. Carl U 11 mann (Wien). 


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Bericht über die Leistungen auf dein Gebiete 


Woodward, R. M. Cleveland, Ohio. AnOper at io nforRelieving 
Phimosis wlien C o m p 1 i cating Gonorrh oea, without Infecting 
the Wound. The New-York Med Journ. 23. Febr. 1895, Vol. LXI, Nr. 8. 

Wood ward, empfiehlt ein neues Yeri ähren, um bei Operation 
der in Folge von Gonorrhoe oder weichen Schankern entstandenen 
Phimose eine Infection der Schnittflächen zu vermeiden. Es wird 
die Phimose in eine Paraphimose verwandelt und gründlichst desinficirt. 
Dann erfolgt nach vorhergegangener Cocainisirung eine kleine Incision 
am Dorsum peuis in der Nähe seiner Wurzel. Von dort aus wird eine 
Hohlsonde subcutan bis unter den Schnürring hinter der Corona glandis 
vorgeschoben. Auf demselben Wege unter Leitung der Sonde führt man 
nun ein Tenotom Hach ein. Nach Erreichen der Einschnürung schlitze 
man dieselbe subcutan ein und reponire nun die Vorhaut. Die kleine 
Einschlitzung genügte in den Fällen des Verf. zur dauernden Beseitigung 
d*r Phimose. Ob Wood ward das Verfahren auch schon bei weichen 
Schankern angowendet und auch hier keine Wundtlächeninfection einge¬ 
treten ist, geht nicht sicher aus dem Artikel hervor. 

Hugo Müller (Frankfurt a. M.) 

Buckston Browne, G Symc’s treatraent o f urethral 
stricture. Tothe Editors of the Lancet. Lancet, 22. Dec. 1894. 

Bucks ton Browne spricht sich in einer Zuschrift an die 
Redaction des „Lancet“ gegen die von Pe mb er ton vertheidigte An¬ 
sicht aus, dass die Urethrotomia externa bis heute den von Sy me für 
sie in Anspruch genommenen Werth behalten habe. Kr lobt im Gegentbeil 
die von Jenem verworfene innere Uretlirotomie, bei der nicht, wie nach 
der äusseren Uretlirotomie, Fisteln zurückbliebcn oder schwere Blutungen 
einträten, und die doch die schwersten Stricturen gut und dauernd 
beseitige. Stcrnthal (Braunschweig). 

Brown, W. II. Chronic stricture o f the urethra. 
Sheffield Medico-Chirurgical Society. Lancet, 9. März 1895. 

Brown hält die Behandlung chronischer Urethralstricturen mit 
Dilatation, gleichviel ob diese schnell oder allmälig ausgeführt wird, 
für gefährlich, sobald eine schwerere Form von Cystitis vorhanden oder 
die Urethra abnorm sensitiv ist. Er verwirft die innere Uretlirotomie, 
hältdagegen die äussere nach dem Verfahren von Wheclhouse für eine 
sichere und wirksame Methode. Ein Vortheil dieser Methode ist, dass sie 
dem Operateur die Gelegenheit gibt, die Blase zu untersuchen, wodurch 
in einem seiner Fälle unwrmutheterweise 2 Steine gefunden wurden. 
Di ese Methode sorge ferner für eine wirksame, nachfolgende Blasendrainage. 
Verf. lässt stets 4—5 Tage ein Drainrohr in der Blase liegen und spült 
in schweren Fällen mit Chininlösung aus. Sternthal (Braunschweig). 

F e rria Sulla e 1 et tr o 1 i s i lineare d e i Restringimenti 
u r e t r a 1 i. Gazetta Medica di Torino, 15. Juni 1895, Nr. 24, 25, 2t>. 

Ferria hält die Elektrolyse für ein sehr gutes Mittel zur Be¬ 
handlung der Ilarnröhrenstricturen, welches oft der Urethrotomia interna 
vorzuziehen ist. Man unterscheidet dabei das langsame und das schnelle 


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Verfahren. Bei dem ersteren kommt das Instrument von New mann in 
Anwendung. Dasselbe ist scherenförmig, die eine Branche trägt eine 
Olive aus Platin, die andere ein Endglied, um den Strom aufzunehmen. 
Man arbeitet mit Strömen von 3—5 Milliamperes 3—5 Minuten lang alle 
8 Tage; bis zur vollständigen Heilung sollen H Monate vergehen; 
Newmann’s Resultate sind sehr gut. Das schnelle Verfahren bezweckt die 
Strictur in einer Sitzung zu durchbrechen wie bei der inneren Urethrotomie 
und zwar durch chemische Zersetzungen, weiche der Strom bewirkt. Das 
Instrument dazu besteht aus einer etwa 30 Cm. langen Schere, an deren 
einer Branche eine dreieckige Platte von Platin angebracht ist oder 
vielmehr ein Platinfaden, der einen stumpfen Winkel beschreibt, und 
dessen Basis von einem Schaft aus Metall gebildet wird. An der anderen 
Branche befindet sich ein Endglied mit einem Rheofor und einem isolirten 
Endknopf. Der grösste Durchmesser des Instrumentes übersteigt nicht 
Nr. 7 Cbarriere. Eine Batterie von 12 Elementen mit Stromunterbrecher 
und mit Galvanometer sind dazu nothwendig. Der Einführung des Instru¬ 
mentes lässt man eine Auswaschung der Urethra mit Borsäure vorangehen 
und macht zur Anästhesie eine Injection von 2—3% Lösung von Cocain 
muriat. Man verbindet den in die Urethra eingeführten negativen Pol 
mit der Batterie, den positiven setzt man auf den Körper des Kranken 
auf und lässt dann etwa einen Strom von 12 M.-A. durchgehen; man kann 
auch bis zu 24 M.-A. steigen. Man fühlt nach kurzer Zeit, dass das 
Instrument weitereingeführt werden kann, d. h. dass die Strictur durchbrochen 
ist, worauf man den Strom wieder öffnet. Dann macht man abermals 
eine Blasenausspülung und lässt den Kranken am besten sich zu Bett 
legen und laxirende Mineralwässer trinken. Die Wirkung der Instru¬ 
mente ist wie F. ausdrücklich hervorhebt, keine galvanokaustische. 
Als Nachbehandlung müssen die Kranken regelmässig bougirt werden, bis 
man auf Nr. 20 Charriere angelangt ist. Es folgen nun die Krankenge¬ 
schichten der 20 von F. mit Elektrolyse behandelten Fälle. Die Intensität 
des Stromes schwankt zwischen 10 Milliamperes und 40. Sie richtet sich 
nach der Toleranz des Patienten. Zu lange darf man den Strom nicht 
emwirken lassen, weil man sonst Gefahr läuft, auch auf gesundes Gewebe 
emzuwirken und dadurch neue Stricturen erzeugen kann. So ist es Ver¬ 
fasser in einem Falle auch ergangen. Die Dauer der elektrolytischen 
Sitzung schwankte in F.’s Fällen zwischen 25" und 10'. Als mittlere 
Zeitdauer betrachtet er 4 Minuten, als mittlere Stromintensität 20 M.-A. 
Bei sehr langen unregelmässigen harten Stricturen führt die lineare 
Elektrolyse oft nicht zum Ziel (in 4 Fällen des Verfassers), oder es ist 
eine zweite Sitzung nöthig (ebenfalls 4 Fälle). Dagegen ist der Erfolg der 
ersten Sitzung, auch wenn es nicht gelang, die Strictur zu passiren, immer 
derartig, dass die subjectiven Beschwerden des Kranken gemildert werden. 
^ acht man dann eine zweite Sitzung, so gelingt es oft noch mit schwachen 
Strömen und in kurzer Zeit die Strictur zu überwinden. Diese günstige 
Wirkung der Elektrolyse führt F. darauf zurück, dass der Strom nicht 
bloss an dem Punkte wirkt, wo die Metallplatte die Schleimhaut berührt, 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

sondern dass er eine Art von Fernwirkung entfaltet. Der Schmerz 
bei der Operation wird sehr verschieden angegeben, im Allgemeinen wird 
jedoch der Kingriff von den Kranken ohne besondere Schmerzen aus¬ 
gehalten. Blutungen und Fieber nach der Elektrolyse hat F. nie beob¬ 
achtet, ebenso keine Urininfiltration, wie sie bei der Urethrotomia interna 
selbst bei geübten Operateuren vorkommt. Was nun die Frage der Recidive 
anbetrifft, so ist von Desnos berichtet worden, dass er in einer grossen 
Anzahl von Fällen eine neue Strieturirung auftreten sah. F. erklärt diese 
Misserfolge dadurch, dass Desnos viel zu starke Strome nahm (25 bis 
30 M.-A.) und sie zu lange (bis 30 Min.) einwirken liess. Er selbst hat 
unter seinen 20 Fällen 0, in denen nach 1 — 3 Jahren bei mehr oder weniger 
gut durch geführt er Sondencur die Strictur sich noch mehr erweitert 
hatte. In 4 Fällen, in denen gar keine Nachbehandlung stattfand, blieb 
gleichwohl die Strictur erweitert, wenn auch nur bis auf 14 (Uhamerei. In 
weiteren 4 Fällen, in denen keine Nachbehandlung statt fand, und durch 
die Elektrolyse eine beträchtliche Erweiterung erzielt worden war, trat 
nach verschiedener Zeit (durchschnittlich 17 Monate) wieder eine Ver¬ 
engerung ein. Gegenüber den vielfachen Vortheilen der linearen Elektrolyse : 
geringe Schmerzhaftigkeit, keine Nachblutung, keine Urinintiltration, 
Möglichkeit, die Behandlung ambulatorisch durchzuführen, weiss Verf. 
bloss einen Nachtheil im Vergleich zur Urethrotomia interna: die Methode 
ist in einer beschränkteren Anzahl von Fällen durchführbar. F. fasst 
zuletzt seine Erfahrungen in folgenden Sätzen zusammen: 1. Bei der Be¬ 
handlung der Ilarnröhrenstrieturen mit linearer Elektrolyse beträgt die 
obere Grenze für den Strom 20 M.-A. bei einer Dauer von höchstens 

4 Minuten für eine Sitzung. Ist die Zeitdauer eine geringere, so kann 
man den Strom auch noch stärker nehmen. 2. Die Elektrolyse eignet sich 
nicht für sehr harte, narbige, unebene, gewundene Stricturen, ferner für 
solche, die länger sind als 1 Cm. oder complicirt. sind mit einem peri¬ 
urethralen Inhitrat. 3. Kür alle anderen Stricturen ist die Klektrolyse die 
beste Methode, weil sie keine Gefahren für den Kranken mit sich bringt 
und ambulatorisch durchgeführt werden kann. 4. Treten Recidive ein, so 
kommen sie nicht schneller und sind nicht schwerer als bei der Urethro¬ 
tomia interna. Uebrigens sind die Resultate der Klektrolyse sowohl lange 
Zeit nach der Operation wie auch gleich nach derselben ausgezeichnet, 
wenn man nur die Nachbehandlung nicht vernachlässigt. 

Julius Raff (Stuttgart). 

Fort. Linear Electrolysis. A New Process in the 
Treatement of the Strictures. 

Fort. Electrolyser for the Surgical Treatement of 

5 trictures. The New-York Med. Jour. Vol. LNII, Nr. 20, d 1(5. Nov. lS0f>. 

Fort empfiehlt auf’s Wärmste seine auch für Uterus, Oesophagus 
und Rectum geeignete Methode der Elektrolyse zur Anwendung bei 
Urethralstricturen. Er hat für diesen Zweck ein Instrument angegeben, 
welches aus einem langen dünnen biegsamen Bougie besteht, dessen Form 
von einem Platindrahte gebildet wird; darüber eine dünne Guttapercha- 


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der Syphilis. 


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Schicht. Das Bougie wird mit dem negativen Pole eines constanten Stromes 
in Verbindung gebracht. Die Operation dauert nur Sccunden, ist schmerz¬ 
los, unblutig und führt nach Fort stets zu dem gewünschten Resultate. 
Meistens kommt man mit einer Stromstärke von 10 Milliamperes aus. 
3 Tage nach der Operation kann man schon mit starken Bougies Vor¬ 
gehen. F. hat allein schon 135 Fälle von Oesophagusstrictur auf diese 
Weise mit Erfolg behandelt. Beigegeben sind Notizen über 10 Fälle von 
Urethralstricturen. Paul Oppler (Breslau). 

Watson. An Analysis of one Hundred Gases of 
Urethral Stricture Operated upon by Various Methods. 
Medical and Surgical Reports of the Boston City Hospital. 1695. 

Watson hat in den letzten 8 Jahren 100 Fälle von Urethral¬ 
stricturen operativ behandelt. Von Operationsmethoden kommen zur 
Anwendung: 

Urethrotomia interna bei Stricturen der Pars anterior: 


a) Nach Otis.37 

b) Nach Maisonneuve.13 

Urethrotomia interna bei Strietur der Pars memhranacea .... 2 

Urethrotomia interna, combiuirt mit Urethrotomia externa perinealis 21 

Urethrotomia externa perinealis.13 

Zerreissung von Stricturen der Pars memhranacea.4 

Irethrotomia int. und ext. nach Garin.5 

Resection und Naht bei vorderer Strietur.1 


Cystotomia suprapubica und nachfolgende Urethrotomia ext. perinealis 1 

Sa. 100 


Die Sterblichkeit betrug 4%. Die Einzelheiten der Indicationen 
und Operationsmethoden sind im Originale nachzulesen. Unter 21 noch 
später beobachteten Fällen von Urethrotomia interna fanden sich 2 Recidive 
4 und 6 Jahre nach der Operation. Von den 4 mit Divulsion behandelten 
Fällen recidivirten 2. Unter 5 weiter beobachteten Fällen von Urethrotomia 
externa fanden sich 2 Recidive. Paul Oppler (Breslau). 

Tavitian. Etüde sur le guajacol et son emploi da ns 
le traitement de Pore hi te blennorrhagique. These, Paris 1895. 

Tavitian bespricht zunächst das Guajacol vom chemischen und 
physiologischen Standpunkt und empfiehlt sodann zur Behandlung der 
F^pididymitis unter der Form von Umschlägen 2% Lösung oder von Sal¬ 
ben (5:30 Vaselin). E. Finger (Wien). 

Pucci. II Guajacol per via e p i d e r m i c a n c 1 Po r c h i t e. 
Gazetta degli Ospedali e delle Cliniche, 1. Juni 1895, Nr. 66. 

Pucci berichtet über den günstigen Einfluss, den das Guajacol 
bei einem Falle von doppelseitiger Orchitis entfaltet hat. Eine 10%ige 
Ouajacolsalbe wurde auf das Scrotum applieirt, und Fieber sowohl als 
Schmerzen waren schon am nächsten Tage verschwunden. Die An¬ 
wendung des Mittels verursachte ziemlich starkes Brennen. Chinin, wel- 
f hes gegen das Fieber angewendet wurde, batte keinen Erfolg. P. er- 
wähut, dass von anderer Seite Application von Guajacolsalben auf die 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Wirbelsäule bei Malaria empfohlen wurde; es half in Fällen, in denen 
Chinin nicht vertragen wurde, Arsen, Antipyrin und Eucalyptus frucht¬ 
los geblieben war. Julius Raff (Stuttgart). 

Dol£ris. Therapie bei weiblicher Gonorrhoe. Nouv. areh. 
d'obstctr. et de gynecol. Bef. im Centralblatt für Gynäkologie 1895, p. 145. 

Boieris verwirft bei acuter Gonorrhoe jegliche active Thera¬ 
pie und empfiehlt nur Bettruhe, Scheidenausspülungen mit Sublimat und 
Einlegen von Tampons in die Scheide; bei chronischer Gonorrhoe wendet 
er Dilatationen des Uterus und intrauterine antiseptische Ausspülungen an. 

Paul Neisser (Beuthon). 

Garofalo. L’i 11 i o 1 o n e 11 c blennorragie d e 11 e douue. 
Gazetta degli Ospcdali e delle Cliniche, 19. l)ec. 1895, Nr. 152. 

Garofalo rühmt den günstigen Einfluss des Ichthyols bei der 
Behandlung der weiblichen Gonorrhoe. Er glaubt durch eine metho¬ 
dische Ichthyolbehandlung das Uebergreifen der Gonorrhoe auf den Uterus 
und seine Adnexe verhüten zu können. Julius Ilaff (Stuttgart). 

Tixeroit, Louis. Traitement des infections blennor- 
rhagiques eliez la fern me par le permanganate de potasse. 
These, Paris 1895. 

T ixeron plaidirt während der Anwesenheit von Gonococcen bei 
weiblicher Gonorrljoe die Behandlung von Janet, mit Kali hyperman- 
ganicum - Irrigationen und Injectionen vorzunehmen. Für die Phase 
secundärer Infeetion empfiehlt er Irrigationen von Sublimat 1 : 10.OK), für 
bakterienfreie Katarrhe Ichthyol, für Urethra in 1%, für Vagina in 10% 
Lösung. Ebenso applieirt er bei Bartholinitis und Urethritis externa das 
Kali hypermaiigunicum mittelst kleiner Spritze. E. Finger (Wien). 

Pryor. The Palliative T reatment o f Go n o r r h o e a 1 
Tubal Disease. New-York Medical Journal. Nov. 1895. 

Prvor tritt für eine frühzeitige Punctum der gonorrhoisch er¬ 
krankten Tuben ein, weil im Anfang der Procoss selten über dieselben 
hinausgellt. Er hält die Operation auch für den nicht besonders ge¬ 
schulten Arzt für ausführbar und sah bei dieser Behandlung 80% seiner 
Fälle ohne Recidiv heilen. Max Pinn er (Breslau). 

Howard A. Kelly. Gonorrhoeal pyelitis und pyoureter 
cured by irrigation. Bulletin of the J. Ilopkins Hospital IS95, Fohr. 

Howard A. Kelly hat. eine Frau, die an blennurrhagischer auf¬ 
steigender Pyelitis litt, durch Cathetcrisiren und Irrigation der Ureferen 
geheilt. E. F i n ger (Wien). 

Detchart A. T r a i t e m ent d u r h u m a t i s m e blennoi- 
r h a g i q u e. These, Paris 1895. 

Detehard empfiehlt hei gonorrhoischem Bheumatismus die 
locale Anwendung von Hg-Pllastern, welche Behandlung nach seiner An¬ 
sicht sowohl locale, als (durch Resorption des Hg in die Circulation) All¬ 
gemeinwirkung äussert. E. Finger (Wien). 

Courtin. T r a i t e in ent de Pa r t h r i t e b 1 <: n n o r r h a g i <j u e. 
Gazette hebdomadaire des Sciences medicales, Nr. 31, 1891. 


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der Syphilis. 


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Court in empfiehlt für die leichteren Formen von gonorrhoischer 
Gelenkaffection, der einfachen Arthralgie ohne nachweisbare Ver¬ 
änderung und der Synovitis serosa Kühe und Application von heissen 
Einpackungen bei gleichzeitig energisch fortgesetzter Bekämpfung der 
Urethritis. Sollte eine acute Gelenkentzündung event. mit eitrigem 
Erguss in die Gelenkhöhle eintreten, so ist radicale chirurgische Behand¬ 
lung angebracht. Max Pinner (Breslau). 

Güntz, J. E. Die Verhütung und Behandlung der 
blennorrhoischen Augeuentzüudung der Neugeborenen. 
Aerztlicher Centralanzeiger 1895, Nr. 19. u. 20. 

Güntz perhorrescirt alle Behandlungsmethoden der Gonorrhoe 
als schädlich und unwirksam — mit Ausnahme der von ihm vorge¬ 
nommenen Ausspülungen der Harnröhre mit Calcaria chlorat. 2 : 100 (zu 
filtriren!). Vor der Geburt spült er die Scheide mit Thymol (1 : 1100) aus; 
mit derselben Lösung wird die Lidspaite bei Blennorrhoe bespült; ausser¬ 
dem Eisumschläge und bei Hornhautgeschwüren Jodolorm. J. 

Fromaget. Traitement de Tophthalmie purulente 
par le formol. Annales d’oculistique, 1895 II. 

Fromaget empfiehlt bei Blennorrhoe Formol 1:2000 zu Aus¬ 
waschungen, 1 : 200 zu Einträufelungen; der erfahrene Ophthalmologe wird 
besser die Cauterisationen mit Argentum nitricum noch nebenbei anwen¬ 
den. Dieses tödtet die Gonococcen, das Formol verschlechtert den Nähr¬ 
boden. J. 

Frothingham. The Use of Strong Solutions of 
Argentum Nitrate in the Treatment of Ophthamial 
Neonatorum. Harper. Hospital Bulletin lor August 17. 1895. lief. 
The Therapeutic Gazette. Vol. XIX, Nr. 210. Dec. 1895. 

Frothingham empfiehlt zur Behandlung der Ophthalmoblen¬ 
norrhoe, im ersten (?) Stadium häufige — mindestens stündliche — 
Waschungen mit Borsäurelösung oder Sublimatlösung 1 : 5000, im zweiten 
(?) Einträufeln von 1—2°/ 0 Argentum nitrieum-Lösungen. 

Paul Oppler (Breslau). 


Verbreitung und Prophylaxe der venerischen 
Krankheiten. Prostitutionswesen. 

Stone A. K. Prostitution. The Relation of tlie Ex- 
perience of Europe to tbe Solution of the Problem in 
Boston. The Boston Medical aud Surgieal Journal. XXXIII Nr. 2. 

Stone verdankt seine Informationen über das Prostitutions¬ 
wesen in Europa besonders den Berichten zahlreicher Commissionen, 
weiche in den Jahren 1890—92 sich mit der Lösung der Pi ostitutions- 
Frage beschäftigten. — Von den europäischen Staaten ist nur England 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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ohne die gesetzliche Institution einer Controle der Prostituirten; auch 
wird dort die öffentliche Anlockung fast gar nicht eingeschränkt. In den 
Städten der übrigen Länder wird die Controle in der Weise gehandbabt, 
dass die Mädchen, welche entweder in öffentlichen Häusern untergebracht 
oder als „Inscribirte“ der Polizei bekannt sind, von Zeit zu Zeit einer 
Cntersuchung unterworfen werden. Die in den Statistiken angegebene 
Zahl der unter polizeilicher Aufsicht stehenden Personen ist meist (z. B. 
in Paris) viel kleiner als in Wirklichkeit, da noch viele andere der 
Polizei nicht bekannte Mädchen ihren Lnterhalt durch die Prostitution 
verdienen. Nach den statistischen Berechnungen verschiedener Autoren 
(l'iaux in Belgien, Bergli in Kopenhagen, Neisser in Breslau, 
Pa ss avant in Paris u. A.) kann man im Allgemeinen annehmen, 
dass in Europa etwa 3t) bis f>0°/ 0 aller den Behörden bekannten Pro¬ 
st ituirten venerisch erkrankt sind. Was die Verbreitung der Syphilis be¬ 
trifft, so geht aus der Mehrzahl der Berichte hervor, dass diese Krank¬ 

indt im Zunehmen begriffen ist; dieser Ansicht sind z. B. Vidal, le 
F o r t, V o u r n i e r und M a u r i a e, während für die französische und 
belgische Armee eine Abnahme der Geschlechtskrankheiten angegeben 
wird. Nach Bla sch ko haben in Berlin seit 185Ö die venerischen Er¬ 
krankungen ahgenommen, während Wolf und Neumann dies be¬ 
streiten. Uebereinstimmend wird von allen Autoren die Ansicht aus¬ 

gesprochen, dass die bisherigen sanitären Massregeln zur Verhütung der 
Verbreitung der Geschlechtskrankheiten unzureichend seien. — Sehr ver¬ 
schieden sind die Vorstellungen über die zur Abwehr nothwendigen 

Mittel. Während z. B. ein französischer Minister meint, dass für jeden 
Ort besondere Gesetze erlassen werden müssen, verwirft ein anderer die 
staatliche Regelung der Prostitution vollständig. Auf dem 10. interna¬ 
tionalen Congress zu Berlin stimmte die Mehrzahl für die Fnterbriiigung 
der Prostituirten in einem bestimmten Stadt viertel und in Bordellen; 
Andere wieder hielten dies für besonders gefährlich. Thatsächlich lässt sich 
ein beständiges Ilerabgehen der Anzahl der öffentlichen Häuser in den 
grossen Städten constatiren, so in Paris, St. Petersburg und in Antwerpen. 
Nach allen bisher gesammelten Erfahrungen gibt es also bisher keine 
allgemein anerkannte Methode zur Lösung der Prostitutionsfrage. Von 
allen Autoren zugestanden ist der Mangel an Einrichtungen, die erkrankten 
Prost ituirten ausreichend zu behandeln. Indessen darf hei der Auf¬ 
stellung der Grundsätze der Internirung nicht ausseracht gelassen 
werden, dass bei allzustrengen Vorschriften die erkrankten Mädchen sich 
der Aufnahme ins Hospital entziehen (z. B. durch Wechsel des Wohn¬ 
sitzes) und so die Verbreitung der venerischen Krankheiten begünstigen. — 
Stone bespricht zum Schluss die Verhältnisse der Prostitution in Boston, 
die vor der kürzlich vollzogenen Aenderung in der Polizeiverwaltung 
ausserordentlich ungünstige waren. Es bestand ein ausgedehnter Mäd¬ 
chenhandel und eine grosse Anzahl berüchtigter Bordelle, in denen alko¬ 
holische Getränke in unbeschränkter Weise verkauft wurden und sehr 
häutig verschiedenartige Excesse vorkamen. Seit d'*m energischen Ein- 


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der Syphilis. 


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\s 


schreiten des neuen Polizeipräsidenten hat die Zahl der öffentlichen 
Häuser und der Prostituirten erheblich abgenommen. Es hätte sich nur 
ein einziger Uebelstand bemerkbar gemacht, dass nämlich die Prostitution 
in einzelnen früher verschont gebliebenen Stadttheilen sich ausgebreitet 
hätte; indessen würde wenigstens hierdurch die Aulmerksamkeit mehr 
auf dieses Uebel gelenkt und so eine Bekämpfung desselben befördert. 
Da also bisher ein bestimmtes System zur Unterdrückung der Prostitution 
nicht existirt, müsse man dieselbe einzuschränken suchen durch eine 
strenge Beurtheilung dieser Verhältnisse durch die öffentliche Meinung» 
durch Unterstützung der diesbezüglichen Gesetze, durch Erziehung der 
Jugend und endlich auch dadurch, dass man die Vermehruni- der ver¬ 
brecherischen Menschenclasse durch Castration und Entfernung der 
Ovarien vermindert (!), denn die weiblichen Nachkommen dieser verfielen 
der Prostitution. Gleichzeitig sollte die Verbreitung der venerischen 
Krankheiten durch die Möglichkeit entsprechender Hospitalbehandlung 
bekämpft werden. In der dem Vortrag folgenden Discussion berichtet 
De Blois u. A. über seine Erfahrungen bezüglich des Prostitutions¬ 
wesens in fremden Städten und in Boston. Hier batte er Gelegenheit» 
die Mädchen eines Bordells regelmässig zu untersuchen; er betont die 
Schwierigkeit und Unzulänglichkeit einer derartigen Controle, zumal 
wenn eine Unterstützung der Polizeibehörden hierbei fehlt. Folsom 
weist auf die „Contagious Diseases Acts u hin, welche in einzelnen eng¬ 
lischen Districten zum Zwecke der Verminderung der Geschlechtskrank¬ 
heiten mehrere Jahre lang in Kraft waren. Die Ansichten über die 
Wirksamkeit dieser Institution waren so widersprechend, dass dieselbe 
nach kurzer Zeit vom Parlament wieder aufgehoben wurde. Auch die 
Errichtung der „Loeke-Hospitäler w leistete nichts Wesentliches, weil die 
Internirung der Prostituirten nicht lauge genug stattfinden konnte 
Hinsichtlich der heimatlichen Verhältnisse erwähnt Folsom nur, dass in 
St. Louis ein Versuch gemacht worden sei, das Prostitutionswesen zu 
regeln, und bemerkt auf einen Einwand Putnams, dass die Einrichtungen 
zur Aufnahme geschlechtskranker Frauen in Tewksbury und Bridge water 
unzureichend seien. Ara Schlüsse der Debatte spricht sich Stone 
noch einmal in dem Sinne aus, dass er die Aufhebung der Bordelle für 
einpfehlenswerth hält; die Geschlechtskrankheiten würden sieh sicherer 
einschranken lassen, wenn die Prostituirten nur einzeln wohnen durften. 

Schäfte r. 

Lewis, Denslow. What Should the Policy o f the 
State toward Prostitution? Remarks Made at the September 
Meeting of the Doctors’ Club of Chicago. The Provine. Medio. Journ. 
XIV. Nr. 168, 2. Dec. 1895 p. G-iG. 

Zur Bekämpfung der Prostitution hält Lewis zunächst sociale 
Massnahmen für erforderlich, durch welche Hebung des Arbeitslohnes 
und Eröffnung neuer Berufsarten für Frauen erzielt werden. Ausser¬ 
dem aber müsse, schon aus Rücksicht auf die Frauen und Kinder der 
mit Prostituirten verkehrenden Männer, sanitätspolizeilich vorgegangen 

Aichiv f. UerniAiol. u. Syptifl. liaiul XXXIX. irj 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

werden. Die Vorbedingung für diesbezügliche Hinrichtungen — Reglomen- 
tirung mit periodischen Untersuchungen, wie in Europa, aber unter ab¬ 
soluter Schonung der individuellen Freiheit ! — sei jedoch in Amerika 

die Beseitigung von Staatsgesetzen, die, z. B. in Illinois, nicht nur jede 

Action gegen die Prostitution, sondern auch die blosse offieial cognizance 
derselben verbieten. Bis diese Gesetze abgeschafft sind, könne die 
Polizei wenigstens dafür sorgen, dass die in Gefängnissen, Asylen etc. 
untergebrachten Männer auf venerische Krankheiten regelmässig unter¬ 
sucht und eventuell, wenn die krank Befundenen selbst es wünschen, 
behandelt werden. Endlich solle auch von den Behörden durch Grün¬ 
dung von Specialhospitälern und Ambulatorien die Möglichkeit einer 
sachgemässen Behandlung, wenigstens in den grossen Städten, erweitert 
werden. Die Aerzte in denselben könnten manche Infeetion dadurch 
verhüten, dass sie die — freiwillig in Behandlung kommenden — Pro- 
stituirten über einen prophylaktischen Gebrauch von Antisepticis unter¬ 
richten. F. M ii n c h h e i m e r. 

Poutoppidan. Die Con t r o 1 e bei der P r u s t i t. u t i o n un d 

die Ausbreitung der venerischen Krankheiten. Hospitah- 
Titende X., 20. Bef. Deutsch.* Med. Zeitg. 1893, 81 p. 017. 

Poutoppidan stellt Statistiken über die Häufigkeit der ve¬ 
nerischen Krankheiten in Kopenhagen, wo seit 1880 die sanitätspolizei¬ 
liche Controle der Prostitution verschärft ist, solchen aus Italien und 
Norwegen gegenüber. Der Vergleich fallt so ungünstig für die letzteren 
aus, dass P. die Wiedereinführung der Controle, die ja für Italien im 
Jahre 1891 durch Aufhebung der lex Crispi nach dreijähriger Wirksam¬ 
keit geschah, auch für Norwegen als sicher prophezeit. 

F. M ü n e h h e i rn o r. 

Horowski. W. K. Z u r F r a g e ü b er di e () u e 11 e n d e r 
8y p h i 1 i si nfe c t i on. Woenno-medizinskii Journal 180t, August. (Bef. 
Jeszenedjelnik 1804, Nr. 45.) Russisch. 

Auf Grund eigener Beobachtungen im Kiewer Militär-Spital 
kam Borowskv in Uebereinstimmutig mit vielen anderen Autoren zur 
(Jeberzeugung, dass die Zahl der Ansteckungen mit Syphilis durch die 
geheime Prostitution bedeutend grösser ist als die durch bordellirte und 
isolirte Prostituirte, welche unter Aufsicht stehen. Nach der Tabelle 
von Boro ws ky (für die letzten 4 Jahre) beträgt, die Ansteckung durch 
die eingetragenen Prost ituirten in Procenten ausgedrückt 20*75 für Ofticiere 
und 21*5 iiir Soldaten, während die Infeetion durch geheime Prostitution 
für Ofliciere 70*25% und für Soldaten 78*3% beträgt! A. Grün feld. 

Searensio. La sifilide cd i v igen ti r e go 1 a in e ii t i contro 
di essa. Lettura l'atia al R. istituto Lomhardo di Scienze e lettere nelP 
addunanza del 7 Marzo 1>95. 

Bekanntlich wurde im Jahre 1888 in Italien die polizeiliche 
Ueberwaehung der Prostitution aufgehoben. Scarenzio beklagt, diese 
Massregel aufs Tiefste und weist, in seinem Vortrage zahlenmäsMg nach, 
wie sehr die Syphilis und die venerischen Krankheiten seitdem zuge- 


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der Syphilis. 


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nomraen haben. Seit 1891 besteht übrigens eine Besserung insofern, als 
die Zwangseinsehreibung und regelmassige ärztliche Untersuchung wieder 
eingeführt ist, aber nach Scarenzio ohne besonderen Erfolg. Er weist 
darauf hin, wie lebhaft die Agitation von Seiten der Aerzte und ärzt¬ 
lichen Vereine ist, um eine Rückkehr zu den Gesetzen vor 1888 zu er¬ 
langen, und fordert Alle auf, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen. 

Raff. 

Herzeu*tein, G. M. I e b e r die M assregeln zur Be¬ 
kämpfung der Syphilis auf dem Lande. Vortrag, gehalten in 
der Sitzung der russischen syphilidolugisclien Gesellschaft am 29. April 
1895. Jeszenedjelnik 1895, Nr. 2<> p. 589—391). Russisch. 

Auf Grund angeführter Facta und Behauptungen macht Her¬ 
zen st ein u. A. folgende Schlüsse: 1. Die syphilitischen Erkrankungen 
im russischen Volke nehmen ununterbrochen zu. 2. In Folge der Bedin¬ 
gungen, welchen die Verbreitung der Lues unterliegt, kann die medicinisclie 
Hilfe nicht localisirt werden insbesonders noch aus dem Grunde, weil 
die Mittel ungeheuer mangelhaft sind. Nur der Staat kann den Kampf 
gegen dieses Leiden aut sich übernehmen, da er ausser genügenden 
Mitteln auch das nöthige Aerztepcrsonal zur Verfügung hat. 3. Die Be¬ 
kämpfung der Syphilis soll zuerst in den Gouvernements beginnen, welche 
an der Wolga liegen, und in einigen Gouvernements des centralen Theiles 
Russlands, wo die Bevölkerung sich mit Gewerben beschäftigt, welche 
ausserhalb der Heimat betrieben werden müssen. 4. Die Bekämpfung soll 
durch besondere Colonen, Aerzte und niedere medicinisclie Chargen 
(Feldscher etc.) ausgeführt werden; dieselben sollen einzelne Punkte 
bereisen und eine Zeit lang dort verbleiben. A. Grünfeld. 

Petersen, O. W. U e b e r d ie M a ssr e g e 1 n z u r Be kämpfung 
der Syphilis in Russland. Wratsch 1895, Nr. 31, p. H>5—Sb7. Russ. 

Im Anschluss an die von Herzen st ein angegebenen Mass- 
regeln bespricht Petersen dieselbe wichtige Frage und macht darauf 
aufmerksam, dass die Bekämpfung der Syphilis resp. die Behandlung der¬ 
selben von reisenden Colonen absolut unmöglich wird, da die dazu 
nüthigen Mittel kolossal gross sein müssen. Petersen macht mit 
Recht darauf aufmerksam, dass in den Residenz- sowie anderen grossen 
Handelsstädten spezielle Spitäler eingerichtet werden müssen, damit die 
wandernden Arbeiter stets Hilfe bekommen können und nicht in Folge 
von Platzmangel in den Spitälern sich aufs Land begeben müssten und 
dort unweigerlich mit Lues extragenital anstecken. A. Grünfeld. 

Frinowski, N. E. Zur Organisation des Kampfes gegen 
die Syphilis auf dem Lande. — Jeszenedjelnik 1895, Nr. 15, p. 
217—226. Russisch. 

Der Vortrag von Frinowski, gehalten in der St. Petersburger 
Syphilidologisehen und dermatologischen Gesellschaft, illustrirt, wie stark 
die Syphilis in manchen Dörfern des grossen russischen Reiches verbreitet 
ist, und mahnt, dieses Unglück zu berücksichtigen und junge Aerzte aufs 
Land zu schicken und in jedem Dorfe Haus für Haus zu untersuchen 

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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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und der Bevölkerung Hilfe zu leisten. In manchen Dörfern constatirte 
der Autor bis 84% Syphilitiker. A. Grünfeld. 

Kjellberg, J Einige statistische Studien über die 
venerischen Krankheiten in Schweden. Hvgiea, Juli 1895. 

Kjellberg hat aus den Berichten des Medicinaleollegiurns in 
Schweden für die .Iahre 1822—1892 die Anzahl der in den Krankenhäusern 
behandelten Falle von venerischen Krankheiten zusammengestellt. Er zeigt, 
wie unvollständig diese Angaben sind ; bis zum Jahre 1871 hat man die ver¬ 
schiedenen venerischen Krankheiten nicht voneinander getrennt; von da 
an sind sie zwar voneinander getrennt worden, doch ist dieses nur un¬ 
vollständig geschehen; ausserdem ist es schwer, über die Anzahl der 
Rückfälle Aufschluss zu erhalten; auch pseudovenerische Krankheiten 
sind bisweilen unter die venerischen aufgenommen. Ungeachtet des, dass das 
statistische Material also nicht gut ist, glaubt der Verfasser aus den An¬ 
gaben, im Grossen und Ganzen genommen, doch Schlüsse über das Vor¬ 
kommen der venerischen Krankheiten in Schweden ziehen zu können. 
Er unterscheidet zwischen den Fällen, die in den Krankenhäusern der 
zwei grössten Städte Schwedens, Stockholm und Gothenburg, und den¬ 
jenigen, die in den Krankenhäusern der Provinzstädte behandelt worden 
sind. Es scheint aus ihnen hervorzugehen, dass die Frequenz der vene¬ 
rischen Krankheiten abgenommen hat, dieses jedoch weniger in Stock¬ 
holm und in Gothcnlmrg, als in den übrigen Theilen des Landes. Auf 
1000 der Bewohner des Landes und der Provinzstädte berechnet, ist die 
Anzahl der in den Krankenhäusern behandelten Fälle von venerischen 
Krankheiten ziemlich regelmässig von 11*2 (1822) bis auf 0’3 (1892) ge¬ 
sunken. Steigerungen sind zwar vorgekommen; (so z. B. im Jahre 
1809 auf 101.) Der Verfasser glaebt die Ursache solcher Steigerungen 
in Misswuchs und schlechten ökonomischen Zeiten zu linden, in denen 
die Krankheiten sieh mehr ausbreiten; doch lässt sich dieser Schluss nicht 
mit voller Sicherheit ziehen, da in schlechten Jahren, in denen der Ar¬ 
beitsverdienst gering ist, ein grösseres Procent der venerischen Kranken 
sich in die Krankenhäuser aufnehmen lässt, wo sie unentgeltliche Pflege 
erhalten, als in guten Jahren, in denen sie einen besseren Arbeitsverdienst 
haben. In Gothenburg, vor Allem aber in Stockholm, zeigt, die Anzahl 
der in den Krankenhäusern behandelten Fälle von venerischen Krank¬ 
heiten grosse Schwankungen, ohne dass man dafür eine völlig befrie¬ 
digende Erklärung zu geben vermag. — Als ziemlich sicher erscheint es 
dem Verfasser, dass die Syphilis abgenomrnen hat. Das Mittel der 
Anzahl der Tage, welche venerische Kranke in den Krankenhäusern 
gepflegt worden sind, ist von 50*7 in den Jahren 1851—60 auf 3U2 
im Jahre 1892 herabgegangen. Der Verfasser hebt hervor, dass, nach 
dieser Statistik zu schliessen, die venerischen Krankheiten im Grossen 
und Ganzen auf dem Lande allmählich an Boden verloren haben und 
mehr auf die grösseren Städte beschränkt worden sind. E. W e 1 an d e r. 

Alilershot. The sanitary and social condition». The 
Laue et 30. März 1895. 


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der Syphilis. 


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In einem Bericht über das Truppenlager zu Aldershot wird dar¬ 
auf hingewiesen, dass vielfach die Frauen der zum Dienst in das Aus¬ 
land geschickten Soldaten zur Prostitution getrieben werden. Bei ihrer 
grossen Armuth sinken sie bald auf die tiefste Stufe gefallener Frauen. 
Tkeihveise schlafen sie unter freiem Himmel und oft werden Vergehen 
gegen die Sittlichkeit unter dem Schutz von Bäumen, Dämmen, Ginster etc. 
begangen. Es gibt kein Gesetz, um das Betragen dieser Frauen zu 
regeln, sie in Behandlung zu bringen, wenn sie krank sind, sie Reinlich¬ 
keit zu lehren und sie in Berührung mit jenen Einrichtungen zu bringen, 
die ihnen zu einem besseren Leben verhelfen würden. Iu Folge dessen 
sind Syphilis und andere ansteckende Krankheiten vorwiegend in Alders¬ 
hot. Wenn alle Arten venerischer Krankheiten für Grossbritannien zu¬ 
sammengerechnet werden, so beträgt die Gesammtaulnähme pro mille 
194*6 und das Verhältnis? der beständig verpflegten Kranken 16*68 für 
das Jahr 1893. Vergleicht man dies mit dem Durchschnitt der letzten 
7 Jahre, so ergibt sich eine Abnahme in den früheren Jahren von 29*0 
und im letzten von 0*79. Im Verhältnis» zum vergangenen Jahre beträgt 
die Abnahme bei den Aufnahmen 0*6 pro mille, während in Aldershot 
statt einer Abnahme eine Zunahme von 39*9 pro mille zu verzeichnen 
ist. - Wenn man die Ziffern der letzten wenigen Jahre nimmt, während 
deren die „Contagious Diseases Acts“ in Kraft waren, so findet man das 
Verhältnis der Aufnahmen wegen venerischer Krankheiten 1878 zu 136 3b 
1879 zu 163*35; 1880 zu 197*78; 1881 zu 211*58 und 1882 zu 261*13 pro 
mille. Wie weit dieses offenbare Anwachsen der Zahlen einer weniger 
strengen Anwendung des Gesetzes zuzuschreiben ist, besonders zu einer 
Zeit, als man dami* umging es abzuschaden, oder dem Eintreffen einer 
besonders grossen Zahl von Recruten, ist schwer festzustellen. Die neuen 
Zahlen waren schwer zu erlangen und scheinen eher niedriger zu sein. 
Unter dem Capitel „Venerische Krankheiten 4 war das Verhältnis» der 
letzten drei Jahre 252*3; 210*3 und 156*6 pro mille. Aber diese Zahlen 
sehliessen nicht Geschwüre des Penis und Balanitis mit ein. Nimmt man 
diese dazu, so steigen die Zahlen auf 260*03; 221*3 und 189*8 für die 
Jahre 1890—1891, 1891—1892 und 1892—1893. Da 1893 ein Ansteigen 
von 36*9 zu verzeichnen hat, so würde die Zahl für dieses Jahr 226*7 
pro mille betragen. — Betrachtet man die grossen Schwankungen, die 
stets bei solchen Krankheiten statttinden, so sieht man, dass man keinen 
deutlichen Unterschied im Vorwiegen venerischer Erkrankungen vor und 
nach der Abschaffung der Contagious Diseases Acts fest stellen kann 
Man muss aber dabei berücksichtigen, dass bei diesen Zahlen Gonorrhoe 
eingeschlossen ist, für deren Eindämmung jenes Gesetz nichts helfen 
konnte. Die Nützlichkeit solcher Gesetzgebung wird am besten festgestellt, 
wenn das Vorherrschen secundärer Syphilis studirt wird, bei der ja ein 
Irrthum ausgeschlossen ist. So war z. B. 1893 in Grosshritannien das Ver¬ 
hältnis der ins Hospital wegen secundärer Syphilis Aufgenommenen 31*8 
pro mille, die Zahl der beständig Kranken 3*31 pro mille. Die Zahlen 
für England und Wales waren höher, nämlich 37*4 und 3*74 und der 


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150 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

Durchschnitt der letzten 7 Jahre in England und Wales war 39 *5 und 
3’bb. Nimmt man anderseits die Insel Malta, wo eine Contagious Diseases 
Act in Kraft ist, so betrug die Zahl der wegen secundarer Syphilis Auf- 
genommenen 1893 13*3 pro rnille und die Zahl der beständig Kranken nur 
l*b9. Der Durchschnitt auf Malta von 1886*—1892 beträgt 14*6 pro mille 
et anno und die Zahl der beständig Kranken 1-42. Oder in runden Zahlen: 
auf 3 an secundarer Syphilis leidende Soldaten von Grossbritannien, wo 
keine Contagious Diseases Act in Kraft ist, kommt nur 1 kranker Soldat 
auf Malta, wo ein solches Gesetz zu Recht besteht. Zieht man alle Arten 
venerischer Krankheiten in Rechnung, so bietet die Statistik für Malta 
nicht den gleichen, überraschenden Unterschied, aber sie ist immerhin 
günstiger als die Berichte daheim. 1893 betrugen die Aufnahmen in 
Großbritannien 194 und die Zahl der beständig Kranken lb*38. während 
sie für Malta 122*3 und 10*515 lauten. Von 188b—1892 betrug der Durch¬ 
schnitt der Aufnahme wogen aller Art venerischer Krankheiten 91*fi und 
der beständig Kranken 7*39 pro mille. Im Grossen und Ganzen spielen 
bei diesen Verhältnissen auch die socialen Zustände eine erhebliche Rolle, 
und diese haben sich in der britischen Armee glücklicherweise gebessert. 
Pis sind allmählig immer bessere und intelligentere Elemente in das 
Heer eingetreten, in Folge dessen siud die Mannschaften auch massiger 
und sauberer. Zugleich hat man bei den neuen Baulichkeiten dafür ge¬ 
sorgt, dass die Soldaten das Bedürfnis» persönlicher Sauberkeit leichter 
befriedigen können. Dadurch sind die üblen Polgen der Aufhebung der 
Contagious Diseases Acts theilweise abgewendet worden. Die Zustände 
würden sonst noch weit schlechter sein. Immerinn sind sie schlimm genug, 
da sich von 4 Soldaten in Aldershot einer jährlich iuticirt. Dies bedeutet 
aber nicht nur (»ine Reduction in der Schlagfertigkeit der Armee, sondern 
zeigt auch, dass die venerischen Krankheiten unter der Civilbevölkerung 
sehr stark auftret en. Stern thal. 

T he hea 11 h o f th e ri a v v i n 1893. The Lancet 19. Jan. 1895. 

Lance t bringt einen kurzen Auszug aus dem Bericht über 
den Gesundheitszustand der englischen P’lotte im Jahre 1893. Aus 
demselben ist erwähnenswerth, dass die constitutioneile Syphilis im 
Jahre 1893 im Vergleich zu den letzten b Jahren ein Anwachsen 
zeigt. Unter den Ursachen, die in der Flotte die Mannschaften 
vorübergehend dienstunfähig machen, nehmen die venerischen Krankheiten 
gewohnheitsmässig einen Ilauptrang ein. Bei bO.120 OiVicieren und Mann¬ 
schaften traten 1893 in 9321 Fällen venerische Pirkrankungen auf; davon 
waren 3lob primäre Syphilis, 1593 secundäre Syphilis, 4b22 Gonorrhoe 
und deren Folgen Die Zahl der Invaliden in P’olge dieser Krankheiten 
war 193 und es traten 5 Todesfälle ein. Der Verlust, den die Nation an 
der Zahl der Seeleute erleidet, und der Zeitverlust während der Dienst- 
unfahigkeit, ganz abgesehen von den unmittelbaren und ferneren P’cilgen 
derartiger Krankheiteu, gibt Stoff zu ernsten Erwägungen. S t er n t h a 1. 

The report of the Sanitarv Commission er to the 
G o v e r n e ment o f J n d i a f o r 1893. The I.ancet 30. März 1895. 


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der Syphilis. 


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Aus dem Bericht sei die Bemerkung hervorgehoben, dass die 
europäische Armee in Britisch-Indien, die 1893 aus 70.00U Mann bestand, 
in diesem Jahre 32.6(53 Erkrankungen an venerischen Krankheiten hatte 
d. i. 466 pro mille gegen 410 pro mille 1892. Die venerischen Krank¬ 
heiten betrugen 33% aller Krankheiten überhaupt. Stcrnthal. 

Wwedensky, A. A. U e b e r die Erkrankungen der Prosti- 
t uir ten auf der Messe zu IS' i s c hni -X o wgorod, zusammen- 
ge stellt nach den Daten des dortigen Frau en - Spitals. S.-A. 
aus Westuik Obrschtschestwennoj Gigicny, Sudebinoy i Praktitschoskoj 
Medizini. Bd. XXVI. 1895. Russisch. 

Wwedensky schildert den wirklich traurigen Zustand der 
kranken Prostituirten in dem sehr engen Raume des Frauen-Spitals zu 
Nischni-Nowgorod, woselbst die Betten stets mit der doppelten Menge von 
Kranken überfüllt waren. Aus dem Berichte ist weiter zu entnehmen, 
wie kolossal gross der Unterschied ist in der Zahl der venerisch erkrankten 
Prostituirten, falls dieselben von einem Specialarzte untersucht werden 
und macht darauf aufmerksam, dass die Control e über die Prostituirten 
stets nur Fachmännern überlassen werden darf. Die Zahl der Syphili¬ 
tischen in den letzten 4 Jahren betrug 403 (im Jahre 1S91 5*76%, 1892 
1212%, 1893 13*43%, 1894 9*96% i. An weichen Schanker litten 

durchschnittlich 2—5 u / 0 . An Gonorrhoe schliesslich 7*25—9*84%. Be¬ 
richte über die Untersuchungen der Prostituirten sind von den Frauen- 
Aerztinen Eltzina und C hol e w inskaj a publicirt und in diesem 
Archive referirt. A. Grünfeld. 

Eltzina, Mine Z. — La Prostitution ä 1 a f o i r e de N i j n i- 
Novgorod et sa reglementation. — Gazette Hebdomadairu de 
Med. et de Chir. 1894. Nr. 35. 

Mme. Eltzina berichtet über die Erfahrungen, die sie als Mit¬ 
glied einer Commision zur Ueberwaehung der Prostitution während der 
Messen in Nischni-Nowgorod, dem bedeutendsten Markte Russlands, gesam¬ 
melt hat. Durch den grossen Fremdenverkehr und das massenhafte Zuströmen 
von Prostituirten bilden diese Märkte gewissermassen ein Infectionscentrum 
für ganz Russland. — Die Controlmassregeln beginnen damit, dass die zu¬ 
gereisten Prostituirten ihren Pass bei der Polizei abgeben und sich darauf 
der Sanitätsbehörde vorstellen. Sie erhalten hier eine Karte, die mit ihrem 
Namen, einer laufenden Nummer und mit ihrer Phot ographie versehen ist. Der 
Stempel gibt das Datum des Untersuchungstages an, der auch in ein Register 
eingetragen wird. Falls die Untersuchte sieh als krank erweist, wird die 
Diagnose lateinisch auf der Karte vermerkt und die Inhaberin sofort in das 
nahe gelegene Krankenhaus überführt, wo sie kostenlos behandelt wird. Fü r 
die Uebrigen erfolgt zweimal wöchentlich eine gründliche Untersuchung 
in einem geräumigen, mit ausreichenden Nebenzimmern versehenen Local. 
Die Anwendung des Speculums ist hierbei obligatorisch für alle neu Ein - 
geschriebenen und für alle syphilitisch Erkrankten. Bei den übrigen er¬ 
folgt sie einmal wöchentlich. — Da die früher übliche Untersuchung 
eines Theils der Prostituirten in ihrer Wohnung sich wegen der oft 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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mangelhaften Licht- und llaumverhältnisse als unzureichend erwiesen 
hat. haben sich neuerdings alle ohne Ausnahme in dem Controllocal vor¬ 
zustellen. Die Untersuchung erfolgt zweimal wöchentlich und wird 
principicll auf den ganzen Körper ausgedehnt. — Schlussfolgerungen: 

1. Jeder normal lebende Mensch hat ein absolutes Recht auf Freiheit. 

2. Wer nicht normal lebt, und, mit oder ohne Absicht, die Gesundheit 
seines Nächsten zu schädigen beginnt, muss wie ein schwaches oder un¬ 
zurechnungsfähiges Wesen überwacht werden. Dieser Fall liegt vor bei 
den Prostituirten und denjenigen ihrer männlichen Besucher, die krank 
sind. Daraus folgt: 3. Die Nothvvendigkeit einer Ueberwachung der Pro¬ 
stituirten und ihrer Besucher. — 4. Die Abschaffung der obligatorischen 
Controle befördert die Ausbreitung der Syphilis. — Ferner: Die Unter¬ 
suchung ist ausschliesslich durch Syphilidologen, am besten durch weibliche 
Aerzte, auszuführen. Die richtige Technik der Untersuchung ist wichtiger 
als ihre Häufigkeit. Polizeiliche Intervention ist möglichst zu vermeiden. 
Die Besucher sollten sich stets die Karte vorzeigen lassen. G ii n s b u r g. 

Cholewinskaja, M. M. Bericht über die Besichtigung der 
Prostituirten auf dem Sam ok ater B e o ba c h t u n gs pun c t e 
der Messe zu N i schn i -No wgorod pro 1898. Wratsch, 1894, 
Nr. 17, p. 487—49i. Russisch. 

Die Zahl der während der Messe beobachteten Prostituirten (vom 
15. Juli bis zum 8. September) beträgt nach Cholewinskaja 805. Von 
diesen wurden als Kranke erkannt. 26o. In Procent zahlen ausgesprochen, litten 
an Syphilis 14.78%» an Ulcus molle 5.83%» an Gonorrhoe 6.58% und an 
anderen Erkrankungen 9.81%. — Der Bericht illustrirt zugleich, wie mangel¬ 
haft noch die Beobachtung der Prostituirten auf der Weltmessc ist, da 
dieselben nicht rechtzeitig zur Beobachtung gelangen, sondern erst 
nach 2 bis 3wöchentlicher Thätigkeit. — Die Folgen für die aus allen 
Theden der Welt herkommenden Kaufleute sind zu klar. A. Grünfeld. 

Cholewinskaja, M. M. Bericht über die Untersuchung 
der Prostituirten auf dem Samokater B e o b a e h t u n g s p u n k t e 
während der Messe zu N i s c h n i - N o w g o r o d im Jahre 1894. 
Wratsch 1895, Nr. 16. und 17, p. 438—439 und 471 474. Russisch. 

Der Bericht von Cholewinskaja hat mehr inländisches Interesse 
und ist aus demselben zu ersehen, wie mangelhaft die Beobachtung 
von Seiten der Behörde geführt wird. Cholewinskaja proponirt 
daher rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen und die Beobachtung in die 
Hände des Medicinal-Departements zu übergeben, welches schon in diesem 
(1895) Jahre seine Thätigkeit beginnen soll, da im Jahre 1896 die grosse 
russische Ausstellung in Nischni-Nowgorod stattfindeu wird. 

A. Grü nfeld. 

Rasch. Ueber das Klima und die Krankheiten im 
Königreich Siam. Virchows Archiv Bd. 140. Heft 2. 1895. 

Nach einer längeren Einleitung, in der Basch sich mit der 
Schilderung des Landes und der Lebensweise der Einwohner, dann mit 
den klimatischen Verhältnissen befasst und viele, sehr interessante Mir- 


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der Syphilis. 


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theilungen macht, kommt er zu den im Königreich Siam herrschenden 
Krankheiten. Unter den Infectionskrankheiten interessirt uns zunächst 
das, was er über die Syphilis und Lepra erzählt. Vorausschicken möchte 
ich noch seine Bemerkung, dass die Polygamie in Siam in vollster Blüthe 
steht. Die Verbreitung der venerischen Krankheiten ist eine sehr grosse; 
nach R.’s Erfahrungen kommen auf 100 Kranke Siamesen 33—37 venerisch 
Erkrankte. Wie lange die Lues im Lande herrscht, ist nicht zu eruiren ; 
ihr Verlauf ist klinisch etwas anders als bei uns. Der Primäraffect stellt 
sich auffallend schnell (am 4.—5. Tage p. c.) fast ausnahmslos in der 
Form eines phagedänischen Schankers ein, der zunächst eine grosse 
Neigung zur Ausbreitung in die Tiefe zeigt, aber nach gründlicher Reini¬ 
gung des Geschwürs (ev. mit dem scharfen Löffel) und unter Jodoform¬ 
behandlung schnell heilt. Auffallend schnell treten auch die secundär- 
syphilitischen Symptome auf, denen stets das Zwischenstadiura der Bubonen 
vorausgeht. 8—14 Tage nach dem Erscheinen des Primäraffectes schwellen 
die Inguinaldrüsen an, werden schmerzhaft, und es kommt in den meisten 
Fällen zur Vereiterung, in anderen bilden sich die starken Entzündungs¬ 
erscheinungen zurück und es kommt zu einer Induration. Während des 
Bestehens der Bubonen kommen bereits Allgemeinerscheinuugen — allge¬ 
meine Drüsenschwcllung, Roseola und vor Allem sehr ausgeprägte 
Gelenkschmerzen — zum Ausbruch. Die letzteren bestehen oft mit 
Exacerbationen und Remissionen während mehrerer Jahre weiter. An¬ 
fänglich ist ausser starker Schmerzhaftigkeit in den Gelenken — bes. 
Knie- und Fussgelenke werden befallen und zwar fast stets symmetrisch, 
— nichts nachweisbar ; später treten dann oft Schwellung, Röthung und 
Exsudationen auf. Die Schmerzen sind in kühlen Morgenstunden am 
stärksten. Die Drüsenschwellung besteht nicht in einer indolenten Schwel¬ 
lung, sondern die Drüsen sind acut intumescirt und fühlen sich eher weich 
als hart an. Zu den Gelenkschraerzen gesellen sich dann die Knochen- 
affectionen — diffuse Schmerzen in den Knochen bes. im Sternum, Tibia 
und Ulna. Dazu stellt sich in den meisten Fällen eine specifische Bronchitis 
ein, die auf Darreichung von Jodkalium verschwindet. Sehr schnell — 
schon im Verlaufe von 2 Monaten — kommt es bei ungenügender Behand¬ 
lung zu schwerer Kachexie, die allerdings durch den Gebrauch von Jod¬ 
kalium schnell wieder gehoben wird. Hautsyphilide sind sehr viel seltener 
las in Europa; sehr selten sah der Verf. Lues des Centralnervensystems. 
Was die Behandlung anlangt, so erwähnt R. nur das Jodkalium, das eine 
sehr glänzende, viel energischere Wirksamkeit zeigt als in Europa und 
viel besser vertragen wird. R. fasst seine Ansichten über die Syphilis in 
den Tropen in folgende 3 Sätze zusammen : 1. Das syphilitische Virus schafft 
sich schneller eine Eingangspforte und dringt schneller in den Körper 
ein. 2. Die Allgemeininfection kommt in viel kürzerer Zeit zustande 
a ls in Europa. 3. Der Verlauf der Erkrankung ist stets ein viel acuterer 
als in Europa. Lasch. 


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Buehanzeig’en und Besprechungen. 


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Merget, A. Mercure. Action physiologi<iue, toxique et therapeu- 
ticjue. Bordeaux et Paris. 1894. 402 Seiten. 

Besprochen von Prof. J. Jadassohn in Bern. 

Ich glaube die Verpflichtung zu haben, auch jetzt noch — 
trotzdem schon über 2 Jahre seit dem Erscheinen verflossen sind 
— die Fachkollegen auf ein Buch aufmerksam zu machen, das unser 
Interesse in hohem Grade verdient. Der Verf. ist vor der Druck¬ 
legung des Werkes gestorben; Bordier und Gas säet haben 
die Herausgabe besorgt. Von den Bestrebungen Merget’s, die 
Syphilis durch Quecksilber in Dampfform zu behandeln, ist in 
diesem Archiv einmal (Bd. XXXI p. 302) kurz berichtet worden. 
Es ist aber bei dem praktischen und theoretischen Interesse, das 
diese Frage besonders auch durch die Bestrebungen We 1 an d e r’s 
die „Ueberstreichungsbehandlung“ einzuftihren gewonnen hat, noth- 
wendig die monographische Bearbeitung, welche Merget der 
Wirkung des Mercur, besonders des dampfförmigen auf Grund 
zahlreicher, eigener Untersuchungen und eingehender historischer 
Studien gewidmet hat, Jedem, der sich auf diesem Gebiete genauer 
orientiron oder selbst bethätigen will, dringend zu empfehlen. 

Es ist nicht möglich, im Kabinen dieser Besprechung auch 
nur einen kleinen Theil des thatsüchlichen Materials wiederzugeben, 
das der Verf. vervverthet hat. 

Nur das Wichtigste sei kurz hervorgehoben: Die grosse Fä¬ 
higkeit des 11g zu Ditlussion durch gasförmige wie durch flüssige 
Medien wird eingehend studirt; für den Nachweis der Ilg-Dämpfe 
in »Spuren wird der Gebrauch von „reactiven Papieren“ speciell 
mit ammoniakalisciier Argentum nitricum-Lösung; zur Auffindung des 
Hg in Flüssigkeiten und Geweben die Zerstörung der organischen 
Substanzen mit heisser Salpetersäure, Präcipitirung auf Kupfer. 
Nachweis mittels des „empfindlichen Papiers“ empfohlen. (Alle 
Details siehe im Original.) Die toxische Wirkung reiner Ilg-Diimpfe 
bei niedrigerer Temperatur, als die der Versuchsthicre es ist, wird 
an verschiedenen Thiergattnngen experimentell erwiesen ; sie findet 
ausschliesslich durch die Respirationswege statt; continuirliche 
Einnthmung mit Hg-Dämpfen gesättigter Luft tödtet die Thiere 


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Bucbauzeigen und Besprechungen. 


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sicher und zwar um so schneller, je kleiner sie sind; dem Tode 
gehen nur nervöse Symptome vorher; die anderen Organe bleiben 
bei dieser Art Intoxication vollständig frei, trotzdem Hg in ihnen 
allen und zwar in sehr verschiedener Menge — am meisten in den 
Nieren, dann in Leber, Lungen, Gehirn etc. — nachzuweisen ist; 
die Nervenerscheinungen machen sich bei den höheren Thieren 
sehr spät und langsam geltend; sie heilen, wenn man die Hg-Dämpfe 
fortlässt. Nicht mit Hg gesättigte Luft ist nicht toxisch; ebenso¬ 
wenig tritt die toxische Wirkung ein, wenn die Hg-Dämpfe nur 
discontinuirlich zugeführt werden. 

Dagegen wirken diese bei höherer Temperatur und der 
Staub des Metalles oder seiner Verbindungen, indem sie zu einer 
acuten Intoxication (mit Stomatitis, Lungen- und Darmerscheinun¬ 
gen etc.) führen; die Bedeutung dieser Erfahrungen für die Hygiene 
der mit Hg beschäftigten Arbeiter liegt auf der Hand. 

Die Hg Dämpfe dringen nach Mer ge t — entgegen der viel¬ 
fach vertretenen Anschauung, dass sie sich zunächst in Sublimat etc. 
umwandeln — mechanisch durch das Lungenepithel in das Blut 
und mit diesem in alle Theile des Körpers, ohne dass sie ihren 
„metallischen Zustand“ verlieren. In dieser Form, „en nature“ wirkt 
das Hg auch auf die Syphilis. Die Einreibungen führen, wie M. 
durch eigene Experimente zeigt, nur durch die Respiration zur 
Resorption des Hg; gesunde Haut wird vom Hg weder in unver¬ 
ändertem Zustande noch nach irgendwelcher Modification durch¬ 
drungen. Auf Grund dieser Anschauung schlägt der Verf. vor, die 
Frictionen aufzugeben und statt deren die Einathmung von Hg- 
Dämpfen einzuführen. Er benützt Flanell, den er zuerst in saures 
Hg Nitrat und dann in Ammoniakwasser eintaucht — das Hg ist 
auf diesen Flanellen sehr fein vertheilt; man lässt dieselben in der 
Nacht um den Hals tragen oder fixirt sie unter der Leinwand des 
Kopfkissens; von der Wirksamkeit dieser Methode hat sich nicht 
nur der Verf. selbst, sondern auch Ri viere und Frßzouls über¬ 
zeugt; dieselbe bringt nie Stomatitis oder Salivation hervor — 
eine Thatsache, die um so auffallender ist, als Merget bei sich 
selbst über 3 Monate hindurch bei Anwendung dieser Methode 
(zum Theil Tag und Nacht) die tägliche Ausscheidung von 6—9 Mgr. 
Hg (in Urin und Faeces) constatirt hat; nur wenn die Hg-Dämpfe 
bei höherer Temperatur (z. B. in der Achselhöhle) entwickelt 


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Biichanzeigcn und Besprechungen. 


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werden, kommt eine Stomatitis zu Stande. Die Hg-Präparate, welche 
per os oder subcutan in grossen Dosen eingeftihrt werden, wirken 
alle dadurch, dass sie in Hg reducirt werden; die localen Reiz¬ 
wirkungen der Hg-Präparate führt M. auf die Säuren zurück, welche 
mit ihnen verbunden sind oder welche durch ihre Reduction frei 
werden; ihre Allgemeinwirkungen beruhen auf der Absorption der 
Chloralbuminate oder der der „Oxydalbuminates hydrargyro-alcalins“, 
welche das Haemoglobin frei machen. 

In schwachen Dosen und lange Zeit angewendet bringen die 
Mercurpräpafate nervöse Symptome speciell das Hg Zittern hervor 
— dieser chronische Mercurialismus ist dem „professionellen“ ganz 
gleich. Schliesslich betont Merget auf Grund seiner literarischen 
Studien und speciell gestützt auf die bekannten K u s s m au rachen 
Angaben, dass die Mercurialisirung durch Hg-Dämpfe (aber nur 
diese!) vor Syphilis-Infection schützt. (Er drückt sich in dieser 
Beziehung allerdings wesentlich zuversichtlicher aus, als Kuss¬ 
maul, welcher ausdrücklich nur eine „beschränkte Immunität der 
Queeksilberarbeiter, falls sie mercurialisirt sind“, annahm.) 

Aus diesen kurzen Bemerkungen geht wohl zur Genüge her¬ 
vor, wie viel Belehrung und Stoff — auch zu Nachuntersuchungen 
der neuen Anschauungen des Verfassers, deren Kritik hier nicht 
versucht werden sollte — in dem sehr anregend geschriebenen 
Buche zu finden ist. 

Berdal, Henri. Traite pratique des maladies veneriennes. Paris. 

A. Malovine. 1897. 679 Seiten. 

Besprochen von Prof. J. Judassohn in Bern. 

Ein neues Lehrbuch bedarf immer in einem gewissen Umfang 
der Entschuldigung; denn wenn schon ältere vorhanden sind, die 
gutes leisten, wozu em neues schreiben? In seinem empfehlenden 
Vorworte zu dein Buche Berdal’s gibt Tenne son als Grund 
für die Abfassung des neuen Werkes an: Die Wissenschaft mar- 
schirt so schnell, dass die neuesten Bücher schon nicht mehr auf 
der Höhe stehen. Das Buch Berdal’s ist nun in der That ganz 
modern, und zwar im besten Sinne des Wortes; denn es vernach¬ 
lässigt das Altbewährte nicht, aber es bringt alles Wesentliche, 
was in den letzten Jahren auf dem Gebiete der venerischen Krank¬ 
heiten geleistet worden ist und es betont doch diese neuen Er- 


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Bucbanzeigen und Besprechungen. 


157 


rungenschaften nicht in so ungerechter unhistorischer Weise, wie 
das manchmal grade in Büchern junger Autoren zu finden ist. 

In dem vorliegenden Bande — ein zweiter Uber Syphilis soll 
folgen — werden die Gonorrhoe, die „venerischen nicht syphili¬ 
tischen Ulcerationen der Genitalien“ und die „paravenerischen 
Affectionen“ behandelt. Auf die klinische Darstellung und auf die 
Therapie wird das Hauptgewicht gelegt; sowohl die Symptome der 
einzelnen Affectionen, wie die Differentialdiagnose werden in sehr 
detaillirter Weise erörtert; in dieser Art der klinischen Klein¬ 
malerei excelliren ja gerade unsere französischen Collegen; sie 
legen mit Recht grossen Werth auf die Schilderung auch der 
scheinbar unwesentlichen Dinge, welche gewiss dem Erfahrenen 
oft Überflüssig erscheint, es aber für den Lernenden ganz und 
gar nicht ist. Dabei schützt auch in dem B e r d a I ’sclien Buche 
die übersichtliche Disposition und die Recapitulation des Wesent¬ 
lichen in Form von Thesen den Leser davor, dass er über dem 
Detail die grösseren Gesichtspunkte vergisst. Besonders in der 
Therapie kann ein Lehrbuch kaum zu eingehend sein — wenn 
man sieht, wie oft aus an sich vortrefflichen Vorschriften in der 
Hand des Nicht-Erfahrenen (freilich auch leider allzuoft des Nicht- 
Denkenden) etwas Unnützes, ja Schädliches wird, wird man die 
bei der Lectüre wohl etwas ermüdende Breite in der Darstellung 
der Therapie im Interesse der Lernenden und der Leidenden dank¬ 
bar begrtls8en. Die Darstellung ist überall klar, die beigegebenen 
Abbildungen zwar nicht sehr zahlreich, aber doch zur Illustration 
der praktisch wichtigsten Dinge ausreichend, wenngleich die Aus¬ 
führung nur mässigen Ansprüchen genügt. 

Was den Inhalt des Werkes selbst angeht, so ist derselbe 
m. E. ein erfreuliches Zeichen dafür, wie sehr durch die Zunahme 
des internationalen wissenschaftlichen Verkehrs die Differenzen der 
„Schulen“ abgenommen haben. Die Gonorrhoe wird vom streng 
bakteriologischen Standpunkte aus abgehandelt; auch die des Weibes 
und die des Auges, welche sonst in den Büchern der Sypliilido- 
logen meist zu kurz kommen, werden eingehend geschildert; der 
Rheumatismus wird ausführlich, die „seltenen Complieationen“entspre- 
chend ihrer geringeren praktischen Bedeutung ganz kurz abgehandelt. 

Unter den nicht-syphilitischen venerischen Ulcerationen nimmt 
die erste Stelle natürlich das Ulcus molle ein. Der Verfasser er- 


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158 


Buchanzeigen und Besprechungen. 


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kennt den Ducrey’echen Bacillus an und bespricht die Methoden 
seines Nachweises, dem er eine grosse praktische Bedeutung zu¬ 
erkennt; die Darstellung der Varietäten des weichen Schankers 
und seine Differentialdiagnose ist sehr gut gelungen. Bei den Bu¬ 
bonen sind die neueren Arbeiten, welche die Bedeutung der Misch- 
infection mit pyogenen Mikroorganismen so sehr herabgemindert 
haben, noch nicht berücksichtigt. Ein eigenes Capitel, dessen Aus¬ 
führlichkeit dnrch das Interesse des Vaters für sein Kind entschuldigt 
ist, wird der „Balanoposthite 6rosive circinie“ gewidmet, die 
B er dal im Verein mit Bataille beschrieben und als eigene 
specifische Infectionskrankheit aufgefasst hat (cf. dieses Archiv 1890 
p. <568). Die diesem Capitel beigegebenen Abbildungen illustriren 
die Resultate, welche mit der Inoculation dieser Affection in Serien 
erzielt worden sind, in sehr anschaulicher Weise; die Affection, 
deren klinische Eigenart der Ref. ohne Weiteres zugeben möchte, 
scheint in Paris häufiger zu sein, als in Deutschland. Für weniger 
scharf charakterisirt halte ich die „Balanite pustulo-ulcöreuse“ Du 
C a s t e 1 ’s. 

Unter dem Namen der „paravenerischen Affectionen“ fasst 
Be rdal den HerpeB genitalis, die Vegetationen Phimose und 
Paraphimose, Phthiriasis und Scabies zusammen. Es ist gewiss 
richtig, dass eine Darstellung dieser Krankheiten in einem Lehrbuch 
der Venereologie nicht fehlen darf. Ein sehr ausführliches „Formu- 
laire“ schliesst den ersten Theil des Werkes. Auch wo man von 
den Anschauungen Berdal’s abweicht — und der Ref. gesteht, 
dass das in manchen Punkten bei ihm der Fall ist—muss man der 
unparteiischen Darstellung seine Anerkennung zollen. B. empfiehlt 
die abortive Methode der Gonorrhoe-Behandlung nur für die aller¬ 
ersten Stadien der Infection (mit ganz schwachen Lösungen von 
Kali hypermanganic.) und bricht eine Lanze für die classische 
„methodische Behandlung der Gonorrhoe“; er vermeidet die 
wirklich locale Therapie der acuten Gonorrhoe bei der Frau; er 
ätzt das Ulcus molle mit Chlorzink etc. etc. Da aber überall die 
verschiedenen Anschauungen ausführlich wiedergegeben Bind, tliun 
solche Abweichungen von dem, was uns als das empfehlens- 
wertheste erscheint, dem Werthe des Buches keinerlei Eintrag. 
Dasselbe kann somit warm empfohlen werden. 


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Buchanzeigen und Besprechungen. 


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Bergmann, Dr. Ad. von. Die Lepra. Deutsche Chirurgie. Lie¬ 
ferung 10 b . Stuttgart. Verlag von F. Enke 1897. 

Angezeigt von Prof. Doutrelepont in Bonn. 

Zu passender Zeit, in welcher die Leprafragen wieder leb¬ 
hafter discntirt werden, neue Lepraherde auftauchen und immer 
mehr einzelne Leprafölle von Gegenden, wo der Aussatz endemisch 
vorkommt, importirt in Europa beobachtet werden, erscheint dieses 
Buch. In 112 Seiten gibt uns der Verfasser, ein erfahrener Lepra¬ 
forscher und Direktor des Leprosoriums zu Riga, einen vollstän¬ 
digen Ueberblick Uber die einzelnen Fragen, welche sich auf Lepra 
beziehen. 

Nach einem Literaturverzeichniss, welches die letzten 10 Jahre 
umfasst, hinsichtlich der älteren Arbeiten wird aufLeloir’s Traite 
de la Lepre verwiesen, gibt von Bergmann einen genauen Be¬ 
richt über die Geschichte und die geographische Verbreitung der 
Lepra. Im 2. Capitel folgt die Aetiologie, wobei alle bezüglichen 
Ansichten genau, kurz und klar besprochen werden; besonders die 
Ansichten der Vertreter der Contagiosität und ihrer Gegner werden 
sorgfältig aufgezählt und erwogen, die Thatsachen, welche fUr oder 
gegen die einzelnen Ansichten aus der Literatur herangezogen 
werden können, scharf und klar gegeniibergestellt, wobei der Autor 
selbst sich als Anhänger der Contagiositätslehre bekennt. Die 
Fälle, welche zur Entscheidung der Incubationszeit des Aussatzes 
dienen können, werden aufgeflihrt. Der Verfasser nimmt einen Primär- 
affect, welcher bald nach der Infection auftritt, dem aber nur nach 
mehreren Jahren die allgemeinen Symptome folgen, an und ver¬ 
gleicht dieses initiale Infiltrat der Lepra mit der Initialsklerose der 
Lues, gibt aber an, dass durch die Exstirpation desselben der 
Ausbruch der Allgemeinsymptome nicht zu verhindern ist, was 
direct -dagegen spricht, dass die Entstehung der Lepra ein aus¬ 
schliesslich localer Vorgang sei. In demselben Capitel werden die 
Prodrome der Krankheit ausführlich behandelt. Das 4. Capitel ist 
dem Leprabacillus und der pathologischen Anatomie gewidmet; die 
bis jetzt vergeblichen ZUchtungsversuche und die negativen Re¬ 
sultate der Versuche die Lepra auf Thiere zu Übertragen finden 
ihre Aufzählung und Beurtheilung. Bei der Besprechung der Ver¬ 
breitung des Leprabacillus in den verschiedensten Organen erklärt 


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IGO ßudiunzeigen und Besprechungen. 

der Verf. die Erkrankung der Lungen und des Darmes bei Lepra 
für noch nicht sicher entschieden und behauptet, dass trotz regel- 
mä88 : ger Erkrankung der Nieren der Bacillus nicht aufzufinden ist. 
Dagegen möchte ich hervorheben, dass die Bacillen in den Nieren 
häufiger gefunden worden sind, dass die lepröse Erkrankung der 
Lungen auch von Hansen nach den Befunden von Dr. Lie und 
von uns zugegeben wird (cf. A. Hansen, Leprosy Medical Annual 
1897) und dass in dem Falle, welchen ich mit Wolters be¬ 
schrieben habe, nicht allein eine deutliche rem lepröse Erkrankung 
der Lungen und Nieren constatirt wurde, sondern zum ersten Male 
auch der Darm eine sichere Erkrankung an Lepra mit zahlreichen 
charakteristischen Leprabacillen aufwies (dieses Archiv Bd. 34, 
p. 55). In diesem Aufsatze finden sich auch die früheren Nach¬ 
weise von Leprabacillen in Nieren und Lungen aufgeführt. Iin 
5. und 6. Cap. bespricht v. B. die Symptomatologie und den Ver¬ 
lauf der Lepra in ihren beiden Formen der Lepra tuberosa und 
Lepra nervorum. Das 7. Capilel handelt von der Diagnose und 
Differentialdiagnose, alle Erkrankungen, welche mit der Lepra 
verwechselt werden könnten, bespricht der Verf. eingehend und 
hebt klar die Differentialraomente hervor, gegenüber der Tubercu- 
lose, Lues, Erythema exsudativum, Herpes, Ekzem, Atrophia cutis 
und Pigmenterkrankungen. Auf das Verhältniss der Syringomyelie 
und der Morvan’sclien Krankheit geht v. B. dann noch aus¬ 
führlicher ein, da diese Krankheiten in letzter Zeit besonders von 
Zambaco zu der Lepra gerechnet werden, wogegen der Verf. 
sich entschieden ausspricht. 

Im letzten Cap., welches die Therapie behandelt, wird gegen 
die Verbreitung der Krankheit hauptsächlich die Isolirung der 
Kranken empfohlen, v. B. schliesst, leider mit Recht, dieses Cap. 
mit der traurigen Erkenntniss, dass wir in der radicalen Heilung 
des Leidens es nicht weiter gebracht haben, wie früher, dass wir 
aber durch die Massnahmen unserer Therapie im Stande sind, die 
Leiden dieser wahrhaft Unglücklichen zu mildern. 

Am Schlüsse des Werkes folgen 7 schöne Tafeln, die erste 
gibt histologische Bilder der Lepra, die anderen 6 sind Rcpro- 
ductionen von guten Porträts leprös Erkrankter. Wir können dieses 
Buch nur recht warm dem Studium empfehlen. 


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Archiv f. Dermatol, u. Sypliil. Baud XXXIX. 


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Aus der königl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrank¬ 
heiten des Herrn Q-eheimrath Prof. Z)r. Doutrelepont zu Bo nn. 


Ueber locale Veränderungen nach intra- 
musculärer Injection von Hydrargyrum 

salicylicum. 

Von 

Dr. Max Wolters, 

Privatdocenten für Dermatologie, I. Assistenzarzt der kgl. dermatol. Universitätsklinik 

zu Bonn. 

(Hierzu Taf. VII u. VIII.) 


Durch den Tod eines, kurze Zeit in der Klinik wegen 
Syphilis behandelten Patienten bot sich mir Gelegenheit zu 
weiteren Studien über die Einwirkung intramuskulärer Injec- 
tionen von unlöslichen Quecksilbersalzen. Die Verhältnisse 
lagen in diesem zweiten Falle ungleich günstiger als in dem 
von mir beobachteten und in diesem Archiv Band XXU mit- 
getheilten ersten Falle. Der Patient war noch nicht vorher 
durch Injectionen behandelt worden; es wurden nur im Ganzen 
6 Einspritzungen gemacht, und zwischen der letzten und der 
Zeit des Ablebens lagen nur 3 Monate. Die Injectionsherde 
kamen daher früher zur Untersuchung, lagen räumlich getrennt 
und waren nicht, wie im ersten Falle durch neue, in dieselbe 
Stelle gemachte Injectionen in ihrem Aussehen verändert. 
Kurz, es fanden sich die Herde isolirt in der Musculatur vor 
und boten das ungetrübte Bild der Veränderungen dar, wie 
sie nach 3 Monaten sich entwickelt hatten. 

Auch in diesem Falle waren an der Leiche die Injec- 
tionsstellen, wenn auch nicht so drastisch wie im ersten Falle, 
durch kleine Knoten in der Tiefe markirt. Dieser Umstand 
verhalf mir Mangels stärkerer Veränderungen zur Auffindung 
der Herde. 

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164 


W olters. 


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Dass überhaupt die alten Injectionsstellen noch monate¬ 
lang in der Tiefe als kleine rundliche Knoten und Resistenzen 
zu fühlen sind, habe ich in meiner ersten Mittheilung aus¬ 
drücklich erwähnt. Es ist dies auch in den Berichten über 
die Lnjectionstherapie, sowie in der anschliessenden Discussion 
in der französischen Gesellschaft für Dermatologie letzthin 
von verschiedenen Seiten bestätigt worden. 

Dass subjective Beschwerden beim Auftreten derartiger 
Infiltrate ebenso wie ihre Grösse und die Zeit ihres Bestehens 
individuell variiren, und bis zum gewissen Grade mit der An¬ 
zahl der Injectionen im Verhältniss stehen, ist für mich zwei¬ 
fellos, ebenso wie, dass Infiltrate leichter bei Frauen, wohl 
wegen der stärkeren Adipositas, gefunden werden. Es darf 
daher nicht Wunder nehmen, wenn, wie in meinem ersten 
Falle, nach 62 Injectionen noch nach 1 Jahre Infiltrate zu 
fühlen waren. 

Es ist meines Erachtens dieser Fall für die grosse Zahl 
der Injectionen in seinem Befunde als typisch anzusehen. 

Aber auch nach einer geringeren Anzahl von Injectionen 
ist es sicherlich die Regel, dass sich nach (5—7 Monaten noch, 
bei genauer Palpation vereinzelte Infiltrate durchfühlen lassen. 
Ich habe darauf in letzter Zeit noch ganz besonders geachtet. 
Kommen nun, wie in meinem ersten Falle im Laufe der Jahre 
immer neue Herde dazu, die, wie erwiesen, mit bindegew'ebiger 
Schwiele heilen, so ist es natürlich, dass sich Conglomerate 
von Infiltraten, Verhärtungen bilden, die dann ohne Mühe zu 
fühlen sind. Somit muss es als typisch angesehen werden, 
dass bei zahlreichen Injectionen leicht palpabele Knoten in 
den Glutaeen Zurückbleiben, bei weniger zahlreichen, einzelne 
schwerer durchzufühlende. Ich kann daher den zuerst ver¬ 
öffentlichten Fall nicht als selten oder ungewöhnlich bezeichen, 
wie Jadossohn ihn in seinem Referate über meine Mitthei¬ 
lung 1 ) angesehen wissen will. Zahlreiche Injectionen bedingen 
eben noch auf Jahre hinaus fühlbare Infiltrate. 

Die Krankengeschichte des zweiten von mir untersuchten 
Patienten ist kurz folgende: 


’) Centralblatt für Chirurgie. 1806. Nr. 15. 


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Ueber loyale Veränderungen nach intramusculärer Injection. 165 


K. J., 24 Jahre alt aus W. 

Patient stammt aus einer gesunden, nicht belasteten Familie; spe- 
ciell lässt sich von Syphilis, Tuberculose oder nervösen Erkrankungen in 
der Ascendenz Nichts nachweisen. Der Kranke selbst gibt an, früher immer 
gesund und bis zu seiner jetzigen Erkrankung nie leidend gewesen zu 
sein. Gegen Ende August 1895, ungefähr 5 Tage post Coitura, soll im 
Sulcus coronorius, auf der Glans und auf dem Dorsum penis eine Reihe 
von Geschwüren aufgetreten sein, die unter Anwendung von Jodoform 
rasch verheilten. Da einige derselben leicht indurirte Narben hinter- 
liessen, und weiterhin regionäre Lymphdriisenschwellungen auftraten, so 
wurde vom behandelnden Arzte eine Inunctionscur eingeleitet und 
114 Gr. Unguent einer, verbraucht. 

Nach 5 wöchentlicher Cur traten Paresen in Armen und Beinen 
auf, Paraesthesien, Doppelsehen, Sprachstörungen, weshalb die Quecksilber¬ 
behandlung aufgegeben wurde. Doppelsehen sowie Sprachstörung ging 
zurück, dagegen schwanden die Paresen nicht völlig und es stellten sich 
vorübergehend sogar Störungen in der Uriuentleerung ein. 

Da sich bald darauf sehr ausgedehnte Secundaria einstellten, liess 
sich der Kranke am 8. October in die Klinik aufnehmen. Die nervösen 
Symptome waren noch in geringem Grade vorhanden. 

Der gut genährte Kranke von mittlerer Grösse zeigt keine Stö¬ 
rungen des Allgemeinbefindeus, kein Fieber, keine Veränderungen in 
Herz und Lungenthätigkeit; Urin frei von Zucker und Eiweiss. 

Auf der Glans penis, nahe dem Orificium urethrae ein beinahe ver¬ 
heiltes Geschwür mit massig indurirtem Grunde: auf dem Dorsum penis 
und im Sulcus coronarius je eine linsengrosse indurirte Narbe. Es findet 
sich weiterhin indolente Drüsenschwellung am ganzen Körper, diffuse 
Alopecia massigen Grades. 

Auf dem Kopfe finden sich nässende Papeln, ebenso wie am rechten 
Nasenflügel, ausgesprochen maculöses Exanthem, besonders auf Brust und 
Bauch. Ziemlich starke Plaques auf den Tonsillen. 

Es findet sich weiterhin noch eine leichte Atrophie in der Mus- 
culatur der Extremitäten, Schwäche in der Rumpfmusculatur und Herab¬ 
setzung der Empfindlichkeit als Reste der früher vorhanden gewesenen 
Symptome vor. Unter Injectionen von 10°/ 0 Hydrargyrum salicylicum Sus¬ 
pension, 0.06 jeden 3. bis 4. Tag schwanden die luetischen Er¬ 
scheinungen sehr rasch, so dass nach 6 Injectionen Nichts mehr davon 
nachweislich war. Gleichzeitig aber damit nahm die Mattigkeit und Schlaff¬ 
heit des Kranken zu, Taubsein der Extremitäten trat ein, und liess eine 
weitere Verabreichung von Hydrargyrum unthunlicherscheinen. Es wurde 
Kalijodatlösung verordnet und täglich 2—3 Gramm genommen. Gleich¬ 
wohl nahmen die nervösen Symptome nicht ab. Es bildete sich ziemlich 
rasch schlaffe Lähmung und Hypaesthesie an den Extremitätenden 
aus, Sehnenreflexe fehlten; des weiteren traten partielle Entartungsreac- 
tion und fibrilläre Zuckungen auf. Dazu kamen Störungen in der Urinent¬ 
leerung, Schwäche der Rumpfmusculatur und Herabsetzung der Empfind- 


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Wo 11 e r s. 


106 

lichkeit am ganzen Rumpf. Der Patient wurde zur weiteren Behandlung 
auf die medicinische Klinik verlegt, wo die Diagnose Polyneuritis be¬ 
stätigt wurde. 

Audi mikroskopisch ist dann nach dem 3 Monate später 
erfolgten Tode von Brauer 1 ) diese Diagnose sichergestellt 
worden, wobei er allerdings im Zweifel lässt, ob Lues oder 
Quecksilber oder eventuell beides zusammen die Affection be¬ 
dingt habe. Herr Dr.Brauer wird auf die Sache noch genauer 
in einer grösseren Publication eingehen, für das vorliegende 
Thema ist nur eines noch von Interesse, dass nämlich an der 
Musculatur des Körpers Veränderungen sich nicht haben nacli- 
weisen lassen. Es fällt damit der Einwand, dass es sich bei 
den später zu beschreibenden Befunden um Einwirkung der 
nervösen Erkrankung habe handeln können. Der Sectionsbe- 
fund ergab, das centrale und periphere Nervensystem abge¬ 
rechnet, Nichts von Bedeutung. Eiir mich kam es vor Allem 
darauf an, die Stellen in der Glutaealmusculatur aufzufinden, 
wo die Injectionsmassen deponirt waren. Durch genaue Pal¬ 
pation gelang es ohne grosse Mühe, und wurden die Stellen 
mit intacter Musculatur der Umgebung herausgenommen, und 
zwar aus äusseren Gründen nur aus der linken Gluaealmuseu- 
latur. Die Muskelstücke wurden in M ii 11 e r'scher Flüssigkeit 
gehärtet. Es fanden sich nun, nicht wie im ersten Falle nach 
Entfernung der Haut derbe spindelförmige Herde von mehr 
oder weniger glasig transparentem Aussehen, sondern es 
Hessen sich in dem Musculus glutaeus max. und medius längliche, 
mehr diffuse Härten durch die Palpation uachweisen, die aller¬ 
dings auf dem Querschnitte etwas glasiges Aussehen darboteu. 
Solcher Infiltrate wurden entsprechend der Zahl der Injectionen 
nur 3 gefunden, was die Annahme, dass wir die Injectionsstellen 
vor uns hatten, noch bestätigte. Die spätere genaue mikro¬ 
skopische Untersuchung erwies diese Auffassung als völlig 
zutreffend. 

Am Querschnitte des gehärteten Präparates sieht man 
deutlich zwischen den Muskelbündeln eines, das sich durch 
sein Aussehen von den übrigen unterscheidet. Es zeigt statt 

') WandLTversammlunjj sin!westdeutscher Xeurulogen und Irrenärzte 
lSbb. Areli. f. Psychiatrie. Bd. 28. lieft i». 


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Ueber locale Veränderungen nach intramusculärer Injection. 167 

des graugrünen gleichmässigen Farbentones ein fleckiges Aus¬ 
sehen ; auch ist es durch breitere Zwischenräume von den anderen 
Bündeln getrennt. Betrachtet man diesen quer zur Muskelaxe 
gelegten Schnitt bei Loupenvergrösserung, so zeigt sich, dass 
zwischen den normalen, compacten Muskelbäuchen einer 
eingebettet liegt, dessen Substanz durch zahlreiche, runde 
und ovale Oefinungen durchbrochen ist. Dieser veränderte 
Muskel liegt von den übrigen durch breitere Zone getrennt. 
Zur genauen Untersuchung wurden die Muskelstücke in Celloi- 
din eingebettet und geschnitten. Hämatoxylin, Carmin, 
Pikrocarmin, Triacidmischung nach B i o n d i, Orcein Färbungs¬ 
methode nach Tänzer für elastische Fasern, sowie Wei- 
gerts Methode der Fibrindarstellung wurden zur Klärung 
der Verhältnisse herangezogen. 

Ein Theil des Materiales wurde quer, das andere längs 
der Muskelfaserung gesclmitten, und von beiden Schnitt¬ 
gattungen auch Serien untersucht. An den Querschnitten zeigt 
sich nun bei schwacher Vergrösseruug, dass die ganze Masse 
des mehr central liegenden Muskelbauches verändert ist, und 
zwar erscheint nur noch ein Theil der Fasern erhalten, wäh¬ 
rend ein anderer grosser Complex zu Grunde gegangen ist und 
ersetzt wird durch ein Gewebe, dessen grosse Hohlräume und 
Maschen wir schon bei Lupenvergrösserung deutlich erkennen 
konnten. Dieses Ersatzgewebe trennt sich nicht scharf von 
der Musculatur, sondern springt hier tief in die compacteren 
Massen hinein, dort finden sich noch Muskelbündel vereinzelt 
neben den Hohlräumen vor. Zwischendurch liegen undeutlich 
und diffusgefärbte krümmelige Massen ohne bestimmten Cha¬ 
rakter. In den Uebergangsgebieten sieht man vereinzelte Ge- 
fässe mit kleineren Infiltrationsherden, deutlicher und häufiger 
in der stark verbreiterten bindegewebigen Muskelscheide. 

Bei stärkerer Vergrösserung zeigt sich nun, dass nur ein 
Theil des intact scheinenden Muskelbauches in der That intact 
war; die bindegewebigen Septen waren verbreitert, und je 
näher dem veränderten Theile erscheint fast jede Muskelfaser 
umgriffen von wucherndem kernreichen Gewebe. Nach und 
nach geht dann die Musculatur zu Grunde und man kann das 
schrittweise verfolgen an den glasig und krümmelig werdenden 


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168 


Wolters. 


Muskelschollen, die zuletzt nur noch als stärker gefärbte 
bröckelige Massen im Bindegewebe die Stelle markiren, wo die 
Faser lag. Die Kerne der Sarcolemms sind vermehrt, Neu¬ 
bildung von Muskelelementen ist nicht zu bemerken. Die 
grösseren und kleineren Hohlräume in den bindegewebig ver¬ 
änderten Muskeltheilen zeigen sich meist von Bindegewebsfasern 
begrenzt, die sehr kernreich sind. Da diese Kerne stellenweise 
als flache Gebilde der inneren Wandung der Hohlräume an- 
lagen, so konnte wiederum die Vorstellung Platz greifen, dass 
es sich um Endothel tragende Hohlräume bandelte. Schon 
höhere und tiefere Einstellung liess die Gebilde als nicht 
kugelförmige erkennen; Serienschnitte, und vor allem Längs¬ 
schnitte der Muskulatur zeigten dann, dass es sich um röhren¬ 
förmige Hohlräume handelte, in welche hinein dann wieder 
Wucherungen stattgefunden hatten. 

Bei schwacher Vergrösserung erblickt man auf einem 
solchen Längsschnitt die Musculatur, zerlegt durch eine grössere 
Anzahl von Canälen, die in ihrer Breite und Configuration 
wechselnd der Längsrichtung folgen. Diese Röhren in der 
Musculatur sind, wie man an den schwach angedeuteten Quer- 
septen erkennen kann, nicht leer, sondern werden von Gewebs- 
zügen durchkreuzt, welche das ganze Lumen in grössere und 
kleinere, mehr oder weniger gegeneinander abgeschlossene Hohl¬ 
räume thei'en, die alle eine rundliche oder ovoide Form dar¬ 
bieten, oder durch Combination solcher entstanden sind. Unter 
diesen Verhältnissen war es klar, dass auch diesmal der 
Versuch, das Canalsystem zu injiciren, fehlschlagen musste. 
Kleinere und grössere Gefässe, von massigen rundlichen Infil¬ 
trationsherden umgehen, treten an vielen Stellen deutlich vor, 
während im übrigen stärkere Anhäufung von Rundzellen fehlt. 

Bei stärkerer Vergrösserung zeigte es sich auch hier, 
dass nicht alle Muskelfasern erhalten waren, die sich bei 
schwacher Vergrösserung so erschienen. Vielfach waren nur 
noch Reste, an anderen Stellen Brockel und stärker färbbare 
Krümmel übrig geblieben, die von einem sehr kernreichen 
Gewebe breit umhüllt werden. In diesem lagen neben den 
grossen ovalen oder auch häufig stäbchenförmigen Kernen ver- • 
einzelte „Mastzellen“, sehr häufig aber Pigment führende Zellen 


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Ueber locale Veränderungen nach iatraraiisculärer Injection. 169 


und freie Pigmentschollen. Auch bei starker Vergrösserung 
konnten frischere Entzündungserscheinungeu, Rundzellenan¬ 
sammlungen, mit Ausnahme der bereits erwähnten um die 
Gefässe nicht aufgefunden werden. Leichtere Grade von 
Endarteritis waren an Venen wie Arterien fast durchweg zu 
constatiren. Wo die Muskelfasern noch in grösseren Verbänden 
zusammen liegen, ist jede von einer grossen Menge in Reihen 
liegender Perimysiumkerne begleitet. Der Kernreichthum 
nimmt noch zu, je näher die Stelle einem der geschilderten 
röhrenähnlichen Canäle liegt. Verfolgt man nun das Sarco- 
lemma, wie es oft möglich ist, in einen solchen Hohlraum 
hinein, so zeigt sich, dass dasselbe ohne Unterbrechung die 
Innenfläche desselben überzieht. Von wechselnder Dicke, und, 
wo stärker ausgebildet, fein streifig, mit denselben Ovalen 
häufig stäbchenförmigen Kernen kleidet das gleiche Gewebe 
die Canäle aus, um an anderen Stellen wieder zwischen 
degenerirten, oder auch noch erhaltenen Muskelfasern sich zu 
verlieren. Dabei spaltet sich von dem auskleidenden Gewebe 
fortwährend eine Verästelung nach der anderen ab, um als 
kernreicher Gewebszapfen in das Lumen hineinzuragen, oder 
mit einem der anderen Wandung in Verbindung getreten 
einen kleineren Hohlraum abzugrenzeu. Man kann so in ein¬ 
zelnen Stadien verfolgen, wie von den wandständigen Partien 
ein Querseptum nach dem anderen gebildet wird, wodurch 
dann der ursprüngliche Canal zu einer Reihe von hinter¬ 
einander liegenden Vacuolen wird. Es entspricht dies dem 
von mir früher schon erhobenen Befunde, (1. c. pg. 13 unten), 
dass die Vacuolen nahe der Musculatur bisweilen eine Anordnung 
in Reihen zeigen, zwischen denen Streifen von länglichen 
Kernen als Scheidewand hinziehen. Diese letzteren deutete 
ich auch damals schon als vom Pirimysium herrührend. 

An allen Stellen kann man dann erkennen, dass das ge¬ 
wucherte kernreiche Sarcolemma der einzelnen Muskelfibrillen, 
wo es einen Hohlraum begrenzt, continuirlich übergeht in das 
Gewebe, das die Vacuolen umscliliesst, und dass es auch da 
die gleiche Structur aufweist, wo augenscheinlich durch narbige 
Schrumpfung die Vacuolen dichter an einander gelagert eine 
reiheDförmige Anordnung nicht mehr deutlich erkennen lassen. 


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170 


Wolter s. 


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Es ist somit kein Zweifel, dass die im Muskel gefundenen 
Hohlräume und Canäle vom Sarkolemma ausgekleidet sind, 
dessen Kerne eine grosse Wucherung auch in den ent¬ 
fernter liegenden Theilen erfahren hab°n. Aus den vielfachen 
Zwischenstadien ergibt sich fernerhin, dass durch Wucherung 
und spätere narbige Schrumpfung des neugebildeten Gewebes 
der Ausfall an zu Grunde gegangener Musculatur gedeckt 
wird. Es wird somit nach Hg salieylicum Injection der Process 
sich in der Weise gestalten, dass mechanisch und chemisch 
eine gewisse Menge Muskelfasern zerstört werden, deren Zer- 
fallsproduete, ebenso wie ausgetretene Blutelemente, nach Ab¬ 
lauf der acutesten Entzündungserscheinungen resorbirt werden. 
Es resultiren daraus leere Sarcolemma-Schläuche oder, wo 
auch das Sarcolemma ganzer Muskelbündel zu Grunde ging, 
grössere Canäle, die von Sarkolemma ausgekleidet sind. Von 
letzterem geht dann unter starker Kernvermehrung (Kern- 
theilungsfiguren) eine Wucherung aus, welche das Minus des 
Gewebes deckt und durch spätere Schrumpfung zur definitiven 
Vernarbung bringt. Diese letzten Stadien hatte ich in dem 
zuerst von mir veröffentlichten Falle Gelegenheit zubeobachten 
und eingehend zu schildern. 

Die früher ausgesprochene Ansicht, dass der entstandene 
Defect durch Wucherung des Fettbindegewebes stattfinde, 
wurde durch meine damaligen Befunde veranlasst, die aber 
durch diese neuen Untersuchungen dahin zu ändern sind, dass 
es allein das Sarkolemma ist, welches das verlorene Gewebe 
ersetzt. Die oben geschilderte Bildung von Vacuolen, die nach 
und nach ihre Anordnung in Reihen verlieren und von weniger 
zellreichem Gewebe begrenzt erschienen, musste diese Annahme 
wahrscheinlich machen. Auch möchte ich ausdrücklich darauf 
hinweisen, dass die in den Wandungen liegenden Kerne, die 
endotheliale Auskleidungen vortäuschten, eben nur die Kerne 
des gewucherten Sarkolemmas darstellten. 

Genaue Untersuchung auf Mikroorganismen nach ver¬ 
schiedenen Methoden blieb resultatlos, auch fand sich kein 
Fibrin vor. 

Der nach 2 Methoden gemachte Versuch, in der Muscu¬ 
latur Quecksilber nachzuweisen, gelang nicht. 


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Ceber locale Veränderungen nach intramusculärer Injection. 171 


Dieser negative Befund 3 Monate nach der Injection ist 
wohl geeignet, den Vorwurf zu entkräften, dass die Depot¬ 
therapie auf lange Zeit hinaus noch Gefahren in sich berge, 
durch eventuelle plötzliche Resorption von Quecksilber aus 
alten Depots. Es findet sich nach 3 Monaten, vielleicht noch 
nach kürzerer Zeit, überhaupt kein Quecksilber mehr an den 
Injection sstellen vor, kann also auch von da aus keine ver¬ 
hängnisvolle Wirkung mehr entfalten. 

Was die Wirkung der Quecksilbereinspritzungen auf die 
Musculatur anlangt, so glaube ich, dass die neu gewonnenen 
Befunde mit dem früher Gesagten (1. c. p. 17) durchaus in 
Einklang stehen. Schon bei der Injection, oder kurz nachher 
durch die Muskelaction wird das Injectum zwischen die Mus- 
celfasern hineingetrieben und bildet so die streifenförmigen 
Herde, welche uns als Canäle späterhin zu Gesicht kommen. 
Wie weit dabei mechanische oder chemische Factoren bethei¬ 
ligt sind, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen, doch scheint 
der gleichmässige Befund der Canäle ohne centrale Zerfallshöhle 
bei dem Hydrargyrum salicylicum wenigstens mehr für ein 
Ueberwiegen der letzteren zu sprechen, und zwar für eine 
langsame, nicht stürmische Umsetzung des injicirten Präparates. 
Anders scheint es bei dem Calomel von dem fast allgemein, 
letzthin von Juillien, *) betont wurde, dass an der Injections- 
stelle ein acuter und heftiger Zerfall zur Höhlenbildung führt. 

') Annales VII. Febi. 1896 p. 174. 


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172 


Wo 1 terö. 


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Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII u. VIII. 

1. Querschnitt der Muskulatur. In der Mitte und nach oben der 
veränderte Muskelbauch mit den quer getroffenen Canälen (c) nach rechts, 
dunkel gehalten, stärker gefärbte Massen in der Muskulatur (Zerfall); 
desgl. oben im Bindegewebe mit Pigment vermischt P (Loupenvergröss.). 

2. Längsschnitt der Muskulatur. Canäle bei e. M erhaltene Muskel¬ 
fasern. g Gefässe (Loupenvergrösserung). 

3. Eine Stelle aus einem Canal des vorigen Präparates bei starker 
Vergrösserung. Auf beiden Seiten erhaltene Muskelfasern m. In dem 
Canale gewuchertes Sarcolemma (S) mit vielen Kernen, das mit dem der 
anderen Seite in Verbindung getreten ist. (A) 


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Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik von Prof. 

F. J. Pick in Prag. 


Ueber eine eigenthümliche Form multipler 
infectiöser Hautgangrän. 

Von 

Dr. Ludwig Waelsch, 

I. Assistent der Klinik. 

(Hierzu Taf. IX.) 


Am 30. April 1896 wurde auf unsere Klinik in elendem, 
leicht benommenem Zustand der 38jährige Lohgerber K. H. 
eingebracht. Die mit seiner ihn begleitenden Gattin aufgenom¬ 
mene Anamnese ergab Folgendes: 

Im Jahre 1891 wurde Patient angeblich wegen einer Magengeschwulst 
operirt. Seit dieser Zeit kränkelte er beständig; er litt an häufigen Magen¬ 
krämpfen, musste zeitweise das Bett hüten, und konnte nur mit grösseren 
Unterbrechungen seiner Arbeit nacbgehen. 

Vor 3 Wochen entstand ohne bekannte Ursache an der Haut der 
Magengegend ein brauner Fleck, auf dem sich allmälig eine Beule bildete; 
die letztere perforirte nach einigen Tagen, entleerte grünen Eiter und 
wandelte sich in ein Geschwür um. Seit dieser Zeit entwickelten 
sich fort und fort neue Beulen auf ganz gleiche Weise, die dann eben¬ 
falls aufbrachen und Geschwüre aus sich entstehen Hessen. Sie traten 
successive auf an der Haut des Bauches, der Brust, der Arme und Ober¬ 
schenkel. 

Seit den letzten 3 Wochen hustet Patient, hat grünlichen Auswurf 
und schwitzt bei Nacht. In der allerletzten Zeit traten auch starke 
Diarrhoen auf. 

Patient war bis zu seiner Erkrankung angeblich in einer Gerberei 
beschäftigt, wo er die frischen Häute, wie sie aus der Schlachtbank 
kamen, von den Haaren zu säubern und in der Moldau zu waschen hatte. 
Eine Verletzung an den Händen oder Fingern, oder eine Affection an 
denselben, die den Beulen am Stamme ähnelte, will er nie beobachtet 
haben. 

Bis auf die jetzige Affection war Patient mit Ausnahme einer im 
Alter von 4 Jahren erlittenen Verbrennung an Händen und Brust stets 


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gesund. Er ist 4 Jabre verheiratet und hat 3 gesunde Kinderj die Frau 
hat niemals abortirt. Seine Eltern, sowie ein Bruder starben an Lungen- 
tuberculose. 

Der Patient machte einen elenden, ungemein herabgekoramenen 
Eindruck. Er ist leicht benommen und kann sich nur lallend verständi¬ 
gen. Er zeigt gracilen Knochenbau, sehr schwache Musculatur, ist hoch¬ 
gradig abgemagert. Die Wangen sind stark eingesunken, die Augen 
hallonirt. Die Inspection der Mundhöhle sowie des Rachens ergibt nichts 
Abnormes. — Der Hals lang, schmal, die Halslymphdrüsen nicht ver- 
grössert. 

An der Haut des Stammes, und zwar ausschliesslich der vorderen 
Brust- und Bauchwand, an den oberen Extremitäten, sowohl an der 
Streck- und Beugeseite, ferner der Streckseite der Oberschenkel finden 
sich ungemein zahlreiche Geschwüre. Dieselben sind scharfrandig, von 
rundlicher oder nierenförmiger Gestalt, 3—6 Cm. im Durchn esser. Der 
Geschwürsgrund zeigt schlaffe Granulationen, die entweder missfiirbig 
belegt, oder von eingetrockneten mit Blut untermischten Secretmassen 
bedeckt sind. Auf Druck auf die weithin unterminirten Ränder der Ge¬ 
schwüre entleert eich reichlicher dünnflüssiger, höchst übelriechender 
Eiter. Die Ränder selbst sind livide, oft bräunlich oder grünlich verfärbt. 
Die unregelmässig geformten Geschwüre lassen an ihren Rändern aus 
gegen den Geschwürsgrund einspringenden Zacken ihre Entstehung durch 
ConÜuenz benachbarter Geschwüre deutlich erkennen. Dort, wo zwei be¬ 
nachbarte Substanzverluste nahe aneinander stehen, erweisen sie sich 
nur durch eine schmale, schwarzblau verfärbte unterminirte Hautbrücke 
von einander getrennt. 

Links von der Linea alba, 4 Cm. unter dem Nabel, findet sieb eine 
blaurothe fluctuirende Erhebung von etwa Thalergrösse, von verdünnter, 
stark gespannter Haut bedeckt; daneben mehrere kleinere, oberflächliche 
Abscesse. 

Ein etwa bühnereigrosser Abscess von livider Haut überzogen 
befindet sich in der Mitte des rechten Oberschenkels, am linken Ober¬ 
schenkel mehrere wie oben beschriebene Ulcerationen, welche aber mit 
einem zwischen ihnen befindlichen Abscess communiciren, so dass sich 
auf Druck auf den letzteren grosse Mengen Eiters aus den Geschwüren 
entleeren. Die Geschwüre verbreiten einen ungemein penetranten, aashaften 
Geruch. — Im Bereiche der vorderen Brustwand erscheint die geschwürs¬ 
freie Haut weiss, verdünnt, narbig-atrophisch (Verbrennungsnarbe); im 
Hypogastrium eine vertical verlaufende, lineare, 5 Cra. lange Narbe 
(Operationsnarbe). Ueber dem Kreuzbein besteht ausgedehnter brandiger 
Decubitus. 

Von einer Untersuchung der inneren Organe des Patienten musste 
in Folge seines elenden Zustandes Abgang genommen werden. Im Harne 
fanden Bich keine abnormen Bestandteile. 

Es wurde sofort eine Untersuchung des Blutes und des Eiters vor 
genommen. 


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Ueber eine eigcnthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 175 

Die Zählung der rothen Blutkörperchen ergab 4,890.000, die der 
weissen 13.200, das Verhältniss der weissen zu den rothen 1:390; 
Fleischl : 3')%. 

Die mikroskopische Untersuchung der Blutpräparate ergab (nach 
Löffler, Gram, Gäbet) ein vollständig negatives Resultat bezüglich 
des Vorhandenseins von Mikroorganismen. 

Im Eiter der Geschwüre fanden sich grosse Mengen nach Gram 
sich färbender Diplococcen, zwischen denselben eingestreut kurze, nicht 
Gram beständige Stäbchen, sowie sehr zahlreiche rundliche, coecen- 
ähnliche Gebilde, die ebenfalls die Nachfärbung mit Vesuvin annahmen, 
und endlich fein granulirte, ebenso sich tinctoriell verhaltende, unregel¬ 
mässig gestaltete dichte Haufen. Die nach Gram sich nicht färbenden 
Bacillen landen sich dagegen fast in Reincultur neben spärlichen Gram¬ 
beständigen Diplococcen in jenen Präparaten, welche mit dem, aus den 
uneröffneten Abscessen aspirirten Eiter angefertigt worden waren. 

Mit dem Eiter, sowohl der Geschwüre, als der uneröffneten Ab- 
scesse wurden auch behufs bakteriologischer Untersuchung Platten ge¬ 
gossen. Ueber die Resultate dieser Untersuchung will ich später berichten, 
und mich vorläufig darauf beschränken, den weiteren Krankheitsverlauf 
zu schildern. 

Am Morgen des Tages nach seiner Aufnahme ist Patient fieberfrei, 
verfallt sichtlich, beständiger Singultus, das Abdomen ist stark meteoristisch 
aufgetrieben, bei Palpation schmerzhaft. Gegen Abend stellt sich unter 
zunehmender Benommenheit des Patienten leichtes Fieber (38*2°) ein. 
In der Nacht klagt Patient über sehr starke, krampfartige Schmerzen 
im Unterleib, und bat mich dringend um eine Morphium- 
injection. Die Bitte des Kranken, der ausdrücklich eine Morphium- 
injection verlangte, machte mich stutzig. Ich sah aber auch zugleich, 
dass ich es mit einem Sterbenden zu thun habe, und glaubte ihm seine 
Bitte nicht abschlagen zu können. Nach verabreichter Injection stellte 
sich unruhiger, von mussitirenden Delirien unterbrochener Schlaf ein. 

Am nächsten Morgen war der Kranke bewusstlos, uugemein collabirt, 
Temperatur 35*9°, Puls fadenförmig, kaum zu tasten, sehr frequent. Im 
Laufe des Vormittags erfolgte der Exitus. 

Die Stellung der klinischen Diagnose im vorliegenden 
Falle war eine ungemein schwierige. Es kamen alle jene Krank¬ 
heitsbilder in Betracht, welche mit ausgedehnten Ulcerationen 
der Haut einhergehen, demnach Lues. Tuberculose, Car- 
cinomatose, chronischerMilzbrand und Rotz, mul¬ 
tiple Hautgangrän, Septico-Pyohämie. 

Lues liess sich sowohl anamnestisch, als auch nach dem 
klinischen Bilde und dessen Verlauf sofort ausschliessen, ebenso 
auch Carcinose, an die wir wegen der anamnestisch erlio- 


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benen Operation einer angeblichen Magengeschwulst denken 
mussten. 

Gegen Tuberculose sprach das Aussehen der Ge¬ 
schwüre, sowie das Fehlen der Tuberkelbacillen im Eiter der 
Ulcerationen; es ergab auch die Untersuchung des eitrigen 
Sputum diesbezüglich ein negatives Resultat. 

Dagegen aber liess die Beschäftigung des Kranken mit 
frischen Thierfellen es als möglich erscheinen, dass wir es im 
vorliegenden Falle vielleicht mit einer auf den Menschen über¬ 
tragenen Zoonose zu thun hätten. 

Milzbrandbacillen oder überhaupt Grambeständige Ba¬ 
cillen konnten wir aber im Eiter oder Abscesse der Geschwüre 
nicht nachweisen; ebenso sprach auch das Aussehen der Ab¬ 
scesse und Geschwüre, sowie der ganze Verlauf der Erkrankung 
nicht für diese Diagnose. Dagegen liess uns der Beruf des 
Kranken, zusammengehalten mit dem Befunde von nach Gram 
sich nicht färbenden Bacillen, fast in Reincultur, im Eiter un- 
eröffneter Abscesse au chronischen Malleus denken, 
gestattete uns aber doch nicht, die Diagnose diesbezüglich 
sicher zu stellen. Denn einerseits bietet das Bild des chro¬ 
nischen Hautrotzes, wie jüngst erst Buschke 1 ) wieder her¬ 
vorgehoben hat, ,,so wenig Charakteristisches, dass oft kli¬ 
nisch die Unterscheidung von syphilitischen, tuberculösen 
Geschwüren, ev. Aetinomycose der Haut einfach nicht zu machen 
ist“ und andererseits fehlten auch die charakteristischen Schleim¬ 
hauterkrankungen, und war endlich auch der Verlauf der 
Krankheit, entgegen dem bei Malleus chronicus gewöhnlichen, 
ein ungemein rapider (3 Wochen). Es genügte ferner auch 
der Befund Gram nicht beständiger Bacillen im Eiter ohne 
Zuhilfenahme der culturellen Untersuchung und des Thierex¬ 
perimentes nicht, um die Diagnose „Ilautrotz“ zu erhärten. 
— Patient lag im Ganzen 1 , / w Tage auf unserer Klinik, eine 
Zeit, die viel zu kurz war, um ein endgiltiges, einwurfsfreies 
Resultat der bakteriologischen Untersuchung zur Verfügung zu 
haben. Wir mussten demnach die Diagnose „Malleus chro¬ 
nicus“ zwar im Auge behalten, dabei aber doch noch über¬ 
legen, ob der geschilderte Symptomencomplex nicht auch noch 
in anderen Ursachen seine Erklärung linden könnte. 


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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 177 


Wir hatten es im vorliegenden Falle mit einem Indi¬ 
viduum zu thun, das durch jahrelanges, der zum Tode 
führenden Erkrankung vorausgehendes Krankenlager in seiner 
Ernährung stark heruntergekommen, schwer cachektisch ge¬ 
worden war. Es war dann an der Haut des Kranken aus 
nicht näher bekannter Ursache zur Entstehung von Infiltraten, 
pustulösen Efflorescenzen auf denselben und geschwürigem 
Zerfall der letzteren gekommen, ein Symptomencomplex, wie 
er von Simon 8 ), Eichhoff 3 ) u. A. m. bei cachectischen 
Kindern beschrieben wurde. Von den, Infectionsmaterial 
reichlich enthaltenden und der Infection auch ausgesetzten 
Abscessen und Geschwüren (s. das Resultat der mikroskopi¬ 
schen Untersuchung des Eiters), konnte es dann zu einer Pro¬ 
pagation des den Organismus schwer schädigenden Virus ge¬ 
kommen sein, so dass neben den Erscheinungen an der Haut 
das Bild einer septischen Allgemeinerkrankung entstehen 
konnte. Ausserdem liess es sich nicht von der Hand weisen, 
dass wir es umgekehrt mit einer auf nicht eruirbare Weise 
entstandenen septischen Allgemeinerkrankung zu thun hatten, 
welche durch Hinzutreten eines uns vorderhand nicht bekannten 
Virus zu ausgedehnter Hautgangrän, dem oben geschilderten 
Symptomencomplex Veranlassung gegeben hatte. 

Wir machten demnach die kliuische Diagnose: Gan- 
graena cutis multiplex cachectica, Sepsis. 

Die Section, welche im Prager deutschen pathologisch¬ 
anatomischen Institute des Herrn Professor Chiari von Herrn 
Doc. Dr. v. Wunschheim ausgeführt wurde, ergab nichts, 
was wir zur Stütze unserer Diagnose nach der einen oder 
anderen Richtung hätten verwerthen können. 

Ich hebe aus dem Protokoll nur hervor, dass sich neben 
den Erscheinungen an der Haut und klinisch nicht nach¬ 
weisbar gewesenen Muskelabscessen pathologische Verände¬ 
rungen an den Lungen vorfanden. Die r. Luuge war im 
Unterlappen leicht angewachsen, sonst frei, im rechten Pleura- 
cavum fanden sich etwa 30—40 Ccm. einer gelblichen, trüben, 
flockigen Flüssigkeit. Das Parenchym der rechten Lunge er¬ 
schien gedunsen, ziemlich substanzarm und enthielt im Unter¬ 
lappen zahlreiche, aashaft stinkende, bis taubeneigrosse colli- 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil Band XXXIX. J2 


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quescirte Zerfallsherde. Die Pleura des Unterlappens war dem¬ 
entsprechend mit zartem, fibrinösem Belage bedeckt, etwas 
missfärbig. 

Die linke Lunge war ebenfalls ira Unterlappen adhärent, das 
Parenchym derselben daselbst von schlaffer, lobulärer Ver¬ 
dichtung eingenommen, die zum Theil in Vereiterung und 
auch etwas missfarbig erschien. Aus den Bronchien beider¬ 
seits, besonders links, war reichlich schleimigeitriger Inhalt 
entleerbar. In beiden Lungenspitzen, dann auch zerstreut im 
übrigen Lungenparenchym fanden sich einzelne Herde chro¬ 
nischer, zum Theil obsoleter Tuberculose. 

Im Herzbeutel fand sich ein Esslöffel klaren Serums; 
das kleine Herz war schlaff, blass, das Herzfleisch leichter 
zerreisslich; die Herzklappen zart, an der Aorta mässige End- 
arteriitis chron. deform. In den peribronchialen Lymphdrüsen 
zeigte sich zum Theil obsolete Tuberculose. 

Die Leber war entsprechend gross, von glatter Oberfläche, 
ihr Parenchym röthlichgrau, etwas brüchiger die Milz mässig 
vergrössert, blutreich, weich. 

Die Nieren waren anämisch, sonst normal. Die Schleim¬ 
haut des harnleitenden Apparates erschien leicht geröthet; die 
Hoden waren klein, schlaff, blass. Der Magen war stark aus¬ 
gedehnt, seine Mucosa blass, am Fundus stark postmortal an- 
gedaut. Die Schleimhaut des mässig ausgedehnten Dünn- und 
Dickdarmes war ohne Besonderheiten. Pancreas und Neben¬ 
nieren erschienen nicht pathologisch verändert. 

Deckglaspräparate vom Eiter eines Hautmuskelabscesses 
erwiesen darin reichliche Grambeständige Strepto- und Sta- 
phylococcen, sowie reichliche nicht Grambeständige Bacillen. 
In Culturen von diesem Eiter wuchsen Streptococcus pyogenes 
und Staphylococcus pyogenes aureus, sowie Bacterium coli 
commune, nicht aber der Bacillus mallei. 

Die pathologisch-anatomische Diagnose lau¬ 
tete demnach: Abscessusmultiplices subcutanei et 
intramusculares cumulceratione cutis late ex- 
tensa. Bronchitis suppurativa et Pneumonia 
lobul. sinistra partim in suppuratione. Gangraena 
circumscripta multiplex lobi infer. pulmon. dextr. 


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Ueber eine eigentliüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 179 


Pleuritis serofibrinosa bilateralis. Degeueratio 
parenchymatosa myocardii et hepatis. Tumor 
lienis acutus. Decubitus gangraen. in regione sa- 
crali. Tuberculosis chron. et obsoleta pulmon. 
et glandular. lymphaticar. peribronchialium. 

Es gab also die Obduction nur Aufschlüsse über die patho¬ 
logischen Veränderungen der inneren Organe, auf deren Un¬ 
tersuchung wir intra vitam verzichten mussten, Hess uns aber 
über die Aetiologie des Processes ganz im Unklaren. 

Das Vorhandensein der intramusculären Abscesse, die 
wir in vivo nachzuweisen nicht in der Lage waren, und die 
als für chronischen Rotz charakteristisch angegeben werden, 
Hessen uns umso gespannter die Ergebnisse der bakteriologi¬ 
schen Untersuchung und der Thierexperimente abwarten. 

Resultat der bakteriologischen Untersuchung. 

Inzwischen hatten sich aus den noch zu Lebzeiten des 
Kranken auf dem Eiter angelegten Platten Culturen entwickelt, 
welche ein ganz eigentümliches Aussehen zeigten, und in den 
vom Eiter der unerüffneten Abscesse stammenden Platten 
fast in Reincultur neben spärlichen Stachylococcencolonien 
aufgegangen waren. Dieselben zeigten charakteristisches Aus¬ 
sehen, auf das ich noch später zurückkommen will, und er¬ 
wiesen sich bei der Untersuchung als nach Gram sich nicht 
färbende kurze, an den Enden abgerundete Stäbchen, welche 
etwas kleiner waren als die im Eiter beobachteten. Die 
Stäbchen zeigten eine Länge von V/ 3 — 2 M. und deutliche 
Eigenbewegung. 

Wir überimpften aus den Platten noch auf Kartoffeln, auf 
welchen der Rotzbacillus charakteristische honiggelbe bis rost¬ 
braune Rasen bildet, und legten auch gleichzeitig Culturen 
auf den anderen gebräuchlichen Nährböden an. Ferner wurden mit 
einer Aufschwemmung der Colonien aus den Platten männliche 
Meerschweinchen intraperitoneal geimpft. W r ir wähltep männ- 
Hche Thiere, da nach Strauss 4 ) auf Einbringung von rotz- 
verdächtigem Material in die Bauchhöhle dieser Thiere nach 
2—3 Tagen charakteristische Hodenschwellung auftritt, und 

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andererseits gerade Meerschweinchen für septische Infections- 
keime, die als Nebenbefund in Rotzgeschwüren häufig Vor¬ 
kommen, weniger empfänglich sein sollen. 

Die Züchtung des fraglichen Bacillus auf Kartoffel 
ergab ein für Kotz negatives Resultat. Es bildete sich näm¬ 
lich nach 24 Stunden ein schmutzig-gelbgrauer Belag, in dessen 
Nachbarschaft nach weiteren 1—2 Tagen unter langsamem 
peripheren Weiterwachsen des Belages sich eine eigenthüm- 
licli schiefergraue Verfärbung der Kartoffeloberfläche ent¬ 
wickelte, wie sie Jäger 5 ) als charakteristisch für Proteus 
fluorescens, den Krankheitserreger des Weil 1 sehen Icterus 
beschreibt. 

Ebenso hatte auch das Thierexperiment ein gegen Mal- 
leus sprechendes Ergebniss, indem die Erkrankung der 
Scheidenhaut des Hodens bei den Yersuchsthieren ausblieb. 

Das Eigenthümliche des Falles, für welchen uns also die 
bakteriologische Untersuchung vorderhand auch keine Erklä¬ 
rung gegeben hatte, und die merkwürdige, constant gleichblei¬ 
bende Wachsthumsform des Mikroorganismus auf den ver¬ 
schiedenen Nährböden forderten eine gründliche Weiterunter¬ 
suchung, über deren Resultat ich nun kurz berichten will. 

a) Beschreibung der Wachsthumsformen des Bacillus. 

Das Aussehen der Culturen war Folgendes: 

In Agar platten entstanden oft schon nach 24 Stunden 
rundliche, grauweisse Colonien, welche im durchfallenden Lichte 
prachtvoll griin und roth fluorescirten, und nach der Peri¬ 
pherie fingerförmige, an den Enden oft leicht verdickte Fort¬ 
sätze entsenden, wodurch die Cultur wie von einem Strahlen¬ 
kranz umgeben erscheint, und ein Aussehen erhält, der Blüthe 
der Sonnenblumen vergleichbar. (Fig. 6 o.) Daneben fanden 
sich kleine, tropfenartige, durchsichtige Colonien, welche von 
einem schmalen, im Niveau des Nährbodens gelegenen rauch- 
grauen, oft bläulich schimmernden Ilof umgeben waren, der an 
seiner Peripherie häutig eine Andeutung von Zacken- oder 
Strahlenbildung erkennen liess. (Fig. 6 b.) In der Nachbar¬ 
schaft der Oberflächencolonien fanden sich schon nach 36 


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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgaugrän. 181 


Stunden sehr zahlreiche Tochtercolonien, welche oft auf weite 
Strecken hin isolirt zur Entwicklung kamen, um dann unter¬ 
einander oder mit der Muttercolonie zu grösseren Rasen zu 
confluiren. In anderen Fällen, wenn im Centrum einer Platte 
oder Kral’schen Plattendose der Nährboden mit dem der 
Reincultur entnommenen Material beschickt wurde, entwickelten 
sich strahlige Colonien, deren Strahlen eine ziemliche Länge 
aufwiesen und alle nach einer Richtung gedreht erschienen, so 
dass wasserstrudelartige Bilder zustande kamen. (Fig. 5.) In 
wieder anderen Fällen konnte ich beobachten, dass schon nach 
24 Stunden die ganze Agaroberfläche überzogen erschien von 
einem milchgrauen Belag, der freie Lücken zwischen sich schloss, 
eine Raschheit des Wachsthums, die darauf hindeutet, dass von 
der sich entwickelnden Stammcultur Schwärme von eigenbeweg¬ 
lichen Mikroorganismen sich losgelöst haben mussten, und 
dann nach ihrer Festsetzung sich rasch isolirt weiter entwickeln, 
wie es von den Proteusarten beschrieben wird. 

Die Tiefencolonien erwiesen sich als scharf- und glatt- 
randige durchsichtigrauchgraue runde Colonien. 

In Gelatineplatten zeigen die Colonien nach 
24—36 Stunden ungemein verschiedenes Aussehen. Es finden 
sich hier scharfrandige kreisrunde Oberflächencolonien, welche 
an die des Typhusbacillus erinnern, ferner solche von 
eigenthümlich lichtbrauner Farbe mit deutlicher concentrischer 
Schichtung, wie sie dem Cholerabacillus zukommen, end¬ 
lich unregelmässig gestaltete grobgranulirte gelbbraune Cul- 
turen, welche zwar scharf- aber nicht glattrandig sich begrenzen. 

Im weiteren Verlauf zeigt sich dann hie und da um die 
kleinen Colonien ein Saum verflüssigter Gelatine, während 
andere wiederum diese peptonisirende Wirkung nicht erkennen 
lassen, also verflüssigende und nicht verflüssigende Colonien 
neben und durch einander liegen, ein Befund, wie er von 
Jäger bei Proteus fluorescens beschrieben wurde. 

Zwischen diesen soeben geschilderten finden sich auch 
Colonien, welche ein ungemein vielgestaltiges Aussehen zeigen. 
Sie haben die Gestalt von breiten Stäbchen, welche entweder 
geradlinig verlaufen, oder vielfach zickzackförmig oder spiralig 
gedreht sind, oder endlich zoogloeaartige, unregelmässig ge- 


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Waela cli. 


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staltete Massen darstellen, wie sie Hauser 6 ) bei Proteus 
vulgaris gesehen hat. Die iin Centrum einer Gelatineplatte 
angelegte Cultur zeigt in anderen Fällen wieder rasches peri- 
jiheres Wachsthum mit rapid erfolgender Verflüssigung, so dass 
sich schon nach 24—36 Stunden eine flache lichtgraue Scheibe 
gebildet hatte, welche grob granulirt unter zunehmender Ver¬ 
flüssigung der Gelatine sich vergrösserte und nach 48 Stun¬ 
den bereits einen Durchmesser von über 1 Cm. erreicht hatte. 
In der Nachbarschaft waren auch hier durch Ausschwärmen 
zahlreiche ungemein vielgestaltige Colonien entstanden. Eine 
Bildung langer Fäden seitens der Muttercolonie, wie sie 
Hauser bei Proteus beobachtet hat, bestand hier aber 
nicht. 

In Bouillon entwickelt sich nach 24 Stunden eine dif¬ 
fuse gelblich-weisse Trübung der Nährflüssigkeit; an der Ober¬ 
fläche entsteht ein feines, weisses opalescirendes Häutchen, 
das sich nach 3—4tägigem Wachsthum senkt, und dann viel¬ 
fach gefaltet unter dem Niveau der Flüssigkeit herumschwimmt, 
oder sich allmälig ganz zu Boden senkt, während sich an der 
Oberfläche ein neuer reifartiger Belag bildet; ferner besteht 
deutlicher Niveaurand. Am Boden bildet sich ein dichter, 
gelblichweisser Bodensatz, der beim Schütteln in groben Fetzen 
aufsteigt, und sich durch anhaltendes Schütteln zu kleinen 
Bröckeln vertheilen lässt. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab Auswachsen des 
Bacillus in ungemein lange, zart gegliederte Scheinfäden, 
neben isolirten kurzen Stäbchen; die des Häutchens zeigte 
rundliche in grösseren Haufen nach Art der Staphylococceu 
beisammenliegende Gebilde, eingebettet in nicht näher diffe- 
renzirbare Massen. 

Ge 1 atine-Stichcu 11ur: Nach 24 Stunden deutliches 
Wachstbum längs des Stichs, in Form eines schmalen, grob- 
granulirten. oft seitlich vielfach gekerbten Streifens. Um die 
Einstiehsötfnung herum deutliches Wachsthum, sowie Beginn 
trichterförmiger Verflüssigung. Im weiteren Verlaufe nimmt 
die Verflüssigung mehr und mehr zu, erfolgt aber jetzt schicht¬ 
weise, so dass immer ein verflüssigter, diffus graugelb getrübter 
Gelatinecylinder der nicht verflüssigten Gelatine aufsitzt. In 


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Feber eine eigenthüml. Form multipler infect. llautgangrän. Jg3 


der Nachbarschaft des Stichs entwickeln sich ungemein zahl¬ 
reiche, winzige Colonien, welche der Gelatine ihre Durchsich¬ 
tigkeit nehmen, und den Eindruck erwecken, als ob das Glas 
der Eprouvette angelaufen wäre, später aber, als wäre der 
Nährboden mit feinstem Sand vermengt. Sie kennzeichnen 
sich als Tochtercolonien durch ihre prachtvolle Fluorescenz. 

Es hat also der Mikroorganismus die Fähigkeit, die 
Gelatine allseitig zu durchsetzen und Tochtercolonien in der¬ 
selben zu bilden. Dadurch erklärt sich auch das eigenthüm- 
liche Verhalten der Gelatineculturen, dass manchmal die totale 
Verflüssigung sehr rapid schon nach 36—48 Stunden erfolgt, 
während innerhalb der ersten 24 Stunden nur minimale Ver¬ 
flüssigung sich beobachten liess. Es ist eben hier schon sehr 
frühzeitig zum Ausschwärmen der Organismen gekommen, 
welche isolirt für sich allein schon verflüssigende Colonien ge¬ 
bildet haben. Die Verflüssigung ist aber dann nie gleich- 
massig, indem sich neben dünnflüssigen Theilen weniger stark 
verflüssigte dicke Gelatinemassen darin vorfinden. Die Rasch¬ 
heit, mit weicher die Verflüssigung erfolgt, scheint vom Wasser¬ 
reichthum, also von der Consistenz der Gelatine abzuhängen, 
was auch Hauser bei Schilderung des Proteuswachs¬ 
thums hervorhebt. Die Verflüssigung erfolgt aber bei letzterem 
Bacillus strumpfförmig. 

Andere Gelatineculturen zeigen wiederum ein Bild, wie 
es Fig. 4 veranschaulicht. Es bildet sich hier inner¬ 
halb 36 Stunden längs des Stichs deutliches, streifenförmiges 
Wachsthum aus, mit Beginn einer trichterförmigen Ver¬ 
flüssigung. Von dem centralen Streifen ausgehend, lassen 
sich nun nach allen Seiten ausstrahlende fadenförmige, 
feinste Fortsätze erkennen, welche die Gelatine verschieden 
weit durchsetzen, ohne sie vorderhand zu verflüssigen. Zwi¬ 
schen diesen Fortsätzen und in der von ihnen noch nicht 
durchwachsenen Gelatine Anden sioh kleinste, w r ie oben be¬ 
schriebene Colonien. 

In Traubenzuckergelatine erfolgt das Wachsthum 
ebenso wie in gewöhnlicher Gelatine, nur kommt es hier zu 
deutlicher Gasbildung. 


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Ist die Gelatine total verflüssigt, so erscheint sie gelb- 
weiss getrübt, am Boden ein dichter, flockiger Satz. 

Glycerin-Agar-Strichcultur: Schon nach 6 Stunden 
sehr deutliches Wachsthum längs des Strichs in Form einer 
schmalen, bandartigen Auflagerung, besonders an den unteren 
Theilen des Nährbodens, wo naturgemäss mehr vom übertra¬ 
genen Material abgestreift wurde. An diesen unteren Theilen 
zeigen sich ichon nach 6—8 Stunden charakteristische, oft bis 
’/a Cm. lange, feine, manchmal sich gabelig theilende faden- 
artige Fortsätze. Nach 24 Stunden hat sich ein 2—3 Mm. 
breites Band von gelblichweisser Farbe und wachsartigem 
Glanz längs des Strichs gebildet, das allseitig umgeben ist von 
dicht aneinander gelagerten, den ganzen Rasen nach Art der 
Zähne eines Kammes umgebenden Fäden. Manche dieser feinen 
Fäden verzweigen sich noch astförmig, so dass stellenweise ein 
sehr zierliches Geflecht zu Stande kommt. 

Bei anderen Culturen bilden sich wiederum plumpere 
seitliche Fortsätze, welche erst ihrerseits die feinen Fäden aus 
sich entstehen lassen. 

Nach 2 bis 3 Tagen beginnen zuerst an den unteren 
Theilen die daselbst gelegenen Fäden zu confluiren, wodurch 
der Rasen sich nach unten zu bedeutend verbreitert. Es lassen 
sich jedoch an der Peripherie dieser unteren Theile noch hie 
und da deutliche Fäden erkennen, die daun noch die restlichen 
seitlichen Partien der Nährbodenoberfläche einnehmen. An den 
oberen Theilen des Rasens sind die strahlenförmigen Fortsätze 
dann noch immer deutlich ausgesprochen. Das C'ondenswasser 
erscheint stark getrübt, am Grunde desselben gelblich weisse 
Massen. 

Die Bildung dieser eigenthümlichen fadenförmigen Fort¬ 
sätze konnte ich aber bei auf Zucker-Agar angelegten 
Culturen nicht beobachten. Der Rand des sich hier rasch ent¬ 
wickelnden Belages war zumeist scharf und glatt, und zeigte 
nur hie und da seichte und leichte Einkerbungen. Um diesen 
streifenartigen Belag herum entwickelte sich nach 24stiindigem 
Wachsthum ein 2 bis 3 Mm. breiter Saum, der etwas durch¬ 
sichtiger und lichter gelbweiss als der übrige Rasen erscheint 
und von dem centralen Streifen jedoch durch eine scheinbar 


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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 185 


freie Nährbodenoberfläche getrennt ist. Nach weiteren 
24 Stunden hat sich der mittlere Streifen nur wenig ver¬ 
ändert, dagegen hat sich der breite Rand um denselben ver¬ 
breitert und fast den ganzen Nährboden überzogen. Der freie 
Theil zwischen ihm und dem centralen Streifen ist noch er¬ 
halten geblieben. Im Nährboden, ferner zwischen demselben 
und der Glaswand entstanden zahlreiche Gasblasen. 

Auf Harnagar erfolgte das Wachsthum ebenso üppig 
wie auf den anderen Agarnährböden. Es entstanden auch 
Fortsätze, welche aber nicht Fadenform aufwiesen wie auf 
Glycerin-Agar, sondern sich vielfach zart moosartig verästelten. 

Das mikroskopische Bild der von den Agarculturen angelegten 
Präparate war innerhalb der ersten 24 Stunden dasselbe wie 
das der in den Platten gewachsenen, also an den Enden ab¬ 
gerundete, ziemlich dicke Bacillen, die sich besonders schön 
und gleichmässig mit alkalischen Methylenblaulösungen färbten, 
und hier wieder am deutlichsten mit Sahli’s Boraxmethylen¬ 
blau, nach Gram sich entfärbten. Nach 36 Stunden fanden 
sich aber nur noch wenige Bacillen, dagegen fast ausschliess¬ 
lich Involutionsformen, in Gestalt in Haufen beisammenliegen¬ 
der coccenähnlicher Gebilde, deren Längsdurchmesser nur 
wenig den Breitendurchmesser überwog (vgl. das Ergebniss der 
Untersuchung des Eiters). Diese eigenthümlich rasche Ent¬ 
stehung von Involutionsformen liess sich aber bei den späteren 
Generationen, wahrscheinlich in Folge von Angewöhnung an 
die saprophytische Wachsthumsform nicht mehr beobachten. 
Es zeigten dann auch 40 und 60 Tage alte Culturen aus¬ 
schliesslich schöne, ausgeprägte Bacillenformen. Nur ergaben 
sich hier Verschiedenheiten bezüglich der Färbbarkeit der 
einzelnen Bacillen, indem sich neben sehr stark gefärbten 
Stäbchen mehr weniger zahlreiche, blässer gefärbte Bacillen 
(besonders deutlich bei Verwendung von Sahli’s Methylenblau) 
beobachten liessen. Mit zunehmendem Alter der Cultur ging 
auch die Zahl der schöngefärbten Stäbchen zurück. 

Glycerin-Agar (Stichcultur): Nach 24 Stunden 
deutliches Wachsthum längs des Stichs, ähnlich wie in Gelatine. 
An der Oberfläche des Nährbodens, in der Nachbarschaft der 
Einstichsöffnung, hat sich ein wachsartig glänzender weisser, 


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fast die ganze Oberfläche des Nährbodens überziehender Käsen 
gebildet, der sich nach 48 Stunden verbreitert und verdichtet. 
Die Contouren des Stichs beginnen etwas verschwommen 
zu werden; in der Nachbarschaft desselben erscheint ähnlich 
wie bei Gelatine der Agar getrübt; diese Trübung nimmt all- 
mälig mehr und mehr zu, so dass die genaue Begrenzung des 
Wachsthums längs des Stichs verschwimmt. 

In Traubenzuckeragar erfolgt das Wachsthum 
(Stichcultur) in derselben Weise; schon nach 24 Stunden lassen 
sich allenthalben im Nährboden zahlreiche Gasblasen nach- 
weisen. 

Blutserum (schräg erstarrt) Strichcultur: Längs des 
Strichs bandförmiges Wachsthum, im auffallenden Licht von der 
Farbe des Nährbodens, im durchfallenden gelblich weiss, schön 
fluorescirend. Condenswasser diffusgeblichgetrübt. Nach 3 Tagen 
hat sich der Streifen über die ganze Oberfläche des Nähr¬ 
bodens verbreitet. Die mittleren Theile lassen sich durch ihre 
besondere Dichte von den übrigen Partien des Rasens trennen, 
welche als zarte an den periphersten Theilen rauchig getrübte 
Auflagerungen den Nährboden überziehen. Beginn der Ver¬ 
flüssigung des Blutserums. Im weiteren Wachsthum schreitet 
diese Verflüssigung langsam fort, und erhalten die noch nicht 
verflüssigten Theile eine bernsteingelbe oder dunkelbraune Farbe. 

Lakmusmilch (mit neutraler Lakmustinctur als In- 
dicator versetzt): Nach 24 Stunden ist die Farbe der Milch 
etwas lichter geworden, bis auf einen schmalen, oberflächlichen, 
2—3 Mm. breiten Streifen, der die Farbe der neutralen Lak¬ 
mustinctur beibehalten hat. vielleicht sogar etwas dunklerblau 
geworden ist. Nach 48 Stunden hat dieser Streifen eine aus¬ 
gesprochen dunkelblauviolette Farbe angenommen, die Farbe 
der übrigen Milch ist noch lichter geworden. Nach 3 Tagen 
Eintritt der Gerinnung. Das Casein, das den stark abgeblassten 
Farbstoff mitgerissen hat, ist noch nicht vollständig abgesetzt; 
oberhalb desselben die schmutzig gelbgraue, wenig durch¬ 
scheinende Molke. Im weiteren Verlauf des Pilzwachsthums 
nimmt das Casein rein weisse Farbe an, die Molke wird durch¬ 
sichtig und erhält nach 3—4 Wochen allmiilig braune Farbe. 
Die Keaction der Milch schwach alkalisch. 


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Ueber eine eigenthüral. Form multipler infect. Hautgangrän. 187 


b) Thierversuche. 

Mit diesem, durch seine eigentümliche Wachstlmmsform 
ausgezeichneten Mikroorganismus nahm ich nun auch Thier¬ 
versuche vor, die ihn als einen ungemein pathogenen 
kennen lehrten. 

I. 450 Gr. schweres Meerschweinchen erhält 1 Ccm. einer 
21 Stunden alten Zuckerbouilloncultur in die Bauchhöhle 
injicirt. Innerhalb der nächsten 3 Tage geringere Fresslust. 
Am vierten Tag Gewicht 300 Gr.; das Thier ist fieberfrei, sitzt 
traurig in seinem Käfig, ist struppig, frisst nicht, macht einen 
schwerkranken Eindruck. Nach weiteren zehn Tagen ist das 
Thier bis auf die Knochen abgemagert (Gewicht 200 Gr.) und 
geht an diesem Tage (dem vierzehnten nach der Impfung) zu 
Grunde. Vier Stunden vor dem Tode stürzt es plötzlich auf 
die Seite um, und zeigt tonische und clonische Krämpfe. 

Die Section ergibt: sehr stark ausgesprochene Todten- 
starre, der Rücken stark convex gekrümmt, die Extremitäten 
krampfhaft maximal gestreckt. 

Peritoneum stark glänzend, seine Gefässe mässig injicirt; 
Milz vergrössert; in derselben, besonders zahlreich aber in der 
Leber stecknadelkopfgrosse gelbe Knötchen. In beiden Lungen 
pneumonische Herde. 

Es gelingt weder aus dem Blut noch der Peritonealflüssig¬ 
keit den Bacillus zurück zu cultiviren; dagegen in Reincultur 
aus den Knötchen der Leber und Milz. 

Mikroskopisch finden sich in den beiden letzteren Organen 
umschriebene Necroseherde, entsprechend den makroskopisch 
sichtbaren Knötchen, ausserdem zahlreiche Hämorrhagien. In 
den Necroseherden liess sich der Bacillus wegen der grossen 
Schwierigkeiten der färberischen Darstellung nicht mit Sicher¬ 
heit nachweisen; der positive Ausfall der mit Organstückchen 
von Leber und Milz angestellten culturellen Untersuchungen 
beweist aber sein Vorhandensein. 

H. 575 Gr. schweres Meerschweinchen erhält dasselbe 
Quantum wie I einer gleichaltrigen Cultur intraperitoneal. Das 
Thier erkrankt unter denselben Symptomen wie I. und gebt 


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auch unter hochgradigster Abmagerung und mehrere Stunden 
vor dem Tode plötzlich einsetzenden Krämpfen zu Grunde. 

Sectionsbefund wie bei I. Ausserdem Coecum und Colon 
meteoristisch ausgedehnt, der übrige Darm contrahirt. Die 
Gallenblase über haselnussgross, von leicht getrübter Flüssig¬ 
keit erfüllt; am Grunde der Gallenblase dicker Eiter. Im 
Zupfpräparat der Leberknötchen, ferner im Gallenblaseninhalt, 
sowie in dem der maximal ausgedehnten Blase entnommenen 
Harn der vorerwähnte Bacillus in Reincultur (im Harn ausser¬ 
dem noch Hefepilze und Spermatozoen), was durch die bak¬ 
teriologische Untersuchung bestätigt wurde. 

Mikroskopische Untersuchung der inneren Organe: Be¬ 
fund wie bei I. 

III. Eine weisse Maus erhält ’/* Ccm. einer 40 Stunden 
alten Bouilloncultur in die Bauchhöhle. Tod nach 6 Stunden 
unter Streckkrämpfen. 

IV. Eine weisse Maus erhält 0'2 Ccm. derselben Cultur 
wie III. intraperitoneal. Tod unter tonischen Krämpfen nach 
13 Stunden. 

V. Eine weisse Maus erhält 0'1 Ccm. einer 4 Stunden 
alten Bouilloncultur in die Bauchhöhle. Tod nach 16 Stunden. 
Durch 2 Stunden vor dem Tode tonische Krämpfe. 

VI. Eine Hausmaus erhält 0‘1 Ccm. derselben Cultur wie 
V. in die Bauchhöhle. Tod nach 14 Stunden unter Krämpfen. 

Die Section von IV., V. und VI. ergibt ziemliche Mengen 
freier Peritonealflüssigkeit, mit starker Injection des Peri¬ 
toneum; freie Flüssigkeit in beiden Pleurahöhlen. Aus diesen 
Flüssigkeiten, sowie aus dem Blute des Bacillus in Reincultur 
züchtbar. 

Vn. Einem 6 Wochen alten, 1800 Gr. schweren Hund 
wird 0*5 Ccm. einer 6 Stunden alten Zuckerbouilloncultur sub- 
cutan unter die Haut des Rückens gespritzt. Im Laufe der 
nächsten Tage bildet sich an der Injectionsstelle ein leicht 
schmerzhaftes wallnussgrosses, fluctuirendes Infiltrat, das dann 
im Verlaufe weiterer 14 Tage bis auf einen derben haselnuss¬ 
grossen Knoten verschwindet. 

VIII. Männliches Kaninchen erhält am Abend 0'9 Ccm. 
einer 5 Stunden alten verflüssigten Gelatinecultur unter die 


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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 189 


Rückenhaut. Am nächsten Tage sitzt das Thier traurig in der 
Ecke des Käfigs mit stark gekrümmtem Rücken, frisst nicht. 
16 Stunden nach der Impfung fällt es plötzlich auf die Seite, 
bekommt tonische Krämpfe, die durch Klopfen an den Käfig 
sich auslösen lassen, und geht nach weiteren 2 Stunden zu 
Grunde. Auch hier die Todtenstarre ungemein ausgesprochen. 
Bei der Section findet sich an der Injectionsstelle nur eine 
kleine Blutborke, sonst nichts Pathologisches. fAn den inneren 
Organen lassen sich makroskopische Veränderungen nicht nach- 
weisen. In beiden Pleurahöhlen mässige seröse Ergüsse. An der 
Lungenoberfläche kleine Ecchymosen. Milz nicht auffällig ver- 
grössert. Coecum und Colon ascendens stark ausgedehnt, 
kollossale Mengen Kothes enthaltend, der übrige Dickdarm 
maximal contrahirt. Der rechte M. ilepsoas, weniger der linke 
blass, leicht zerreisslich. 

Aus dem Blute, der Pleuraflüssigkeit, sowie dem Harne 
der Bacillus in Reincultur züchtbar. 


Ergebnis» der histologischen Untersuchung eines 
excidirtcn Abscesses. 

Der Leiche wurde ein ungefähr wallnussgrosser, intacter 
Abscess vom Oberschenkel entnommen, dessen histologische 
Untersuchung folgendes Resultat ergab: Die epithelialen 
Schichten der oberen Wand des Abscesses sind stark ver¬ 
schmälert, die Retezapfen und Papillen vollständig geschwun¬ 
den. In den oberen Schichten des Corium besteht gering¬ 
gradige Gefässerweiterung und perivasculäre kleinzellige Infil¬ 
tration, hie und da Reste umschriebener kleiner Hämorrhagien. 
In den tiefen Schichten des Cutis, sowie in der Subcutis findet 
sich ein bis auf die Fascie reichender, und die daselbst be¬ 
findlichen Gewebe theils zerstörender, theils auseinander 
drängender Abscess, von welchem aus strangförmige entzünd¬ 
liche Infiltration sich weithin zwischen die Schichten des 
Bindegewebes verfolgen lässt. In der Nachbarschaft des Ab¬ 
scesses, und zwar sowohl am Grunde als auch an den Seiten 
desselben finden sich zahlreiche kleinere und grössere 
Hämorrhagien. 


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Die Abscesshöhle selbst ist erfüllt von ungemein dicht ge¬ 
lagerten Eiterzellen, zwischen welchen sich Fetzen nekrotischen 
Gewebes vorfinden. 

Zwischen den Eiterzellen, und zwar hauptsächlich an der 
Peripherie lassen sich vermittelst der Färbung nach Gram 
zahlreiche Staphylococcen nachweisen, die aber gegen die Mitte 
des Abscesses zu spärlicher werden, während sie in den nekro¬ 
tischen Gewebsfetzen vollständig fehlen. 

Es erübrigte noch der Nachweis des vorbeschriebenen 
Bacillus im Gewebe. Da er aber nicht Gram beständig ist, 
hatte ich bezüglich seiner Färberischen Darstellung mit grossen 
Schwierigkeiten zu kämpfen. Nach vergeblichen Versuchen ihn 
durch die Kühne’sche oder Löffler’sche Färbung nachzu¬ 
weisen, gelang es mir endlich ihn durch die von Jäger 5 ) an¬ 
gegebene Färbung im Gewebe sichtbar zu machen. Die Schnitte 
kamen auf 3—5' in Carboifuchsin, hierauf in Essigsäurelosung 
(1 Tropfen conc. Essigsäure auf 30 Ccm. Wasser), bis der Schnitt 
keine Farbstoffwolken mehr abgab, und dann nur für so lange 
Zeit in absoluten Alkohol, als zur Entwässerung unbedingt er¬ 
forderlich war. 

Die Bacillen fanden sich dann ungemein zahlreich in den 
vorerwähnten necrotischen Gewebspartien. Sie zeigten aber 
hier bedeutendere Grösse als in den Reinculturen, 4—4*5 u 
und waren manchmal fein granulirt. Zwischen den Bacillen 
fanden sich auch kleinere rundliche Gebilde, die vollständig 
übereinstimmten mit jenen, die ich auch in den Reinculturen 
beobachten konnte. Sie liessen sich auch in kleineren und 
grösseren Haufen, die Stapkylococcenhaufen sehr ähnlich waren 
(vergl. die Beschreibung der Häutchen in den Bouillonculturen), 
zwischen den Eiterzellen nachweisen. 

Aetiologie der Haiitcrkrankimg. 

Es fand sich also auch in den Hautabscessen der oben 
beschriebene, exquisit pathogene Bacillus. Auf welche Weise 
war es aber zur Iufection mit diesem Mikroorganismus ge¬ 
kommen? 

Darüber gab uns nun eine Anamnese Aufschluss, welche 
die Herren Dr. Fähnrich, Stadtarzt in Holleschowitz bei 


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Ueher eine eigentbüml. Form multipler inlect. Hautgangrän. 191 


Prag, und Dr. Kralowetz, ebendaselbst, die den Patienten 
vor dessen Spitalseintritt durch längere Zeit behandelten, 
Herrn Prof. Pick mitzutheilen die Güte batten. Beiden Herren 
sei hiemit der wärmste Dank ausgesprochen. 

Dieselbe ergab, dass der Kranke durch drei Jahre an 
sehr heftigen, kolikartigen, mit Erbrechen einhergehenden 
Schmerzanfällen litt, gegen die ihm öfters Morphiuminjectionen 
applicirt wurden, da alle verwendeten inneren Mittel den Dienst 
versagten. Die damals vorgenommene objective Untersuchung 
des Patienten ergab das Vorhandensein einer flachen, 3*/2 Cm. 
im Durchmesser fassenden Geschwulst (Lipoma praeperitoueale), 
welche operativ entfernt wurde. Die Anfälle blieben darauf 
drei Monate aus, kamen aber später mit gleicher Intensität 
wieder. Vor zwei Jahren begann nun der Kranke 
gegen die immer wiederkehrenden Schmerzan¬ 
fälle sich selbst Morphiuminjectionen mit einer 
Lösung zu machen, die ihm ein Freund verschaffte. Die 
letzte Injection machte er sich 3 Wochen vor seinem Eintritte 
auf unsere Klinik in der Magengegend, wo sich auch, laut An¬ 
gabe seiner Frau, innerhalb dreier Tage ein rasch zu einem Ge¬ 
schwür zerfallender Abscess entwickelte, dem dann alsbald an 
anderen Körperstellen derartige brandig zerfallende Geschwüre 
folgten. — Patient war also ein schwerer Morphinist, und diea 
erklärt seine hochgradige Kachexie und die kurz vor seinem 
Tode von seiner Seite gestellte Bitte um eine Morphium- 
injection. 

Es kam also augenscheinlich durch die Verwendung der 
unreinen Spritze und der ganz verrosteten Injectionsnadeln, 
deren Uebersendung wir Herrn Dr. Fähnrich verdanken, 
3 Wochen vor dem Tode zu einer Iufection der Injeetions- 
stelle an der vorderen Bauchwand mit daran anschliessen¬ 
der Abscedirung derselben, und im Gefolge dieser Infectiou zu 
einer Propagation des höchst virulenten Virus an der Haut des 
kachektischen Individuums mit Bildung secundärer Abscesse. 
Wir können diese später entstandenen Abscesse als secundäre 
betrachten, da die 3 Wochen vor dem Tode des Kranken vor¬ 
genommene Injection überhaupt die letzte gewesen, welche er 
sieb applicirte. Aus diesen später entstandenen Abscessen. 


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Waelsch. 


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konnte ich nun den vorbeschriebenen Bacillus fast in Reincultur, 
mehr weniger verunreinigt durch Staphylococcen, züchten. 

Ich stehe daher nicht an zu vermuthen, dass die Infec- 
tion der Injectionsstelle mit diesem Bacillus erfolgte, der sich 
uns auch durch das Thierexperiment als ungemein pathogen 
erwies. Den Befund der Staphylococcen im Abscesseiter fasse 
ich .als einen zufälligen auf, zumal ich in den centralen Theilen 
des Abscesses, eingeschlossen in nekrotische Gewebsmassen 
ausschliesslich den Bacillus nachzuweisen in der Lage war, und 
sich in der Peripherie neben Staphylococcen auch entschieden 
Mikroorganismen vorfanden, welche vielleicht Involutionsformen 
des geschilderten Bacillus darstellen (vgl. die Untersuchung der 
Agarculturen). Es dürfte also der eigentliche Krankheitserreger, 
welcher zurNecrose des Gewebes führte, der charakteristische 
Bacillus gewesen sein, und erst secundär, ein sehr häufiges 
Yorkommniss, der Staphylococcus eingedrungen sein. 

Bestärkt werde ich in dieser Ansicht durch die Ergeb¬ 
nisse einer Untersuchung von Babes und Pop, 7 ) welche vor 
Kurzem einen Fall von „Pustula maligna mit secun¬ 
där er hömorrhagischer Infection, verursacht 
durch einen specifischen Bacillus“, veröffentlichten. 
Dieser letztere Bacillus hatte zwar durch sein Wachsthum den 
des Anthrax zerstört und verdrängt, dafür aber dann die 
Rolle des eigentlichen Krankheitserregers übernommen, und 
zum Tode des Kranken geführt. 

Culturcll zeigt dieser von Babes und Pop beschriebene 
Bacillus so grosse Aehnlichkeit mit dem von mir gezüchteten, 
dass ich nicht anstelle, ihn mit demselben zu identificiren. 
Ebenso lässt auch der positive Ausfall der Thierversuche, der 
ihn als einen ungemein pathogenen und rasch wirkenden Er¬ 
reger hämorrhagisch-septischer Erkrankung bei Kaninchen, 
Meerschweinchen und Mäusen erkennen liess, diese Identifi- 
cirung als gerechtfertigt erscheinen. 

Was aber unseren Fall als besonders bemerkenswerth er¬ 
scheinen lässt, ist der Umstand, dass es hier nicht, wie beim Falle 
Babes’, erst zu einer secundären Infection mit diesem Krank¬ 
heitserreger gekommen war, dem von einem anderen pathogenen 
-erst der Weg gebahnt wurde, sondern dass hier schon 


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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infeet. Hautgangrän. 193 


primär die Infection mit diesem Bacillus erfolgte. Es bilden die 
Bacillen, zu denen der beschriebene gehört, um mit B ab es zu 
sprechen, „offenbar Uebergänge zu den als Proteus bekannten 
Formen, von welchen sie sich aber durch ihre Form, den Mangel 
der so charakteristischen massenhaften Schleimbildung, sowie der 
ungemein mannigfaltigen Formen der Stäbchen, welchen sie 
ihren Namen verdanken, unterscheiden“. 

Es ist aber der Befund dieses virulenten Bacillus in den 
Abscessen dieser schweren multiplen Hautgangrän auch des¬ 
wegen von grossem Interesse, weil er uns einen eventuellen 
Anhaltspunkt gibt für die Aetiologie dieser Erkrankung. 

Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor 
F. J. P i c k, fühle ich mich verpflichtet, meinen herzlichsten Dank 
für die Ueberlassung des Falles und für die Förderung meiner 
Arbeit auszusprechen. 


Literatur. 

1. Buschke, A. Ueber chronischen Rotz der menschlichen Haut 
nebst einigen Bemerkungen über die Anwendung des Mallein beim Menschen. 
Archiv f. Dermatol, und Syphilis. Bd. XXXVI p. 323. 

2. Simon. Ueber multiple cachectiscbe Hautgangrän. Verhandl. 
der medicin. Section der schles. Gesellsch. für vaterländ. Cultur. Sitzung 
v. 20. Sept. 1878. Ref. im Archiv f. Derm. u. Syph. Bd. XI 1879 p. 394. 

8. Eichhoff. Ueber multiple cachectische Hautgangrän. Deutsche 
med. Wochenschr. Nr. 34. 1880. 

4. Strauss. Archive de med. exper. 1892. 

5. Jäger, H. Die Aetiologie des infectiösen fieberhaften Icterus. 
Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. Bd. XII. 1892. 

6. Hauser, G. Ueber Fäulnisbacterien und deren Beziehungen zur 
Septicämie. Leipzig 1885. 

7. Babes und Pop. Ueber Pustula maligna mit seeundärer hämor¬ 
rhagischer Infection, verursacht durch einen specifischen Bacillus. Deutsche 
medicin. Wochenschrift. 1896. Heft 4. 


Archiv f. Dermatol, u. Syphll. Band XXXIX. 


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Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. 

Fig. 1. 48 Stunden alte Cultur auf schrägem Glycerinagar: Gelb- 
weisscr, wachsglänzender, streifenförmiger Belag mit dicht aneinander¬ 
stehenden, fadenförmigen Fortsätzen, die nach abwärts zu confluiren. 

Fig. 2. 3b Stunden alte Cultur auf schrägem Zuckeragar: In der 
Mitte längs des Striches streifenförmiger Belag; über der ganzen Breite 
des Nährbodens, durch eine schmale Lücke von dem centralen Streifen 
getrennt, rapides Waclisthura, das in den oberen Thcilen zur Bildung 
eines zarteren, in den unteren Theilen sehr dichten Belages geführt hat. 

Fig. 3. 3b Stunden alte Cultur in Zuckeragar (Stich): Längs des 
Stichs sehr rasches Wachsthum in Form eines am Rand vielfach gekerb¬ 
ten Streifens. 

Fig. 4. 48 Stunden alte Cultur in Gelatine (Stich): Längs des Stichs 
streifenförmiges Wachsthum. Von dem Streifen gehen in den Nährboden 
zahlreiche fadenförmige Fortsätze aus; ausserdem im Nährboden eine 
Unmenge kleinster Colonien. Beginn trichterförmiger Verilüssigung. 

Fig. 5. 38 Stunden alte Colonie auf einer Glycerinagarplatte: Grau- 
weisse Colonie mit nach einer Seite gedrehten Fortsätzen (Wasserstrudel¬ 
form ; natürliche Grösse). 

Fig. b. 48 Stunden alte Colonie auf einer Glycerinagarplatte: 
Grauweisse Colonie mit zahlreichen Fortsätzen, die auch seitliche Zweige 
entsenden (Sonnenblumeuform; natürliche Grösse). 


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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in 
zwei Fällen gonorrhoischer Metastase. 

Von 

J. Jundell, 

Assistenten der medizinischen Klinik Seratimerlazaretet, Stockholm. 


Fall I. 1 ) G. A. L., 31 Jahre Zimmermaim, in die chir. Kliuik des 
Krankenhauses am 10. Sept. 1896 aufgeuoramen. John Berg hat die 
Freundlichkeit gehabt mir diesen Fall zu überlassen. 

Vor drei Wochen bekam der Pat. Gonorrhoe. Zwei Tage vor der 
Aufnahme ins Krankenhaus Schmerzen im rechten Fusse, anfangs nur 
beim Versuche zu stehen oder zu gehen, später auch bei vollständiger Ruhe. 

Status den 10./9. Abendtemp. 39T°. Beständige Schmerzen im 
rechten Fusse. An der Innenseite des rechten Fussgelenkes eine diffuse 
Anschwellung, deren grösste Mächtigkeit die Gegend hinter dem Malleo¬ 
lus int. einnimmt, und die nach unten bis zum os cuneiform. I, nach 
oben bis circa 8 Cm. über die Spitze des Malleolus int. reicht. 

Starke Röthung und Empfindlichkeit über der Schwellung. Die 
Schmerzen am stärksten bei Palpation längs dem Verlaufe der Sehnen¬ 
scheide des Muse. tib. post., wo auch eine Andeutung zu Fluctuation 
wahrgenommen wird. Eine unbedeutende Röthung und Schwellung ist 
auch an der äusseren Seite zwischen dem Malleol. ext. und dem äusseren 
Rande der Achillessehne zu seheD. Der Fuss wird leicht supinirt ge¬ 
halten. Sowohl active wie passive Bewegungen mit dem rechten Fusse 
sind wegen Schmerzen in hohem Masse beschränkt; der Schmerz am 
stärksten bei auch dem geringsten Versuche zur Abduction oder Pro¬ 
nation. Supination wird viel leichter ertragen. 

Reichlicher purulenter Fluss aus der Urethra. 

Den 11./9. Morgentemp. 38*3°, Abendtemp. 39-0°. 

Den 12./9. Morgentemp. 37*8°. Der Pat. klagt heute über Schmerzen 
in der rechten Hand. Auf der Dorsalseite des rechten Handgelenks sieht 


*) In der Schwedischen Gesellschaft der Aerzte am 15. Sept. 1896 
mitgetheilt. 

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Jun dell. 


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man eine rothe und empfindliche Anschwellung mit diffusen Grenzen, 
Schmerzen, obwohl nicht besonders schwere, bei Bewegungen im rechten 
Handgelenke. Bewegungen mit den Fingern verursachen kaum Schmerzen. 

Ein Ccm. Blut wurde aus einer Vene in der rechten Ellenbogen¬ 
beuge mittelst einer sterilisirten Pravaz’schen Spritze ausgesogen. (Siehe 
Untersuchung I.) 

Culturprobe aus der Urethra auf Ascitesagar, vorgestern genommen, 
zeigt heute eine reichliche Menge Gonococcencolonien. 

Diagnose: Tendovaginitis gonorrhoica musc. tibial. post, 
dextr. und Synovitis gonorrhoica carpi dextr. 

Die Sehnenscheide des Musc. tibial. post. dext. wurde heute punc- 
tirt, wobei eine eitrige, ziemlich dünne, aber schwach fadenziehende 
Flüssigkeit erhalten wurde. (Siehe Untersuchung II.) 

Sublimateinspritzung in die Sehnenscheide. Abendtemp. 38*2°. 

Den. 14./9. wurde das rechte Handgelenk punctirt, wobei man eine 
reichliche Menge halbklare, schwach rothgefarbte, nach einer kleinen 
Weile coagulirende Flüssigkeit erhielt. (Siehe Untersuchung III.) 

Den 21/9. Die Schmerzen im Fusse hörten einige Tage nach der 
Punction der Sehnenscheide auf, aber die Schwellung und Röthung hinter 
dem inneren Malleolus wurde nur wenig geringer. Die Schwellung und 
Röthung hinter dem äusseren Malleolus deutlich gesteigert. Deutliche 
Fluctuation hinter dem inneren Malleolus. 

Den 24./9. Gesteigerte Schmerzen und Schwellung im rechten 
Handgelenke. Die Schwellung um das rechte Fussgelenk immerfort be¬ 
deutend. Ein Ccm. Blut wurde aus einer Armvene ausgesogen. (Siehe Unter¬ 
suchung I.) 

Den 25./9, Schmerzen im rechten Handgelenke heute verschwunden. 

Den 29./9. Die Anschwellung und Röthung um den rechten inneren 
Malleolus hat in den letzten Tagen zugenommen, jetzt aber keine spon¬ 
tanen Schmerzen. Incision wurde heute über der Anschwellung gemacht, 
wobei man in eine in der Längsrichtung des Beines laufende, circa 10 Cm. 
lange, suboutan liegende Höhle eindrang, welche von dunkelrothen, sehr 
leicht und reichlich blutenden Granulationen erfüllt war. Dieser Granu¬ 
lationsherd an der Innenseite des Fussgelenks setzte sich nach aussen 
fort, in dem lockeren Bindegewebe zwischen der Achillessehne und den 
tiefen Muskeln verlaufend, und reichte bis in das subcutane Bindegewebe 
zwischen dem Malleol. ext. und dem äusseren Rande der Achillessehne. 
Die Granulationen wurden mit scharfem Lötfel ausgeschabt. (Siehe Unter¬ 
suchung IV.) An der medialen Wand der Sehnenscheide des Musc. tibial. 
post, waren zwei kleine, unregelmässig begrenzte Defecto, in welchen 
die Sehne bloss lag. Die Sehne selbst sab etwas aufgefasert aus. Kein 
Exsudat in der Sehnenscheide. Nirgends eigentliche Eiterbildung. Subli¬ 
matausspülung. Jodoformgaztamponade. 

Den 12./10. Die Wunde überall mit rothen, nur leicht bluten¬ 
den Granulationen bekleidet, äusserst geringe Eitersecretion. (Siehe Unter¬ 
suchung \.) Bei jedem Verbandwechsel haften Bluteoagula am Verbände 


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Reinziichtung des Gonococeus Neisser in gonorrh. Metastase. 197 


Den 18./10. Die Wunde wie früher. (Siehe Untersuchung VI.) 

Den 30/10. Die Wunde wird jetzt mit Creolinlösung behandelt. Die 
Granulationen nicht so leicht blutend wie früher. (Siehe Untersuchung VII.) 

Den 16./11. Die Wundhöhle bis zu einem zwei Cm. langen Fistel¬ 
gange reducirt. Der Pat. fängt an zu gehen. Morgentemp. vom 
13./9.—11./10. gewöhnlich ein oder einige zehntel Grad über 37*0°, Abend- 
temp. gewöhnlich ein bis zwei Zelintheile unter 38*0°. Später voll¬ 
kommen normale Temperatur. 

Bakteriologische Untersuchung von den vom Falle I genom¬ 
menen Proben. 

Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich schon jetzt 
anführen, dass die Ascitesagarplatten bei den nachstehenden 
Untersuchungen nach Kiefer’s Vorschrift bereitet wurden. 
Zu einem Theile inflammatorischen Exsudats (tuberculöse Peri¬ 
tonitis?) oder Ascitesflüssigkeit wurden zwei Theile neutrales 
Fleischpeptonagar (372% Agar, 5% Pepton und 2% Glycerin) 
hinzugesetzt. 

Untersuchung I. Untersuchung der am 12./9. und 24./9. 
entnommenen Blutproben. In beiden Fällen wurde das Blut auf 
je 4 Platten Ascitesagar ausgestrichen. In den Platten, die 
nach Verlauf von 48 Stunden untersucht wurden, waren einige 
Colonien von Staphylococcus pyogenes albus, aber keine Gono- 
coccen vorhanden. 

Untersuchung II. Untersuchung des Exsudates von 
der Sehnenscheide des Muse, tibial. post. Das Exsudat wurde 
in dünnen Lagen auf Deckgläschen ausgebreitet, wurde energisch 
mi t Anilinwassergentianaviolett gefärbt, einige Male mit Gram’s 
Jodlösung übergossen, während circa 30 Secunden in absolutem 
Alkohol entfärbt, mit Wasser abgespült und mit stark ver¬ 
dünntem Karbolfuchsin nachgefärbt. Für die mikroskopische 
Diagnose auf Gonococcen verfahre ich bei der Gram’schen 
Färbungsmethode in angegebener Weise, was notliwendig ist, 
wenn man Täuschungen entgehen will. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung der Präparate wurde eine ziemlich geringe Zahl 
von Gonococcen angetroffen, theils extra- theils intracellulär 
liegend. 

Die extracellulären lagen theils isolirt, theils in Gruppen 
von 4—10. Intracellulär lagen sie, in Zahl wechselnd, zwischen 


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198 


Juudell. 


1 und circa 50. Ausser Gonococcen wurden andere Bakterien 
nur in einem Präparate und in einer einzigen Zelle gefunden, 
die sieb von allen anderen durch eine höchst bedeutende 
Grösse auszeichnete. 

Diese einkernige Riesenzelle enthielt mehrere verschiedene 
Arten Bakterien: theils Gonococcen, circa 15 Stück von typi¬ 
schem Aussehen, theils Diplococcen, circa 10 Stück etwas lancett- 
förmig mit der Längsachse senkrecht auf die Theilungsfurche 
stehend und in derselben Weise wie die Gonococcen gefärbt (also 
nach Gram entfärbt), theils ziemlich lange und schmale, eben¬ 
falls wie die Gonococcen gefärbte (nach Gram sich entfärbende) 
Stäbchen, entweder einfache oder als Diplobacillen in einer 
Zahl von circa 20, theils endlich einige kürzere Doppelstäbchen 
von wechselnder Länge, ebenfalls wie die Gonococcen gefärbt. 
Mit Ausnahme von dieser grossen, bakterienverschlingenden 
Zelle und zwei polygonalen (endothelialen ?) Zellen, in welchen 
Gonococcen nicht gefunden wurden, enthielt der Eiter aus der 
Sehnenscheide nur gewöhnliche Rundzellen, von welchen nur 
eine geringe Zahl Gonococcen enthielt. Alle Gonococcen in den 
Präparaten hatten scharfe, typische Conturen und hatten die 
Fuchsinfarbe sehr wohl aufgenommen. 

Je ein Tropfen des Eiters wurde auf 8 Ascitesagarplatten 
ausgestrichen. Mach 48 Stunden sah man in den Platten typische, 
gelatinös graue, in durchfallendem Lichte stark lichtbre¬ 
chende Colonien von Gonococcen in einer Zahl von 10—40 
in den verschiedenen Platten. Keine anderen Colonien als von 
Gonococcen. Einige Colonien wurden auf Ascitesagarröhren über¬ 
impft und auf diesem Nährboden in 13 Generationen fort- 
gepflanzt. Die Coccen wurden nach Gram in 15—20 Secunden 
entfärbt; sie wuchsen nicht auf den gewöhnlichen Nährböden. 

Untersuchung III. Je ein Tropfen des Exsudates vom 
rechten Handgelenke wurde auf 8 Ascitesagarplatten aus- 
gestrichen. Alle Platten verblieben steril. 

Untersuchung IV. Untersuchung von den Granula¬ 
tionen am 29./0. Die Deckglaspräparate, durch Streichen 
der Glasfläche über die Granulationen hergestellt, zeigten im 
Mikroskope Rundzellen, alle gleich gross und von gewöhn¬ 
lichem Aussehen, und überall reichlich Gonococcen theils frei, theils 


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Iteiiizüehtuiig des Gonoeoccus Neissur in gunorrh. Metastase. 1<J9 


und das überwiegend, in Zellen eingeschlosseu. Die freien 
Gonococcen entweder isolirt oder in Gruppen von 4—10. Die 
Rundzellen enthielten Gonococcen in einer Zahl von 1—20. 

Die Oberfläche von einigen Ascitesagarplatten wurden mit 
den Granulationen überstrichen. Nach 24 Stunden waren in jeder 
Platte mehrere hundert Gonococcencolonien zu sehen. Colonien 
von anderen Bakterien konnten nicht entdeckt werden. Nachdem 
die Gonococcencolonien sich noch 24 Stunden entwickelt hatten, 
wurden einige auf einer Rinnensonde aufgelängen und in die 
Urethra eines Patienten mit Tumor cerebri im letzten Stadium 
inoculirt. (Siehe unten!) 

Untersuchung V. Untersuchung der am 12./10. exci- 
dirter» Granulationen. Ausbreitung auf Ascitesagar wie bei IV. 
Nach 48 Stunden Gonococcencolonien zu hunderten, ausserdem 
aber einige Colonien von Staphylocoecus pyogenes aureus 
und albus. 

Untersuchung VI. Die Granulationen, am 18./10. ex- 
cidirt, wurden wie früher auf Ascitesagarplatten ausgebreitet. 
Nach 48 Stunden nur zwei Gonococcencolonien. aber zahlreiche 
Colonien von gewöhnlichen Staphyloeoccen. 

Untersuchung VII. Die Granulationen, am 30/10. ex- 
cidirt, gaben nach 48 Stunden gewöhnliche Staphyloeoccen, aber 
keine Gonococcen. 

Inoculation mit Gonococcen vom Falle I. 

Einige Gonococcencolonien, von den am 29./!). excidirten 
peritendinösen Granulationen erhalten, wurden am 1./10. in die 
Fossa navicularis eines 18jährigen Jünglings im letzten Stadium 
von Tumor cerebri inoculirt. Der I’at. hatte bei der Inoculation 
eine Temperatur von 38'2°, welche bis zum Tode beinahe 
ganz constant blieb. Trotzdem und trotz einer vorhandenen 
Incontinentia urinae mit continuirlichem Urinfluss, entstand 
eine starke Gonorrhoe. Die Urethra vor der Inoculation ganz 
gesund. 

Den 2./10. Praeputium etwas geröthet und ödematös; die 
Schleimhaut der Fossa navicularis lebhaft roth und geschwellt; 
in der Mündung ein Tropfen gelbweissen, zähen Secrets. Mikro- 


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200 


J undell. 


skopisch Gonococcen tlieils frei, theils in Gruppen auf und in 
den Zellen. 

Den 4./10. Das Oedem am Praeputium stärker; reichlichere 
Secretion; Gonococcen zahlreich, frei und in Zellen. 

Den 5./10. Reichlicher purulenter Ausfluss; Gonococcen 
meist in Zellen. 

Den 8./10. Reichlicher purulenter Ausfluss. Culturversuch 
auf Ascitesagar gab nach 48 Stunden eine sehr grosse 
Menge typischer Gonococcencolonien. 

Der Pat. starb am Abend. 

Fall II. P. N., 83 Jahre, Verwalter; in die mediciuisehe Klinik 
am 8., 10. 1896 aufgenommen. 

Vor 5 Wochen Gonorrhoe, vom Arzt mit Einspritzungen behandelt. 
Nach 14 Tagen geringerer Fluss und nach weiteren 14 Tagen sehr un¬ 
bedeutender F1us9. Eine Woche vor der Aufnahme ins Krankenhaus 
fing das linke Knie, nachdem der Pat. an einer lange dauernden Jagd tbeil- 
genommen hatte, an zu schmerzen, wurde empfindlich und geschwollen« 
Alle Bewegungen wurden sehr schmerzhaft. Gleichzeitig Frost und 
Fieber. Die Tage unmittelbar vor dem Anfänge des Gelcnkleidens „war 
der F1us9 vollkommen verschwunden und kam nicht mehr wieder“. 

Status den 8./10. Abcndtemp. 38*5°. Das linke Knie stark geschwollen, 
die Haut darüber nicht geröthet, Fluctuation, Patella ballotirt deutlich. 
Active und passive Bewegungen wegen Schmerzen beinahe unmöglich. 

In der Urethra eine minimale Menge zähen grauen Schleimes. Probe 
auf Ascitesagar zeigte nach 48 Stunden eine reichliche Menge gewöhn¬ 
licher Staphylococcen, aber keine Gonococcen. Wiederholte Cultur- 
versuche mit dem Urethralsecret gaben dasselbe Resultat. Die nur in der 
ersten Urinportion vorhandenen Fäden, wurden ebenfalls wiederholt 
durch Culturproben auf Gonococcen untersucht. Das Resultat auch hier¬ 
bei negativ. 

Den 8./10. Probepunctiun des Kniegelenks, wobei eine deutlich getrübte, 
etwas schleimige Flüssigkeit erhalten wurde. (Siehe Untersuchung VIII.) 

Den 13/10. Morgentemp. 36*0°, Abendtemp. 39*0°. Am Abend wurde 
mittelst steriler Pra vaz’sc her Spritze 1 Ccm. Blut aus einer Armvene 
aufgenommen. (Siehe Untersuchung IX.) Das Knie wurde wieder punctirt, 
wobei eine reichliche Menge Flüssigkeit von derselben Beschaffenheit wie 
oben erhalten wurde. (Siehe Untersuchung X.) Sublimatinjeetion ins Gelenk. 

Den 17./10. Die Schwellung des Knies zugenommen. Professor Berg 
machte eine Incision ins Gelenk, wobei circa 75 Ccm. getrübte, mit 
kleinen grauen Flöckchen untermischte Flüssigkeit ausraun. (Siehe Unter¬ 
suchung X.) Die Temperatur während der letzten Tage zwischen 38*0° und 
39*0°. Wiederholte Blutproben mittelst Stichen in die Finger. (Siehe 
Untersuchung IX.) 


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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser ia gonorrh. Metastase. 201 

Den 17./11. Der Zustand des Pat. wurde nach und nach gebessert, 
aber trotz Massage und Gymnastik ist das Knie noch ziemlich steif. 


Bakteriologische Untersuchung von den vom Falle II genom¬ 
menen Proben. 

Untersuchung VIII. Das Kniegelenkexsudat am 8./10. 
erhalten. Keine Gonococcen im mikroskopischen Präparate. 
Kulturprobe auf Ascitesagar ergab Alles in Allem 20 typische Gono- 
coccencolonien auf 8 Platten, auf welche relativ ansehnliche 
Mengen Exsudat ausgestrichen worden waren. Ueberimpfung 
auf Ascites igar in 16 Generationen. Kein Wachsthum auf den 
gewöhnlichen Nährböden. Augenblickliche Entfärbung nach 
Gram. 

Untersuchung IX. Die Blutprooen, welche bei der 
Fiebersteigung, die am 13./10. und den folgenden Tagen auftrat, 
entnommen wurden, wurden auf Ascitesagarplatten ausgebreitet. 
Nach 48 Stunden sind einige Platten steril, andere enthalten 
Colonien von gewöhnlichen Staphylococcen; keine einzige Platte 
enthielt Gonococcen. 

Untersuchung X. Die Exsudate, die am 13./10. und 
17./10. erhalten wurden, zeigten bei directer mikroskopischer 
Untersuchung Gonococcen in geringer Zahl, die meisten in 
Gruppen von 2—10 in Kundzellen eingeschlossen. Einzelne 
isolirte, extracellulär liegende Gonococcen waren auch zu 
sehen. Culturproben auf Ascitesagar mit den Exsudaten zeigten 
nach 48 Stunden eine grosse Zahl Gonococcencolonien, circa 
75—100 in jeder Platte. 

Inoculation mit Gonococcen vom Falle II. 

Am 6./11. wurde in die normale Urethra eines Syphilitikers, 
der in die syphilidologische Klinik Prof. W e 1 a n d e r’s im 
Krankenhause Set. Göran aufgenommen war, eine zwei Tage 
alte Gonococcencultur inoculirt, deren Vorfahren aus dem oben¬ 
genannten Kniegelenke herstammten, von diesem aber drei 
Thierkörper passirt hatten. Die inoeülirte Cultur wurde von 
einer Colonie erhalten, welche vom Blute der linken Herz- 


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202 


J und eil. 


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kammer des letzten Thieres wucherte, nachdem dies Blut auf 
Ascitesagar ausgestrichen worden war. 

Den 7./11. Die Schleimhaut der Fossa navicularis etwas 
geröthet und geschwollen. In der Urethralmündung ein Tropfen 
grauen, schleimigen Secrets, das bei mikroskopischer Unter¬ 
suchung einige isolirte, extracellulär liegende Gonococcen 
zeigt. 

Den 8./11. Spärliches, schleimiges Secret, das nur einige 
wenige extracelluläre Gonococcen, aber viele Bacillen, die theils 
intra-, theils extracellulär liegen, enthält. 

Den 9./11. Die Secretion viel reichlicher, das Secret 
weniger zäh, mehr gelb; enthält zahlreiche Gonococcen, welche 
theils in grosser Anzahl intracellulär in Leukocyten, theils auf 
der Fläche von Epithelzelleu, theils extracellulär liegen. Keine 
anderen Bakterien zu sehen. Culturprobe auf Ascitesagar zeigt 
nach 24 Stunden reichliche Zahl von Gonococcencolonien. 

Den 10./11. Reichlicher purulenter Fluss, intracellulär 
liegende Gonococcen in sehr grosser Anzahl. Abortive Be¬ 
handlung durch Spülungen der vorderen Urethra mit warmen 
Lösungen von hypermaugausaurem Kali 1 : 1000. 

Den 13./11. Hat 6 solche Spülungen bekommen. Starkes 
Oedem im Präputium, Schwierigkeit Urin zu lassen, welche 
indessen bald verschwand. Dünner, seröser, etwas blutiger 
Fluss. Im Secrete keine Gonococcen. 

Den 21./11. Unbedeutender seropurulenter Fluss; ein¬ 
zelne Gonococcen. 

Von den beschriebenen zwei Fällen hat der erste, die 
gonorrhoische Teudovuginitis, das grösste Interesse, weil es der 
erste Fall von Tendovaginitis ist, wo die Anwesenheit von 
Gonococcen in unwiderleglicher Weise durch Reinzüchtung 
und positiven Inoculationsversuch am Menschen bewiesen 
worden ist. In der Literatur habe ich drei Fälle von Tendo¬ 
vaginitis gefuuden, wo angegeben wird, dass Gonococcen in 
tSehnenscheide gefunden worden sind. In keinem der drei 
Fälle wurden indessen Culturversuche auf für Gonococcen zu¬ 
sagendem Nährboden gemacht. Schon dieses macht, dass die 
Culturversuche in keinem dieser drei Fälle als vollkommen 


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Reinzüchtung dos Gonococcus Neisser in gonorrh. Metastase. 203 


beweisend angesehen werden kann. Die ausgeführte directe 
mikroskopische Untersuchung des Inhalts der Sehnenscheiden 
beweist auch in keinem der drei Fälle vollkommen die An¬ 
wesenheit von Gonococcen, weil in einem Falle Färbung nach 
Gram gar nicht versucht wurde, in den zwei anderen Fällen 
dagegen Färbung nach Gram zwar angewandt wurde, ohne 
dass aber angegeben wird, wie hierbei die Gram’sche Me¬ 
thode gehandhabt wurde. Ein Jeder aber, der sich etwas 
näher mit dem Studium über das Färbungsverhalten der Diplo- 
cocceu beschäftigt hat, weiss, welch wechselndes Resultat in 
Betreff ihrer Abfärbung nach Gram man erhalten kann durch 
eine ungleich langdauernde Einwirkung von Jodjodkalium und 
Alkohol auf die Präparate. In der letzten Zeit haben mehrere 
Untersucher die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie die 
Gr am’8 che Methode angewandt werden soll beim Versuche 
zur mikroskopischen Diagnose auf Gonococcen. Es unterliegt 
keinem Zweifel, dass hierbei Fehler begangen worden sind und 
von vielen noch begangen werden, was zu einer unzähligen 
Menge Irrungen bei den klinischen und bakteriologischen 
Untersuchungen auf Gonococcen Anlass gegeben hat. Indessen 
will ich die drei angedeuteten Fälle kurz anführen. 

DupFe’s Fall (18S8): 2' Jähriges Mädchen, bei welchem 
gonorrhoische Entzündung in den Sehnenscheiden der Exten¬ 
soren an der Dorsalseite der beiden Hände, secundär nach einer 
gonorrhoischen Vulovaginitis diaguosticirt wurde. Das durch 
Function gewonnene Exsudat zeigte bei der mikroskopischen 
Untersuchung Diplococcen, die den Gonococcen mit Hinsicht 
auf Form und intracelluläre Lagerung glichen. Ihr Verhalten 
zu Gram wird nicht erwähnt. Die Flüssigkeit wurde auf 
die gewöhnlichen Nährsubstrate aufgetragen, welche steril 
verblieben. 

Tollemer und Macaigne’s Fall (1893). Diagnose: 
Tendovaginitis Muse, extens. indic. dextr. secundär nach einer 
gonorrhoischen Urethritis. Das Exsudat enthielt gonococcenähn- 
liche Diplococcen, die sich nach Gram entfärbten. Die Flüs¬ 
sigkeit wurde auf Agar und Bouillon mit positivem Resultate 
übertragen. Diese letzte Mittheilung macht es zweifelhaft, ob 
Gonococcen in dieser Sehnenscheide wirklich vorhanden waren. 


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J u n d e 11. 


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Jacobi und Goldmann’s Fall (1894). Diagnose: 
Tendovaginitis suppurativa musc. tibial. post, sin., secundär nach 
einer gonorrhoischen Urethritis. Im Sehnenscheideneiter gono- 
coccenähnliche Diplococcen, die sich nach Gram entfärbten. 
Culturproben, auf den gewöhnlichen Nährböden gemacht, 
blieben steril. 

In meinem Falle I entstand ein oberflächlich liegender, 
durch Gonococcen venirsachter Abscess oder richtiger Granu¬ 
lationsherd, offenbar per continuitatem von der kranken Seh¬ 
nenscheide fortgeleitet, welche bei der Incision nekrotisch be¬ 
funden wurde. 

Zweimal früher hat mau in unwiderleglicher Weise 
Gonococcen aus Abscessen rein gezüchtet. Der erste Fall ist der 
von Paltauf und Horwitz (189'!): ein Abscess an der Dor¬ 
salseite des linken Metacarpus, der Sehne des Mittelfingers 
entsprechend, enthielt Eiter und Granulationen; Communication 
mit der Sehnenscheide oder mit dem Gelenk wurde nicht an¬ 
getroffen. Culturversuch auf Serumagar nach Wertheim er¬ 
gab Reincultur von Gonococcen. Der zweite Fall ist von Bu- 
jivid (1895): Secundär nach einer Gonorrhoe entstanden 
vier Abscesse, alle intramuskulär in den Muskeln der Ex¬ 
tremitäten liegend. Die Incision liefert spärlichen Eiter, der bei 
mikroskopischer Untersuchung und Culturprobe auf Serumagar, 
Gonococcen und keine anderen Bakterien zeigte. 

Im Anschluss an meinen Fall II will ich die in der Lite¬ 
ratur vorkommenden sieben Fälle von Arthritiden, bei welchen 
Gonococcen sicher nachgewiesen worden sind, in aller Kürze 
anführen. 

Rendu’s Fall (1S93). Gonitis. Vielleicht nicht ganz 
sicher, weil nicht angegeben wird, ob die einzige Colonie, die 
auf Ascitesagar erhalten wurde, auf den gewöhnlichen Nähr¬ 
böden Wachsthum zeigte oder nicht. Solche Angaben sind 
um so mehr wünschenswerth. als ich in einem Falle, wo die 
Diagnose auf gonorrhoische Synovitis (Gonitis) gestellt wurde, 
auf Ascitesagar drei gonococcenähnliche Cölonien von einem 
Coccus (?) erhielt, der sich augenblicklich nach Gram 
entfärbte, und der an Form und Anordnung in Diplo- und 


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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in gonorrh. Metastase. 205 


Tetraform Gonococcen sehr ähnelte.') Er war aber grösser als 
der Gonococcus und wuchs in einer Masse Generationen auf 
gewöhnlichem Agar und in gewöhnlicher Bouillon. Er zeigte 
auf Agar eine hellgelbe Farbe. Er wuchs rascher bei gewöhn¬ 
licher Zimmertemperatur als bei 36°. Bei Aussaat in gewöhn¬ 
liche Gelatine sah man nach 24 Stunden unter dem Mikro¬ 
skope kleine, ganz unregelmässige, grobkörnige, mit unregel¬ 
mässig gezahntem Rande versehene Colonien, die nur langsam 
an Grösse Zunahmen. Die grössten erreichten nicht die Grösse 
eines Stecknadelkopfes. Die Gelatine wurde nicht verflüssigt. 
Die Gelatinestichcultur zeigte sich nach einer Woche als ein 
ziemlich unbedeutender gelblicher Streifen. In gewöhnlicher 
Bouillon bildete er einen mehr weniger dicken Bodensatz, 
während die übrige Bouillon klar blieb. Auf Kartoffel kein 
oder höchst unbedeutendes Wachsthum. Auf Ascitesagar ge¬ 
ringeres Wachsthum als auf gewöhnlichem Agar. Seine patho¬ 
gene Bedeutung fiir Tbiere habe ich noch nicht geprüft. Ich 
habe ihn mit keinem anderen früher beschriebenen Coccus 
identificiren können, besonders weil die Angaben über das 
Verhalten der Coccen zu Gram nicht zuverlässig sind. Der 
jetzt beschriebene Coccus (?) wird ähnlich wie die Gonococcen 
augenblicklich nach Gram entfärbt. 

Höck’s Fall (1893). Gonitis. Der erste ganz sichere Fall. 

Weifser’s Fall (1894). Coxitis. 

Finger, Gohn und Schlagenhaufer’s Fall (1894). 
Multiple Gonococcenmetastasen mit secundärer septischer Infec- 
tion im Anschluss an eine Blennorhoea neonatorum: Gonitis 
und angrenzender Abscess am Schenkel mit Gonococcen (in 
überwiegender Menge) und Streptococcen; Rippenperichondritis 
mit ausschliesslich Gonococcen; inflammatorisches Oedem am 
Halse und im Mediastinum ; Synovitis articulationis temporo- 
maxillari8 mit ausschliesslich Streptococcen; im Blute eben¬ 
falls nur Streptococcen. 

E. Neisser’s Fall (1894). Synovitis articul. talocrural. 
Die Culturversuche in diesem Palle beweisen vollkommen, dass 

*) Das Genitalsecret wurde nicht untersucht, weil ich die Pa¬ 
tientin nicht selbst gesehen; Luflinfection der Platten kann nicht ganz 
sicher ausgeschlossen werden. 


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206 


J u ml eil. 


hier Gonoeoccen vorhanden waren. Nirgends aber konnte bei 
Neisser’s Pat. ein primärer Infectionsherd gefunden werden, 
trotz genauer Untersuchung der Urethra (auch mittelst Cultur- 
versuch auf Ascitesagar?). Neisser’s Pat. verneinte auch 
bestimmt die Möglichkeit einer gonorrhoischen Infection. Auf 
dies letztere braucht man ja keine Rücksicht zu nehmen. 
Mein Fall II, der durch Inoculatiou an Menschen verificirt 
wurde, zeigt, dass Gonoeoccen im Seerete der primären Infec- 
tionsstelle fehlen können, obw r ohl die Metastase erst vor Kurzem 
eingetreten war. 

Bordoni-Uffreduzzi’s Fall (1804). Synovitis in 
einem Fussgelenke. Dieser Fall war vor meinen jetzt mitge- 
theilten zwei Fällen der einzige, wo die Sicherstellung von Gono¬ 
eoccen in einem metastatischen Ilerde durch positiven Inocula- 
tionsversuch an Menschen bewiesen worden war. 

Burci und Respighi’s Fall (1894). Gonitis. In diesem 
Falle konnten am dritten Tage keine Gonoeoccen in der durch 
Punction erhaltenen Flüssigkeit, die auf Serumagar überimpft 
wurde, nachgewiesen werden; am sechsten Tage aber, nach 
Incision und Ausschabung der Kapsel mit sterilisirtem Finger, 
konnten Gonoeoccen im Mikroskope und culturell nachge¬ 
wiesen werden. Vergleiche hiermit meinen Fall II: nach der 
ersten Probepunction Alles in Allem 20 Colonien auf 8 Platten, 
nach der zweiten, 5 Tage später vorgenommenen Punction, circa 
10 Colonien in jeder Platte. 

Ausser aus Gelenken, Abscessen und Sehnenscheiden 
ist es bis jetzt gelungen Gonoeoccen aus pleuritischem Ex¬ 
sudate, Mazza’s Fall (1894), aus dem Blute, Thayer und 
Blumer’s Fall (1895), in einwandsfreier Weise rein zu 
züchten. Im letztgenannten Falle, der bei der Autopsie eine 
ulceröse, wahrscheinlich durch Gonoeoccen verursachte Endo- 
carditis zeigte, wurden im Leben Gonoeoccen im Blute fol- 
gendermassen nachgewiesen. Zwei Cm. Blut wurden mit steriler 
Spritze aus der Vena mediana basilica ausgeholt und mit der 
doppelten Menge Agar vermischt. Nach 48 Stunden ent¬ 
standen kleine weisse gonococcenähnliche Colonien, die 
auf den gewöhnlichen Nährböden kein Wachsthum zeigten. 
Die Mischung von einem Theile Blut und zwei Theilen 


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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in gonorrh. Metastase. 2U7 


Agar ist ein Gonococcen zusagender Nährboden, was 
ich selber geprüft habe. Es unterliegt also keinem Zweifel, 
dass es Thayer und Blumer gelungen ist nachzuweisen, 
dass Gonococcen die Blutmasse inficiren können. Dasselbe 
habe ich durch experimentelle Untersuchungen an Thieren be¬ 
wiesen. *) Meine Versuche, Gonococcen aus dem Blute des 
Menschen reinzuzüchten, sind bisher negativ ausgefallen. 

Bei der Erwähnung von Thayer und Blumer’s Fall, 
wo Gonococcen mit dem Mikroskope in den endocarditischen 
Auflagerungen nachgewiesen wurden, will ich, um hiermit die 
Aufzählung der gonorrhoischen Metastasen zu vervollständigen, 
die anderen in der Literatur vorkomraenden Fälle von Endo- 
carditis erwähnen, welche auf Grund mikroskopischer Unter¬ 
suchungen der endocarditischen Auflagerungen mit grösster 
Wahrscheinlichkeit als auf Gonococcen beruhend angesehen 
werden können. Es sind dies die von Wilms (1893), Leyden 
(1893), Councilman (1893, gonorrhoische myocarditis)^ 
Winterberg (1894), Finger, Gohn und Schlagen¬ 
haufe r (1895) und Michaelis (1896) beschriebenen Fälle. 

Die Diagnose gonorrhoischer Endocarditis wurde in allen 
den angeführten Fället! gegründet auf die directe mikroskopische 
Untersuchung der endocarditischen Auflagerungen, hei welcher 
die respectiven Untersucher Diplococcen fanden, welche in 
Hinsicht auf die Form, intracelluläre Lagerung und die Leichtig¬ 
keit, mit welcher sie nach Gram entfärbt wurden, Gonococcen 
vollständig glichen. Durch Cultur ist es noch nicht ge¬ 
lungen, Gonococcen in endocarditischen Ablagerungen nachzu¬ 
weisen, aber vielleicht wird es nicht lange dauern, bis ein 
Versuch nach dieser Richtung gelingen wird. Ist dies gesche¬ 
hen, wird man die Analogie zwischen den Gonococcen und 
den gewöhnlichen pyogenen Mikroorganismen vollkommen klar 
gestellt haben. 

') Ueber diese Untersuchungen werde ich später Näheres mit¬ 
theilen. 


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Lungenembolie bei Injection von Hydrar- 
gyrum salicylicum. 

Von 

Dr. Bernhard Schulze, 

Arzt für Hautkrankheiten iu Kiel. 


Die Gefahren der Behandlung der Lues mit Injectionen 
unlöslicher Quecksilberpräparate sind hinlänglich bekannt. Wenn 
wir von den sich zuweilen an der Iujectionsstelle zeigenden 
Abscessen und den Intoxicationserscheinungen, wie sie sich bei 
jeder Quecksilberanwendung zeigen können, absehen, so sind 
es hauptsächlich die in den meisten Lehrbüchern allerdings 
nur sehr oberflächlich angedeuteten Erscheinungen von Seiten 
der Lungen, welche immer wieder das Bedenkliche dieser in- 
tramusculären Einverleibung unlöslicher Hydrargyrumpräparate 
beweisen. Möller 1 ) hat nun im dritten Heft des XXXVH. Bandes 
dieser Zeitschrift in ausführlicher und klarer Weise die bisher 
veröffentlichten wenigen Fälle von beängstigenden Lungen¬ 
symptomen bei vorgenannter Therapie zusammengestellt und 28 
neue Fälle seiner Praxis hinzugefügt. Auch mir begegnete, 
gerade als ich die Arbeit M ö 11 e Fs las, ein hierher gehörender 
Fall, und halte ich es zur Vervollständigung der Statistik der¬ 
artiger Fälle für angezeigt, diesen hiermit zur Kenntniss zu 
bringen, da jeder hinzukommende Fall von Neuem auf die 
Gefahren unserer modernen Behandlungsweise hinweist, welche 
sich zwar nicht immer gänzlich vermeiden lassen, aber doch 
bei einiger Vorsicht meistens zu umgehen sind. Ich lasse nun 
kurz die Krankengeschichte meines Patienten folgen. 

W. H., Musiker, 32 Jahre alt, bisher völlig gesund, stellte sich ara 
18. Sept. 1896 in meiner Sprechstunde mit einem typischen Ulcus durum 
im Sulcus coronarius vor. Der inücirende Coitus hatte vier Wochen vorher 
stattgefunden, weitere Erscheinungen von Lues waren noch nicht vor¬ 
handen. Im Laufe der nächsten Wochen entwickelten sich in regelrechter 
Weise die gewöhnlichen Symptome der Syphilis: Die Drüsen schwollen 
überall indolent an, Angina specifica, Plaques im Munde und Kopf¬ 
schmerzen stellten sich ein, und am 29. October war ein allgemeines 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 


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S e h u 1 z e. 


maculo-papulöses Exanthem deutlich ausgeprägt. Während die Behand¬ 
lung bisher in der üblichen Weise in Bedecken des Primäraffects mit 
Emplastrum hydrargyr. bestanden hatte, wurde am 29./X. die Allgemein¬ 
behandlung in Angriff genommen, und zwar wurden aus verschiedenen 
Gründen Einspritzungen des unlöslichen Quecksilberpräparates Hydrarg. 
salicyl. 1,0 : 10,0 Paraffin, liquid, gewählt, welche ich in Zwischenräumen 
von 5—8 Tagen in der bekannten Weise jedes Mai ein Ccm. intramus- 
culär anwandte. Patient vertrug die Injectionen sehr gut, klagte nicht 
über Schmerzen, die Infiltrate an den Einstichstellen über den Glutäen 
waren wenig fühlbar, die Symptome der Lues wichen schnell. 

Am 16./XI. injicirte ich in den linken Glutaeus die vierte Spritze 
besagter Lösung, und verliess Patient, wie sonst auch, ohne Schmerzen 
meine Wohnung. Sofort auf der Strasse überfiel ihn aber ein heftiges 
Schwindelgefühl, verbunden mit Schüttelfrost, so dass er sich an der 
Hausthür festhalten musste; es folgten ein langer, heftiger Hustenanfall 
und Erbrechen, sowie starke stechende Schmerzen in der linken Lungen¬ 
gegend, besonders hinten und unten, so dass Patient nach seiner Angabe 
kaum im Stande war zu athmen. Es gelang ihm nun, mit Hilfe eines 
Yorbeigehenden die Strassenbahn zu erreichen und nach Hause zu kom¬ 
men, wo er sofort das Bett aufsuchte. Die Nacht verlief schlaflos unter 
starken Schmerzen in der linken Lunge und fast ununterbrochenen 
Hustenanfällen, auch will Patient starkes Fieber gehabt haben. Am 
nächsten Morgen benachrichtete mich der Kranke von diesem Vorfall, 
und fand ich bei meinem Eintreffen den Patienten in einem recht elenden 
Zustande vor. Der Husten hatte sich zwar etwas gelegt, aber von Zeit 
zu Zeit traten doch noch recht starke Anfälle auf, der Auswurf war sehr 
gering und ohne blutige Beimischung. Die Athmung war beschleunigt 
und sehr oberflächlich, da Patient nur schwer uud mit starken Schmerzen 
athmen konnte, der Schmerz war einseitig links und wurde besonders als 
hinten und unten angegeben. Der objective Befund der Lungen ergab 
nirgends eine Dämpfung, nur hinten links unten hörte man deutlich aus¬ 
geprägte, nicht sehr starke Rasselgeräusche, sonst liess sich an den Lungen 
nichts nachweisen, auch das Herz war völlig normal. Die Temperatur 
war Morgens 392, Abends 39‘3. Die Urinuntersuchung zeigte weder Ei- 
weiss noch sonstige Anomalien. Am nächsten Tage (18./XI. 1896) hatte 
sich der Zustand unter absoluter Ruhe und nassen Umschlägen auf die 
linke Seite wesentlich gebessert., zwar waren die Schmerzen beim Athmen 
noch ziemlich heftig, auch die Temperatur war noch erhöht (Vm. 38*8 t 
Ab. 38*4) aber der Husten hatte gänzlich aufgehört, Patient hatte Appetit 
und fühlte sich im Allgemeinen besser. 

19. /XI. Temperatur Ym. 38 0, Ab. 37.8. Schmerzen geringer, Ath- 
nmng leichter, Rasselgeräusche nicht mehr hörbar. 

20. /XI. Temper. Ym. 37*5, Ab. 37*7. Noch geringe Schmerzen, sonst 
keine Symptome. 

Die Schmerzen wichen in den nächsten Tagen völlig, so dass Pat. 
nach einiger Zeit wieder ausgehen konnte. 


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Lungenembolie bei Iujection von Hydrargvrum salicylicum. 211 


Am 7./XII. 1896 setzte ich dieselbe unterbrochene Behandlung 
fort, indem ich nun genau darauf achtete, bei der Injection keine Vene 
zu berühren, was ich vorher bisweilen versäumt hatte. Patient erhielt 
dann noch einige Injectionen und wurde am 21. Januar 1897 nach Ein¬ 
verleibung von im Ganzen 1,2 Gr. Hydrargvr. salicyl. (12 Spritzen) als 
vorläufig symptomfrei entlassen. Kurz hinzufügen möchte ich noch, dass 
während der gesammten Behandlungsdauer sich niemals Erscheinungen 
von Stomatitis oder Enteritis zeigten. 

Es kann sich nach meiner Meinung im vorliegenden Falle 
nur um eine Lungenembolie handeln, welche voraussichtlich in 
Folge der Verschleppung eines Paratfinpfropfes oder Queck- 
silberpartikelchens in die Lunge auf der Venenbahn entstanden 
ist. Die ganzen Erscheinungen, welche fast unmittelbar nach 
der Injection auftraten (es waren höchstens fünf Minuten ver¬ 
strichen), lassen wohl kaum eine andere Deutung zu, und sind 
ja auch ähnliche Fälle in beschränkter Zahl beobachtet wor¬ 
den, ich erinnere z. B. unter anderen an den ersten von 
Lesser®) mitgetheilten Fall, in welchem sich fast genau das¬ 
selbe Bild zeigte. Lesser deutet diese Erscheinungen als em- 
bolischen Lungeninfarkt, entstanden durch Injection des un¬ 
gelösten Quecksilbersalzes in eine Vene. 

Auch Quincke 3 ) berichtet über das „Auftreten entzünd¬ 
licher Erscheinungen im Respirationsapparat“ in sieben Fällen, 
doch traten die Erscheinungen in diesen nie so unmittelbar 
nach der Injection ein wie in meinem Fall, nur in Fall 5 und 
7 werden die Erscheinungen von Seiten der Lunge bereits als 
am Injectionstage selbst aufgetreten angegeben, und vergleicht 
Quincke die Erscheinungen mit den ersten Zeichen einer be¬ 
ginnenden Pneumonie. Im Uebrigen decken sich die Krank- 
heitssymtome fast gänzlich mit denen des vorliegenden Falles. 
Zu bemerken ist, dass es sich in den Q u i n c k e’schen Fällen 
ebenso wie in denen von Watrazewski 4 ) und Lindström 5 ) 
um Injectionen von Hydrargyrumpräparaten mit Oel statt Paraffin, 
liquid handelt, und ist darauf vielleicht das langsamere Ein¬ 
treten der Lungenerscheinungen zurückzuführen. Die Oed- 
mansson’schen, 6 ) die sämmtlichen Möller’schen und der vor¬ 
stehende sind durch Paraffinemulsionen entstanden, so dass er 
also in der Sache selbst ziemlich indifferent erscheint, welches 
der beiden Vehikel verwandt wird. Dass es sich aber bei den 
Lungensymptomen weniger um eine Quecksilberintoxication als 

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Schulze. 


um CirculationsstöruDgen embolischer Natur handelt, scheint 
mi r durch die eingehenden Versuche Möller’s erwiesen, welcher 
ja embolische Erscheinungen am Thier auch lediglich durch 
Injection von Paraffin oder Gummi arabic. ohne Zusatz irgend 
eines Hydrargyrumpräparates erzielte, wenngleich nicht ge¬ 
leugnet werden kann, dass der Quecksilberzusatz erschwerend 
wirkt, und vielleicht gerade durch die Verbindung des Hydrargyr. 
mit dem Vehikel grössere Pfropfe verschleppt werden, als 
wenn das Vehikel allein in die Venenbahn gelaugt. Wären die 
Erscheinungen lediglich Zeichen einer Intoxication, so wäre es 
doch wahrscheinlich, dass sich noch andere Symptome derselben, 
wie Stomatitis, Euteritis u. s. w. früher oder später bemerkbar 
gemacht hätten, was in meinem Falle z. B. absolut nicht eintrat. 

Ich kann mich daher den Anschauungen M ö 11 e r’s im Allge¬ 
meinen nur anschliessen und das von Blaschke 7 ) vorgeschlagene 
Verfahren „nach Einstich der Nadel erst abzuwarten, ob sich 
keine Blutung an der Canüle (oder in derselben) zeigt, und 
nur daun, wenn dies nicht der Fall ist, die Injection auszu¬ 
führen“ als sicheres Mittel empfehlen, um derartigen unange¬ 
nehmen und gefahrdrohenden Zufällen zu entgelten, wie sie 
sonst leicht eintreten können und eingetreten sind. Beachtet 
man diese Vorsicht, so ist die intramuskuläre Injection unlös¬ 
licher Hydrargyrumpräparate, welche ich der von Neisser aus¬ 
geübten subcutanen vorziehe, nicht mehr zu fürchten als jede 
andere Quecksilberanwendung und kann nach wie vor in der 
Syphilistherapie ihre bleibende Stelle behalten, da sie oft die 
einzige Applicationsart bildet, welche angewandt werden kann. 

Literatur. 

1. Möller, Magnus. Uebcr Lungenembolie bei Injection von un¬ 
löslichen Queeksilberpräparaten. Archiv f. Dermatol, u. Svph. XXXVII. 
Heft 3 p. 344. 

2. Leas er. Vierteljahresschrift f. Dermat. u. Syph. 1888 p. 909 ff. 

3. Quincke. Berl. klinische Wochcusohr. 1890 p. 401. 

4. Watraszewski. Archiv f. Denn. u. 8yph. 1889 p. 835 ff. 

5. Lind ström. Med. Rundschau. 1890. 

6. Oedmansson. Nord. med. arkiv. 1S91. Bd. XXIII. Nr. 23. 

7. Bla8cliko. Deutsche med. Wochenschr. 1892 p. 905. 


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Aus der Münchener chirurgischen Klinik. 


Ueber Alopecia congenita. 

Von 

Privatdocent Paul Ziegler, 

I. Assistenzarzt. 


(Hierzu Taf. X, XI u. XII.) 


Durch Zufall gelangte ich vor 1 Jahre zur Beobachtung 
eines interessanten Falles von angebornem gänzlichem Haar¬ 
mangel bei einem 17jährigen Mädchen, dessen Vater ich an 
einer Hydrocele behandelt hatte. Dasselbe war nach Aussage 
der Eltern gänzlich haarlos, im übrigen völlig normal ent¬ 
wickelt, zur Welt gekommen, als das jüngste von 11 Geschwistern, 
die ebenfalls alle normal entwickelt waren und auch bezüglich 
des Haarwuchses keine Abnormitäten zeigten. Weder Eltern 
noch Grosseltern noch jemand in der übrigen Verwandtschaft 
weisen irgend eine Anomalie des Haarwuchses auf. Seit dem 
Eintritt der Periode im ! 3. Lebensjahre treten alle 4 Wochen 
am Hinterhauptshöcker ein kleines Büschel schwarzer Haare 
auf, die nach 4 Tagen mit dem Aufhören der Periode wieder 
verschwinden; ungefähr seit derselben Zeit soll sich ein leichter 
Flaum an den Wangen gebildet haben. Vor 1 Jahre traten 
einige wenige Haare an den Augenbrauen und an den Lidern 
von normalem Aussehen auf. Seit kurzem bemerkte Patientin 
beim Waschen leichten Anflug von Wollhaaren an beiden 
Vorderarmen. 

Das kräftig entwickelte Mädchen ist von gutem Ernäh¬ 
rungszustände, zeigt abgesehen von den Haaren keinerlei Ab¬ 
normitäten, insbesondere sind Zähne und Nägel normal ent¬ 
wickelt; nur das physische Verhalten ist etwas scheu und 
ängstlich. An den Augenbrauen und Lidern sind einige spärliche, 
normal aussehende Haare, zartes Wollhaar an beiden Wangen 


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Ziegler. 


und Vorderarmen, sonst entbehrt der ganze Körper incl. Kopf, 
Scham und Achseln jeglichen Haarwuchses. An beiden Ober¬ 
armen, an den Schultern und Oberschenkeln findet sich allent¬ 
halben reichlicher Lichen pilaris, aber auch nach Abkratzen 
der Epidermis und Betrachtung mit der Lupe ist kein Haar 
dort zu entdecken. Durch viele Bemühungen gelang es mir, 
von der sehr ängstlichen Patientin die Erlaubniss zu erwirken, 
dass ich ein kleines Hautstückchen aus der Kopfschwarte in 
der Scheitelgegend behufs mikroskopischer Untersuchung ex- 
cidiren durfte. Die kleine Wunde heilte per primam. 

Die mikroskopische Untersuchung des Hautstückchens 
zeigte normal entwickeltes Epithel mit reichlichen Papillen, 
dagegen fehlten in sämmtlichen Schnitten, in welche das ganze 
Stückchen zerlegt wurde, sowohl Haare als Haarpapillen, bei 
Vorhandensein reichlicher, gut entwickelter, zum Theil mehrfach 
verzweigter Talgdrüsen, welche die verschiedensten Stadien 
der Zellentwicklung darboten und deren Ausführungsgänge mit 
normalem geschichtetem Plattenepithel in kleine trichter¬ 
förmige Einsenkungen des Oberflächenepithels mündeten. 

In der Nähe der Talgdrüsen, meist an deren Basis, stets 
entfernt vom Oberflächenepithel, finden sich vereinzelte, spär¬ 
liche Epithelschläuche mit weitem meist kreisrundem Lumen; 
das Epithel besteht aus 4—G Schichten, an der Basis niedriges 
Cylinderepithel, nach innen zu abgeplattete polygonale Zellen 
in 3—öfacher Lage, die äusseren weisen neben den Kernen 
Eleidinkörner auf, die inneren sind zum grössten Theil kernlos. 
Innerhalb des Lumens findet man an verschiedenen Stellen 
vereinzelte kernlose Zellcontouren und Detritus, nie aber Spu¬ 
ren von Haare, obwohl die Schnitte alle zur möglichsten 
Schonung in Paraffin eingebettet und aufgeklebt behandelt 
wurden. 

Diese Schläuche, die ein viel weiteres Lumen als normale 
Haarwurzelscheiden zeigen, sind gewunden, denn man findet 
manchmal mehrere Lumina dicht nebeneinander, zum Theil 
noch durch Epithel verbunden, und scheinen gegen die Ober¬ 
fläche geschlossen, wenigstens habe ich nirgends Ausmündungen 
gesehen, nur ein paarmal konnte ich kleine Epithelstreifen von 
der Nähe der Lumina nach oben ziehend erkennen. 


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Ueber Alojjecia congenita. 


215 


Die Schläuche sind von circular angeordneten Binde- 
gewebszügen umhüllt, in deren Gegend glatte Muskelfasern 
einmünden, die den Mm. arrectores pil. entsprechend mächtig 
entwickelt von der Oberfläche schräg nach der Tiefe gegen 
die Talgdrüsen und die Schläuche ziehen. Glatte Muskel¬ 
fasern findet man auch in der Umgebung der Schweissdrüsen, 
welch’ letztere in normaler Häufigkeit und Lage, von normaler 
Form sowohl was Drüse als Ausführungsgang betrifft, sich finden. 

Gemäss der Anordnung des Bindegewebes, der Muskel¬ 
fasern, der einzelnen Epithelschichten, besonders auch nach 
dem Vorhandensein der durch Carminfärbung deutlich sicht¬ 
baren Eleidinkörner in der auf das Cylinderepithel folgenden 
Schicht müssen die Epithelschläuche wohl als Reste der äusseren 
Haarwurzelscheide aufgefasst werden, obwohl nirgends eine 
Spur von Papille, von innerer Haarwurzelscheide oder Haar 
gefunden werden konnte. 

Ich ordinirte anfangs der Patientin Arsenik in Form der 
Pilul. asiaticae, dann gab ich ihr Schilddrüse frisch und in 
Pastillen, doch entzog sich die Patientin nach ca. 2 Monaten 
meiner Beobachtung, ohne den mindesten Effect erreicht zu 

haben. 

Vor kurzem sah ich sie vorübergehend wieder, der Zu¬ 
stand war völlig unverändert, nur am rechten Knie konnte 
ich 2 je 1 Cm. lange wohl entwickelte, schwarze Haare, die 
sich bei leichtem Zug schon ausziehen liessen, constatiren. 

Da in den meisten gebräuchlichen Lehrbüchern diese 
merkwürdige Anomalie des angebornen Haarmangels nur kurze 
Erwähnung als seltenes Vorkommniss findet, bemühte ich mich 
für Aetiologie, Prognose und vielleicht auch für die Therapie 
aus der Casuistik der bisher bekannten Fälle Gewinn zu 
ziehen. 

Bei Hippoerates und Procopius 1 ) sind schon viele Fälle von 
angeborenem Haarmangel beschrieben. 

Danz 2 ) erwähnt 2 erwachsene Personen, wo nebst den Haaren 
auch die Zähne fehlten, Steining 3 ) ein Geschwisterpaar, das am ganzen 


*) Hebra und Kaposi. 1876. II. Bd. p. 143. 
7 ) Ibid. Archiv f. Geburtshilfe. Bd. 4 p. 684. 

3 ) Frorieps Notizen. 26. Bd. Nr. 4. 


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Ziegler. 


Körper kahl war, bei normalem Zahnbefunde; auch Augustin 1 ) be¬ 
richtet von angebornem Haarmangel. 

Raver 3 ) hat einige Falle von angeborenem Haarmangel und Aus¬ 
bleiben des Haarwuchses auch in späterer Zeit beobachtet; erbeschreibt 
einen 32jährigen Mann, der bei der Geburt gänzlich haarlos war, jetzt 
zwar am Kopfe eine grosse Zahl sehr kleiner, äusserst feiner, farbloser 
Haare aufwies, doch fehlten an den Lidern die Wimpern, der Bart spär¬ 
lich, statt der Augenbrauen nur einige sehr feine und kurze Haare, an 
Brust, Scham und Achseln nur einige Haare, dagegen zahlreiche an der 
Innenseite der Unterschenkel. 

Thum am 3 ) überliefert uns von 2 leiblichen Vettern, Geschwister¬ 
kindern, die beide mit totalem Defect der Haare geboren, zur Heilung 
gelangten unter gleichzeitiger beträchtlicher Verspätung der Zahnent¬ 
wickelung. Fuchs fand bei neugebornen Kindern einzelne Partien der 
übrigen mit Haaren versehenen Kopfhaut unbehaart. 

Nach Hill sollen einige Rassen in Australien völlig kahl sein. 
Pareydt 4 ) demonstrirte einen 4Sjübrigen Mann, der völlig zahn- und 
haarlos war, nur im Gesicht fand sich reichlicher Backenbart, dagegen 
in den Achseln, am Haupte und an der Scham nur Flaumhaare. Seine 
Grossmutter mütterlicherseits hatte weder Haare noch Zähne. 

M i c luc ho-Macl av s 6 ) hat 2 völlig haarlose Australier unter¬ 
sucht, die muthmasslich von einer behaarten Mutter und einem unbe¬ 
haarten Vater stammten. Diese hatten 5 Kinder: die ältesten 2 Töchter 
waren unbehaart, ebenso wie der Sohn, die 2 jüngeren Töchter waren 
normal behaart. Die eine unbehaarte Tochter hatte 2 normal behaarte 
Kinder. Die eine unbehaarte Tochter und der Sohn wurden von Mi- 
c 1 u c h o - M a c 1 ay s untersucht: nur die Augenlider, beim Manne auch der 
Nasenrücken, wiesen einige rudimentäre Härchen auf, sonst nirgends eine 
Spur. Die Zähne waren normal. 

Besonderes Interesse erregt die Veröffentlichung von Schede 6 ) 
über 2 haarlos geborne Geschwister, einen 13jährigen Knaben und ein 
6 Monate altes Mädchen, wo jede Spur von Haaren, auch Wollhaar ver¬ 
misst wurde. 2 Geschwister, ebenso die Litern sind völlig normal; die 
Kinder sind durchaus gehörig entwickelt. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung eines Stückchens aus der Kopfhaut des Knaben ergab: grosse 
normale Talgdrüsen, in halber Höhe derselben oder tief neben oder unter 
dem Grund der Talgdrüsen, aber fast ausnahmslos in ihrer unmittelbaren 
Nähe liegen eine grosse Anzahl von kleineren und grösseren, durch 
Bindegewebe von den Talgdrüsen scharf abgegrenzten Atheromen, rudi- 

*) Asklepieion. Jahrg. 1812. H. 3. 

2 ) Rayer’s Darstell, der ITautkrankh. nach S t a n n i u s. Berlin 1839- 

3 ) Med. cliir. Transact. Volum. XXXI. 1848 p. 71. 

4 ) Deutsche Monatsschrift f. Zahnheilkunde. Nr. 2. 188(1. 

J ) Zeitschrift für Ethnologie. 13. Bd. 1881. 

r ’) Archiv f. klin. Chir. 1872 p. 15S. 


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Ueber Alopecia congenita. 


217 


mentaren Anlagen der äusseren Haarwurzelscheiden, mit denen sie im 
Bau übereinstimmen; sie finden sich immer nur in den tieferen Schichten 
der Cutis. Schweissdrüsen sind normal entwickelt, ebenso die mm. 
arrector. pil., welche als breite Bündel von der Gegend der Mündung 
einer Talgdrüse gegen den Grund der nächsten ziehen und hier sich ge¬ 
rade um die Atherome Yerästeln. Von einem Haar oder ausgebildetem 
Haarbalg ist nirgends etwas zu sehen. 

Jones und Atkins 1 ) haben ebenfalls die mikroskopische Unter¬ 
suchung der Haut eines haarlos gebornen Kindes vorgenommen und 
spärliche Abortivformen von Haarfollikeln gesehen. 

Quilford 5 ) berichtet von einem 48jährigen Manne, der völlig 
zahnlos war, im Gesicht zwar einen Backenbart trug und reichlich Haare 
an der Achsel und an der Scham aufwies, am Haupt aber nur spärliche 
Flaumhaare, an der übrigen Haut fehlten die Haare und am ganzen 
Körper völlig die Schweissdrüsen, selbst an vola und planta. 

Von Luce 3 ) stammt eine Mittheilung über ein Mädchen, das völlig 
kahl bei glatter Haut auf die Welt gekommen war; im Alter von 6 Mo¬ 
naten wurde die Haut uneben, höckrig, im Alter von 6 Jahren begannen 
spärliche Haare, aber viel dicker als normal zu spriessen, was später 
noch mehr zunimmt; die Haut bietet das Bild einer Xerodermie. 

Hutchinson 4 ) beobachtete einen Knaben von 3'/ a Jahren mit an¬ 
geborener völliger Kahlheit; seine Mutter war in Folge einer im 6. Lebens¬ 
jahr auftretenden Alopecie völlig kahl geworden mit abnormer Trocken¬ 
heit der ganzen Haut. 

Molönes 6 ) verdanken w T ir folgende Veröffentlichung; Ein im 
übrigen normal entwickeltes Mädchen war nach Aussage der Eltern, 
abgesehen von einem kaum sichtbaren Flaum und einigen Wollhaaren 
statt der Cilien völlig kahl zur Welt gekommen; die Haut im übrigen 
normal, auch Nägel gut ausgebildet. Mutter und ein Bruder des 
Mädchens hatten im Alter von 19 und 6 Jahren zeitweilig an Haar¬ 
schwund gelitten, sind aber völlig gesund geworden. Die spärlichen 
Cilien fielen im Alter von 5 Monaten aus ohne neuen Ersatz. Im Alter 
von 16 Monaten gelangte es in Behandlung von M o 1 e n e s, der einen com- 
pleten Haarmangel constatirte. Die Haut ist glatt, ausserordentlich weise 
zahlreiche Drüsenausführungsgänge mit der Lupe zu erkennen, an den 
Lidern einige Flaumhaare, keine Conjunctivitis. Bezahnung normal. 
5 Monate nach Einleitung der Behandlung (Waschungen mit Lösungen 
von ac. salicyl., mit Sublimatalkohol, Milchsäure und Einreiben verschie¬ 
dener schwach reizender Salben) zeigten sich die ersten Haare; jetzt nach 


*) Dublin Journ. Med. Sc. 1876 p. 200. 

2 ) Wiener med. Woch. 1883. Nr. 37. 

s ) These de Paris 1879. Rech, eur un cas tres curieux d’alopecie. 

4 ) Lancet 1886 p. 923. 

5 ) Annal. de derm. et de syph. 1890 p. 548. 


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Ziegler. 


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3Jahren besteht normaler Haarwuchs mit Ausnahme eines kleinen 
Fleckes hinter dem linken Ohre. 

Aubry 1 ) beobachtete eine angeborne Alopecie bei einem 18jäh- 
rigen Knaben, wo der Haardefect sich nur auf den Kopf und hier nur 
auf die Gegend der Knochennähte beschränkte, und zwar fanden sich 
2 haarlose Streifen entsprechend der Coronarnakt, eine entsprechend der 
Lambdanaht. Der Schädel von normalem Umfang, aber ungleichmässig. 
Aubry glaubt, dass ein gewisser Grad von Hydrocephalie Vorgelegen 
hat, der geheilt ist. 

In einem Fall von Fordyce’) bei einem 4jährigen Mädchen 
sollen bei der Gehurt nur einige Haare vorhanden gewesen sein, die sehr 
bald nachher austielen; einige Haare an den Augenbrauen sind noch ge¬ 
blieben. In der Familie keine Heredität. 

Von Abraham 3 ) erfahren wir folgende Mittheilung: Eine 33jäh- 
rige Frau wies einen völligen Haardefect an den Augenbrauen, Armen, 
Beinen und am Stamm auf, spärlichen Haarwuchs am Kopf, Scham und 
Achseln. Sie soll mit langem Flaum zur Welt gekommen sein, aber auch 
dieser sei bald ausgefallen. Bis zum IS. Jahr sei sie völlig kahl ge¬ 
wesen, ohne jegliches Haar am Körper, bis sich nach und nach der 
schwache Ersatz an den erwähnten Stellen zeigte. Patientin war seit 
9 Jahren verheiratet und hatte *2 Kinder von 5 Jahren und 15 Monaten; 
beide wurden mit spärlichem Haar geboren, das nach 3 Monaten ausfiel; 
gegenwärtig sind beide Kinder ganz kahl. 

In der Soc. franc. de Dermat. et de Syph., Sitzung vom 10./XI. 
1S92 4 ) wurden 2 Fälle von angeborner familiärer Alopecie mit Rosen¬ 
kranzmissbildung der Haare vorgestellt, w r obei von Tenneson auf den 
Zusammenhang mit der Keratosis pilaris hingewiesen wurde. 

Bei Joseph 5 ) finde ich einen Fall von Schultz angeführt: einem 
35jährigen Manne mangelte jeglicher Haarwuchs bis auf 10 um die Mnnd- 
w r inkel gruppirte 1—1 */* Cm. lange Härchen. 

Bei der Durchsicht der vorliegenden Literatur ergibt sich, 
dass das Krankheitsbild des angeborenen Ilaarmangels durch¬ 
aus kein einheitliches ist; za einer präcisen Eintheilung jedoch 
genügen die bisherigen spärlichen mikroskopischen Unter¬ 
suchungen keineswegs. Um den angeborenen Haardefect scharf 
abzugrenzen von dem erworbenen in seinen verschiedenen 
Formen, wäre es zweckmässig, den Namen Alopecie, den in 
strengem Sinne das Ausfallen schon vorhandener Haare be- 


') Annal. de Dermatologie. 1893. 

7 ) Journ. of cut. and gen. ur. dis. März 1895. 

3 ) Brit. Journ. of Demi. April 1895. 

4 ) Monatshefte f. prakt. Denn. 1892 p. 618. 

5 ) Lehrbuch der Ilautkrankh. Berlin 1892. 


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Ueber Alopecia congenita. 


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deutet, hier ganz fallen zu lassen und die schon von anderen 
vorgeschlagene Bezeichnung Atrichia oder Oligotrichosis oder 
nach Bonnet’s Vorschlag congenitale Hypotrichosis allgemein 
einzuführen. Um einen absoluten Haarmangel handelt es sich 
in den wenigsten Fällen, meist befindet sich ein schwacher 
Flaum an der einen oder anderen Region oder er war wenig-’ 
stens bei der Geburt vorhanden, wenn er auch bald nachher 
verschwand. Neben dem über dem ganzen Körper ausgedehnten, 
universellen, mehr oder minder völligem Defecte der Haare 
gibt es nun auch angeborene umschriebene Atrichien, für 
die ich als Beispiel den Fall von Aubry in Erinnerung brin¬ 
gen möchte, wo der partielle Haardefect entlang den Knochen¬ 
nähten verlief. 

Was nun die verschiedenen Formen der Atrichien anlangt, 
so gibt es Fälle, wo die Entwicklungsstörung im ganzen Epi¬ 
dermoidalgebilde Platz gegriffen hat, wo also neben den Haaren, 
auch die Zähne, Hautdrüsen und Nägel in der Ausbildung 
zurückgeblieben sind oder gänzlich fehlen, und zwar hei vor¬ 
handener und fehlender hereditärer Belastung; dies gehört 
jedenfalls zu den grössten Seltenheiten und was den Haut- 
drüsendefect betrifft, ist der Fall von Quilford wohl bis jetzt 
ein Unicum. Das Fehlen der Haare allein nun kommt vor bei 
ganz gesunden Kindern ohne hereditäre Belastung, wie die 
Beobachtungen von Schede und mir zeigen, oder bei Kindern, 
deren Eltern entweder selbst mit Atrichie zur Welt gekommen 
sind oder im Laufe des späteren Lebens den Haarverlust er¬ 
litten haben. In letzterem Falle kann jede Spur einer Haut¬ 
erkrankung beim Kinde fehlen oder es kann die Xerosis pilaris 
oder Ichthyosis, die bei den Eltern schon den Haarausfall 
bedingte, sehr bald nach der Geburt auch beim Kinde zum 
Vorschein kommen. 


Für die in den Lehrbüchern als ätiologisches Moment 
angeführte Syphilis habe ich in den aufgefundenen Kranken¬ 
geschichten keinen Beleg finden können; dagegen ist wohl die 
Möglichkeit von nervösen Einflüssen zuzugeben insbesondere 
in derartigen Fällen, w r o die Atrichie sich z. B. nur auf die 
Gegend der Knochennähte beschränkt. 


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Ziegler. 


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Die mikroskopischen Untersuchungen, welche nur die 
Fälle von Schede und auch den von Jones und Atkins 
betreffen, bieten nun ein mit meiner Beobachtung fast völlig 
übereinstimmendes Bild: bei wohl ausgebildeten Talgdrüsen 
unterhalb derselben abgeschnürte äussere Haarwurzelscheiden 
ohne Spur einer inneren Haarwurzelscheide, eines Haares oder 
einer Haarpapille, mit weiten, zum Theil von Epitheldetritus 
erfüllten Höhlen, während Schweissdrüsen und Mm. arrectores 
pil. in normaler Weise entwickelt sind. Dass die ursprüngliche 
Anlage des Epithelzapfens, aus dem das Haar sich entwickelt 
hat, eine normale war, geht daraus hervor, dass die ebenfalls 
aus dem Epithelzapfen hervorspriessende Talgdrüse eine nor¬ 
male Entwicklung erlangt hat, dass der Drüsenausführungsgang 
völlig der normalen äusseren Haarwurzelscheide entspricht, 
dass in den den Basalzellen benachbarten Zellen der abge- 
schnürten Drüsenschläuche noch Eleidinkörner zu finden sind. 
Die Ursache für das Ausbleiben des Haarwuchses muss, da 
die ganze Umgebung, Drüsen, Haarmuskeln, normal entwickelt 
sind, in einer localen Veränderung der äusseren Haarwurzel¬ 
scheide und zwar da der Ausführungsgang der Drüse normal 
ist, in seinem unterhalb derselben gelegenen Theil begründet 
sein. Während unterhalb der Einmündung der Drüse normaler 
Weise Stratum granul. und Ilornschicht fehlen, sind hier selbst 
in den erweiterten Schläuchen noch die Eleidinkörner vorhan¬ 
den und die innersten Epithellagen erscheinen kernlos, abge¬ 
plattet wie Hornzellen. Der reichliche Zerfall der übermässig 
producirten Zellen kann eine Verstopfung des unteren Theiles 
der Haarwurzelscheide bewirken und so analog der Bildung 
der Atherome bei verstopften Talgdrüsenausführungsgängen, 
eine Verengerung, eine Abschnürung der untersten Partien der 
Haarwurzelscheide entstehen, ehe noch die Papille gebildet ist. 
Vom klinischen Standpunkte aus ist nun nicht anzunehmen, 
dass alle Fälle angebornen Haardefectes ein ähnliches Bild 
wie die erwähnten bieten, sondern dass es sich in manchen, 
besonders denen, die in kurzem Heilung oder Besserung er¬ 
fahren, nur um ein verspätetes Wachsthum der im übrigen 
normalen Haaranlagen handelt. Dafür, dass thatsächlich eine 
völlige Abschnürung stattgefunden hat, spricht neben der 


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Leber Alopecia congenita. 


221 


starken Erweiterung der nur in den tieferen Schichten der 
Cutis sich findenden Schläuche das Fehlen von Ausmündun¬ 
gen an der Oberfläche trotz Durchsuchung zahlreicher Schnitte. 
Von der Beschaffenheit der Haaranlage ist die Prognose ab¬ 
hängig und diesbezüglich würden wir natürlich den sichersten 
Aufschluss durch das Mikroskop bekommen. Nach der Erfah¬ 
rung ist die Prognose der universellen Atricliie im allgemeinen 
keine schlechte, da man ja noch nach 18 Jahren Heilung ein- 
treten sieht. In unserem Falle, wo die Haaranlage wenigstens 
in dem untersuchten Stück sehr spärlich erfolgt scheint und 
völlige Abschnürung besteht, kann auf Besserung nicht ge¬ 
hofft werden, so ferne die histologische Beschaffenheit am 
ganzen Körper in gleichem besteht. Partielle Atrichie hat von 
vornherein eine schlechte Prognose, was z. B. bei dem Falle 
von Aubry nicht auffällig erscheint. 

In den Fällen, wo es sich um ein einfaches verspätetes 
Wachsthum, meist in Verbindung mit erschwerter Dentition 
handelt, wird die Therapie mit schwach reizenden Wassern 
oder Salben Erfolge erweisen. In einem Falle von Abraham 
soll durch Fütterung mit Schilddrüse Besserung eingetreten 
sein, ebenso durch Behandlung mit einem constanten Sauer¬ 
stoffspray nach einer Empfehlung von Stocker’s. Auch ich 
habe versucht, durch Schilddrüsenfütterung Besserung zu er¬ 
zielen, allein die Patientin entzog sich bald meiner Behandlung 
und ich glaube nicht, dass sie durch das Wegbleiben von der 
Behandlung sich einen wesentlichen Schaden zugefügt hat. 

Herrn Prosector Dr. Böhm, der in gewohnter Liebens¬ 
würdigkeit die mikroskopischen Befunde revidirte, spreche ich 
auch auf diesem Wege meinen besten Dank aus; ebenso Herrn 
Privatdocenten Dr. B a r 1 o w für die gütige Ueberlassung seiner 
reichhaltigen Bibliothek. 


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222 


Ziegler. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel X, XI u. XII. 

I. Senkr. Schnitt durch die Haut. AA 0 2 Boden Zeiss. a Talgdrüse. 
b Querschnitt eines Epithelschlauches, c Arrector pili, der einerseits zum 
Epithelschlauch, anderseits zur Talgdrüse zieht. 

II. Senkr. Schnitt durch die Haut. AA 0 2 Boden Zeiss. a Talgdrüse. 
h Zwei nahe aneinander liegende Durchschnitte eines Epithelschlauches. 
c glatte Muskelfasern, d Schweissdrüse. 

III. Leicht schräg getroffener Querschnitt eines Epithelschlauches. 
Immers. Oc. 2. Aussen die Basalzellen, dann polygonale Zellen mit 
Eleidinkömern in den Kernen, dann abgeplattete, zum Theil kernlose, 
verhornte Zellen. 


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Bericht über die Leistungen 

auf dem 

Gebiete der Dermatologie und Syphilis. 



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Verhandlungen des Vereines Ungarischer Dermato¬ 
logen und Urologen. 


Sitzung vom 24. September 1896. 

Vorsitzender: Schwimmer. Schriftführer: Török. 

I. Josef Seilei. Fall von Filaria medinensis. Patient, Mit¬ 
glied einer sich in Budapest aufhaltenden Neger-Colonie, ist in Afrika — 
Acria — geboren; von der 180 Köpfe zählenden Truppe litten 9 an der 
Filaria; bei allen diesen konnte er den Wurm im subcutanen Binde¬ 
gewebe finden; über das Vorhandensein desselben im Bindegewebe anderer 
Organe hat er keine Erfahrungen. Am häutigsten, so auch beim demonstrirten 
Kranken kommt die Filaria an den unteren Extremitäten vor, seltener 
anderswo; so sah er dieselbe in einem Falle im subcutanen Bindegewebe 
des Scrotum. In allen diesen Fällen, so auch hier, entwickelte sich die 
Affection folgendermassen: eine anfänglich haselnuss-, dann wallnussgrosse 
fluctuirende Geschwulst war unter der Haut zu tasten; dieser locale Process 
verursachte keine grössere lieaction im Organismus, es war auch dieser 
selbst von keiner grösseren Teraperaturveränderung begleitet; auch be¬ 
deutendere Schmerzen traten nicht auf, es waren die Kranken nur bei Be¬ 
wegungen und beim Gehen gehindert. 

Der Tumor kam in der zweiten oder dritten Woche seines Be¬ 
standes zur Abscedirung, brach auf; in der geringen Eitermenge zeigte 
sich ein Ende der Filaria, welche die Kranken selbst hervorzuziehen 
pflegten und um das Zerreissen derselben und ein Zerstreuen der dadurch 
befreiten Eier zu verhindern, auf ein Stäbchen aufwickelten; binnen 8 
bis 10 Tagen wird der Wurm auf diese Weise in toto entfernt, und es 
stellt sich an der Stelle des Geschwüres die Restitution sehr rasch her. 
Die Geschwulst übt manchmal, theils wegen ihrer Grösse, theils weil sie 
2—3, ja sogar mehr Filarien enthält, einen Druck auf die darunter be¬ 
findlichen Blutgefässe aus, wodurch Stase und Oedem auftritt: so war es 
bei einem Kranken, welcher auf die erste interne Klinik des Herrn Prof. 
Koränyi kam. Bei diesem war die rechte untere Extremität vom Knie 
abwärts verdickt und wies eine auf Druck empfindliche fluctuirende Ge¬ 
schwulst auf, welche incidirt, grosse Menge blutigen Eiters (zwei 8 bis 
10 Cm.) und Filaria entleerte. 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. liand XXXIX. j- 


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22 f> 


Verhandlungen 


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II. Schwimmer. Tuberculosis cutis. 0. J., 37 Jahre alter 
Vergolder. Seine Mutter starb an Tubereulose. Im Januar 1890 bemerkte 
er an der Schleimhaut seiner Nase empfindliche Exulcerationen, welche 
sich mit Krusten bedeckten. Bald darauf rot bete sich und schwoll die 
Haut der Nase an, so dass er die dermatologische Klinik aufsuchte. 
Hier wurde seine Nase scarificirt. Danach wurde die Küthe und An¬ 
schwellung der Nase noch starker. Kein Schmerz. Status praesens: Die 
Nase, besonders im Querdurchmesser, vergrössert, gedunsen, bläulichroth. 
Die Haut Veränderung begrenzt sich mit verwaschenen Rändern nach auf¬ 
wärts gegen die Nasenwurzel. Auf beiden Nasenflügeln sind stecknadel- 
bis hanfkorngrosse bläulichrothe Knötchen sichtbar, von welchen einige 
unter der verdünnten Haut (‘inen eiterähnlichen Inhalt aufweisen. Links 
von der Nasenspitze sieht man eine durch (’onfluiren der kleinen Läsionen 
entstandene, in der Mitte (‘ingesunkene Erhebung von Thalergrösse. Die 
Knötchen sind weich, unempfindlich. Aehnliehe Knötchen am Nasenein- 
gange und an der Oberlippe. Eine grössere Erhebung von etwa l / i Cm. 
im Durchmesser auf dem rechten Nasenflügel. Noch ist zu erwähnen, dass 
der Kranke seit Jahren hustet ; Percussionsschall über der Lungenspitze 
links gedämpft; rauhes Ein- und Ausathmen. Gegen Lupus vulgaris spricht 
die rasche Entwicklung und die überaus weiche Consistenz der Knötchen; 
gegen Syphilis der Mangel der anamnestischen Daten und der Umstand, 
dass während des 9 Monate langen Bestandes kein Zerfall der Knoten 
aufgetreten war, sowie der Mangel sonstiger syphilitischer Veränderungen; 
gegen Acne spricht das Ausbleiben einer raschen Vereiterung und der 
Mangel der der folliculären Eiterung nachfolgenden Narben. Schw. nimmt 
an, dass es sich hier um einen tuberculösen Process handelt. 

S. Rona: Dem Wesen nach ist wohl ein tubereulöser Process vor¬ 
banden, von klinischem Standpunkte muss aber im vorgestellten Falle 
Lupus vulgaris diagnosticirt werden. 

Marschalk ö hält den Fall ebenfalls für Hauttuberculose. 

Schwimmer betont nochmals, (lass das weiche Gewebe gegen 
Lupus spricht. 

III. Schwimmer: Lu es heredi t ari a tarda. Sch. A., 12 Jahre 
altes Mädchen. Ihre Eltern leben und sind gesund, ebenso 3 Geschwister; 
drei andere sind gestorben (2 an Diphtheritis). Seit 5 Jahren entwickelt 
sich an der Vorderfiächc des oberen Drittels der linken Tibia ein Knoten, 
der sich allmälig vergrössert. Zu gleicher Zeit entstand ein zweiter 
Knoten am Ulnartheil des Unterarms. Dieser Knoten zerfiel vor zwei 
Jahren zu einem Geschwür. Die Nase ist seit etwa einem Jahre ver¬ 
schwürt, ebenso ihre Schleimhaut, das Septum narium ist im Laufe des 
letzten Jahres zu Grunde gegangen. Zur selben Zeit war auch die Mitte 
der Oberlippe und die Wange in der Gegend des rechten Mundwinkels 
geschwürig zerfallen. Letzteres Geschwür ist zugeheilt. Vor 1 ‘/ 3 Jahren 
ein Augenleiden, welches mit Lichtscheu einherging. Kein Olirenleiden. 
Status praesens: Bohnen- bis linsengrosse Geschwüre, an den Nasenflügeln 
mit aufgeworfenen Rändern und gelblich eitrigem Grunde, Nasenschleim- 


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des Vereines Ungarischer Dermatologen und Urologen. 


227 


haut geschwellt, mit Geschwüren bedeckt. Die Nasenseheidewand fehlt. 
Ein kleines Geschwürchen auf der Oberlippe. In der Nähe des rechten 
Mundwinkels und auf dem Kinn je ein mit einer Kruste bedecktes Ge¬ 
schwürchen. Auf der Wange in der Nähe des linken Mundwinkels eine 
10 Cm. lange, 3 Cm. breite, unregelmässige Narbe. Der mittlere Theil 
der linken Ulna ist verdickt; über der Verdickung ein bohnengrosser, 
von einer Kruste bedeckter Substanzverlust inmitten einer thalergrossen, 
röthlichen Narbe. Auch die rechte Ulna ist in leichterem Grade verdickt. 
An der linken Tibia querhandbreit unterhalb der Patella eine harte, 
kindsfaustgrosse Knochenverdickung. Diflbrmirte Schneidezähne. 

Havas: Die Fälle von sogenannter Syphilis hereditaria 
tarda sind eigentlich Fälle von spät auftretender tertiärer Syphilis, und 
man hat es in diesen Fällen keineswegs mit den ersten Manifestationen 
der Syphilis zu thun. 

Schwimmer glaubt, dass diejenigen nicht Unrecht haben, die 
der Ansicht huldigen, dass die ersten Manifestationen einer ererbten 
Syphilis spät auffreten können. 

IV. Justus: Lichen ruber planus et cor neu s. Frau \V. J., 
27 Jahre alt. Vor 3 Monaten erkrankt. Die ersten Effloivseenzen traten 
an den Unterarmen auf; typische Planuspapeln zerstreut über die ganze 
Körperoberfläche. Bloss Gesicht, behaarter Kopf, Handflächen und Fuss- 
sohlen sind freigeblieben. Stellenweise, besonders an den Unterextre¬ 
mitäten, Bildung von Plaques, welche mit dicker Hornschicht bedeckt 
sind. Weissliche, punktförmige Knötchen am weichen Gaumen, weisse 
linienförmige Auflagerungen auf der Wangenschleimhaut. 

V. Justus: Syphilis papulosa u n i v e r s a 1 i s. 

VI. Justus: Gruppirtes kl einpapulöses Syphilid auf 
den Unterschenkeln. 

VII. Justus: Cicatrices lueticae frontis, facici, nasi et 
f o 11 i c u 1 i t i s syphilitica. 

Vin. Justus: Seltenere Form der Syphilis auf der Nase. 
P. J., 37jähriger Schuhmacher. Auf dem Nasenrücken ist eine braunrothe, 
in der Mitte narbige, am Bande aufgeworfene, in der Mitte eingezogene 
Veränderung sichtbar, welche den ganzen Nasenrücken einnimmt. Unter¬ 
halb des linken Auges nur auf der Oberlippe je ein halbkreuzergrosses, 
mit aufgeworfenen Bändern versehenes und feine, weissliche Granulationen 
aufweisendes, scharf begrenztes Geschwür sichtbar. 

Schwimmer diagnosticirt hier keine Syphilis, sondern Lupus 
er\ thematodes. 

Török hält den Fall für Syphilis. Gegen Lupus vulgaris spricht 
die Abwesenheit von typischen Lupusknötchen, das späte Aut treten des 
Leidens, gegen Lupus erythematodes die tief eingezogenen Narben (statt 
der flachen Atrophien des L. eryth.) und die Geschwüre. 

Marschalko hält den Fall für Lues. 

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Verhandlungen 


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Justus: Da3 Blut des vorgestellten Kranken zeigte nicht die von 
ihm beschriebene Reaction des Hämoglobingehaltes nach Injection eines 
Quecksilbersalzes. Er wird eine antiluetische Behandlung inauguriren. 

Schwimmer hält seine Diagnose Török gegenüber trotz der 
Gegenwart der Geschwüre aufrecht. Die locale Anwendung von Empl- 
einer, beeinflusst auch den Lupus erythematodes und soll bei der Ent¬ 
scheidung der Frage durch therapeutische Massnahmen nicht angewendet 
werden. 

IX. Schwimmer stellt den schon einmal dernonstrirtenKranken mit 
Neurodermitis papulosa pigmentosa mit neuen Eruptionen noch¬ 
mals vor. 

X. Aschner (aus der Poliklinik des Dr. S. Rona): Scle- 
rosis init. mammae; Lues congenita? Frau B. J., 30 Jahre alt, 
ist seit 1 % Jahren verheiratet, gebar ihr erstes Kind (das demonstrirte) 
am 15. Mai 1896 an der geburtshilflichen Klinik. Dasselbe wurde dort 
für eine Frühgeburt erklärt. Die Tat. war bis dorthin immer gesund ge¬ 
wesen, hatte keine venerische oder syphilitische Erkrankung durchge¬ 
macht. Auch an dem Neugeborenen war in der ersten Woche nach der 
Geburt kein Zeichen von Syphilis wahrnehmbar. In der 6. Woche nach 
der Geburt bekam das Kind ein Bläschen an der Oberlippe, welches sich 
in ein Geschwür umwandelte. Einige Wochen später trat bei dem Kind 
ein Ausschlag auf. Die Mutter nahm vor 6 Wochen an ihrer linken 
Brustwarze ein Geschwür wahr, seit einigen Tagen hat sie Kopfschmerz 
und einen Ausschlag (Roseola). Der Vater wurde ebenfalls untersucht; 
dieser leugnet jemals Syphilis gehabt zu haben. Auch waren keine Zeichen 
einer abgelaufeiien Syphilis nachweisbar. A. dachte kurze Zeit, es in dem 
vorgestellten Falle mit einer Ausnahme \ on dem Coli e s-Bau m e s’sehen 
Gesetze zu thun zu haben. Er hält es jetzt aber für erwiesen, dass das 
Kind durch eine extragenitale Infection die Syphilis aeijuirirtc und 
seiner Mutter weitergab. 

S. Rona scbliesst sich dieser Auflassung an. 

XI. Justus: L o e a 1 i s a t i o u d e s Q u e c k s i 1 b c r s i m B1 u t e. Im 
Laufe seiner Blutuutersucbungen gelangte Vortragender zur Frage, 
welche Elemente des Blutes es seien, mit denen sich das intravenös ein- 
gefuhrte Ilg in erster Reihe verbinde (Plasmaalbumen? rotlie, weisse 
Blutkörperchen?). Erst wurden Versuche an Gesunden vorgenommen, um 
das Sublimat aufzutinden. Bas centrifugirte Blut ergab drei Schichten. 
Aussen lagen die rothen Blutkörperchen als dunkelrothe Säule, deren 
Mitte bei manchem Blute am centralsten Theile grau erschien, entspre¬ 
chend der Stelle, wo die specitisch leichteren weissen Blutkörperchen zu 
liegen kamen. Oberhalb der weissen Blutkörperchen sind weisse Fibrin- 
knäuel oder -Fäden zu sehen, welche schon in die vom Serum gebildete 
centralste Schichte hineinragen. Ich vermuthete das Ilg zuerst im Fibrin, 
welches ich also vorsichtig heraushob, um seinen inneren, von der rothen 
Blutkörperehenschicht unberührten Tbeil zu untersuchen. Das vom Serum 
mittelst destillirter Kochsalzlösung befreite, aus einigen Proben zusam- 


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229 


mengesammelte Fibrin wurde mit der empfindlichen und complicirten 
Lndwig’schen Methode auf Hg untersucht, u. zw. mit negativem 
Resultat, trotzdem auf einige Ccm. Blut 2—3 selbst 4 Mgr. Hg einge¬ 
spritzt wurden, das 30- bis 40fache, also der Empfindlichkeitsgrenze der 
Ludwig’schen Probe. Das reine, mittelst Pipette gesammelte Serum er¬ 
wies sich auch als frei von Hg; sind aber 5—10 Mgr. zur Injection in 
das abgesperrte Venengebiet verwendet worden, so zeigten sich doch 
Spuren von Hg im Serum, die also bei Einführung von zu grossen Mengen 
im Serum zurückgeblieben sein mussten. 

Die rothen Blutkörperchen wurden vom Serum vorsichtig befreit 
und mit der Fürbringer’schen Methode behandelt. Sie enthielten immer 
Quecksilber, gleichviel ob wenig (V 2 Mgr.), oder viel (10 Mgr.) in die 
Vene eingespritzt worden war, nur der Ueberschuss verblieb im Serum. 
Ich untersuchte auf diese Weise denHg-Gehalt der rothen Blutkörperchen 
bei intravenös eingeführtem Hg an ca. 40 Personen. Es war noch zu 
entscheiden, ob das Hg, welches in der Schichte der rothen Blutkörper¬ 
chen vorfand, an die rothen Blutkörperchen gebunden sei, oder ob nicht 
vielleicht das Hg mit irgend einem Albumen einen unlöslichen Nieder¬ 
schlag bilde, welcher beim Centrifugiren immer in die Schichte der rothen 
Blutkörperchen mit hineingeschlagen wird. Es müsste also ein mikro¬ 
skopischer Beweis erbracht werden dafür, dass es die einzelnen rothen 
Blutkörperchen selbst es sind, die das Hg enthalten, respective es ge¬ 
bunden haben. Ich gelang nach vielen Versuchen zu folgendem Verfahren: 
Nachdem das Blut intravenös mit Sublimat gemengt war, wurde mit der 
Spritze aspirirt und ein Ehrlich’sches Präparat bereitet, wobei darauf 
geachtet wird, dass die Blutkörperchen nicht zerstreut neben einander, 
sondern in dicke Schichten zu liegen kommen, da solche Stellen die 
makroskopische Beobachtung erleichtern. Das an der Luft getrocknete 
Präparat kommt auf einige Stunden bei 120°—130° in die Trockenkammer. 
Bringen wir das Stammochlorid in überschüssiger Menge mit irgend einem 
Hg-Salz, z. B. mit Hg-Chlorid oder mit Hg-Oxyd zusammen, so reducirt 
er das Hg-Salz erst in Oxydulsalz, dann in reines Hg nach folgenden 
Formeln: 

2 HgCl 2 + SnCl 2 — HgCl, + SnCl 4 

Hg^CLj + SnCl* H 2 Hg + SnCl, 

Warf ich also das Präparat in Stammonehloridlösung, so konnte 
ich bald bemerken, wie das bis dahin rothe Hämoglobin zerstört wird, 
was auch das Spektroskop beweist. Nehme ich nun das Präparat aus dem 
Stammochorid heraus, wasche es mehrraal mit einer sehr verdünnten Salz- 
säurelösung und mit destillirtem Wasser und betrachte es unter dem 
Mikroskope, so erscheint es bei massiger Vergrösserung grau durch zahl¬ 
reiche schwärzlich-graue Trümmer und Körnchen, die nichts anderes sind 
als das gebildete reine Hg, wie dies auch der in obigen Formeln ausge¬ 
drückte chemische Eprouvette-Versuch zeigt. Einen zweiten Beweis für 
die Natur dieser Körnchen als reine Ilg ergibt folgendes Verfahren: Das 
Präparat wird in geschlossenem Gefäss auf 24 Stunden in pulverisirtes Jod 


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230 Verhandlungen 

gelegt. Das Präparat larbt sich durch die Joddämpfe gelblich-braun, es 
legen sich Jodkrystalle an, die summt dem überschüssigen Jod mittelst 
langem Waschen mit Chloroform entfernt werden und nun sich zeigen 
unter dem Mikroskop statt der frühem grauen Körnchen gelbliche, blasse 
Trümmer und Blättchen als Zeichen dessen, dass das reine Hg unter 
Einwirkung der Joddämpfe in gelbem Hg-Oxyd übergegangen ist, welche, 
wenn wir das Präparat zu weiterem Beweis in Jodkalilösung aus dem 
Präparat verschwinden, also gelöst werden. Zur Bestimmung der Locali- 
sation des Ilg ist im Präparat, in welchen wir das Hg in Hg-Jodid über¬ 
führt haben, nicht geeignet wegen der eingetretenen blassgelblichen Farbe, 
wegen des zu kleinen Volums und der undeutlichen Sichtbarkeit unter 
dem Mikroskop. Fs muss also Hg-Jodid in eine Verbindung anderer u. zw. 
möglichst auffallender Farbe überführt werden, um unter dem Mikroskop 
leichter gefunden zu werden. Geben wir das Präparat zu diesem Zwecke 
in eine frisch bereitete Schwefelhydrogenlösung, so wird es nach kurzer 
Zeit braun, sogar schwarz, was besonders auffallend ist an den Stellen, 
wo die rothen Blutkörperchen in dicker Schichte über einander liegen. 
Bei möglichst starker Immersionsvergrösserung (Zeiss objectiv U'02, 
compens. ocul. 4) siebt man nun, dass die rothen Blutkörperchen als 
farblose, scharf eontourirte Ringe ihre Gestalt beibehalten haben, dass 
aber in diese farblosen Zellringe deutlich dunkelschwarze kleine Körnchen 
und kleinere Trümmer eingestrent- sind. Das sind die Hg-Sultidkörncben, 
in die der Schwefelwasserstoff das Hg-Jodid überführt hat. Auch sind 
diese schwarzen Körnchen nie ausserhalb der Blutkörperclienleiber zu 
finden, wie in den zwischenliegemlen leeren Stellen, wo das Serum an 
die Glasplatte antrocknete. Wir können auch Stellen beobachten, wo 
kleinere oder grössere Punkte sich so an einander lagern, dass sie Zell¬ 
formen nachahmen. Das sind die weissen Blutkörperchen, die in grossem 
Masse mit Hg-Suliid belegt sind. Nicht alle rothen Blutkörperchen ent¬ 
halten Körnchen Hg-Suliid, nur die meisten von ihnen. Ob die andern 
keines abbekommen haben, oder ob der Fehler noch am Prapariren liegt, 
vermag ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheint es mir nach alldem 
für entschieden, dass das in die Vene eingespritzte Sublimat, respective 
Hg durch die rothen und weissen Blutkörperchen gebunden wird, sich 
mit dem Albumen derselben vereinigt und so in die Circulation gelangt. 

Nil. Török: Ueberdie Bedeutung der ekzematösen Haut¬ 
läsion und über die allgemeinen Reactionen der Haut. IV8 
Schlussfolgerungen sind, wie folgt: 1. Die verschiedensten diluirten und 
abgeschwächten Reize rufen auf der Haut reaetive Reizerscheinungen 
(congestive Hyperämie, Oedem, Extravasation von Blutzellen, massige 
Wucherung der fixen Gewebszellen und subjective Symptome: Schmerz, 
Jucken etc.) hervor. 2. Etwas stärkere Reize verursachen dabei noch 
Veränderungen der Epidermis, welche bei minderen Graden der Einwir¬ 
kung bloss als Verhornungsanomalie mit Abschuppung, bei höheren Graden 
aber schon als colliquative Veränderungen in Erscheinung treten (Haut¬ 
läsion des schuppenden und nässenden Ekzems, oder schuppende und 


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des "Vereines Ungarischer Dermatologen und Urologen. 231 

nässende Ekzematisation, Hautläsion der Dermatitis arteficialis mit aus¬ 
gebreiteten colliquativen Veränderungen). 3. Bei längerer Einwirkung 
von massigen Reizen entsteht eine gleichmässige leichte Hypertrophie der 
Epidermis und Papillarschichte (die Lichenisation). 4. Alle diese Haut¬ 
veränderungen stellen die allgemeinen Reactionen der Haut auf mehr 
oder weniger abgeschwächte Reize verschiedenster Natur dar. Ihre Ent¬ 
wicklung geschieht unter pathologischen Verhältnissen viel rascher und 
leichter. Die unmittelbare Ursache spielt dabei bloss die Rolle des 
auslösenden Momentes, während die Reactionsform durch einen präfor- 
mirten Mechanismus der Haut und durch die disponirenden Momente 
gegeben wird. 5. Das Jucken spielt bei vielen von ihnen eine wichtige 
Rolle als disponirendes Moment. So z. B. bei jenen Ilautläsionen, die 
man Lichenisation, Prurigo und Ekzemknötchen zu nennen gewohnt ist. 
Aber diese „Syndrome“ d. h. dieses Miteinandergehen des Juckens mit ge¬ 
wissen Ilautläsiopen ist bloss ein speciellor Fall des Gesetzes, das wir 
ausgesprochen haben. Wenn Jucken und bestimmte andere prädisponirende 
Momente vorhanden sind, dann ruft das Kratzen — als Folge des Juckens 
— mit Leichtigkeit die Hautveränderungen hervor, welche den allge¬ 
meinen Reactionen der Haut zukommen. 6. Diese Hautveränderungen 
allein genügen nicht, um eine Krankheit zu charakterisiren, sie können 
■demnach auch nicht die Basis einer Diagnose liefern. Mangels besserer, 
wesentlicherer Zeichen können sie ausnahmsweise und provisorisch dazu 
<lienen, um nach ihnen Krankheitsgruppen zu bilden. S. Rona. 


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Verhandlungen der Berliner dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung vom 2. Februar 1S97. 

Vorsitzender: Lassar. Schriftführer: Joseph. 

I. Löwenstein stellt aus der Ledermann’schen Poliklinik einen 
Fall von Lichen ruber planus vor, der nach Arsen unter sehr be¬ 
trächtlicher Pigmentbildung geheilt ist. 

II. Löwenstein stellt aus der Leder man n’schen Poliklinik einen 
Fall von intensivem Icterus bei einer Patientin mit frischer 
Lues vor. Die Leber überragt um drei Finger Breite den Rippenrand, 
sie ist ebenso wie die Gallenblase druckempfindlich. L. glaubt, da der 
Icterus bereits etwas abgenommen hat, dass es sich um eine Papel- 
bildung im ductus choledochus handelt. 

III. Brüh ns stellt aus der Klinik von Prof. Lesser zwei Fälle von 
der zum Unterschied von der Glossitis gummosa von Fournier mit dem 
Namen Glossitis sclerosa belegten Affection vor. Bei beiden Patienten 
mit syphilitischen Antecedentien entstand eine massige Schmerzhaftigkeit 
der Zunge, zu welcher sich später eine immer mehr zunehmende starke 
Anschwellung hinzugesellte. Dazu traten Abschilferungen und Geschwüre. 
In dem einen Falle war auch die eine Wange in gleicher Weise 
befallen. Beim Herausstrecken der Zunge sieht man, dass dieselbe stark 
verdickt und die Oberfläche höckrig ist. Die Consistenz ist in Folge 
festen Narbengewebes hart. Den Geschwüren liegen keine gummösen 
Processe zu Grunde, sondern dieselben sind durch Irritationen der ver¬ 
schiedensten Art entstanden: Speisereste, die in den Rissen und Furchen 
der Zunge liegen blieben, ferner Tabak, scharfe Getränke u. s. w. In 
dem einen Fall war das Aussehen der Geschwüre fast earcinomartig. 
Es ist nicht zu erwarten, dass sich durch die Behandlung die Ver¬ 
dickung zurückbildet, da consolodirtes Narbengewebe nicht mehr zur 
Norm zurückkehren kann. Nur das Auftreten von neuen Infiltraten kann 
vielleicht verhindert werden. 

Lesser erwähnt, dass nach der Ansicht französischer Autoren 
Einspritzungen von Calomel in diesen Fällen am besten wirken. In Folge 


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der Berliner dermatologischen Vereinigung. 


233 


dessen sollen auch die beiden Patienten dieser Behandlung unterworfen 
werden. Auch er ist der Meinung, dass der Zustand im Wesentlichen 
unverändert bleiben wird. 

Lassar glaubt zwar, dass diese Form der Glossitis allerdings 
sehr hartnäckig ist, dass aber, da ursprünglich Gummata vorhanden 
waren, dieselbe häufig wiederholten Behandlungen durch Inunctionscuren 
zugänglich ist. 

IV. Joseph stellt einen Patienten von 15 Jahren vor, der das 
ausgeprägte Bild eines über den ganzen Körper verbreiteten 
Lupus darbietet. Besonders die Ohren, das Auge und die oberen 
Extremitäten sind von der Hauttnberculose befallen. Im allgemeinen 
kann man drei Entstehungsarten für diese Atfection unterscheiden: 
1. Infection von aussen; 2. hämatogene Uebertragung und 3. Fort¬ 
pflanzung der Tuberculose auf die Haut von den unterliegenden Ge¬ 
weben. In dem vorge9tellten Falle hat der Patient im 9. Lebensmonat 
eine fungöse Entzündung des rechten Ellenbogengelenks, deren Narben 
deutlich sichtbar sind, durchgemacht. Doch hat sich hierzu möglicher¬ 
weise noch eine Infection von aussen hinzugesellt. J. hatte im März 
vorigen Jahres ein junges Mädchen mit derselben Affection vorgestellt. 
Nach einer Inunctionscur war bei derselben das Leiden unter Zurück¬ 
lassung von Narben geheilt. Da in diesem Fall ein Leucom in Folge 
einer vorangegangenen Keratitis parenchymatosa besteht, so hat J. bereit» 
eine Inunctionscur begonnen, und Hals und Gesicht mit Praecipitatsalbe 
behandelt. Schon jetzt ist eine bedeutende Besserung zu constatiren. 
Höchst wahrscheinlich liegt eine Mischinfection vor. 

V. Rohna: Ueber Urticaria mit Pigmentbildung. Im 
November vorigen Jahres kam in die Klinik von Joseph ein 25jähriger 
Mann, welcher seit 7 Jahren an einer Urticaria litt, die mit Hinter¬ 
lassung von braunen Flecken verlief. Am Körper waren zahlreiche 
Pigmentflecke von verschiedener Grösse abwechselnd mit normalen Haut¬ 
stellen zu sehen. An den pigmentirten Stellen gelang es durch Reiben 
Quaddeln hervorzurufen. Die Diagnose wurde auf chronische Urticaria 
mit Pigmentbildung gestellt, zum Unterschiede von der Urticaria pig¬ 
mentosa, welche schon in der frühesten Jugend auftritt und 10 bis 
12 Jahre dauert, um auf der Höhe der Entwicklung 4 bis 5 Jahre stationär 
za bleiben. Die mikroskopische Untersuchung im vorgestellten Fall ergibt 
ein deutlich ausgeprägtes Infiltrat, welches aus mononucleären Zellen be¬ 
steht. Mastzellen sind fast gar nicht vorhanden. Nebenbei findet sich 
eine beträchtliche Neubildung von Bindegcwebselementen, welche deut¬ 
lich das Zeichen einer chronischen Stauung tragen. Papillen und Lymph- 
gefasse ebenso wie die Blutgefässe sind erweitert; die Epidermiszapfen 
sind verlängert, die Intercellularräume von Lymphe durchtränkt. Ferner 
sieht man ähnliche Cysten, wie sie Behrend beim Pemphigus acutus be¬ 
schrieben hat. Pigment war nur spärlich io den untersten Schichten de» 
Choriums vorhanden. Das Ergebniss der Untersuchung besteht also 
namentlich in dem Mangel an Mastzellen. Dieser Befund beweist deut- 


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234 


Verhandlungen 


lieh, dass diese Affection von der Urticaria pigmentosa getrennt 
werden muss. 

Joseph betont, dass man sowohl klinisch als auch pathologisch- 
anatomisch diese beiden Formen streng auseinander halten muss. Pick 
hat einen Fall von Urticaria pigmentosa mit Blutungen beschrieben. 
Auch Bla sch ko hat einen ähnlichen Fall beobachtet. Diese Formen 
dürften sich aber mehr dem Erythema exsudativum multiforme anreihen. 

VI. Meissner. Ueber Kataphorese. Unter Kataphorese ver¬ 
steht man den merkwürdigen Vorgang, dass der elektrische Strom an der 
Anode flüssige Leiter durch eine feucht poröse Zwischenwand hindurch¬ 
strömen lässt.. 

Dieses Gebiet ist von du Bois-Reymond, Hermann und 
Munck bereits bearbeitet worden. Es gelingt mittelst dieser Methode 
Jodkali, Strychnin etc. in die Haut einzufuhren. Vor allen Dingen ist es 
aber nothweudig, dass, um eine erfolgreiche Wirkung zu Stande zu bringen, 
der Strom im Optimum seiner Zeit seine Richtung wechselt. Zu diesem 
Zweck hat M. eine Uhr construirt, durch welche der Strom von 5 zu 
f> Minuten immer wieder eine andere Richtung nimmt. Allerdings ge¬ 
lingt die Einführung auch mit dem eonstanten Strom ohne Wechsel, 
aber in einem verhältuissmässig viel geringeren Grade als mit dem ge¬ 
wendeten Strom. M. demonstrirt 2 Kaninchen, von ziemlich gleichem 
Gewicht, welche das eine der Einwirkung des eonstanten, das andere 
derjenigen des gewendeten Stroms unterworfen wird. Bei beiden kommt 
eine 4%ige Strychninlösung zur Anwendung. Beim ersten Thier zeigen 
sich nach einiger Zeit erhöhte Reflexe, Lei dem andern tritt sehr bald 
unter Krämpfen der Exitus ein. Warum der Strom gewendet werden 
muss, zeigt sich am besten an einem Cylinder aus coagulirtem Eiweiss, 
an dem man nachweisen kann, dass durch die Kataphorese die Flüssig¬ 
keit in dem dem Strom unterworfenen Theil des Cylinders ausgetrieben 
wird, so dass eine Austrocknung eintrift, welche der weiteren Wirkung 
des Stroms hinderlich ist. Ebenso verhält es sich beim thierisehen Ge¬ 
webe. M. zeigt ein Modell, welches aus einer Glasröhre mit ein¬ 
geschmolzenen Platin - Iridiumstäbchen besteht und welches für die Be¬ 
handlung mit Sublimat bestimmt ist. Beim Menschen ist es nur 
nothweudig, die betreffenden Lösungen in die Lymphbahnen zu bringen. 
Von hier aus findet dann die Leberführung der in Anwendung gezogenen 
Medicamente in den Organismus statt. Praktisch dürfte sieb die Methode 
bei Infcctionserrcgern, die in der Tiefe der Epidermis liegen, bewähren. 
Man kann auf diese Weise Sublimat bis in die Cutis einführen. Durch 
dieses Mittel wird die Sycosis, ebenso wie der Lichen ruber bei An¬ 
wendung von Solutio arsenic. Fowleri günstig beeinflusst. In 2 Fällen, 
bei denen diese Atfection circumseript an den Unterschenkeln bestand, 
schwand der Juckreiz sehr bald und auch die Eftiorescouzen bildeten 
sich zurück. Von einer elektrolytischen Wirkung ist bei dieser Methode 
nicht die Rede. 


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235 


der Berliner dermatologischen Vereinigung. 

Saal feid hat in früherer Zeit die Kataphorese mehrfach an¬ 
gewendet, hat aber die Methode wieder verlassen, da dieselbe ausser¬ 
ordentlich umständlich ist und viele Zeit erfordert, ohne eine schnellere 
Wirkung herbeizuführen. Ferner hat er bei Anwendung der Elektrolyse 
bei Hypertrichosis auf kataphoresischem Wege 2—4°/ 0 ige Cocainlösung 
in die Haut eingeführt und so eine locale Anaesthesie zu Wege gebracht. 

Heller erinnert an die Arbeit von Ullmann und an das elek¬ 
trische Zweizellenbad von Gärtner. Die Erfolge scheinen nicht zu¬ 
friedenstellend gewesen zu sein. 

Meissner erwähnt, dass das Zweizellenbad, abgesehen von seiner 
therapeutischen Verwendung, auch in der amerikanischen Gerbetechnik 
Anwendung gefunden hat. 

VII. Oestreicher stellt einen Patienten vor, welcher vor Jahren 
Syphilis acquirirt hatte und mit einer Schmiercur und später mit Injec- 
tionen behandelt worden war. Im Jahre 1892 zog er sieh ein neues 
Ulcus zu, vielleicht eine Reinfection, und wurde Patient damals wiederum 
einer Injectionscur unterworfen. Im Sommer 1893 trat ein Recidiv auf; 
in Folge dessen wurde eine neue Schmiercur eingeleitet. Nach der 
3. oder 4. Einreibung traten aber heftige Erstickungsanfälle und Dyspnoe 
ein, welche die Ausführung der Tracheotomie nöthig machten. Im Larynx 
wurde ein starkes Oedem der Schleimhaut beobachtet. Im Jahre 1895 
zeigte Patient eine Rupia auf Kopf und Körper und wurde derselbe von 
0. wiederum neben localer Behandlung einer Inunctionscur unterworfen. 
Patient reagirte sofort mit Suffocationen der bedenklichsten Art. Krause, 
der den Patienten laryngoskopisch untersuchte, constatirte eine complete 
Ankylose der rechten Articulatio crico-arytaenoidea und links eine Ein¬ 
schränkung der Beweglichkeit wahrscheinlich in Folge einer abgelaufenen 
Perichondritis. Trotzdem das Larynxlumen um über ein Viertel des 
Normalen eingeengt ist, kann Patient frei athmen. Für die Dyspnoe 
konnte keine besondere Ursache aufgefunden werden. Unaufgeklärt bleibt 
es, warum in diesem Falle nach Einleitung einer Inunctionscur Suffocations- 
erscheinungen aufgetreten sind. In der Literatur finden sich keine ähn¬ 
lichen Angaben, sondern nur Fälle von Athemnoth und Erstickungsgefahr 
bei verschiedenen schweren syphilitischen Erkrankungen des Larynx. 
Krause meint, dass es sich in diesem Falle um eine reflectorische 
Reizung des N. laryngeus in Folge von Quecksilberverdampfung handelt. 
Diese Annahme wird dadurch wahrscheinlich gemacht, dass bei der sub- 
cutanen und internen Darreichung von Quecksilberpräparaten derartige 
Vorgänge nicht beobachtet worden sind. Jodkali hat der Patient während 
dieser Zeit nicht genommen. 

VIII. Oestreicher stellt ferner eine 38jährigeFrau, welche seit 
8 Jahren verheiratet ist und dreimal geboren hat. Seit 4'/ a Jahren ist 
ein serpiginöses Syphilid von enormer Ausdehnung am ganzen Körper 
vorhanden. Eine angewandte Cur brachte bedeutende Besserung 
Nebenbei besteht ein Athmungshinderniss, welches auch objectiv 
durch ein wahrnehmbares Geräusch zu hören ist. Ein eingeführtes 



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Verhandlungen 


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Bougie stosst in der Höhe der Bifurcation der Trachea auf ein Hinder¬ 
niss, das schwer zu passiren ist. Wird es mit Gewalt durchgeführt, so 
kann es nur mit Mühe zurückgezogen werden und ist vollständig ver¬ 
bogen. In den vier Jahren haben die Beschwerden nicht zugenommen. 
Die Ursache ist in diesem Falle nicht aufgeklärt. Es kann sich um eine 
Erkrankung der Trachea mit einer Perichondritis, oder um eine speci- 
fische Erkrankung des peritrachealen Bindegewebes handeln, welche zur 
Stenosirung durch Narbenbildung geführt hat. Jedenfalls ist eine Durch¬ 
leuchtung mit X-Strahlen vorgenommen worden. Dieselbe zeigte an der 
linken Seite des Sternums unmittelbar neben der Trachea eine leisten- 
artige Verdickung, welche bis zum dritten Brustwirbel reicht. In welcher 
Weise dieser Befund zu deuten ist, ist nicht aufgeklärt. 

0. Rosenthal. 


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Verhandlungen der Wiener dermatologischen 
Gesellschaft. 


Sitzung vom 10. Februar 1897. 

Vorsitzender Kaposi. Schriftführer: Spiegler. 

Hochsinger demonstrirt zwei Kinder, die als Säuglinge mit 
congenitaler Lues behandelt wurden und nun nach 8 bezw. 10 
Jahren wieder zur Beobachtung kamen. H. hat seinerzeit über 63 
Fälle von congenitaler Lues der Säuglingsperiode berichtet, die lege 
artis behandelt und mehr als 4 Jahre in Evidenz gehalten wurden. Man 
fand bei ihnen in späteren Jahren nur geringe Zeichen von Lues, Narben 
an den Mundwinkeln, eingesunkene Nase, allgemeine Entwicklungsstörung. 
Es fanden sich aber auch Kinder, die nach 6—15 Jahren in jeder Hin¬ 
sicht tadellos gefunden wurden. Speciell die Hutch i nson’schen Trias, 
Keratitis, eingekerbte Zähne und Taubheit waren nie zu finden. Die 
beiden vorgestellten Kinder unterscheiden sich von den eben citirten 
Fällen dadurch, dass sie nur ein einzigesmal als Säuglinge wegen ma- 
culösen Exanthems zur Behandlung kamen. Sie erhielten Protojoduret 
verschrieben, blieben jedoch in der Folge ohne jede Behandlung. Diese 
Kinder kamen nun nach 8 bezw. 10 Jahren H. wieder zu Gesichte. Die 
Kinder zeigen die H u t c h i n s o n’schen Zeichen und zwar jedes andere 
derselben. Das eine hat einen eingesunkenen Nasenrücken nebst Atrophie 
der Nasenknorpel, Caput quadratum und sehr charakteristische, halb¬ 
mondförmige Einkerbungen am freien Rand der mittleren oberen Schneide¬ 
zähne. Das andere Kind hat eine typische, parenchymatöse Keratitis, 
an den Metacarpophalangealgelenken beider Hände, Hyperostosen, Erguss 
beider Kniegelenke mit leichter Crepitation und Verdickung der Tibia. 

Die Keratitis parenchvmatosa kommt zweifellos bei vielen here¬ 
ditär luetischen Kindern vor, doch kann man auf sie die Diagnose der 
Syphilis nicht stützen, da sie in typischer Form bei sicher nicht lue¬ 
tischen, dagegen tuberculösen Individuen vorkommt. 


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Verband hingen 


Audi die Veränderung der Zähne ist diagnostisch nicht verwert h- 
bar, da sie ebenfalls bei sicher nicht luetischen Kindern gefunden wird. 
Es gibt fast keine Hemmungsbildung des Dentins, welche nicht schon 
als luetisch beschrieben worden wäre. Diese Zähne sind das Product 
einer schweren Kieferrachitis, wie sie hervorgerufen werden kann 
durch irgend eine schwere constitutioneile Erkrankung vor dem Zahn¬ 
wechsel. So beobachtete H. diese Anomalie nach Scharlach mit 
schwerer Nephritis. Die Syphilis ist nun eine der schwersten Noxen, 
die fast immer Sehädelrachitis erzeugt, weil im Säuglingsalter der Schädel 
am meisten wächst und die Rachitis sich an den Punkten des lebhaf¬ 
testen Wachsthums localisirt. 

Bezüglich der genaueren Anamnese der vorgestellten Kinder wäre 
noch zu erwähnen, dass der Vater sich LS Q 3 inficirte, nach Gmonatlicher 
Behandlung heiratete. Es kam ein Abortus im 2. Monat, dann einer im 
7., das erste lebende Kind, der kleine, minder entwickelte Knabe, wurde 
im Alter von f> Wochen mit schwerer Lues, eingesunkenem Nasenrücken, 
blutig-eitriger Coryza, maculösem Syphilid der unteren Körperhälfte ge¬ 
bracht. Wenn eine so schwere Lues spontan ablaufen konnte, wird dies 
umsomehr bei leichter Lues möglich sein, was wicht ig ist in Hinblick auf 
die Syphilis hereditaria tarda. Das zweite Kind war leichter erkrankt, 
hat nur ein leichtes, inaeulöses Syphilid, Nasenrücken normal. 

Neumann erwähnt, dass man selten in die Luge kommt, Kinder 
mit Syphilis hereditaria tarda, wie die eben vorgestellten, zu sehen, weil 
die Kinder mit angeborener Syphilis meist frühzeitig sterben. Im Sinne 
Fournier’s, dass Kinder syphilitischer Eltern gesund geboren werden 
und erst in den Jahren der Pubertät mit der tertiären Form behaftet 
sind, wurde eine Syphilis hereditaria tarda noch nicht festgestellt. Die 
Veränderungen an den Zähnen sind gewiss nicht auf die Syphilis an 
sich, sondern auf die durch sie bedingte Ernährungsstörung zurüekzu- 
füliren. 

E11 mann theilt mit, dass auch Fournier in der December- 
sitzung des vorigen Jahres bei Demonstration von Veränderungen an den 
Zähnen, Oberkiefer, Netzhaut, Glaskörper die Ansicht vertreten habe, 
dass es sich hiebei nicht um Symptome der Syphilis, sondern um Er¬ 
nährungsstörungen (parasyphilitischej handle. 

Neumann demonstrirt einen 37jährigen Tat. mit gummöser 
Periostitis am 0 rbi tialrand c. Es findet sich dem linken Augen¬ 
brauenbogen entsprechend eine zweifingerbreite Auftreibung, fiuctui- 
rend druckempfindlich die Haut darüber unverscliieblich ödematös ge¬ 
sell well t, am Rande der Geschwulst- ein Knochen wall zu tasten. Die Lid¬ 
spalte klein, der Bulbus etwas nach abwärts gedrängt, kein Doppeltsehen. 

An der Grenze des harten und weichen Gaumens eine steeknadel- 
kopfgrosse Perforationsöftnung, welche in die Nasenhöhle führt. Der 
Nasenrücken verbreitert, von der Nasensehleimhaut wird reichlich dünner 
Eiter abgesondert. Khinnskopisch lässt sich eine hühnereigrosse, von der 
Schädelbasis ausgehende, an der Oberfläche glatte, derb elastische Ge- 


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der Wiener derniatologi.scl.ien Gesellschaft. 


239 


schwulst nachweisen. In der Gegend des Aoromio-Clavieulargelenkes be¬ 
steht Druckschmerz und eine nussgrosse derbteigige Geschwulst. Der 
Primäraffect bestand 1893, der Kranke erhielt damals 22 intramuskuläre 
Injectionen, die Nasenaflfection datirt seit Herbst 1895. 

Kaposi findet besonders merkwürdig die ausgedehnte Fluctuation 
in so grosser Ausdehnung. Die Gummen pflegen am Rande einen er¬ 
habenen aufzuweisen, wie bei einem Kephalhämatom, im Centrum kommt 
es zu einer Erosion des Knochens, nach Verschwinden des Toplms bleibt 
eine Grube zurück. K. erinnert sich an einen Pat., der eine Lues 
Überstunden hatte, Y 7 ater eines gesunden Kindes war und bei dem eine 
ähnliche Geschwulst am Orbitalrande auftrat, die allgemein als Perio¬ 
stitis syphilitica angesehen wurde, sich jedoch nach der Exstirpation 
als Sarcora erwies. 

Neumann hat einen gleichen Fall gesehen. 

Grünfeld hat einen als Chondrom allgemein diagnosticirten 
ähnlichen Tumor unter antiluetischer Behandlung schwinden gesehen. 

Kaposi sah an der Verbindungsstelle zwischen Kreuzbein und 
Steissbein einen scharf begrenzten dreifingerbreiten Tumor, der ebenso 
in der ganzen Ausdehnung fiuctuirte. Die llaut darüber normal, per 
rectum liess sich vor dem Steissbein ebenfalls eine fluctuirende Ge¬ 
schwulst unter normaler Schleimhaut nachweisen. Nach drei Wochen 
sah man auf antiluetische Behandlung bedeutende Besserung. 

Kaposi demonstrirt eine Pat., die mit der Diagnose Syphilis 
aufgenommen wurde, deren Erkrankung sich später jedoch als Erythem 
erwies. Sie zeigte Anfangs in der Halskieferfürche, an den Kopfnickern 
linsengrosse, braunrothe, derbe Knoten. Auffallend war ein dunkelblau- 
rothes, teigiges Infiltrat beider Augenlider, die linke Ohrmuschel wies 
ebenfalls einen scharf begrenzten, braunrotlien Knoten auf. Dabei be¬ 
stand heftiger Kopfschmerz. Am nächsten Tage traten acut linsengrosse, 
vorragende scharf begrenzte Knoten an beiden Handrücken, Schulter, 
äusserer Seite des Oberarms auf, manche in der .Mitte etwas eingesunken, 
mit hämorrhagischem Punkt. An der Streckseite des rechten Vorder¬ 
arms zeigte sich ein braunrother Fleck mit kleinen Knötchen am Rande, 
von welchen manche später zu Bläschen wurden. Am linken Vorderarm 
traten später charakteristische Erythemffecke, in der Mitte blau, am 
Rande mit rothen Knötchen auf, dann traten Knoten an der Mamma, 
endlich exquisite Knoten von Erythema nodosura an der Aussenfläche 
des rechten Oberschenkels auf. Dabei bestand hohes Fieber. Im Ge¬ 
sichte, an den Augenwinkeln entstanden neue Infiltrate, an der Conjunc- 
tiva des rechten Auges seitlich ein scharf begrenzter vorragender Fleck. 
Es wurde also ein Erythem diagnosticirt, es dürfte sich jedoch nicht 
um ein gewöhnliches, sondern um ein medicamentöses Erythem handeln, 
was sich bis jetzt jedoch nicht nachweisen liess. Namentlich die teigige 
Schwellung an den Augenlidern ist auffallend. Die Pat. ist 49 Jahre 
alt und leidet zum erstenmal an der Affcction. 


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Verhandlungen 


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Neu mann deraonstrirt einen 27jährigen Schuhmachergehilfen 
mit genitalem und extragenitalem syphilitischen Primär- 
affect. Am äusseren Yorhautblatt ein halbkreuzergrosser, elevirter, 
ulcerirter, rothbraunglänzender, derber Knoten, ein zweiter überkreuzer¬ 
grosser in der Kinnfurcho 1. von der Medianlinie. Die Basis sehr derb 
mit gelbbrauner Borke bedeckt. Drüsen am Unterkieferwinkel über 
wallnussgross, indolent, Leistendrüsen links höhnen- und haselnussgross. 
Infection vor 6 Wochen. 

Lang hat ebenfalls einen Fall mit so weit von einander liegenden 
Sclerosen in Beobachtung. Dieselben können auch durch Autoinfection 
in der ersten Zeit nach der Infection von einem exulcerirten Primär- 
affect aus entstehen. 

Neumann hält dies für eine wichtige Principienfrage, weil man 
es nicht verantworten könnte, dass man nicht jede Sclerose exstirpirt, 
wenn die Möglichkeit gegeben ist, dass einer sich neuerdings von aussen 
her inficirt. 

Kaposi sieht nicht ein, warum die Sclerose exstirpirt werden 
sollte, da es für das Individuum gleichgiltig ist, ob es eine oder zwei 
Sclerosen hat. Bei experimenteller Uebertragung des Schankergiftes 
haftet es nicht immer, manchmal sieht man in der Praxis durch Auto¬ 
infection entstandene multiple, weiche Schanker, von denen einzelne, 
wenn die Oertlichkeit darnach ist, so im Sulcus coronarius glandis, sclc- 
rosireu; das syphilitische Virus kann weiter transportirt werden, aber es 
ist die Periode nicht tixirt, in welcher das möglich ist, wahrscheinlich 
ist die Uebertragung mit dem Effect Sclerosen nicht bloss Geschwüre 
zu erzeugen nur vor dem Zustandekommen der allgemeinen Syphilis 
möglich. 

Lang ist der Ansicht, dass man in manchen Fällen die Sclerose 
excidiren muss, wenn noch Hoffnung vorhanden ist, dass dieselbe noch 
localisirt sei. Ein Zeichen dafür, dass die Excision das Individuum vor 
Allgemeinsyphilis bewahrt habe, sieht L. in einer späteren Keinfeetion 
des Pat., wie sie von Julien, Hehlers und von Lang beobachtet 
wurde. Es geht nicht an, in solchen Fällen die Diagnose der ersten 
Infection anzuzweifeln, da es doch Fälle gibt, wo die Sclerose so cha¬ 
rakteristische Merkmale zeigt, dass dir» Diagnose ohne Allgemeinexanthem 
und ob die Drüsen mehr oder weniger afiicirt sind, sicher gestellt werden 
kann. Dies war auch in dem von L. beobachteten Falle so. 

U 11 mann erwähnt, dass es »auch Fälle gibt, wo ohne Exstirpation 
der Sclerose kein Exanthem folgt. 

Es gibt allerdings Sclerosen, die ohne Exanthem verlaufen aber 
keine ohne Driisenseliwellung, diese ist das wichtigste Merkmal der Sy¬ 
philis, daneben besteht gewöhnlich noch Uliloranämie. 

Zur Zeit der Syphilidisation machte Book der M jener Schule, 
welche sich negativ gegenüber seiner Methode verhielt, den Vorwurf, 
dass nicht mit Scleroseneiter, sondern Eiter von venerischen Ge¬ 
schwüren genommen wurde. Damals glaubte man fast allgemein, dass 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


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Scleroseneiter an dem Träger nicht hafte, jetzt wissen wir, dass er an 
syphilitischen Individuen in Generationen impfbar ist. Experimentell kann 
man Folgendes constatiren. Man merkt in den ersten Tagen nach der 
Impfung eine einfache Röthung um die geritzte Stelle, diese schreitet 
peripher weiter und vor dem Ausbruch des Exanthem entsteht ein In¬ 
filtrat, welches keineswegs die Härte der Sclerose hat. Es macht gleich¬ 
zeitig mit dem übrigen Exanthem die weitere Entwicklung durch und 
schwindet mit demselben. Die Exstirpation der Sclerosen und auch der 
Lymphdrüsen hat dem Vortragenden nur negative Resultate ergeben. 
Er exstirpirt nur bei Leuten, die es durchaus begehren, dann bei Phi¬ 
mosen zu curativen Zwecken, ohne zu hoffen, damit die Syphilis zu 
verhindern. 

Ehr mann erwähnt, man müsse Reinfection und postinitiale In- 
fection auseinanderhalten, man muss auch bedenken, dass die Incuba- 
tionsdauer der Sclerosen sehr verschieden ist. Bezüglich des Falles von 
Lang meint E., dass man nicht von Reinfection sprechen könne, da es 
das erste Mal nicht zu einer Syphilis gekommen war, die blosse Sclerose 
macht nicht immun. E. hat einen Fall von 36 Sclerosen auf Grund 
einer Acne gesehen. 

Kaposi betont, dass die Reinfection der einzige Beweis sei, dass 
das Individium durch die Exstirpation der Sclerose vor der Syphilis ge¬ 
schützt sei. K. hat in seinem Atlas der Syphilis schon einen Fall publi- 
cirt, wo nach local behandelter typischer Sclerose keine Allgemein¬ 
symptome auftraten, und im nächsten Jahre neue Infection auftrat. 

Lang ist der Ansicht, die Lues könne in jeder Phase, auch zur 
Zeit des Initialaftectes, ausheilen. Wenn wir in einem Fall annehmen 
können, dass die weitere Infection von der Sclerose aus noch nicht er¬ 
folgt sei, müssen wir excidiren, wenn auch der Erfolg in den meisten 
Fällen negativ sein wird. 

Lang bemerkt, dass die Ly mph Strangs clerose mit dem 
Lymphstrom Zusammenhängen kann, aber durch eine progrediente Lymh- 
gefässwanderkrankung bedingt sein kann. So hat er einige Male Lyraph- 
stränge von den Leistendrüsen aufwärts unter der Haut des Bauches ab¬ 
tasten können, ohne dass am Abdomen Veränderungen Vorlagen. Man 
müsste also ein Fortschreiten gegen den Strom annehmen, natürlicher 
ist es, an eine progrediente Gefässwanderkrankung zu denken. 

L. stellt einen Fall von Initialsclerose, Ly mp h sträng - 
sclerose, beiderseitiger Scleradenitis inguinalis vor. Auf 
der linken Seite ist von dem Drüsenschenkel abwärts ein harter Strang 
zu tasten. Freilich bestehen alte Narben am Unterschenkel, doch scheint 
es evident, dass die jetzige Allection mit der Sclerose zusammenhängt; 
es wäre also auch eine Erkrankung der Gefässwand gegen den Strom. 
Ebenso sah L. oft von den Nackendrüsen ausgehend derbe Stränge, die 
ebenso zu deuten wären. 

2. demonstrirt Lang eine Frau mit gummösen Geschwüren 
des Vorderarms. Grösstentheils an der Streckseite, die obersten an der 

Archiv f. Dermatol, u. Sypbil. Hand XXXIX. 10 


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Verhandlungen 


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Beugeseitc desselben, die in einer Reihe in ziemlich gleichen Abständen 
von einander angeordnet sind. Zwischen den obersten konnte man 
deutlich Stränge palpiren. Es liegt nahe, hier an Erkrankung der Lyrnph- 
gefässe zu denken. 

Grünfeld betont, dass Autoinoculation bei hartem Schanker eben 
möglich ist, wie bei Ulcus molle. Es gibt Fälle, in denen es offenbar ist, 
dass es sich nicht um gleichzeitige Infection, sondern um Autoinoculation 
durch Abklatschung handelt. 

Neumann bemerkt, dass durch Abklatschung von offenen Sclerosen, 
wie von Papeln an einer gegenüberliegenden Stelle Geschwüre entstehen 
können. Das contemporäre Auftreten mehrerer Sclerosen findet sich 
namentlich an erodirten Stellen, welche die Aufnahme des Virus be¬ 
günstigen. 


Sitzung vom 24. Februar 1 Sbf>. 

Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer Spiegler. 

Lang hat in der letzten Sitzung eine Patientin mit gummösen 
Knoten am Vorderarm gezeigt und bat aus der Anordnung derselben 
geschlossen, dass es sich um eiue Erkrankung der Lymphgefässe handeln 
könnte. Darauf hatte Horowitz erwidert, dass dies nicht möglich sei, 
da an dieser Stelle keine Lymphge fasse verlau fen, dieselben vielmehr ent¬ 
sprechend dem Ligamentum intermusculare auf die Beugeseite umbiegen. 
L. hat sich nun im anatomischen Museum genau über diese Angelegenheit 
informirt und gefunden, das- thatsächlieh auch auf der Streckseite Lymph- 
gefässe verlaufen und er hat an Präparaten speciell ein Lvmphgefäss 
gesehen, das in seinem Verlaufe genau der Anordnung der Knoten an 
dem demonstrirten Falle entspricht. 

Horowitz erwidert, dass der Verlauf der Lymphgefässe ein sehr 
variabler ist, so dass sogar an den zwei Extremitäten desselben Indivi¬ 
duums verschiedene Verhältnisse gefunden werden. Ein sicherer Schluss 
auf den Ausgang einer Alfeetion von den Lvmphgefässen ist also nicht 
möglich. Bei fünfzig von H. injicirten oberen Extremitäten war ein ein¬ 
heitlicher Verlauf und speciell in der angegebenen Richtung nicht nach¬ 
zuweisen. 

Lang betont, dass er Lymphgefässe ander betreffenden Stelle und 
genau in der angegebenen Richtung an Präparaten selbst gesehen hat. 

Rille demonstrirt von Neu mann’s Klinik 

1. eine iHjähr. Kranke mit Fibroma mol Ins cum. Am Stamme 
dichtgedrängte, kleine Geschwülste von Hanfkorn-, Erbsen- und über 
Ilaselnussgrösse, dieselben zumeist breit aufsitzend, seltener gestielt, ent¬ 
weder von normaler und blass gerötheter oder dunkel pigmentirter Haut 
bedeckt, dazwischen reichliche Pigmentflecke und Lentigines. Eine erbsen¬ 
grosse Geschwulst befindet sich auch neben der rechten Brustwarze im 
Bereiche des Warzenhofes, vergleichbar einer überzähligen Brustwarze. 


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In Fällen wenig ausgedehnter Fibromatosis, wo sich vereinzelte solche 
Geschwülste an der Brust oder gegen die Achselhöhle hin befinden, könnte 
eine Verwechslung mit Polymastie Vorkommen, wie im Vorjahre bei 
einem wegen Syphilis in Behandlung gestandenen Manne, bei dem an* 
den genannten Stellen schlaffe, beutelartige, haselnussgrosse Geschwülste 
bestanden, die für supernumeräre Brustwarzen gehalten wurden. Die 
genauere Untersuchung ergab multiple, über das Hautniveau nirgends 
vortretende, cysticerkenähnliche Geschwülste an den verschiedensten Stellen 
der Körperoberfläche. Bemerkenswerth ist, dass bei der demonstrirten 
Kranken einzelne Geschwülste auch schwarze Comedopfröpfe im Centrum 
tragen. Die Aftection bestellt seit der Kindheit und ist kein ähnlicher 
Krankheitsfall in der Ascendenz vorgekomraen. Die Kranke hat vor drei 
Wochen geboren, ihr Kind ist vollständig gesund. 

Kaposi hat vor einigen Jahren einen ähnlichen Fall von Fibroma 
molluscum in der Gesellschaft der Aerzte vorgestellt. Diese Fälle sind 
gar nicht selten, mitunter sind diese Individuen etwas cretinartig. K. hatte 
von jeher die Ansicht, dass es sich in allen diesen Fällen um massen¬ 
hafte Bildung von Naevis handelt, wie sie als Naevus pigmentosus und 
mollusciformis angeboren Vorkommen. Auch diese Fibrome enthalten 
wesentlich embryonales Bindegewebe, das schrumpft oder zu grossen Ge¬ 
schwülsten heranwächst. In manchen findet sich Pigment, andere tragen 
kleine Atherome. Ebenso könnte man die Ichthyosis hystrix als Naevus 
verrucosus universalis bezeichnen. 

K. demonstrirt im Anschluss ein Mädchen mit Naevus verru¬ 
cosus an derBeugeseite der Finger. Vom Metacarpus angefangen 
finden sich schrnutzigbraune, harte Auflagerungen und zwar au beiden 
Händen. Ebensolche Warzen finden sich lateralwärts an der Fusssohle 
scharf begrenzt, die ganze Ferse besetzend. Früher wäre die Aflection 
als Ichthyosis verrucosa localis der Flachhand und Fusssohle bezeichnet 
worden. Die Erkrankung ist erblich, besonders bei gekreuzten Geschlech¬ 
tern, so dass nur die Knaben es von der Mutter erben, ein andermal die 
Mädchen vom Vater. Bei dem demonstrirten Falle lässt sich eine Ver¬ 
erbung nicht nachweisen. Diese Naevi können abfallen, kehren jedoch 
später wieder. 

Rille demonstrirt 

II. eine 22jähr. Kranke mit Reet alb lennorrh öe. Die After¬ 
falten geschwellt, an denselben mehrfache, zum Theil fistulöse und ein¬ 
rissartige Geschwüre mit blassrothem, nur wenig belegtem Grunde und 
leicht unterminirten Rändern. Ein besonders tiefgreifendes, fissurenför¬ 
miges Geschwür an einer links gelegenen Afterfalte, welches bis auf die 
Rectalschleimhaut übergreift. Auch weiter oben an der Mastdarmschleim¬ 
haut lassen sich durch die Digitalunttrsuchung an der vorderen und hin¬ 
teren Wand mehrfache Geschwüre nachweisen. Aus der Analöffnung 
entleert sich ziemlich reichlicher, dünner, schmutziggrauer Eiter. Die 
makroskopische Diagnose w T äre mit Rücksicht auf die geschwür- 

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Verhandlungen 


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artigen Veränderungen nicht leicht zu stellen, docli enthält der Eiter 
Gonococcen in grösserer Menge und typischer Anordnung. Die in Rede 
stehenden Geschwürs- und Fistelbildungen dürften nicht bloss in der 
Analblennorrhoe, sondern zum Theile auch in Syphilis ihre Ursache haben. 
Die Kranke befand sich vor 2 1 /* Jahren mit Papeln am Genitale und 
den Afterfalten auf dar Klinik in Behandlung. Gerade bei lange bestehen¬ 
den breiten Condylomen am After pflegen in Folge einer auf den Sphincter 
übergreifenden Myositis derartige Veränderungen aufzutreten. Es können 
allerdings auch bei blosser Rectalblennorhoe, wie vor Kurzem Jullien 
beschrieben hat („fissure ulcercuse“) und wie noch vor wenigen Wochen 
ein solcher Fall an der Klinik beobachtet wurde, speckig belegte, schmerz¬ 
hafte Einrisse an den stark geschwellten und infiltrirten Afterfalten sich 
ausbilden, die grosse Aehnlichkoit mit venerischen Geschwüren haben und 
über deren Provenienz erst die mikroskopische Untersuchung des aus dem 
Mastdarme auszudrückenden Eiters gleichwie die vorzunehmende Inocula- 
tion mit dem Geschwürseiter Aufschluss gibt. 

Kobel bemerkt, dass zur sicheren Diagnose einer gonorrhoischen 
Erkrankung die blosse Färbung der Coccen nicht ausreicht, vielmehr auch 
der Nachweis durch Züchtung derselben erbracht werden muss, da bereits 
eine Reihe von Mikroorganismen bekannt ist, die sich tinctoriell und 
morphologisch nicht von Gonococcen unterscheiden. 

Kille bemerkt, dass er zum Theile der gleichen Ansicht sei, da 
er selbst schon lange vor Mittheilung der eben erwähnten Befunde wieder¬ 
holt beispielsweise im Speichel bei diversen Mundatfectioneii den Gono¬ 
coccen morphologisch ganz entsprechende Diplococeen gefunden habe und 
beziehe er hierauf die vordem und neuerdings wieder aufgetauchte An¬ 
nahme einer Blennorrhoe der Mundschleimhaut. Dass jedoch Falle wie 
der von ihm vorgestellte als wirkliche Blennorrhoen aufzufassen seien, 
dürfe wohl als feststehend angenommen werden. 

Kille demonstrirt 

III. den bereits von Hofrath Neu mann vorgestellten Kranken mit 
p a p u 1 o - p u s t u 1 o s e m und t u b e r c u löse ra Syphilid ne b st s c o r b u- 
tischen Erscheinungen. Am Mons Veneris eine schmutzigbraune, 
dattclgrosso Narbe nach dem Primäratfcct, die ElVlorescenzen am Stamme 
und den Extremitäten grösstentheils knotig olevirt, dunkel gefärbt, kupfer- 
roth bis hämorrhagisch. An den Enterextremitäten sehmutziglividc und 
schiefergraue, hin und wieder auch gesellwürig zerfallene schmerzhafte 
Knotenctllorescenzen, beträchtlich grosse Knoten am Mundwinkel und in 
der Kinnfuivhe, an deren Oberfläche miliare zu weichen, fettigen, leicht 
ablösbaren Krusten vertrocknende Pusteln. Bei diesem Kranken wurde 
ferner der \ ersuch gemacht, das bisher bloss intern in Pillenform ver¬ 
abreichte Jo d q u e ck s i 1 b e r h äm o 1 (K o her t. Ri 11 ej als intramusculäre 
lnjection (PO : 10 0 Paraffin, liquid.) zu geben. Während diese Iujectionen 
bei zwei anderen Kranken, vorausgesetzt dass die Substanz in feinster 
Verreibung injicirt wurde, gut vertragen wurden, haben sich hier wahr" 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


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scheinlich in Folge der hämorrhagischen Diathese Blutungen in der Glutäal- 
musculatur und schmerzhafte Knoten und Infiltrate gebildet. 

Kaposi demoustrirt anschliessend einen Fall von Lepra, der 
differential-diagnostisch gegenüber von Lues interessant ist. Er be¬ 
trifft einen 30jährigen Patienten aus Salonicbi, dessen Geschwister und 
Eltern gesund sind. Die Erkrankung begann vor acht Monaten an der 
Dorsalfläche des linken Vorderarmes. Im Gesichte finden sich über dem 
Jochbogen links erbsengrosse Knoten, vor dem Ohre linsengrosse mit 
derb infiltrirtem Saume umgebene Knoten, einzelne tragen im Centrum 
eine Kruste, ähnliche vor dem rechten Ohre und in der Halskieferfurche, 
die durchwegs luetischen Efflorescenzen ähnlich sind. An der Innenfläche 
des linken Vorderarms bietet sich jedoch ein für Lepra typisches Bild. 
Von der Handwurzel bis zur Mitte des Vorderarms erstreckt sich eine 
aus unregelmässigen Scheiben sich zusammensetzende bronzefarbene 
Infiltration von unregelmässiger Begrenzung, stellenweise stärker vor¬ 
ragende Herde in derselben. Diese Partie ist vollständig anästhetisch. An 
der rechten oberen Extremität finden sich 15—20 bis erbsengrosse flach¬ 
erhabene Efflorescenzen mit centraler Depression, während sie sonst bei 
der Rückbildung in der Gänze einsinken. An der Aussenseite des rechten 
Oberschenkels über dem Knie findet sich ein über flachhandgrosser Herd, 
dessen Centrum dunkelbraunroth infiltrirt, stellenweise mit Krusten be¬ 
deckt ist, während ringsum ein weniger infiltrirter Hof zu sehen ist. Also 
wieder eine an Lues erinnernde Efflorescenz. Aehnliche finden sich am 
linken Oberschenkel an der Glans penis. Interessant ist, dass in so kurzer 
Zeit die Knoten anästhetisch wurden, auch die ganz kleinen, und auch 
die Nachbarschaft der Knoten bis auf die doppelte Breite derselben ist 
ebenfalls hypästhetisch. Es wurde hochgradige Analgesie, Anästhesie, 
Thermoanästhesie im Bereiche des linken Ulnaris constatirt, ferner be¬ 
ginnende Atrophie des Interosseus priraus. Der linke Ulnaris ist auch 
schmerzhaft. Auch an der Flachhand finden sich einige Knötchen, was 
wieder zu Verwechslung mit syphilitischer Psoriasis palmaris Anlass 
geben könnte. Bacillen konnten nicht nachgewiesen werden. K. erinnert 
auch an die 1887 gezeigte Patientin aus Reval, die Knötchen an Mund¬ 
winkeln, Nasenwinkeln, Flachhand, also gerade den Prädilectionsstellen 
der Syphilis darbot. 

Popper demonstrirt aus der Abtheilung des Professors Lang eine 
Pat., welche nebst mehrfachen Lupusherden im Gesicht und am Halse 
ein äusserst dicht gehäuftes kleinpapulös-pustulöses Exanthem 
über den ganzen Stamm und Extremitäten zeigt. Ein Initialaffect war 
nicht zu finden, eine Narbe an der hinteren Commissur wird wahrschein¬ 
lich einem solchen angehören. 

Kaposi demonstrirt 

1. zwei Fälle von Lupus ery them athodes, der eine von 
der discoiden Form an der Nase, der andere betrifft den Schädel, von 
dem nur ein geringer Theil frei geblieben ist. Nach dem Vorgänge von. 


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Verhandlungen 


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Schütz in Frankfurt besteht die Behandlung in Pinselung mit vierfach 
verdünnter Solutio Fowleri. Nach 10—14tägiger Pinselung entwickelt sich 
eine Entzündung, mit deren Rückbildung auch die Affection zurückgeht. 
Es ist also eine analoge Wirkung wie die durch Jodtiuctur oder Pyrogallus- 
säure erzielte. Die Fälle, bei welchen die Infiltration in’s subcutane Binde¬ 
gewebe reicht, sind schwerer zu behandeln. 

2. einen Fall von Lupus vulgaris verrucosus der linken 
Glutäalgegend vom Steissbein zum Trochanter zum Theil auf den 
Oberschenkel übergreifend, endet daselbst mit einer wulstigen, alten Narbe, 
in welche Lupusknötchen eingesprengt sind. 

3. fünf Fälle von Pemphigus die wieder beweisen, dass die 
verschiedenen Formen von Pemphigus bei demselben Individuum beob¬ 
achtet werden können. 

Die erste Patientin hat an schwerem Pemphigus foliaceus 
gelitten, hat sich jedoch seitdem erholt, die Nachschübe sind selten und 
wie bei Pemphigus vulgaris ohne Tendenz zu peripherem Fortschreiten, 
nur hie und da frische Blasen, Pigmentscheiben deuten auf den lang¬ 
sameren Verlauf. Die Prognose ist also auch für den Pemphigus foliaceus 
bei entsprechender Behandlung keine so schlechte. 

Auch eine zweite Pat., die einen schweren Pemphigus serpi¬ 
ginosus hatte, erholt sich nun, die Eruptionen treten spärlicher auf, 
der Ernährungszustand hebt sich. 

Die dritte Pat. erkrankte vor zwei Monaten in acuter Weise, war 
dann acht Tage gesund, plötzlich traten wieder Blasen auf und zwar 
zunächst thalergrosse Erythemflecke, aus denen Blasen mit Tendenz zu 
serpiginÖsem Fortschreiten entstanden. 

Der vierte Fall ist interessant, da er anfangs für ein Erythema 
bullös um gehalten wurde. Das Erythem ist eine Vorstufe des Pemphigus, 
doch war die Diagnose aus der atypischen Localisation am Oberschenkel, 
an der Brust zu stellen. Ueber dem Sprunggelenke entwickelte sich eine 
Blase von ungewöhnlicher Grösse über den ganzen vorderen Umfang des 
Beines. Die Grösse der Blasen bietet jedoch keine Gefahr, bloss deren 
Weiterschreiten. 

Der fünfte Fall zeigt das Verhalten des Pemphigus in einer 
Re miss io ns per io de, wo sich keine eigentlichen Blasen bilden, sondern 
flüchtige Erytheme, mit vorübergehender seröser Transsudation. Bei dem 
Pat. traten zwischen den Scapulal, auf der Wange, Nase linsen- bis 
kreuzergrosse Herde auf in Form von epidormislosen Scheiben, die nicht 
überbauten wollten. 

Rille demonstrirt 

IV. eine 21jähr. Kranke, Prostituirte, mit syphilitischem Pri¬ 
mär affe ct an der Vaginal portion. Die Portio apfelgross, das Ori- 
ficium queroval, neben demselben rechts ein kreuzergrosser, scharf ab¬ 
gesetzter, kreisförmiger Substanz Verlust mit 2 Mm. breitem, rothbraun 
glänzendem, im Niveau der Geschwürsbasis befindlichem Rande. Im 
Centrum des Geschwüres ein dichter, fest anhaftender, nicht abstreifbarer 


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weisslichgelber Belag, von der Oberfläche wird seröse Flüssigkeit in grosser 
Menge abgesondert. Da die Kranke noch nie geboren hat und keine Ero¬ 
sionen, Narben oder Einkerbungen bestehen, ist der Primäraffect scharf 
umschrieben, vollkommen typisch und ohne Weiteres diagnosticirbar. 
Die Leistendrüsen sind derzeit wallnussgross, bei Aufnahme am 13. d. M. 
waren dieselben von normaler Grösse. Die Drüsenvergrösserung ist dem¬ 
nach der Ausdruck der sich allmälig ausbildenden allgemeinen Drüsen¬ 
schwellung, die bekanntlich bei alleinigem Bestehen des Primäraffectes 
an der Vaginalportion ohne gleichzeitiges Vorhandensein eines solchen 
an der Vulva oder sonst am äusseren Genitale nicht die tastbaren Ingui¬ 
naldrüsen es sind, welche anscbwellen, sondern die um das Collum uteri 
in der Bauchhöhle gelegenen Lvmphdrüsen. Es besteht ferner Cubital- 
drüsenschwellung und beträgt die Krankheitsdauer seit der Infection 
sieben oder acht Wochen. 

Die Localisation des syphilitischen Primäraffectes an der Vaginal¬ 
portion ist nicht nur nicht selten, sondern zählt zu den häufigeren des 
weiblichen Genitales überhaupt. Auch Sklerosen in der Vagina sind nach 
Ri Ile’s Erfahrung keineswegs exceptionell selten. 

Zum Protokolle der Sitzung vom 10. Februar d. J. sind noch die 
Details der vom Prof. Lang mitget-heilten Re infection nach Pix- 
cision nachzutragen: 

Am 28. Mai 1892 wurde ein Mediciner mit einer deutlich ent¬ 
wickelten exulcerirten Sclerose auf meiner Abtheilung aufgenommen, 
wobei in der rechten Leiste erbsengrosse Drüsen zu tasten waren. Die 
letzte Infectionsgelegenheit (Coitus) fand am 1. Mai statt. 10 Tage später 
wurde ein rothes Knötchen in der Kranzfurche bemerkt, welches sich 
allmälig vergrösserte und am 17. Mai geschwürig zu zerfallen begann. 
Am 30. d. M. wurde die Sklerose in Bromaethylnarkose mit dem Paquelin 
ausgiebig zerstört und die Ausheilung der Abstossung und Granulation 
überlassen. Der Studiosus machte weifers keinerlei Wahrnehmungen an 
sich, bis im November des Jahres 189G, etwa eine Woche nach einem 
Coitus, ein rothes Knötchen an der Penishaut rechts (entfernt von der 
nach Paquelinisirung im Jahre 1892 zurückgebliebene Narbe) zu Tage 
trat, das im weiteren Verlaufe sich immer derber anfühlte. Am 15. Ja¬ 
nuar 1897 erschien ein deutlicher Ausschlag am Körper und am 22. d. M. 
erfolgte die Aufnahme des Patienten in das Studentenspital wegen eines 
maculo-papulösen Exanthems und Initialintiltraten am Penis. 


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Hautkrankheiten. 

(Redigirt von Prof. Kaposi in Wien.) 


Anatomie, Physiologie, path. Anatomie, allg. und 
exper. Pathologie und Therapie. 

Rfiuke, Fr. Beiträge zur Histologie des Menschen. Mit 
einer Tafel. Arch. f. mikroskopische Anatomie. 47. Band, 1896. 

Reinke verfügt über vorzügliches, frisch conservirtes Materiale 
vom Menschen, namentlich auch über solches von einem ‘J5jübrigen äusserst 
kräftigen Hingerichteten. Die Untersuchung dieses Materiales förderte 
eine Reihe von neuen Befunden zu Tage, zu welchen auch die in dem 
vorliegenden Aufsätze beschriebenen „Krystalloidbildungen in den inter¬ 
stitiellen Zellen des menschlichen Hodens u gehören. 

Die Weigert'sche Fibrinfärbung, Satlranin und namentlich die 
M. Haidenhain'sche Ilämatoxvlinfürbung gestatten den Nachweis, dass 
sich in den interstitiellen Zellen gesunder Hoden eine grosse Menge in¬ 
tensiv färbbarer Körper eingelagert findet.; die nähere Untersuchung der¬ 
selben ergibt, dass es sich um eiweissartige Ivrystalloide handelt. Die 
Grösse dieser Krystalloide ist schwankend; die meisten übertreten die 
Grösse der Kerne beträchtlich. „Weitaus die Mehrzahl ist länger als 
breit, öfters zeigen sie Winkel, oft aber auch abgerundete Ecken, einige 
sind keulenförmig an einer Seite breiter, oft in der Mitte verdünnt. Sehr 
häutig sind es doppelte und mehrfache Bildungen, die entweder in ganzer 
Länge getrennt oder nur durch eine Linie geschieden sind. Bemerkens¬ 
werth erscheint noch, dass dieselben sehr häufig krumm und gebogen 
sind. a Ferner stellen Keinke's Krystalloide nicht nur Zelleinschlüsse 
dar, sondern liegen, wo die Zellen zu zerfallen scheinen, auch ausserhalb 
der Zelleiber im Bindegewebe und in der geronnenen Lymphe. Irgendwelche 
Beziehungen zu den Charcot-Leyden’schen Krystallen oder den 
Bö11cher’schen Sperminkrystallen lassen sich nicht erweisen. Reinke 
traf diese Krystalloide in 8 gesunden Hoden kräftiger Männer mit reger 
Spermatozoenbildung vergesellschaftet an; in Hoden, wo letztere noch 
nicht eingesetzt oder bereits aufgehört hat, vermisste er sie. Merkwür¬ 
digerweise fand er sie in tubereu lösen Hoden unabhängig von der Sper¬ 
matozoenbildung oft in grossen Mengen. (Der Verfasser verweist dies- 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatol. 249 


bezüglich auf eine demnächst erscheinende Publieation von Lubarsch). 
Schliesslich erwähnt Reinke, dass er bereits vor mehreren Jahren im 
Pankreas weisser, gemästeter Mäuse ähnliche Bildungen fand. Zur Fest¬ 
stellung der Bedeutung dieser merkwürdigen Befunde Reinke’s sind 
weitere Erfahrungen erforderlich. Prof. Hugo Rex (Prag). 

Fischei, Alfred. Ueber Beeinflussung und Entwicklung 
des Pigmentes. Mit einer Tafel. Archiv f. mikroskop Anatomie. 
47. Band 1896. 

Fis chel’s bedeutungsvolle Untersuchungen wurden an Herbstlarven 
von Salamandra macul. ausgeführt. Er stellte zunächst fest, dass in 
Wasser von Zimmertemperatur aufgezogene Larven eine bedeutende Ver¬ 
schiedenheit ihrer Färbung gegenüber solchen aufweisen, welche in viel 
kälterem, fliessenden Wasser gehalten werden. In der weiteren Ver¬ 
folgung dieser Beobachtung kam er zu folgenden Ergebnissen. Dunkle 
Salamanderlarven werden unter dem Einflüsse erhöhter Temperatur hell 
und umgekehrt, helle durch Kälte dunkel. Je jünger die Larven sind, 
desto höher ist ihre Reactionsfähigkeit auf äussere Reize, also hier auf 
Wärme und Kälte. Die durch den Einfluss der Temperatur bediugte Pig- 
mentirungsdifferenz ist keineswegs vorübergehend, sondern vermag sich 
zu einer dauernden umzugestalten. Wärme und Kälte vermögen also 
die Färbung dauernd zu beeinflussen. Die histologische Untersuchung 
des Verhaltens der Pigmentzellen bei diesem Farbenwechsel lehrte Fol¬ 
gendes. Die epithelialen Pigmentzellen zeigen keine Fortsätze mehr, sie 
sind jetzt kreisrunde oder eiförmige Gebilde; dem in der Mitte oder an 
einem Pole gelegenen Zellkerne sitzt gleich einer Kappe eine tiefschwarze 
Pigmentkugel auf. Auch das Netzwerk der Fortsätze der dunklen Pigraent- 
zellen der Cutis ist bei hell gewordenen Larven geschwunden; diese 
Zellen finden sich jetzt als schwarze, klumpige, fast sämratlich der Kreis¬ 
form sich nähernde Gebilde vor. Eine dritte Art von Pigmentzellen mit 
hellgelbem Einschlüsse wird durch die Wärme nicht beeinflusst; sie tritt 
jetzt schärfer als früher hervor, nachdem die Fortsätze der dunklen 
Pigmentzellen, die sie früher verdeckten, geschwunden sind. Der Ein¬ 
fluss der Wärme erstreckt sich nicht nur auf die Pigmentzellen der Haut, 
sondern auch auf die Pigmentzellen im Inneren des Körpers. Die Form¬ 
veränderung der Pigmentzellen lässt sich wohl hauptsächlich auf eine 
Contraction der ganzen Zelle zurückführen, bei welcher sämmtliche Fort¬ 
sätze eingezogen werden und so das Pigment auf ein ganz kleines Gebiet 
vertheilt wird. Es ist naheliegend, anzunehraen, dass die Kugelform der 
Contrahirten Zellen der günstigste Endcffect der Zusamraenziehung ist, 
da daun die Zelle bei kleinster Oberfläche die grösstmögliche Masse 
fassen kann. Bezüglich der Entwicklung des Pigmentes kam Fisch 1 
zu folgenden Resultaten. Er vermag sich nicht der Ansicht von Reinke 
anzuschiiessen, welcher die bei demselben Untersuchungsobjecte im Peri¬ 
toneum vorkommenden Pigmentzellen mit hellgelbem und jene mit dunklem 
Einschlüsse zu einander in Beziehung bringt und zwar in der Weise, 
dass sich die ersteren in die letzteren durch Veränderung ihres Ein- 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Schlusses umwandeln. Fißchl hält im Gegentheile daran fest, dass, wie 
dies bereits Flamming hervorhob, beide Zellarten selbständig sind, 
eine Umwandlung der einen in die andere nicht statt hat. Dafür spricht 
schon unter anderem die bereits oben hervorgehobene Eigenthümlichkeit, 
dass die Pigmentzellen mit hellgelbem Inhalt einer Beeinflussung durch 
Wärme nicht unterliegen. Nach unserem Autor geht die Entwicklung 
des Pigmentes so vor sich, „dass sich innerhalb der (späteren) Pigment¬ 
zellen (mit dunklen Pigmentkörnchen [Ref.]) in immer reichlicherer Weise 
Körnchen entwickeln, welche Anfangs lichter sind und erst später — 
während gleichzeitig die Zelle grösser und reicher verzweigt wird — die 
dunkle P'arbe annehmen. Diese helleren Körnchen könnte man als 
„Pigmentbildner“ bezeichnen, durch deren specifische Umwandlung oder 
durch deren Durchsetzung mit einem Farbstoffe erst die für die dunklen 
Pigmentzellen charakteristischen Körnchen entstehen.“ Diese Entwicklungs¬ 
form, sowie die nicht selten verschiedene Ausbildung des Pigmentes in 
den beiden sonst unter den gleichen Verhältnissen sich befindenden 
Hälften einer und derselben Zelle spricht zu Gunsten der Annahme, dass 
das Pigment vorwiegend durch eine specifische Zellthätigkeit, 
also auf metabolischem Wege entsteht. 

Sonst gleich entwickelte, namentlich epitheliale Pigmentzellen 
variiren nicht selten bezüglich ihres Reichthumes an Pigmentkörnchen 
und deren Färbung. Auch beim erwachsenen Tliiere findet man nicht 
selten mitten unter schwarzen Pigmeutzellen gelegene, viel weniger pig- 
mentirte Zellen. Diese Eigenthümlichkeit gestattet wohl den Schluss, 
dass die Pigmentzellen ihren Pigmentgehalt zu ändern vermögen, also 
eine wechselnde metabolische Thätigkeit entfalten. 

Prof. Hugo Rex (Prag). 

Ernfrt, Paul. Studien über normale Verhornung mit 
Hilfe der Gram’sehen Methode. Mit 2 Tafeln. Archiv für mi¬ 
kroskopische Anatomie. 47 Band. 1S!)G. 

Ernst’s Bestreben war ursprünglich darauf gerichtet, eine Methode 
ausfindig zu machen, welche den sicheren Nachweis von Verhornungs¬ 
processen gestattet. Die mit der Gra urschen Methode angestellten 
Versuche fielen äusserst gelungen aus; durch dieselbe werden in ungemein 
scharfer und klarer Weise die Anfängsstadien der Verhornung hervor¬ 
gehoben. Der Autor hat diese Methode an zahlreichen Horngcbilden 
ausgeprobt und überall das erwähnte Resultat in schönster Klarheit wieder¬ 
gefunden. Hiebei gewann er nebstbei eine hübsche Reihe von neuen, sehr 
bemerkenswert!! histologischen Einzelbeobachtungen, welche er in dem vor¬ 
liegenden Inhalts- und gedankenreichen Aufsätze mittheilt. Referent 
möchte sich hier auf eine kurze Besprechung jener Befunde beschränken, 
welche Ernst durch die Gram’sche Färbung epidermoidalcr Gebilde 
beim Menschen erzielte. Der Autor untersuchte zunächst Haare. Ein 
Querschnitt durch ein Haar des Unterlippenrandes zeigte die Heule- 
sche Schichte deutlich und scharf gefärbt-; dieselbe setzte sich aus 
einzelnen violetten, schurirandigen Klecksen zusammen. Ein näheres 


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der Dermatologie. 


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Zusehen mit stärkerer Vergrösserung löst nun diese scheinbar glasigen, 
durch und durch gleichmässigen Elemente der Henle’schen Schichte in 
feinste, in ihrer Grösse etwas variirende Pünktchen auf. Mitunter ver¬ 
mag man auch in denselben eine rundliche Lücke aufzufinden, offenbar 
jene Stelle, welche der Kern der Zelle ursprünglich einuahm. Daraus 
lässt sich erscbliessen, dass jeder Pünktchenhaufen dem Querschnitte 
einer Zelle entspricht und die Pünktchen und Körnchen, welche die 
Gram’sche Färbung so scharf hervorhebt, im Protoplasma der Zelle 
liegen. In Querschnitten, in welchen die Scheidung der beiden Schichten 
der inneren Wurzelscheide noch nicht vollzogen ist (also in höher ge¬ 
führten Schnitten) färbt sich die ganze innere Wurzelscheide und zwar 
nur diese. Man findet einen Ring aus einzelnen gefärbten Klecksen be¬ 
stehend, die sich wieder in Körnerhaufen auflösen lassen. Die äusserste 
Reihe derselben ist dichter mit Körnern aiigefüllt: sie entspricht der 
Henle’schen Schichte. Die Verschiedenheit des Auftretens der Körner 
kündigt also bereits die künftige Trennung der inneren Wurzelscheide 
in ihre zwei Schichten an. In jugendlichen Haaren färbt sich neben der 
Henle’schen Schichte das IJaaroberhäutchen, es tritt eine Art Kittleisten¬ 
zeichnung auf zwischen deren Maschen spindelförmige, otfenbar den platten 
Zellen des Oberhäutchens entsprechende Lücken ausgespart sind, mit noch 
färbbarem Kerne in der Mitte. Zwischen den Zellen des noch nicht völlig 
verhornten Haarschaftes tauchen unendlich feine, blaugefärbte Fäserchen 
auf, welche je nach der Schnittrichtung als feinste Pünktchen oder 
Strichelchen sichtbar werden. Dieselben entsprechen wohl den letzten 
Formelementen der Rindensubstanz, W a ldeyer’s Hornfibrillen. Der fertige, 
hornige Haarschaft ist der Färbung unzugänglich; da ja dieselbe nur die 
Anfangsstadien der Hornbildung und nie fertiges Horn hervorhebt. 

Die Untersuchung recht junger Haare — weder Haarrinde noch 
Cuticula zeigen irgend eine Spur der Verhornung, nur die Zellen der 
Henle’schen Schichte sind der Färbung nach Gram zugänglich — 
lässt Ernst erschlossen, dass die ersten Elemente, welche die Verhornung 
einleiten, in der Huxley’schen Schichte zu suchen sind, das erste Horn- 
product aber in den hellen, durchsichtigen, scheinbar homogenen Zellen 
der Huxley’schen Schichte zu vermuthen ist. Der Grund der allmä- 
ligen Ditferenzirung der inneren Wurzelscheide in ihre zwei Schichten 
wäre also auf das erste Auftreten von Verhornungserscheinungen zurück¬ 
zuführen. Daher findet sich also die innere Wurzelscheide ursprünglich 
einheitlich angelegt, noch nicht in ihre zwei Schichten geschieden, so 
lange die Verhornung nicht eingesetzt hat. Ernst untersuchte ferner 
den Verhornungsprocess des Nagels. Die Gram’sche Methode lässt die 
allerersten Verhornungsprocesse der Nagelanlage erkennen und gestattet 
die Feststellung der Entwicklungsperioden, in welchen das Einrücken des 
Nagels in seinen Falz vor sich geht. Die ersten Spuren der Verhornung 
der Nagelanlage fanden sich bei einem Foetus aus dem Anfänge des vierten 
Monates und zwar am vorderen Rande des Nagelfeldes nahe dem Nagel¬ 
saum. Die Methode deckte deutlich eine feine Granulirung der gefärbten 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Zellen auf. Ausserdem reagirte nur noch ein Häufchen Epidermiszellen 
vor dem Nagelsaura: ein in morphologischer Beziehung sehr bedeutungs¬ 
voller Befund. Der Autor deutet denselben folgendermassen: „Es wäre 
damit beginnende Verhornung nachgewiesen in einem Abschnitt der Epi¬ 
dermis, der ursprünglich morphologisch zur Nagelanlage gehört, dann 
aber durch Ausbildung des Saumes, also hier der distalen Grenzfurche, 
von ihr abgetrennt wurde und später jedenfalls nicht mehr zur Nagel- 
platte gehört. Es ist dies eine Partie von Zellen, die dem beim Menschen 
verkümmerten Sohlenhorn, dem volaren Theil der Nagelanlage homolog 
ist. Morphologisch auf dem Rückgang begriffen, würde sie also durch 
die Reaction, w r enn ich so sagen darf, chemisch noch ihre ursprüngliche 
Bestimmung verrathen, die ihr freilich auf halbem Wege wieder verloren 
geht.“ Das Einrücken des Nagels in seinen Falz untersuchte Ernst bei 
einem Foetus aus dem 6. Monate. Die haarscharfe Färbung der Nagel¬ 
substanz gestattet die genaue Verfolgung der Nagelplatte; dieselbe reicht 
in diesem Alter recht beträchtlich tief in den Falz hinein und endet 
spitz zulaufend in demselben. Aus den Ergebnissen der Untersuchung der 
Oberhaut sei hier das Verhalten der Schweissgänge in der Ilornschicht 
hervorgehoben. Diese färben sich deutlich. Ebenso auch die den Gängen 
unmittelbar benachbarten Abschnitte der Epidermisschuppen. Die Färbung 
nach Gram zeigen auch die tieferen Abschnitte der Schweissgänge in 
der Keimschichte. Die ersten verhornenden Zellen, die wir in der Keim¬ 
schichte in relativ grosser Tiefe antretfen, gehören also den Schweiss- 
gängen an. Ernst hat seine Untersuchungen auch auf die Vcrhornungs- 
processe, die uns in der Wirbelthierreihe entgegentreten, ausgedehnt 
und so die Erfahrungen mit der GranUschen Methode auf breiter Basis 
weit ausgebaut. Die von ihm untersuchten Gebilde seien hier nur an¬ 
geführt. Er untersuchte: Wiederkäuerhufe, Hornzähne der Cyclostornen, 
Perlorgane der Fische, Haut der Amphibien und Reptilien, Feder und 
Muskelmagen der Vögel, endlich auch die Hornplatten des Echidnamagens. 

Prof. Hugo Rex (Prag). 

Auburtin, Gaston. Das Vorkommen von Kolben haaren 
und die Veränderungen derselben beim Haarwiederersat z. 
Mit 2 Tafeln. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin. 
Abtheilung von Prof. Dr. Fritsch.) Archiv für mikroskopische Ana¬ 
tomie und Entwicklungsgeschichte. 47. Band, 1M*6. 

Auburtin’s Untersuchungen erstreckten sich vorwiegend auf die 
Kopfhaut ; erkrankter Haarboden wurde vermieden. Zunächst versuchte 
der Autor die Zahlenverhältnisse der Kolbenhaare festzustellen. Inter 
normalen Verhältnissen findet sich bei Kindern ein sehr hoher Procent¬ 
satz von Kolbenhaaren. Derselbe betrug bei einem verunglückten drei¬ 
jährigen Knaben 53%» weitem kleiner ist derselbe bei Erwachsenen; 
Auburtin fand bei zwei plötzlich verstorbenen Erwachsenen im Mittel 
21% Kolbenhaare. Eine Steigerung erfährt der Procentsatz nach lang¬ 
wierigen, erschöpfenden Krankludten im Mittel bis zu 33%. Bei weitem 
bedeutender ist die Steigerung nach Infectionskrankheiten: hier beträgt 


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der Dermatologie. 


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der Procentsatz durchschnittlich 44%• Die nicht unbeträchtlichen Schwan¬ 
kungen der Zahlen Verhältnisse, welche Auburtin hiebei auffand, er¬ 
scheinen zunächst bedingt durch den Einfluss des Geschlechtes. Bei 
Männern kommen unter gleichen Verhältnissen mehr Kolbenhaare vor 
als bei Frauen. Ganz besonders scheint aber auch die Haarfarbe von 
Einfluss zu sein; bei blonden Individuen ist unter gleichen Verhältnissen 
der Procentsatz der Kolbenhaare ein höherer als bei dunkelhaarigen. Der 
Wiederersatz der Kopfhaare unter normalen Verhältnissen wird vom Ver¬ 
fasser folgendermassen geschildert. Kach der Ablösung des Haares von 
seiner Papille bleiben Haarkolben und Papille durch einen kurzen Epithel¬ 
strang mit einander verbunden. Dieser Strang ist cylinderförmig; die 
ihn aufbauenden Elemente sind regellos mit einander verbunden und ent¬ 
halten sowohl Reste der äusseren und inneren Wurzel.scheide, w T ie der 
Keimschichte des Haares. Die Production neuer Zellelemente sistirt in diesem 
Strange sehr bald. Bald wird nun der Haarkolben rascher emporgetrieben, 
während die Papille ihren alten Standort nur wenig verändert. Der 
Epithelstrang weist nun eine grössere Länge auf; seine Form ist un¬ 
regelmässig, die Oberfläche uneben. Im Inneren des Stranges macht 
sich eine gewisse Anordnung seiner sonst noch immer ungeordneten 
Zellen in Gestalt längsverlaufender Spindelzellen bemerkbar; ferner setzt 
auch eine geringe, wenige Zellen betreffende Atrophie ein. Kun beginnt 
auch die Papille emporzusteigen und im Anschluss hieran „tritt im 
Strang eine Wiederbelebung und Regeneration dadurch ein, dass derselbe 
an die Cylinderzellenschicht des Kolbenlagers [Haarbcet Unna’s (Ref.)] 
sich anschliessend, eine Umkleidung mit Gylinderepithel erhält, die um 
so tiefer reicht, je höher die Papille steht und zuletzt auch die Papille 
überzieht“. Diese Regeneration im Strange betrifft zuletzt die Elemente 
über der Papille und man muss wohl annehmen, dass dieser Boden des 
Ersatzhaares, seine Keimschicht, neu geschallen wird, da kein Materiale 
zu ihrer Bildung aus alten Elementen vorhanden ist. Die Anlage des 
Ersatzhaares erfolgt bei dem höchsten, mindest einem sehr hohen Stande 
der Papille, nachdem vorher durch Zellwucherung der Strang ein wenig 
gegen das Kolbenlager verschoben und so dem wachsenden Ersatzhaare 
der Weg geebnet war. Mit dem weiteren Wachsthume des letzteren wird 
auch die Papille in ihre frühere Tiefe herabgedrängt. 

Auburtin beschreibt weiter den Wiederersatz dünnerer Haare 
und Ciiien. (Wiederersatz bei schnellem Haarwechsel.) Dünnere Haare 
und Ciiien besitzen eine kürzere Lebensdauer als starke Kopfhaare. Dieser 
Verkürzung der Lebensdauer entspricht auch eine solche des Kolbenhaar¬ 
stadiums und eine schnellere Entwicklung des Ersatzhaares. Wir finden 
daher gegenüber den vorhin für die starken Kopfhaare festgestellten Ent¬ 
wicklungsverhältnissen folgende Unterschiede. An den Aufstieg des 
Kolbens schliesst sich sehr bald jener der Papille an; der Epithelstrang 
erreicht also nicht jene Länge, wie bei dem Wiederersatz starker Kopf¬ 
haare, er ist recht kurz und zeigt überdies schon recht frühzeitig in 
seinem oberen Abschnitte Gylinderepithel. Der weitere Verlauf der Ent- 


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Bericht, über die Leistungen auf dem Gebiete 


wieklung bis zur Bildung des Ersatzhaares ist der gleiche, wie er oben 
geschildert wurde, nur ist der Anstieg der Papille kein so beträchtlicher. 
Der Haarwiederersatz in der Kopfhaut bei Schwächung des Haarwechsels 
■wird von unserem Autor folgendermassen geschildert: Nach der Ablösung 
des Haares von der Papille zeigt der Epithelstrang ausgesprochene Zeichen 
von Atrophie, die noch schärfer werden, wenn auch die Papille empor¬ 
steigt. Erst bei einem sehr hohen Stande der Papille setzt die Regene¬ 
ration des Stranges ein und ist vollendet, wenn die Papille um den 
vierten Theil ihrer ursprünglichen Tiefe von der Oberfläche entfernt ist. 
Das nun entstehende Haar ist schwächer als sein Vorgänger. 

Prof. Hugo Rex (Prag). 

Brosch, Anton. Zur Frage der Entstehung der Riescn- 
zeilen aus Endothelien. Virchow's Archiv, 1890, Band 144, Heft 2. 
Seite 2S9. 

Brosch studirte das Entstehen von Riesenzellen an einem Endo- 
theliom der Pleura und kommt dabei zu folgenden Annahmen: 1. „Riesen- 
zellen können nicht nur aus degenerirten Angioblasten, Endothelien, 
weissen Blutkörperchen u. s. w., sondern in gewissen Fällen durch Ver¬ 
mittlung einer eigenartigen (vielleicht tuberculösen) Erkrankung der Ge- 
fässwand und einer sich daran anschliessenden, noch nicht näher gekannten 
regressiven Metamorphose auch aus neugebildeten Gelassen grosseren Ua- 
libers hervorgehen. 2. Möglicherweise spielt auch die Obliteration der 
(iefa>sbahn durch Wucherung erkrankter Intimazellen (Endothelzellen) 
und die Bildung von Ektasien durch eine derartige Übliteration oder 
durch (Jompression und Knickung von aussen (durch zellige Infiltration 
und Knötchenbildung in der unmittelbaren Umgehung) als begünsti¬ 
gendes Moment für die Riesenzellenbildung aus neugebildeten Gelassen 
grösseren Calibers eine wichtige ätiologische Rolle. 3. Da Binde¬ 
gewebe überall im ganzen Organismus vorkommt, und das Bindegewebe 
endothelartigeii Charakter annehmen kann (Bizzozero und Bozzolo), 
so erscheint es nicht ausgeschlossen, dass vielleicht alle Riesenzellen Ab¬ 
kömmlinge des Endothels oder endothelartiger Bindegewebszellen sind. 
Diese Annahme würde mit dem weitverbreiteten, in den verschiedensten 
Organgewebeu und bei den verschiedenartigsten physiologischen und patho¬ 
logischen Processen beobachteten Vorkommen der Riesenzellen in voll¬ 
stem Einklänge stehen, doch fehlen für diese letztere Annahme vorläufig 
noch zwingende Beweise/ 4 Gustav Tandler (Prag). 

Audry, Ch. (Toulouse). Sur les cellules i soplas t i q u es 
(M a st z eilen). Annales de dermatologie et syphiligraphie. Tome. VII. 
lhlMi, Nr. 1. p. 9. 

Audry hat an 50 Fällen eontrolirende Untersuchungen über das 
Vorkommen und die Bedeutung der von ihm als „cellules isoplastiques u 
bezeiehneten Mastzellen gemacht und dieselben in 20 Fällen vermisst, in 
30 Fällen gefunden. Wegen der Einzelheiten der untersuchten Falle müssen 
wir auf das Original verweisen. Er kommt zum Schlüsse, dass das Vor¬ 
kommen dieser Elemente in keiner Weise irgendwelche pathogenetische 


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der Dermatologie. 


255 


Bedeutung bat. Nach Darlegung des morphologischen Verhaltens der 
Mastzellen präcisirt Au dry seine Ansicht von der Bedeutung der Mast¬ 
zellen dahin, dass alle Zellen, die am Aufbau des Bindegewebes bethei¬ 
ligt sind, sow r ohl des normalen, wie des pathologischen, unter Umständeu 
die gleichen Farbenreactionen darbieten können, wie die Mastzellen; also 
fixe Bindegewebszellen, Lymphocyten, grosse mononucleäre Leukocyten, 
Wanderzellen, Plasmazellen u. s. w. Die Farbenreaction ist lediglich der 
Ausdruck eines bestimmten „etat chimique“ und hat keine sicheren Be¬ 
ziehungen zu einem bestimmten morphologischen Zustand. — Die Unter¬ 
suchungen Au dry’s kommen zu Resultaten, die mehrfach denjenigen 
Unna’s und Me nahem Hodara’s direct widersprechen. 

E. von Düring (Constantinopel). 

Kotsovsky, M A. Etudes sur les modifications des 
cellules dans leur mort lente, (Archiv des Sciences biologiques, 
St Peter8bourg-Xome IV. Nr. 1. 1895.) 

Die Veränderungen, welche die Zellen bei ihrem langsamen Unter¬ 
gänge eingehen, wurden an Meerschweinchen, Kaninchen und Salaman¬ 
dern, also Warm- und Kaltblütlern, studirt, welche Kotsovsky durch 
eine bestimmte Zeit theils vollständig, theils bis auf W r asserzufuhr hun¬ 
gern liess. Die histologischen Untersuchungen bezogen sich auf exstir- 
pirtes Leber- und Nierenparenchym dieser Tliiere. Verf. stellt die ge¬ 
wonnenen Eindrücke in folgenden Schlusssätzen zusammen: 

1. In den Organen der so behandelten Tliiere isoliren sich die 
einzelnen Zellen von einander; nur hie und da bleiben sie noch durch 
feine Fortsätze mit einander vereinigt. 

2. Die Zellgranulationen Altmann’s, welche normaler Weise eine 
hohe Affinität zu dem Fuchsinfarbstoff zeigen, verlieren dieselbe. 

3. Die nach Altmann’s Angaben behandelten Kerne der Zellen 
färben sich roth und zeigen ihren Contour durch lange Zeit deutlich. 

4. Allmälig wird das sonst fettarme Gewebe fettreich; das Fett tritt 
sowohl im Körper und Kern der Zellen, als auch ausserhalb derselben 
auf. Es bildet sich an Ort und Stelle, nicht etwa durch Einwanderung. 

Auf diesen Fettzerfall der Zellen weist nun Verf. mit besonderem 
Nachdruck hin. Altmann, Hauser, Kraus, Dann e hl u. A. m. haben 
vor ihm diese Erscheinung verfolgt und dem Ursprung des Fetts nach¬ 
geforscht. Alt mann fand, dass seine fuchsinophiien Granulationen sich 
in Fett um wandeln können, sowohl am Rande, wie auch in ihrer Gesammt- 
masse. K. bestätigt diese Beobachtung, wenigstens für das Lebergewebe 
des Salamanders, während es ihm bei den warmblütigen Thieren sehr 
zweifelhaft erscheint, ob hier den fuchsinophiien Granulationen diese Fä¬ 
higkeit der Fettumwandiung eignet. Hier muss mau an das Vorhanden¬ 
sein noch anderer feinerer Zellgranula denken, welche sich zu den Farb¬ 
stoffen anders verhalten und zu dem obigen Phänomen der Fettmeta¬ 
morphose in causaler Beziehung stehen dürften. Doch diesen ist vor¬ 
läufig mit unsern jetzigen optischen Hilfsmitteln nicht beizukommen. 

Ernst Liebitzky (Prag). 


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250 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Exner, S. Die Function der menschlichen Haare. (Vortrag, 
gehalten in der Jahressitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am 
20. März 1896.) (Wr. Klin. Wochenschrift 1896. Nr. 14.) 

Sowohl die Abstammungslehre, als die Ontogenese und die atavis¬ 
tischen Missbildungen sprechen dafür, dass die Ahnen des Menschenge¬ 
schlechtes ein Haarkleid getragen haben, das sich von dem der heutigen 
anthropoiden Allen kaum wesentlich unterschieden haben wird. Man kann 
daher mit Darwin die Anschauung vertreten, dass die Enthaarung des 
Menschen ein erst durch Zuchtwahl entstandener secuiularer Geschlechts¬ 
charakter sei; ebenso erklärt sich die kräftige Entwickelung des Haar- 
bestandes im Gesichte des Mannes und am Kopfe überhaupt. Auf Grund 
morphol. I ntersuchungcn stellt Maurer die These auf, dass gewisse aus 
Epithelion, cylindrisclien Zellen und Nervenfasern bestehende Gebilde 
bei Fischen und Amphibien die Urform der Haare darstellen und als 
Sinnesorgane aufgefasst werden müssen, die mit Aenderung der Lebens¬ 
bedingungen der hoher entwickelten Organismen auch ihre Function we¬ 
sentlich geändert haben. 

Was die Function der Haare an verschiedenen Körperslellen be¬ 
trifft, so sei hervorgehoben: 1. Das Haar als Tastorgan. Besonders die Cilien 
sind, wie bekaunt, sehr empfindlich auf die leichteste Berührung hin und 
lösen retlectoriseh Blinzelbewegimgen aus. v. Mises fand, dass um jede 
Uilie herum ein kerbförmiger King markhaltiger Nervenfasern gelegt sei. 
Exner hat ein Stäubchen Eisenfeile an eine Uilie geklebt, und dem 
Stiomschlusse eines Elektromagneten ausgesetzt und schon diese mini¬ 
malste Wirkung hat sieh als Berührungsempfindung kundgegeben. Immer 
noch recht empfindlich, wenn auch etwas weniger als die Uilien sind die 
Augenbrauen. Die um das Auge angeordneten Haare sind die empfind¬ 
lichsten des menschlichen Körpers und sind als Schutzapparat des Bulbus 
aufzufassen, indem sie reflectorisch Lidschluss bewirken. Die Haare um das 
Auge sind ferner Schutzvorrichtungen gegen den herabrieselnden Sehweiss, 
gegen Staub und Kegen. Nächst den kleinen Haaren sind am wenigsten 
erregbar die. Kopf- und Barthaare und am wenigsten Tasthaare sind die 
der Urogenital- und Analgegend, sowie die der Aehselgegend. 2. Das 
Haar als Walze. Ucberull wo zwei Haut Machen sich aneinander reihen, 
sind Haare dazwischen gelagert, um die Bewegung zu erleichtern. Die 
wirre Kräuselung der Haare durcheinander fordert die Bewegung nach 
allen Kaumrichtungen. Die Haare der Srhamgcgend scheinen auch diesem 
Zwecke zu dienen bei der geschlechtlichen Vereinigung. 3. Das Haar als 
Temperaturregulator. Die Haarsubstanz als solche ist ein schlechter Wärme¬ 
leiter; gesteigert wird diese Eigenschaft durch die in die Hornsubstanz 
eingelagerte Luft. Auch gegen strahlende Wärme bieten die Haare einen 
sehr wichtigen Schutz, besonders gegen die Bestrahlung durch die Sonne. 
Bei gut behaartem Kopfe treffen die Strahlen zunächst die Haare und 
erwärmen dieselben, demzufolge ihre Temperatur steigt und ihre Aus¬ 
strahlung zuüimmt. Eine Berechnung zeigt, dass die behaarte Kopfhaut 
45iual besser ausstrahlt, als eine gleich grosse nackte Knpftläche. Versuche 


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der Dermatologie. 


257 


an der Leickeukopfhaut zeigten, dass die Bestrahlung der nackten Kopf¬ 
hälfte die Temperatur im Inneren einer kohlen Glassckale rascher an- 
steigen lässt, als die Bestrahlung der behaarten Kopfhälfte. Die zwischen 
den Haaren befindliche, schwer bewegliche Luft wird bei der ;Rück¬ 
strahlung der Wärme aus den Haaren erwärmt und dieses Moment spielt 
bei Entstehung des Sonnenstiches eine grosse Rolle. 4. Das Haar als 
Schmuck. AI 9 Function betrachtet ist es Resultat der geschlechtlichen 
Zuchtwahl. Horovitz (Wien). 

Auburtin, Gaston. lieber physiologische und patholo¬ 
gische Verschiedenheiten des Haarbodens. Inaug.-Diss. Berlin 
1895. 

Auburtin untersuchte mit Hilfe von Serienschuitten an 43 Leichen 
die Alters- und Geschlechtsverschiedenheiten des Haarbodens der Kopf¬ 
haare. Er fand 4 Formen von Haarkreisen nebeneinander. Die Stärke der 
Haare war nach dem Alter verschieden: 49—G7°/ 0 schwache Haare im 
Kindesalter, 25% im Alter von 20—50 J., 64—70% im Alter von 70—80 J. 
Die Ursache glaubt er darin zu sehen, dass die schwachen Haare durch 
eine Modification des Haarwechsels entstehen. Die Ersatzhaare werden 
schwächer bis zum feinen Lanugokärcken, das dann endlich ausfällt. (?) 
A. untersuchte noch andere Verschiedenheiten des Haarbodens; den Haar¬ 
balg mit seinen Erweiterungen, die Auswüchse der äusseren Wurzel¬ 
scheide, die Cystenbildung in den Scliweissdrüsen und zuletzt noch die 
verschiedenen Vegetationsstufen der Haare. Die Differenzen, in der Zahl 
der Kolbenhaare (20—46%) führt er auf die Verschiedenheit des Ge¬ 
schlechts, der Haarfarbe, auf vorausgegangene Infectiunskrankheiten und 
Kachexien zurück, (vide oben Ref. 4.) 

Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Ziegelroth. Das specifische Gewicht des Blutes nach 
starkem Schwitzen. Virchow’s Archiv, 1896, Band 146, Heft 3. 

Durch ein Schwitzbad wird nach den Untersuchungen ZiegelrotlFs 
das specifiscke Gewicht des Blutes nur ganz unmerklich geändert, auch 
wenn grosse Quantitäten Schweiss abgegeben wurden. Die durch letzteren 
abgesonderte Flüssigkeitsmenge entstammt somit nicht der Blutflüssigkeit, 
sondern dem im Gewebe vorhandenen Wasser, das Gewebe wird daher 
dabei specifisch schwerer und functionstüchtiger. Analoge Verhältnisse 
finden sich auch nach eiuem Aderlass, den Z. bei anämischen Luetikern 
mit gummösen Infiltraten und dergl. empfielt. 

Gustav Tandler (Prag). 

Sierig, Karl. Ueber die Beeinflussung der Körpertem¬ 
peratur durch einige auf die Haut gepinselte Arzneimittel. 
Inaug.-Diss. Berlin 1895. 

Durch Einpinselung von Lösungen oder Einreibung von Salben 
verschiedener Arzneimittel (Guajacol, Cocain etc.) auf die unversehrte 
Epidermis erzielte Sierig eine Temperatur-Herabsetzung bei Fieber¬ 
kranken, die nach einigen Stunden eintrat, kurze Zeit anhielt, um dann 
wieder zu verschwinden resp. einer deutlichen Erhöhung der Temperatur, 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 1 7 


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258 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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manchmal unter Schüttelfrost, Platz zu machen. S. glaubt dies nicht auf 
eine Resorption des Medicaments, sondeni auf eine nervöse Wirkung 
zurückführen zu müssen, die von der Haut refiectorisch auf die Wärme- 
centren vermittelt wird. Denn einerseits liessen die bekannten Anti- 
febrilia (Antipyrin u. Chinin) im Stiche, andererseits konnte er beobachten, 
dass die Wirkung bei Guajacol-Einpinselungen ausblieb, wenn der N. isehia- 
dicus des Beines, an welchem die Einpinselung stattgefunden, durch¬ 
schnitten war. Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Schneider, Louis. Loretin als Wund verbandmittel. 
Inaug.-Diss. Strassburg 1895. 

Loretin, eines der in neuester Zeit so zahlreich aufgetauchten 
Jodoform-Ersatzmittel, wurde von Schneider auch bei verschiedenen 
Hautafieetionen (oberfl. Verbrennungen, Ekzemen, Erysipel, syphil. Ne- 
crosen, Ulcus cruris etc.) angewandt, ohne besonderen Vortheil gegenüber 
den alten bekannten Heilmitteln. Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Breslauer, Eugen. Leber die antibakterielle Wirkung 
d e r S a 1 b e n mit b e s o n d e r e r B e r ü c k s i c h t i g n n g des H i n f 1 u s s e s 
der Con 8 ti tuen t i en auf den D es infec t i on s we r t h. Inaug.-Diss. 
Breslau 1895. 

Breslauer untersuchte verschiedene Snlbenconstitueiitien auf ihre 
Desinfectionskraft. Er bestrich zu diesem Zwecke kleinste Objectträger 
mit verschiedenen Mikroorganismen, brachte dieselben alsdann erst mit 
den zu untersuchenden Salben für verschiedene Zeiten in Contact, ent¬ 
fernte die Salbe alsdann wieder mittelst Aether und untersuchte dann 
die Mikroorganismen auf Nährböden auf ihre Wachsthumsfähigkeit. Er 
kommt dabei auf Grund zahlreicher Versuche zu dem Schlüsse, dass La¬ 
nolin und Unguentum leniens in Verbindung mit Desinticientien den weit¬ 
aus grössten Desinfeetionswerth besitzen und dass Vaselin und Fett, in 
noch höherem Grade Oel, als Oonstituentien die Desinfectionskraft einer 
Salbe auf ein Minimum reduciren, d. h. sie abschwächen. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

51 eyer, Rudolf. Untersuchungen über die \V i r k u n g des 
A r g e n t u m - C a s e i n im Vergleich zu der des Argentum n i t r i - 
cum und des Aethylendi am in silberphosphat es. Inaug.-Diss. 
Breslau 1S94. 

Die von Meyer angeatellten Untersuchungen über die chemischen 
und pharmakologischen Eigenschaften des Argonins (Argentum-Caseins) 
im Vergleiche zu dem Argentum nitricum und Argentamin (Aethylen- 
diamiusilberphosphat) ergeben für das Argonin, dass dasselbe ein Desin- 
fectionsmittel von nicht unbeträchtlicher antiseptischer Kraft ist, welches 
weder mit dem Eiweiss noch mit den Chloriden des Körpers einen Nieder¬ 
schlag gibt und in den antiseptisch wirksamen Concentrationcn weder 
reizend noch ätzend wirkt. Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Hochsinger, Karl. Gegen die Anwendung der Carbol- 
säure und des Jodoform bei Neugeborenen. Der Kinderarzt. 
VII. 1896. Heft 9—10. 


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der Dermatologie. 


259 


Hoebsinger macht neuerdings darauf aufmerksam, dass Carbol- 
säure und Jodoform, abgesehen von ihrer hochgradigen Toxicität für den Or¬ 
ganismus der Neugebornen und Säuglinge, auch ungemein leicht zu acuten 
Dermatitiden bei diesen führen, welche für das Leben derselben ver- 
1 ängnissvoll werden können. Die missbräuchliche Anwendung des Jodo¬ 
form erfolgt gewöhnlich seitens nichtärztlicher Pflegepersonen (Hebammen, 
Wärterinen, Kinderpflegerinen) in Form von Streupulvern für die Nabel¬ 
wunde. Rituelle Beschneider pulvern die Circumcisionswunde mit Jodo¬ 
form ein oder verbinden dieselbe mit 20procentiger Jodoformgaze. H. 
berichtet über einen Todesfall nach Jodoform-Nabelverband und drei 
schwere Jodoform-Deruiatiden und Ekzeme bei Säuglingen in Folge der 
angedeuteten Anwendung?weise des Jodoform, bezüglich welcher das 
Originale nachzusehen wäre. Autoreferat. 

Hasse, Oskar. Zur K r e b s h e i 1 u n g. V i r c h o w’s Archiv 1 SOG. 
Band 146, Heft 2. 

Nach Mittheilung dreier, selbst beobachteter Fälle von Spontan¬ 
heilung eines Magencarcinoms, beschreibt Hasse Fälle von Carciuomen, 
bei welchen er durch fortgesetzte Injection von Alkohol in das Gewebe 
um den Tumor herum Schwund des letzteren erzielte. Stets handelte es 
sich um Brustkrebse, von welchen H. bisher 20 Fälle ohne Misserfolg nach 
oben geschilderter Methode behandelt hat. Gustav Tandler (Prag). 

Leredde. Essai d’une Classification pathogenique des 
dermatoses. Annales de dermatologie et de syphiligraphie. Tome VII., 
N. 6. juin 1896, pag. 802. 

Leredde schliesst diesen Artikel mit den Worten: „VYir wollen es 
nicht unternehmen, die vorgeschlagene Classification weiter zu entwickeln; 
der Zweck dieser Arbeit ist mehr ein neues System vorzuschlagen, das 
allseitig zu studiren wäre, als die Losung dieser Aufgabe selbst zu geben. 
Viel wichtiger scheint uns der Geist dieser Classification, als die Detail¬ 
ausführung, bei der leider noch so ausserordentlich viele Punkte dunkel 
bleiben.“ Auf ungefähr 20 Seiten werden alle Probleme der heutigen 
Dermatologie in geistreicher, aber nicht ergründender Weise gestreift. 
Zn einem Referat eignet sich deshalb dieser Artikel nicht. Weshalb, 
wenn man selbst bei der „Masse dunkler Punkte“ die Unmöglichkeit zu¬ 
geben muss, immer Versuche zu neuen Systemen, in die nicht zwei Be¬ 
obachter übereinstimmend die beobachteten Affectionen einzutragen ver¬ 
mögen? Gerade in dem gegenwärtigen Augenblick der allgemeinen Re¬ 
volution in der Dermatologie sind derartige Versuche wirklich verschwen¬ 
dete Mühe. L. will auf pathogenetischer Grundlage folgende allgemeine 

Classification vorschlagen: 

. .. tt. i i f traumatische. 

Primäre Erkrankungen { parasltare> 

nervösen t 

hämog. (sanguinen) I ^ q 
nervösen | £ 

hämogenen l S 4 

Missbildungen, Neoplasmen. E. von Düring (Con?tantinopel). 

17* 


Secundäre P>krankungen 


. runctionelle 
* Störungen 

2. Dermosen 


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260 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiet<• 


Sensibilit&tsneurosen. 

Arnstein. Deux cas de prurit tres opiniätre et pro- 
longe gueri par l’emploi systematique de l 1 antipyrine. Gaz. 
Lek. 1894, Nr. 48. lief, im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 111. 

Arnstein empfiehlt bei hartnäckigem Pruritus den systematischen, 
längere Zeit fortgesetzten innerlichen Gebrauch von Antipyrin und be¬ 
richtet zwei diesbezügliche Krankengeschichten. 

Paul N e i s s e r (Beuthen 0. S.). 


Anomalien der Secretion und des Secretions- 

apparates. 

Heuaner, C. Beitrag zur Behandlung der Hyperidro sis. 
Deutsche med. Wochenschr. 1895, Nr. 44. 

Heusner bespricht, eingehend zahlreiche, innerlich und äusser- 
lich empfohlene Mittel gegen llyperidrosis um als wirksamstes Anti- 
hidroticum folgende Zusammensetzung zu empfehlen: Perubalsam 1%) 
Acid. formieie. 5%. Chloralhydrat 5% in Alkohol gelöst. Bei örtlichen 
Schweissen ist das Mittel mittelst Wattebausches, bei allgemeiner Flyperi- 
drosis mittelst Zerstäubers anzuwenden. Bei hartnäckigen localen Schweissen 
wird der Gehalt der einzelnen Bestandteile verdoppelt oder 1% Trichlor- 
essigsäure hinzugefügt. 0. Rosenthal. 

Rafin. Tumeurs sebacees multiples. Journal des mal. cut. 
et syph. 1896, p. 460. 

Der Soriete des Sciences medical es de Lyon stellt Rafin einen 
42jährigen Patienten vor, dessen Mutter an denselben Tumoren der Kopf¬ 
haut leidet, der an seinem behaarten Kopf, an Rücken, Brust, linken 
Vorderarm und Hoden zahlreiche erbsen- bis nussgrosse Tumoren zeigt. 
Die ersten derselben entstanden am Hoden im Alter von 12 Jahren. 
Die Haut darüber ist rosa gefärbt, dem Tumor adhärcnt, sonst unver¬ 
ändert, Vortragender rubricirt diesen Fall unter die von Poncet mul¬ 
tiple Cylindrome und Berard Epithelioma sebaccum genannten Tumoren. 
Mikroskopisch war ein Plattcncpithcliom zu constatiren, ohne Gewissheit, 
ob dasselbe von den Talg- oder Sehweissdrusen ausging. 

Paul Nei88er (Beuthen o. S.). 

Haan. Otite externe d’ origine seborrhci que. Journal 
des mal. cut. et syph. 1896, p. 648. 

Haan bespricht im Anschluss an zwei P'älle die Möglichkeit des 
Auftretens seborrhoischer Processe des äusseren Gehörgangs (mit Bildung 
von Ceruminalpfröpfen und dadurch eventuell verursachter Taubheit) ira 
Anschluss an Seborrhoe der Kopf- und Gesichtshaut. 

Paul N eisser (Beuthen 0. S.). 


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der Dermatologie. 


261 


Acute und chronische Iufectionskrankheiten. 

Michaelis, Adolf. Zum Incubationsstadium der Roth ein. 
Der Kinderarzt VI. 1895, S. 65. 

Michaelis ist in der Lage gewesen, an Beinen eigenen beiden 
Kindern, welche von einem befreundeten Schulkinde mit Rubeolen in- 
ficirt wurden, mit grösster Präcision eine 19tägige Incubationsdauer 
der Röthelerkrankung festzustellen und meint, dass die nahezu doppelt 
so lange Incubationsdauer der Rubeolen eines der wichtigsten Momente 
zur Auffassung der Rubeolen als selbständige Erkrankung den Masern 
gegenüber darstellt. Hochsinger (Wien). 

Claus. Eine Masern- und Röthelnepidemie. Jahrb. für 
Kinderh. XXXVIII, S. 37 ff. 

Eine vom Winter 1892 bis Sommer 1893 in der Kinderheilanstalt 
Dresden-Altstadt herrschende Masernepidermie, über welche Claus ein¬ 
gehend Bericht erstattet, verlief im Allgemeinen günstig; einen schlimmen 
Ausgang nahmen nur jene Erkrankungen, bei welchen im Gefolge der 
Morbillen secundäre Diphtherie oder Croup auftrat. Die Incubationszeit 
der Morbillen, welche in mehreren Fällen mit grosser Wahrscheinlichkeit, 
in einem Falle mit absoluter Sicherheit zu berechnen war, betrug 9—14 
Tage, die Zeit von der Infection bis zum Ausbruche des Exanthems 
13—15 Tage, die Zeit von der Infection bis zur vollen Entwicklung des 
Ausschlags 14—16 Tage. Verf. konnte eine Uebertragung des Masern¬ 
giftes durch Mittelpersonen oder Gegenstände nicht nachweisen. Durch 
hochgradige Infectiosität zeichneten sich besonders das Prodromalstadium 
und das exanthematische Stadium der Masern während der Blüthe des 
Exanthems aus. Bei fünf Kindern, welche Masern schon vorher einmal 
durchgemacht hatten, entwickelte sich ohne Prodromalsymptome, unter 
geringem Fieber, ohne wesentliche katarrhalische Erscheinungen neuer¬ 
dings ein Exanthem, welches sich nur aus wenigen scharf abgegrenzten, 
massig erhabenen blassrothen Efflorescenzen zusammensetzte und in 
kurzer Zeit wieder schwand. Verf. fasst diese Exanthemformen als eine 
Masernrecidive auf. Interessant sind 12 Fälle von Doppelerkrankung an 
Masern und Rötheln, bei welchen die Kinder dem Berichte zu Folge 
zuerst an einem flüchtigen unter leichten Katarrhen und geringem Fieber 
auftretenden Exanthem erkrankten, welchem kurze Zeit darnach ein ty¬ 
pisches Masernexanthem folgte. Das Charakteristische für die Rubeolen- 
Diagnose erblickt Claus bei sporadischen Fällen in dem plötzlichen Auf¬ 
treten des Exanthems ohne Prodrome. Bei Epidemien bieten der durchwegs 
leichte Verlauf (? Red.), das Fehlen von Complicationen und Nachkrank¬ 
heiten und das verschiedenartige Aussehen des Exanthems differential¬ 
diagnostische Anhaltspunkte den Masern gegenüber. 

Hochsinger (Wien). 

Hase, Theodor. Ein Beitrag zur Statistik derErkrankung 
anScharlach mit besonderer Berü cksicht igung der Reci- 
dive und Pseudorecidive. Jahrb. für Kinderheilk. XXXIX, p. 58 ff. 


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2G2 


IWirlit, über die Leistungen auf dem Gebiete 


Von 2453 in den Jahren 1871 bis 1893 im Kinderhospital zu 
St. Petersburg behandelten Scharlachkranken starben, wie dem Berichte 
Theodor Hase’s zu entnehmen, 770 Kinder. Die höchste Zahl der Er¬ 
krankungen fiel a«jf das Alter über 6 Jahre, das Maximum der Mortalität 
auf das Alter von 1—2 Jahren. Unter 1664 vom Jahre 1885 bis 1893 be¬ 
handelten Scharlachfallen beobachtete H. 6 Pseudorecidiven (d. h. 
die Wiederkehr des bereits geschwundenen Exanthems bei Fortbestehen 
der übrigen Scharlachsymptome). Eigentliche Scharlachrecidiven, d. h. 
plötzliches Wiedereinsetzen sämmtlieher Scharlaclisymptome, nachdem 
die primären bereits völlig geschwunden waren, beobachtete Yerf. in 
dieser Zeit lomal und zwar brachte die Kecidive keine besonderen Com- 
plicationen mit sich, sowie auch die primäre Erkrankung in diesen Fällen 
meist nur leicht war. Das secundäre Exanthem war immer schwächer 
ausgeprägt als das primäre und dauerte auch kürzere Zeit als jenes. Die 
Temperatur war bald während der ersten, bald während der 2. Erkrankung 
höher. Nephritiden traten oft in beiden Perioden auf. Die Pseudoreci- 
diven setzten zu Ende der ersten oder Mitte der 2. Woche, die Reci- 
diven in der 3—6. Woche ein. Anhangsweise theilt Yerf. 2 Fälle von 
Masernrecidive mit. Hochsinger (W r ien). 

Friedemann, J. H. Ueber den Verlauf der Schutzpocken¬ 
imp f u n g bei einer Reihe abnorm schwächlicher Säuglinge 
und Kinder. Jahrbuch für Kinderh. XXXVIII, 324—353. 

An 6 wegen drohender Blatterngefahr gleichzeitig geimpften ab¬ 
norm schwächlichen Säuglingen machte F ri e dem ann Studien über das 
Vaccinefieber nnd schildert die vaccinale Fieberreaction folgendermassen: 
Am 5—7. Tage steigt die Temperatur über die Norm, fällt am selben 
oder folgenden Tage ein wenig, steigt hierauf rasch wieder an, erreicht 
2—4 Tage nach der ersten Erhebung ihre höchste Höhe und zeigt nun 
entweder einen remittirenden oder continuirlichen Charakter, Die Ent¬ 
fieberung erfolgte stets am 12. Tage nach stattgehabter Vaccination in 
einer der Masernentfieberung sehr ähnlichen Weise. Das Vaccinefieber 
stand in keinem Verhältniss zur localen Impfreaetion. Die interessante, 
von Gast, Behm und Wolff genau studirte That.sache, dass die Im¬ 
pfung neugeborener Kinder niemals von Fieber gefolgt ist, 
sucht F. damit zu erklären, dass das Blut Neugeborener eine bedeutend 
grössere Menge bakterieller Blutzöllen (? Red.) enthielt, als das älterer 
Kinder. II och singe r (Wien). 

Wolffberg, Tilsit. Ueber die Schutz wirkungderlmpfung, 
sowie über die Erfolge des deutschen Impfgesetzes vom 
8. April 1874. (Centralbl. für allgem. Gesundheitspflege 1896. Heft 5, 
S. 151.) 

Die Arbeit Wolffberg*» ist aus Anlass des Jenner-Jubiläums 
entstanden; der auf dem Gebiete der Impffrage so sehr verdiente Forscher 
gibt an der Hand amtlicher Quellen sowie eigener Studien eine historische 
Uebersicht über den Einfluss der Impfung auf den Verlauf der Pocken¬ 
epidemien, sowie des einzelnen Krankheitsfalles. Bezüglich der interes- 


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der Dermatologie. 


2(>3 


santen Details müssen wir auf die Arbeit selbst verweisen und greifen 
nur das Wichtigste aus der Arbeit Wolffberg ’9 heraus, dass nämlich 
in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarstaaten insbesondere seit 
dem Jahre 1875, seit der Einführung des deutschen Impfgesetzes, welches 
die Erstimpfung vor Ablauf des auf die Geburt folgenden Kalender¬ 
jahres, die Revaccination aber für Schulkinder in dem Jahre vorschreibt, 
in welchem sie das 12. Lebensjahr vollenden, die Erkrankungen an Va¬ 
riola in eclatanter Weise bis auf ein Minimum zurückgegangen sind. 
Nach Ansicht Wolffberg’s müssen wir immer daran festhalten, dass 
nicht erwartet werden kann, dass alle Geimpften einen absoluten Schutz 
gegen die Pocken besitzen; die Impfung vermag immer nur einen bald 
grösseren bald geringeren Antheil der Empfänglichkeit zu löschen. Jede 
neue Impfung wird ab^r voraussichtlich den bereits vorhandenen Schutz¬ 
grad erhöhen. Besonders sollten in der Zeit der Gefahr die Erwachsenen 
die Wiederimpfung nicht versäumen; denn die Erwachsenen sind durch 
die Pocken vermöge ihrer hohen natürlichen Empfänglichkeit fast immer 
besonders heftig bedroht, und je älter wir werden, um so dringender ist 
dies zu beherzigen. Joh. Fabry (Dortmund). 

Steiner, A. ZurCasuistik derSecundärinfection bei 
Varicellen. Centralbl. f. Kdblkde. I. 1896. Nr. 3, p. 81. 

Unter Bezugnahme auf einen von Brunner (Deutsch. Medicinal- 
zeitung 1896. Nr. 1) veröffentlichten Fall von allgemeiner Staphyloeoceen- 
infeetion nach Varicellen theilt A. Steiner (Karlsruhe) eine Kranken¬ 
geschichte mit, ein 9 Monate altes Kind betreffend, welches während des 
Decrustationsstadiums der Varicellen plötzlich von hohem Fieber er¬ 
griffen wurde. Es entwickelt sich eine acute Osteomyelitis des 
rechten Oberschenkels, welche innerhalb dreier Tage zum tödtlichen Aus¬ 
gange führte. Die Sectionsdiagnose lautete: Osteomyelitis et Periostitis 
femoris dextri acuta iufectiosa et septicopyaemia. Varicellae in stadio 
decrustationis. Hochsinger (Wien). 

Levaschew, M. S. Les microorganismes du typhus exan- 
thematique et leur röle etiologique. (Arehives des Sciences 
biologiques, St. Petersbourg 1895, Tome IV, Nr. 4.) 

Die Untersuchungen, welche Levaschew gelegentlich der im 
Jahre 1891 in Kasan herrschenden Epidemie (500 Erkrankungen) auge¬ 
stellt hat, bedeuten einen grossen Fortschritt in der Kenntniss der Aetio- 
logie dieser Krankheit und lassen an der spcciiisehen Natur der von ihm 
entdeckten Mikroorganismen kaum einen Zweifel aufkomraen. Früher 
schon war es Hlava, sowie Moreau und Gochez gelungen, beim exan- 
thematischen Typhus zu constanten Bacillenbefunden zu gelangen, deren 
Specifität jedoch nicht einmal ihre Entdecker gerade heraus betont hatten. 
L. ist es gelungen, bei an Typhus exanth. erkrankten Menschen in dem 
der Fingerhaut, oder direct den Oubitalvenen ja selbst der Milz entnom¬ 
menen Blute unter dem Mikroskope, besonders bei sehr fein aufgetragener 
Blutschicht und bei Verwendung einer Apochromatlinse von 1000—2000- 
faeher Vergrösserung, zwischen den rothen Blutkörperchen corpusculäre 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Elemente zu entdecken. Es sind dies vollkommen runde, reguläre Coccen von 
0*2—0*5 n Durchmesser, einzeln, als Diplococcen oder in kurzen Ketten 
angeordnet, oft in lebhafter Eigenbewegung (sie zeigen manchmal äusserst 
feine 6—lOmal so lange Fortsätze an einem Pole, mit welchen sie sich 
unter einander und an die rothen Blutkörperchen anheften). Unter allen 
Farbstoffen erwiesen sich diese Elemente für saturirte, wässerige Fuchsin¬ 
lösung und alkalisches Methylenblau am zugänglichsten. Reinculturen 
auf den üblichen Nährböden gelangen nicht, aber vielleicht liess sich 
dieser Mikrococcus exanthematicus auf menschlichen albuminoiden Sub¬ 
stanzen reinzüchten. L. impfte also auf Ascitesflüssigkeit und pleuri- 
tisches Serum und erhielt jedesmal positive Resultate. Der Mikrococcus 
exanthematicus Levaschew’s kreist im Blute der Kranken, findet sich 
ferner im Secrete der so häufig ergriffenen Bindehaut, des Respirations- 
tractes und ist am sichersten und zahlreichsten während der Acme der 
Krankheit zu constatiren; in den Hautefflorescenzenliess ersieh 
nicht nachweisen. Er ist von allen bisher bekannten Schizomyceten 
gut zu unterscheiden und darf auch nicht mit den Hämatoblasten Bi z zo- 
zero’s identificirt werden. Die Ergebnisse seiner Thierexperimente will 
Yerf. in einer zweiten Arbeit mittheilen. Ernst Liebitzky (Prag). 

Tartacovsky, R. Contribution a l’etiologie de la peste 
bovine. (Archives des Sciences biologiques, St. Petersbourg 1895. 
Tome IV, Nr. 3.) 

Von all den vielen Mikroorganismen, welche von verschiedenen 
Autoren bei der Rinderpest gefunden und für die Erreger derselben er¬ 
klärt worden sind, ist kein einziger anzuerkennen; die meisten derselben 
sind auch in den Organen gesunder Thiere nachzuweisen. Im Blute und den 
innern Organen fand Tartacovsky keine Bakterien; nichts destoweniger 
gelang die Uebertragung der Krankheit durch Ueberimpfung von Rinder¬ 
pest blut. Wahrscheinlich ist die Krankheit durch Sporozoen verursacht. 

Ernst L i e b i t z k y (Prag). 

Wezler, Wilhelm. Zur Statistik und Klinik des Ery si¬ 
pelas faciei. Inaug.-Diss. Erlangen 1895. 

Nichts Neues. Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Kurth, H. Ueber das Vorkommen von Streptococcen 
bei Impetigo contagiosa. (Arbeiten aus dem kais. Gesundheitsamt, 
Bd. VIII, 1893. Heft 2, p. 294—310) ref. nach liaumgarten’s 
Jahresbericht. Bd. IX, p. 25. 

In einer Reihe von aus den verschiedensten Gegenden stammenden 
Fällen von Impetigo contagiosa hat Kurth stetig entweder allein oder 
in Gemeinschaft mit dem Staphvlococcus pyogenes einen und denselben 
Streptococcus gefunden, wohl clnirakterisirt und unterschieden von den 
bekannten Streptococcen-Arten. Bei Impfung auf weisse Mäuse führt die 
Reincultur örtliche Eiterung und nachher durch Allgemeininfection den 
Tod der Thiere herbei; werden hingegen zur Impfung ältere Culturen 
verwendet, so ist das Resultat ein anderes, indem die Virulenz der Cul¬ 
turen abnimmt; es tritt dann später nur ausnahmsweise der Tod ein* 


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der Dermatologie. 


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K. ist geneigt, den von ihm beschriebenen Streptococcus für dio alleinige 
Ursache der Impetigo zu halten, er halt jedoch vorläufig noch mit seinem 
Urtheil zurück, da ein ausreichender bakteriologischer Beweis im Sinne 
Koch’s doch noch nicht erbracht ist. Der vom Autor eingeschla¬ 
gene Weg ist jedenfalls der richtige, um die Frage der Infectiosität der 
Impetigo contagiosa, die klinisch so lange feststebt, auch bakteriologisch 
zu lösen. Joh. Fabry (Dortmund). 

Audry. Sur une tuberculose cutanee ä forme ecthyraa- 
teuse. Journal des mal. cut. et syph. 1806 p. 469. 

Zu den von Gau eher, Hai lopeau und Anderen publicirten impeti- 
ginösen oder besser pustulösen Formen von Hauttuberculose berichtet 
Audry einen neuen Beitrag. Bei einem 11jährigen Mädchen bestand seit 
längerer Zeit auf der linken Wange eine bräunlichröthliche, trockene, 
etwa 1 Francstück grosse Borke, unter der sich etwas Eiter befand. Die 
Haut darunter war roth, zerklüftet, etwas eingesunken, die Bänder nicht 
indurirt, die umgebende Haut normal, wenig Drüsen vorhanden. Eine 
zweite, ähnlich, nur grössere Stelle fand sich an der Innenfläche des 
rechten Beines. Die Diagnose wurde zunächst auf durch Infection verur¬ 
sachte Impetigo gestellt und eine antiseptische Behandlung angeordnet. 
Nachdem diese absolut keinen Erfolg zeigte, und auch auf Jodkali keine 
Besserung eintrat, wurden die beiden Stellen excidirt und ein typischer 
Lupus verrucosus unter dem Mikroskop diagnosticirt. Bei genauer Unter¬ 
suchung des Kindes fanden sich noch an 2 anderen Stellen des Körpers 
2 bräunliche, durch einige Lupusknötchen verursachte Plaques, die eben¬ 
falls excidirt wurden. Paul Ne iss er (Beuthen O.-S.) 

Hoffm&nn, K. vou. Ein Fall von I rnpftuber c ul ose. Wr. 
klin. Wochenschrift 1806. Nr. 14. 

Eine 47 Jahre alte Frau pflegte eine Zeit lang ihr an Lungen- 
tuberculose leidendes Kind und verletzte sich mit einer Nähnadel den 
Zeigefinger gelegentlich der Ausbesserung der Wäsche dieses kranken 
Kindes. Die Stichwunde blutete nicht, ihre Umgebung schwoll einige 
Stunden nach der Verletzung an; am nächsten Tage war der ganze Fiuger 
diffus geschwellt, roth und schmerzhaft. Es kam zu einem Panaritum, zur 
chronischen Geschwürsbildung und zur Entwickelung tuberculöser Knöt¬ 
chen in der Nähe des Panaritum. Eine oberflächliche Lympligefassent- 
zündung verbreitete den Process gegen die Axillardrüsen. Eingreifende 
chirurgische Operationen brachten Heilung. Horowitz (Wien). 

Derville. Trai tement du lupus. Journal des Sc. medicales 
de Lille. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1806, p. 444. 

Derville empfiehlt bei kleinen isolirten Lupusknötchen, wie sich 
solche entweder in der Peripherie grösserer Heerde oder in alten Narben 
finden, folgende Therapie. Zuerst geht er mit einem möglichst spitzen, 
langen Scarificator (dem Vidalschen Scarificator; in das Knötchen ein, 
dreht das Instrument in demselben um und gibt dann in das so gesetzte 
Loch ein Stückchen reines Chlorzink. Es bildet sich sofort ein Schorf, 
der circa 14 Tage anhaftet und unter dem das Knötchen ausheilt. Even- 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


tuell ist die Proeedur nach 14 Tagen nochmals zu wiederholen. Während 
die Vortheile, geringe Schmerzhaftigkeit, Nichtbehinderung der Pati¬ 
enten durch einen Verband, sehr sichere Wirkung, in die Augen fallend 
«ind, bestehen die einzigen Nachtheile in einer eventuellen Hässlichkeit 
der Narbe, die sich jedoch auch verbessern lässt, und in Narbenretraction 
bei Anwendung in der Nähe des Mundes oder der Nase. 

Paul N ei ss er (Beuthen O.-S.) 

Moty. Traitement du lupus. Bullentin medical du Nord. Re- 
ferirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 447. 

Moty empfiehlt in den Fällen von Lupus, die nicht exulcerirt sind, 
sondern die nur aus einzelne Knötchen bestehen, alle vier bis acht Tage 
zu wiederholende Injectionen mit Naphtholkampheröl in das Centrum 
der einzelnen Knötchen. Gleich nach der lnjeetion (etwa '/, Tropfen) 
bildet sich bei den grösseren ein Schorf, unter dem sich eine gute Narbe 
bildet, bei den kleineren nur eine Entzündung, unter der die Knötchen ver¬ 
schwinden. Verf. hat diese Therapie bisher in 10—12 Fällen angewendet 
und ist mit ihr zufrieden; selbstverständlich beobachtet er die Patienten 
nach ihrer Entlassung noch circa 1 Jahr wegen eventueller Recidive. Der 
einzige Nachtheil dieser Therapie sind eventuell eintretende Erysipele, 
den sie jedoch mit anderen operativen Methoden theilen. 

Paul Neisser (Beuthen O.-S.) 

Spire. Du lupus de la langue. Areh. clin. de Bordeaux, Dec. 
1895. Referirt im Journal des maladies cutanees et svphilitiques 1896, 
p. 183. 

Zu den bisher in der Literatur spärlich vertretenen Fällen von 
Zungenlupus fügt Spire drei neue, von ihm beobachtete hinzu. Bei 
allen drei Fällen zeigte sich der Lupus als eine warzige, grauröthlich 
verfärbte, erhabene Plaque von ziemlich harter Consistenz und absoluter 
Schmerzlosigkeit. In allen bisher publicirten Füllen sei er mit Lupus 
des Pharynx oder Larvnx combinirt gewesen und zwar sei er von diesen 
Organen auf die Hintertläche und später eventuell, der Raphe folgend, auf 
die Vorderfläche der Zunge gekrochen. Alle Fälle seien bei ihrer abso¬ 
luten Schmerzlosigkeit zufällig constatirt worden. Als Therapie empfiehlt 
Verfasser die Ignipunetur als wirksamstes und, nach Cocainisirung, schmerz¬ 
loses Mittel. Paul Neisser (Beuthen O.-S.j. 

Schultze. Duisburg. Vortrag „über die chirurgische Be¬ 
handlung des Lupus“, gehalten im Verein der Aerzte des Regie¬ 
rungsbezirks Düsseldorf. Mai 1895. Correspondenzblatt der ärztlichen 
Vereine in Rheinland und Westfalen 1895, Nr. 56, p. 6. 

Schnitze ist der Ueberzeugung, dass die bisherige Behandlung 
des Lupus mit Aetzrnitteln, Salben und Paquelin, desgleichen die ur¬ 
sprünglich so enthusiastisch aufgenommenen Tuberculin-Injectionen sehr 
w T enig zufriedenstellende Resultate ergeben hätten, dass dagegen die von 
Thierse h empfohlene Behandlung, nach Art der bösartigen Geschwülste, 
die kranken Stellen total zu exstirpiren und den Defect durch Trans¬ 
plantation zu decken, sowohl curativ wie kosmetisch sich sehr bewähre. 


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der Dermatologie. 


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Etwa vorhandene Reizzustände werden vor Vornahme der Operation 
durch Bleiwasserumschläge entfernt. Redner stellt eine Reihe derartig 
behandelter und geheilter Patienten vor mit zum Theil sehr ausgedehntem 
Gesichtslupus. In der Discussion spricht sich Ehrenberg auf Grund 
eigener Erfahrungen in der Klinik von Thiersch durchaus überein¬ 
stimmend aus. Beide Redner heben hervor, dass sich für die Methode 
mehr die Fälle von oberflächlichem Lupus eignen. Hierbei bleibt nach 
Ansicht des Referenten zu bedenken, dass es sich oft erst bei der Ope¬ 
ration herausstellt, ob der Lupus tiefer greift oder nicht; selbst aber 
auch tiefer greifende Lupusfälle eignen sich für die Transplantation. 

Joh. Fabry (Dortmund). 

Fabry, Johann, Dortmund. UeberdieBehandlungdesLupus 
mit besonderer Berücksichtigung der Transplantationen 
nach Thiersch. Sitzung des Vereins der Aerzte im Reg. Bezirk Arns¬ 
berg. 12. Mai 1896. 

Fabry bespricht zunächst kurz die pathologische Anatomie und 
die klinische Diagnose des Lupus speciell der verschiedenen Lupus¬ 
formen; er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Formen des Lupus, die mit 
tuberculöser Erkrankung tiefer gelegener Gewebe complicirt sind, auf 
den sogenannten chirurgischen Lupus. Indem der Redner dann die ver¬ 
schiedenen älteren und neueren Behandlungsweisen einer Besprechung 
unterzieht, betont er besonders die Wichtigkeit einer Frühdiagnose beim 
Lupus. Grade im Frühstadium ist der schönste Erfolg zu erzielen, vor¬ 
ausgesetzt, dass die Behandlung eine gründliche und eingreifende ist und 
nicht die schönste Zeit zum operativen Handeln mit der Anwendung von 
Aetzsalben und Aetzpflastern verloren geht. Von den chirurgischen Me¬ 
thoden bevorzugt Vortragender seit Jahren die Thiersehe Transplan¬ 
tation nach vorhergegangener Excision bei Auswahl der Fälle als die¬ 
jenige, welche hinsichtlich der Vermeidung von Recidiven Vorzügliches 
leistet. Zur Erläuterung seines Vortrages stellt F. mehrere Patienten vor, 
die eine ganze Reihe von Jahren post operationein recidivfrei geblieben 
sind mit recht gutem kosmetischem Resultat, ferner mehrere Patienten, bei 
denen kurze Zeit vorher sehr ausgedehnte Excisionen der Gesichtshaut 
ausgeführt wurden und bei denen schon nach wenigen Wochen schöne 
glatte und feste Ueberhäutung eingetreten war. An der recht lebhaften 
Discussion betheiligt sich in erster Linie Professor Löbker, Bochum, 
der in allen wesentlichen Punkten mit dem Vortragenden übereinstimmt. 

Joh. Fabry (Dortmund;. 

Rille. Lupusb ehandiung. Demonstr. in der k. k. Gesellschaft 
der Arzte in Wien, 22. Febr. 1896. (Wr. lvlin. Wochenschft. 1896. 9.) 

Rille exstirpirte einen Lupus vulgaris, der vom Ohre bis an den 
Mundwinkel und vom Kieferwinkel bis an den Augenhöhlenrand sich 
etablirt hatte, durch Umschneidung in einer Sitzung und transplantirte 
auf die wenig blutende Fläche etwa 8 Lamellen aus dem Oberschenkel. 
Beim ersten Verbandwechsel waren die Lamellen angeheilt. 

Horowitz (Wien). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Schneider, Richard. Ein Beitrag zur Differentialdiag¬ 
nose zwischen Lupus und Lues hereditaria tarda. 

Im ersten von Schneider beschriebenen Falle wird die schon 
klinisch sichere Diagnose auf Lupus durch die Section, bei der zahlreiche 
tuberculüse Herde gefunden werden, bestätigt. Der zweite Fall ist 
anamnestisch wie klinisch ein unzweifelhafter Fall von Lues hered. 
tarda. Neue differentialdiagnostische Merkmale werden nicht beigebracht. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Steinhäuser, P. Ueber Lupus - Carcinom. Inaug. - Diss. 
Tübingen 1894. 

Als Lupus-Carcinom bezeichnet Steinhäuser eine eigenthümliche 
Form von Carcinom, welche sich von dem gewöhnlichen Haut-Carcinom 
wesentlich unterscheidet, besonders durch das Auftreten im jugendlichen 
und ersten Mannesalter, als auch durch die ganz auffallende. Malignität 
der Geschwulstbildung. St. unterscheidet nach Lang zwischen lupösem 
Narbencarcinom und eigentlichem Lupus-Carcinom, je nachdem das Car¬ 
cinom in der Narbe eines längst geheilten Lupus auftrat, oder ob das¬ 
selbe an einen bestehenden Lupus sich anschloss. Bei der grossen 
Häufigkeit der Affection — 8t. stellt aus der Literatur 78 Fälle zusammen 
und theilt noch 5 neue Fälle mit — erkennt 8t. in der Combination von 
Lupus und Carcinom nicht ein zufälliges Zusammentreffen, sondern er 
betrachtet den lupüsen Process als ein prädisponirendcs Moment für die 
Carciuom Entwicklung. Ed. Oppenheimer (8trassburg.) 

Audry. Sur les degenerescences cellulaires danales 
parois de l’absces actinomycosique sous-cutane. Journal des 
maladies cutanees et svphilitiques, 1896, p. 147. 

Audry fand in der Wand eines aktinomykotischen Abscesses zwei 
verschiedene Sorten von Zellen; die einen waren gross und rund mit 
granulirtem Protoplasma und rundem oder ovalem, gut färbbaren Kern; 
diese Zellen vergrüsscrten sich allmalig, wobei der Kern an die Seite 
gedrückt wurde und allmälig ganz verschwand, während die Zellen 
ebenfalls in dem umliegendem Gewebe untergingeu. Audry weiss selbst 
nicht anzugeben, was das für Zellen seien, hält sie aber vielleicht für 
mononucleäre Leukocyten. Die zweiten, nach der Granfschen Färbung 
sichtbar werdenden Zellen waren grösser, mit groben blauen Granulationen 
vollgestopft, und resultirten von einer besonderen Art von protoplasma- 
tischer Degeneration, die, aber nach des Verf. Ansicht, Nichts mit dem 
eigentlichen aktinomykotischen Process zu thun hat. 

Paul Neisser (Beuthen 0.-8.). 

Habel, A. U eher Akt inomy kos e. Yirchow's Archiv, 1896, 
Band 146, Heft 1. 

Habel bespricht fünf Fälle von Aktinoinykose sanunt Sections- 
befund ; in allen Fällen handelte es sich um Erkrankung visceraler Organe. 
Die Krankheit verlauft bald unter dem Bilde einer Lungentubereulose, 
bald unter dem einer Peritonitis oder Perityphlitis. Unzweifelhafte klinische 
Symptome für Aktiuomykose sind nach der Meinung 1J. nicht vorhanden, 


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der Dermatologie. 


269 


die Diagnose lässt sich nur durch den Nachweis von Aktinomyces-Körn- 
chen im Sputum oder Eiter stellen. Gustav Tandler (Prag). 

Gemy. La lepre en Algerie. Journal des mal. cut. et syph. 
1896, p. 243. 

Gemy macht in dem Bulletin medical de V Algerie auf die Lepra 
in Algier, die besonders in einem Quartier (la Carriere genannt) haust, 
aufmerksam. Ein eifriger Anhänger der Contagiositätslehre glaubt er, 
dass man bei genauer Untersuchung der mohamedanischen und jüdischen 
Bevölkerung noch viel mehr Leprafalle constatiren würde, und macht be¬ 
sonders auf die Gefahr der Einschleppung durch die aus den verseuchten 
Provinzen Spaniens (Valencia und Alicante) Einwandernden aufmerksam, 
die bei ihrem Eintritt in’s Land genau untersucht werden sollten. Er 
plaidirt für Hospitalisirung, wenigstens für möglichste Verbesserung des 
Gesundheitszustandes der Leprösen und Desinfection ihrer Umgebung. 

Paul Neisser (Beuthen O.-S.) 

Arnaud. Quelques observations surlalepreenTunisie. 
Un cas de cette affection traite par les injections de tuberculine. Annales 
de dermatologie et syphiligraphie. Tome. VII. Nr. 3. März 1896. p. 293. 

Lepra scheint nach Arnaud in Tunis nicht sehr verbreitet zu 
sein, obwohl Verf. meint, dass eine eingehende Enquete zahlreichere Fälle 
sowohl unter den Italo-Maltesern wie unter den Muselmanen zeigen 
werde. Er selbst hat 5 Fälle gesehen. Auf Grund eines näher beschrie¬ 
benen und beobachteten Falles kommt A. zu folgenden Schlüssen: 1. Die 
Lepra ist nicht hereditär. Der Patient, um den es sich handelt, hat drei 
gesunde Kinder. 2. Die Contagiosität ist nicht sehr ausgesprochen („lente“); 
denn es leben viele Personen mit diesem Kranken in naher Berührung 
ohne angesteckt zu sein. 3. Tuberculininjectionen scheinen nicht unwirk¬ 
sam zu sein; vorläufig, bis zu etwas besserem, sind sie das beste Mittel 
und haben bei A’s. Patienten einen entschiedenen Stillstand der Krank¬ 
heit und Zurückgehen der Symptome zur Folge gehabt. Jedoch sollen 
4. die Dosen 2—3 Millig. nicht überschreiten, da die Reaction sehr 
heftig ist. E. von Düring (Constantinopel). 

Brocq, L. Note pour servir ä l’histoire des eruptions 
d’origine palustre. Eruption eczematiforme circonscrite persistante 
du nez de nature palustre. Annales de dermatologie et de s} 7 philigraphie. 
Tome VII. 1896. Nr. 1. 

Der von Brocq mitgetheilte Fall interessirt weniger der Affection 
wegen, als wegen der Erklärung, die Verf. demselben gibt. Bei einer 40j. 
verheirateten Dame, die von B. schon früher an einem Ekzem der Hände 
mit Erfolg behandelt war, zeigte sich links peripher auf der Nase eine 
etwas unregelmässig begrenzte, im ganzen ovale Eruption, etwa 1 Cm. hoch 
und 1 y a Cm. breit, mit gerötheter Basis. Es bestand etwas Schwellung 
und Röthung; auf der Oberfläche sah man ca. 2 Millimeter Durchmesser 
haltende „Papulo-Vesikeln“, 7—8 an der Zahl, von grau - gelblicher 
Farbe, ohne Krüstchen, leicht nässend. Subjectiv empfand Pat. Morgens 
früh Brennen und Stechen, nicht gerade eigentliches Jucken. Nachmittags 


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270 Bericht über die Leistungen auf dein Gebiete 

pflegten diese Beschwerden zu verschwinden. Die Afiection hatte sich in 
einem Monat aus 2—3 dicht neben einander stehenden Knötchen ent¬ 
wickelt. — B. stellte zunächst die Diagnose auf Ekzem — die Therapie 
erwies sich aber vollständig machtlos. Die Beobachtung nun, dass die 
Afiection in regelmässigem Typus alle 2 Tage sich verschlimmerte, dass 
dann am nächsten Tage eine weniger heftige Attaque uud darauf ein 
Tag ohne Verschlimmerung folgte, brachte B. auf den Gedanken, ob es 
sich hier vielleicht um eine Hautafiection auf Grund von Malaria han¬ 
delte. Die Anfälle traten Früh gegen 4 oder 5 Uhr ein, steigerten sich 
bis 8 Uhr, Hessen dann nach, um Nachmittags ganz aufzuhören. Zu dieser 
Zeit waren Schwellung, Röthung und Nässen, sowie die subjectiven 
Symptome scharf ausgesprochen, um nachher zu verschwinden. Die Dar¬ 
reichung von Chinin führte in zwei Tagen eine Besserung herbei, die 
Monate fortgesetzte locale Behandlung nicht zu erreichen vermocht, hatte. 
B. erörtert kurz die Frage der Ilautaffectionen bei Paludismus und 
spricht die Ansicht aus, dass man im vorliegenden Falle die einem 
nummulären Ekzem ähnelnde Aflection direct als eine Acusserung des Pa¬ 
ludismus und nicht als eine, den Fieberanfall begleitende (berpesähnliche) 
Hautcomplication anzusehen habe. Er schliesst mit diesen Folgerungen: 
1. Der angeführte Fall muss unter die noch wenig bekannten Derma¬ 
tosen eingereiht, welche die reinen und echten cutanea Formen der lar- 
virten Malaria bilden. 2. Dass gegenüber einer hartnäckigen Hautafiection 
mit etwas ungewöhnlichen Symptomen immer an die Möglichkeit der 
Malaria gedacht werden muss. 3. Dass Chinin und Arsenik in diesen 
Fällen wahre Specifiea sind, während die locale Therapie vollständig 
machtlos ist.. 4. Dass man die von V er neu i 1 und M e rc k 1 on zaghaft vor¬ 
geschlagene Classe der „Paludiden“ — für die vorstehender Fall ein 
Beispiel ist — als zu Hecht bestehend anerkennen muss. 

E. von Düring (Constantinopel). 


Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse 
Entzündungsprocesse. 

Mayer, Albert. Ueber einen Fall von infectiösem Ery¬ 
them Der Kinderarzt VII. 1806. H. 6. p. 97. 

Albert Mayer berichtet über einen dreijährigen Knaben, welcher 
im Anschlüsse an eine Kopfwunde unter gleichzeitig auftretender Nacken- 
drüsenschwellung von einem Erythema papula tu in morbilliform e 
mit typisch pyämischem Fieberverlaut ergriffen wurde. Das Erythem 
persistirte 14 Tage lang. Auf der Acmo des Processes erreichte die Abend¬ 
temperatur die enorme Höhe von 42°, die Morgentemperatur desselben 
Tages betrug nur 35Drei Wochen nach Heilung der Aflection neuerliche 
Drüsenschwellung wieder mit pyämischem Fiebertypus und neuerlichem 
Erythem-Ausbruch. Abermalige Genesung nach 8 Tagen. Gegen die Auf- 


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der Dermatologie. 


271 


fa9sung dieses recidivirenden Erythems als eines septico-pyämisehen kann 
wohl kein Zweifel erhoben werden. Hochsinger (Wien). 

Coulon et Verny. Eruption antipyrinique. Bulletin me- 
dicale du Nord 8. Mai 1896. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 
1896 p. 310. 

Zu der schon grossen Zahl von berichteten Antipyrinintoxicationeii 
bringen Coulon und Verny einen neuen Beitrag. Ein junger Mann 
erkrankte 8 Stunden nach Einnehinen von 10 Antipyrin unter heftigem 
Jucken und Auftreten grosser rother Flecke auf dem Körper, im Mund, 
Gaumen, Penis und Präputium. Aus diesen Flecken entstanden 3 Tage 
später Blasen, die mit Hinterlassung von pigmentirten Stellen abheilten. 
14 Tage später nahm Patient, der diesen Ausschlag nicht dem genom¬ 
menen Antipyrin, sondern vorher genossenen Austern zuschrieb, wieder 
Antipyrin, und es zeigte sich bald darauf dieselbe Erscheinung, nur in 
noch erhöhtem Masse, in Verbindung mit einer heftigen Conjunctivitis. 
Die Heilung dauerte in diesem 2. Falle über 11 Tage. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Ruyssen. Erytheme quinique. Bull. med. du Nord. 24.juillet. 
1896. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896 p. 574. 

Der an Malaria leidende Patient Ruyssen’s bekam jedes Mal 
nach Einnehmen von 1*0 Chinin einen aus verschieden grossen, rothen, 
erhabenen, erythematösen Plaques und kleineren maculo-papulösen Effio- 
rescenzen bestehenden stark juckenden Ausschlag an den Streckseiten 
der Arme und an einzelnen anderen Stellen des Körpers. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Räumer, Eduard. Beiträge zur Histologie der Urticaria 
simplex und pigmentosa. Inaug.-Diss. Berlin 1895. 

Im Archiv f. Dermat. u. Syph. Bd. XXXIV in extenso veröffentlicht. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Spek, van der. L’urticaire infantile. Journal des mal. cut. 
et syph. 1896, p. 325. 

Van der Spek bespricht in einer ausführlichen Arbeit die 
Ansichten der verschiedenen Autoren und die seinen über Auftreten, 
Aetiologie, Prognose, Complicationen und Therapie der Urticaria 
der kleinen Kinder. Gleich den meisten neueren Autoren hält er die 
Mehrzahl der F'älle durch Autointoxication vom Magen-Darmcanal aus 
bedingt, lässt jedoch für die Minderzahl auch andere Erklärungen, Den¬ 
tition, Veränderung des Hautgefässsystems u. 8. w. zu. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Lutaud. Sur une Variete d’herpes pouvant donner lieu 
ä des erreurs de diagnostic: l'herpes puerperal. Journal dea 
mal. cut. et syph. 1896, p. 36. 

Die 5 Patieutinen Lutaud’s erkrankten im 3. oder 4. Tage ihres. 
Puerperiums unter heftigen Fiebererscheinungen und am folgenden Tage 
auftretendem Herpes labialis, womit da9 Fieber sofort abfiel. Die Dis- 
cussion dreht sich nun darum, ob man einen eigenen Herpes puerperalia 



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272 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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vor sich habe, der auch die Veranlassung des vorausgegangenen Fieberß 
gewesen sei, oder ob beides, Fieber und Herpes, durch eine bei der 
Geburt gesetzte Infection bedingt sei, analog dem Herpes bei Pneumonie, 
Meningitis. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Comby. Desquamation dans la fievre typhoide chez 
es enfants. Societe medicale des hopitaux. Journal des mal. cut. et 
syph. 1896, p. 213. 

Comby hat die schon von Weill behauptete Thatsache des Auf¬ 
tretens mehr oder weniger intensiver Hautschälungen nach typhösen 
Fiebern bei Kindern nachgeprüft und bestätigt gefunden. Diese Abschup¬ 
pung ist bald kleienförraig, bald scarlatiniform mit grösseren oder kleineren 
Hautlamellen. Comby hat nun weiter gefunden, dass diese Abschuppung 
bedingt ist durch die im Stadium der Dcfervescenz auftretenden Sudamina, 
dass beide Erscheinungen ein günstiges prognostisches Zeichen bilden, 
dass sie jedoch keineswegs nur dem typhösen Fieber eigen sind, sondern 
auch bei und nach allen acuten, fieberhaften Krankheiten bei Kindern 
auftreten können. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Barbary. Suruncasde maladie de Werlhof. — Forme activ. 
— De l’influence bcureuse de Tal cool dans le traitement. — Duree, 3 se- 
maines. — Guerison. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 553. 

Barbary berichtet über einen ohne Prodromalstadium eingetrete¬ 
nen Fall von schwerem Morbus maculosus Werlhofii mit profusen Blutun¬ 
gen aus Nase, Mund und Darm, der unter grossen Alkoholdosen innerhalb 
3 Wochen geheilt wurde. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Troquart. L v m p h a n g i t e s e p t i q u e. Societe de medecine et de 
Chirurgie de Bordeaux. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 481. 

Die Patientin Troquart 1 «, ein junges Mädchen, war vor 5 Tagen 
von einer Fliege auf die rechte Hand gestochen worden. Im Verlaufe 
kurzer Zeit entwickelte sich ein bis auf den Vorderarm reichendes Oedem 
mit Lymphangitis. Das Interessante an dem Fall ist der Umstand, dass 
Patientin vor 2 Jahren schon einmal durch einen Fliegenstich an der 
linken Hand in noch höherem Grade, als diesmal, ein Oedem der Hand 
und eine bis in die Achselhöhle sich erstreckende Lymphangitis mit 
Fieber durchgemacht hatte. Paul Neisser (Beuthen 0, S.). 

♦ 'hristlieb, Otto. U e b e r Stomatitis und Vulvitis aphthosa. 
Inaug-Diss. Würzburg 1893. 

Christlieb beschreibt einen seltenen Fall von Geschwüren an der 
Vulva, die weder in das klinische Bild der Ulcera mollia noch luetischer 
Geschwüre hineinpassen und wegen gleichzeitig bestehender Stomatitis 
aphthosa mit dieser in Verbindung gebracht wurden. Daneben bestand 
noch ein Erythema nodosum des Unterschenkels. Der weitere Verlauf 
der Geschwüre an der Vulva wie im Rachen und Kehlkopf bestätigte die 
Diagnose der so seltenen, von Neu mann zuerst beschriebenen Erkran¬ 
kung. Als besonders wichtig für die Differentialdiagnose dürfte gegenüber 
luetischen Geschwüren die ausserordentliche Schmerzhaftigkeit bei leisester 
Berührung, das Fehlen von Induration und die leichte Unterminirung 


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der Dermatologie. 


273 


der Ränder, gegenüber dem Ulcus molle vor Allem die Nicht-Uebertrag- 
barkeit durch Impfung hervorzuheben sein. Das Erythem ist wohl als 
septisches aufzufassen. (Die Differentialdiagnose ist jedenfalls eine sehr 
schwierige und mit Sicherheit wohl nur bei gleichzeitiger epidemischer 
Aphthosis zu stellen. Ref.) Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Gobert. Furonculose traitee par la levure de biere 
ä l’interieur. Journal des Sc. Med. de Lille, 22. Febr. 1896. Referirt 
im Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896 p. 187. 

Gobert berichtet über einen Fall von hartnäckiger multipler 
Furunkulose, welche durch den innerlichen Gebrauch von frischer Bierhefe 
innerhalb 12 Tagen völlig geheilt wurde. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Brocq, L. Nouvelles notes cliniques sur les licheni- 
fications et les nevrodermites. Annales de dermatologie et de 
syphiligraphie. Tome. VII. Nr. 6 juin 1896. p. 779. Nr. 7 juillet 1896 p. 924. 

Brocq gibt eine zusammenfassende, kritische Uebersicht seiner 
eigenen, in den Jahren 1891—1892 veröffentlichten Anschauungen über 
das oben angegebene Thema, mit neuen klinischen Beobachtungen belegt. 
Anlass hiezu geben ihm die seither erschienenen Arbeiten von Neisser, 
Toramassoli, Pringle, besonders aber Touton’s Arbeit. Die Arbeit 
zerfällt in zwei Theile: die Nevrodermiten und die secundären Lichen- 
inficationen. Zunächst spricht B. über die Pathogenese des Lichen simplex 
circumscriptus Vidal’s, oder nach B.’s. Nomenclatur nevrodermite chronique 
circonscrite. Für Referenten, der im wesentlichen durchaus auf dem 
Brocq’schen Standpunkt steht — sicher soweit es den klinischen Theil 
angeht — bilden die mitgetheilten Beobachtungen eine Bestätigung zahl¬ 
reicher eigener Erfahrungen. Es bandelt sich, um B’s. eigene Worte zu 
gebrauchen, um einen „circumscripten Pruritus, der sich mit liclieni- 
fication pure allmälig complieirt. B. zieht die Bezeichnung licheni- 
tication pure der früher von ihm gebrauchten lichenitication primaire vor. 
In die Details dieses Capitols, besonders die Erörterung, weshalb Läsionen 
der peripheren Nerven vielleicht gar nicht gefunden werden und inwie¬ 
weit Form und Anordnung der Affectionen auf nervösen Ursprung sehliesseri 
lassen, können wir hier nicht eingehen; sie stehen mit den klinischen 
Beobachtungen nicht auf gleicher Höhe. — Sodann geht Brocq zu den 
„nevrodermites diffuses ä type objectif de liclienification pure u über. Die 
Existenz dieses Typus ist mehr bestritten; die diffusen Fälle sind schwerer 
zu analysiren und kommen seltener vor. B. theilt zwei sehr gut beob¬ 
achtete Krankengeschichten mit, geht dann sehr eingehend auf die Diffe¬ 
rentialdiagnose ein, bei der er Eezem, Lichen ruber planus, Chronische 
Urticaria, den „prurigo diathesique“ Besnier’s ausschliesst. Mit einer 
kleinen Abschweifung geht B. zu einer Nobeneinanderstellung seiner 
Nevrodermiten und der B e sn i c Eschen „prurigo diathesiques“ über. Es 
würde den Rahmen des Referats überschreiten, wenn wir auf diese inter¬ 
essante Frage näher eingehen wollten. — Das wesentliche für die in Rede 
stehende Affoction ist stets, dass zunächst ein primärer, diffuser Pruritus 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


besteht, der von einer diffusen, reinen, wenig hervortretenden Licheni- 
fication gefolgt ist. Die Nevrodermite diffuse wird beobachtet bei Neuro- 
pathen, bei denen sie unter irgend welchen secundären Momenten — 
Uebermüdung, Gemüthsbewegung, Schrecken, Excesse unter Jucken zum 
Ausbruch kommt; die Folge des Kratzens ist dann die LicheniHcation. 
Selten ist der ganze Körper von Beginn an befallen, meist sind es zu¬ 
nächst die Extremitäten, später Thorax und Bauch, seltener Gesicht und 
Stirn, die befallen werden; die Afleet.ion ist beinahe immer symmetrisch. 
Das Jucken kann continuirlich sein, oft aber tritt das Jucken anfallsweise 
auf, bis zu förmlichen Nervenkrisen, meist Abends. Unter dem Einfluss 
des Juckens tritt manchmal rasch, manchmal erst nach Wochen Licheni- 
tication ein. Allmälig werden die Pseudo-Papeln zahlreicher, confluirender, 
die Haut rüthet sich oder wird pigmentirt, sie wird runzelig, chagrinirt, 
sammtähnlich, sie ist rauh und trockener, die Huutt’äitchen werden ge¬ 
drängter und flacher, wenn, was meist der Fall ist, die Infiltration zu 
Beginn unbedeutend ist, vertiefen sich und werden von einander entfernt, 
wenn später die Infiltration bedeutender wird. MeDt sind die Läsionen 
in Plaques von grösserer oder geriugcr Ausdehnung verstreut, ohne scharfe 
Grenzen. Nachdem die Aflection einige Wochen bis Monate bestanden 
hat, tritt spontane Heilung: Aufhören des Juckens, Rückbildung der durch 
das Kratzen hervorgerufenen Lichenilicationen ein — aber Recidive sind 
häutig. — In einem weiteren, durchaus theoretischen Capitel bespricht 
B. dann „le graphique des nevrodermites“ — die Beziehungen der circum- 
scripten und chronischen Neurodermiten zu den Neurudoriuien, Pru¬ 
ritus senilis (diilus) und den eireumscripten Neurodermien; weiter zu der 
Lichen ruber Gruppe. Eine Verwandtschaft nimmt B. hier nicht an, denn 
beim Lichen ist die Papel das Ursprüngliche; nur den „Liehen ruber 
obtusus corne“ nähert er den Neurodermiten. Weiter werden dann die 
Beziehungen zur Ilebra’sehen Prurigo, mit der Zwischenstation der 
Prurigo diathesique eczeniato-licheiiienne, der chronischen Urticaria, den 
recidivireuden chronischen und den papulösen Eczcmen besprochen; 
nebenbei erwähnt wird auch — anscheinend doch sehr fraglich — My- 
cosis fungoides. — Es ist nicht möglich, diese z. Th. sehr beachtens- 
werthen, z. Th. discutablcn, z. Th. entschieden zu spitzfindigen Raisonne- 
ments im Referat wiederzugeben. — In einem zweiten Theil — bedeutend 
kürzer, als der erste -— bespricht Brocq dann die sogenannten seeuu- 
dären Licheniticationen. „Studium einiger der Veränderungen, welche die 
Licheniheationen gewissen Dermatosen aufdrücken“ überschreibt er 
diesen Abschnitt. Zunächst spricht er von dem Eczema seborrhoicum 
psoriatiforme der behaarten Kopfhaut, das sich mit Lichenilicationen 
cuinplieirt. Es sind dies die Fälle, wo festanhaftende, graue Schuppen 
eine stark infiltrirte Haut bedecken, jene Fälle, die fast jeder noch so 
energischen Therapie spotten. — Circumscripte Licheniticationen beob¬ 
achtet B. auch bei dem trockenen Eczema seborrhoic. capitis — der 
Pvtirasis capitis. Die befallenen Individuen sind meist Arthritiker. Zum 
Beschluss bespricht B. dann noch das Auftreten der LicheniHcation beim 


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der Dermatologie. 


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Lichen ruber planus selbst. Hier scheint ß. gar zu speculativ! _ Es ist 

aber zweifellos, dass wir klinisch in der von ß. eingeschlagenen Richtung 
noch viel zu arbeiten haben und grossen Vortheil daraus ziehen werden. 
In das Capitel des Eczems ist damit entschieden Bresche gelegt! 

E. von Düring (Constantinopel). 

(So weit der Herr Referent! Wir glauben jedoch darauf hinweisen 
zu dürfen, dass Ferdinand Hebra es war, der in seiner grundlegen¬ 
den Arbeit über Scabies im Jahre 1 8 44 aut Grund von Experiment und 
klinischer Beobachtung die Lehre aufgestellt und durch alle Phasen 
seines Lehrens wiederholt hat, dass durch Kratzen allein, also bei 
jeder Art von Jucken, das zu Kratzen Anlass gibt, Eczem aller mög¬ 
lichen Formen hervorgerufen wird und dass Hebra damit auch die 
richtige Bresche gebrochen hatte in die früheren Anschauungen über 
Eczem, d. i. in die Krasenlehre. Freilich ist der Ausdruck: „Kratzen 
ruft Eczem hervor“ viel simpler als „Lichenifieation“ und „Eczema- 
tisation“ und Alle die von Broeq aufgestellten. Jedenfalls muss im 
Interesse historischer Wahrheit dagegen Einspruch erhoben werden, als 
hätte Broeq es entdeckt, dass Kratzen Eczem erzeugt. Ford. Hebra 
hat dies gethan u. zw. schon im Jahre 1844. Kaposi.) 

Schanzenbacli, Otto. U e b e r e i n e n F a 11 vonEc zematu ber¬ 
eut osum. Inaug.-Diss. Berlin 1895. 

Schanzenb ach hat auf S c h wen inger’s Klinik eine Patientin, 
die an einem Recidiv eines Eczems litt, das klinisch sich wohl als Eczema 
madid. et crustos. faciei et capillitii ebarakterisirte, mit Tuberculin-Injec- 
tionen von 1—100 Mg. behandelt, bei gleichzeitiger örtlicher Behandlung 
mit ThiolumschUigeü. Pinselungen mit 5% Argent. nitr. etc. Weil die 
Patientin nach der 3. und 4. Injection mit je 5 Mg. mit örtlichen und 
allgemeinen Erscheinungen reagirte, und alsdann — bei gleichzeitig fort¬ 
gesetzter Localbehandlung und unter Recidiven — nach 6 Monaten endlich 
Heilung eingetreten war, glaubt Sch. den Fall als Eczema tubercul. be¬ 
zeichnen zu dürfen. Tuberkelbacillen sind dabei in der erkrankten Haut 
nicht nachgewiesen worden. Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Haushälter. Presentation d’un cas d’eczema sebor- 
rbeique generalise psoriasiforme. Societe de medecine de Nancy. 
Journal de9 mal. cut. et syph. 1895 p. 476. 

Haushälter stellt einen 9jährigen Knaben mit einem „universellen 
seborrhoischen Eczem“ vor, das durch seine grossen schuppenden Plaques 
einer Psoriasis ähnelt. Nur die Hohlhände und Fusssohlen sind frei ge¬ 
blieben; das Bett des Patienten mit Schuppen besät. In einer Anmerkung 
berichtet H., dass nach 14 Tagen schon eine enorme Besserung unter 
täglichen Seifenbädern und Einreibungen mit 5% Resorcinglycerin ein¬ 
getreten sei. Paul Neisser (Beuthen 0. S.j. 

Ruyssen. Eczema professionel. Bull. med. du Nord. 1896 , 
p. 440. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 573. 

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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Ruyssen berichtet über ein Ekzem der linken Kniekehle, dem 
kurz vorher ein solches der rechten Kniekehle vorausgegangen war, bei 
einem jungen Manne, der schon früher Ekzeme der unteren Extremitäten 
durchgemacht hatte. Patient ist Velocipedist und Vortragender will 
nun in der fortwährenden Reibung der Wade am Oberschenkel und da¬ 
durch bedingter Heizung der Kniekehle einen Grund für ein artilicielles 
Ekzem bei einem allerdings dazu disponirten Individuen sehen. 

Paul Xeisser (Beuthen 0. S.). 

Dünges. Zur Behandlung des Ekzems im K i n d e s a 11 e r. 
Centralbl. f. Kindhlkde I. 189(5. Nr. 6, p. 182. 

Dünges behandelt das intertriginöse Ekzem an den Hinterbacken 
und Oberschenkeln der Säuglinge in folgender Weise. Das Kind wird 
zunächst einmal gebadet, hierauf werden die erythematbsen Partien mit 
einem indifferenten Streupulver bestreut, sodann wird Guttaperchapapier 
direct auf die angepuderten Partien applicirt und mittelst der Windeln 
an denselben festgebunden. Hiedurch wird die Haut vor dem schädi¬ 
genden Einflüsse der Excrete geschützt und dies allein genügt schon die 
Heilung zu bewerkstelligen. In fünf Fällen von Intetrigo der Säuglinge 
hat sich diese Methode dein Verf. glänzend bewährt. 

H o c h s i n g e r (Wien). 

Freche. Des eruptions cutanees chez les hvsteriques. 
Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896, p. 4. 

Nach einer Besprechung der bei Hysterischen vorkommenden Ilaut- 
erscheinungen, des Dermographismus, der Erytheme, der Urticaria, des 
hysterischen Pemphigus und »1er Gangrän, berichtet Freche- die Kranken¬ 
geschichte eines 2Sjührigen hysterischen Mädchens, welche ausser anderen 
hysterischen Symptomen eine ekzematöse Erkrankung des linken Vorder¬ 
arms und Handrücken zeigte. Die Ilaut war überall geschwellt, ode- 
iuatös, des Epithels beraubt, nässend. Im Verlauf der Behandlung, 
welche meist in feuchten Einwieklungen bestand, stellte sich ein schnell 
vorübergehender Pemphigus des linken Fussriickens und der linken Ilohl- 
hand ein. Paul Ne iss er (Beuthen 0. S.}. 

Etienue. Eruption cutanee hybride. Journal des mal. cut. 
et syph. 1890, p. 210. 

Etienne denionstrirt der Socieie de nied. de Nancy einen Patienten, 
welcher nach vorausgegangenen lieftigeu Diarrhoen, unter plötzlicher 
Stuhlverstopfung von einzelnen Psorinsisplaques, von einem veritahlen 
Ekzem am rechten Oberschenkel und von einigen acuten Lichenknötchen 
an der Brust befallen wurde. Vortragemh*r hält die Aff-ction für eine 
durch die plötzliche Verstopfung eingetretene Autointoxication. 

Paul Neisser (lh uthen O. S.). 

Walsehe, Emil de. Psoriasis p r a cp u t i a 1 i s. La Ciinique de 
Bruxelles, 13. Februar 1896. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 

1806, p. 806. 

Der Patient \Y alsche’s bemerkte 8 'läge nach einem verdächtigen 
Coitus einige erodirte Stellen an seinem Präputium, wählend sich an 


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der Dermatologie. 


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Penis und Hoden mehrere serpiginöse, rötbliche, theilweise leicht schup¬ 
pende Aftectionen zeigten. Die genaue Untersuchung ergab eine Psori¬ 
asis, zumal sich auch an den Ellbogen einige typische Stellen befanden. 
Als einige Tage später sich einige neue Stellen am Präputium, mit Schwellung 
desselben und der Leistendrüsen zeigten, verordnete ein zweiter consul- 
tirter Arzt eine Inunctiouscur, indem er eine Lues diagnosticirte. Unter 
oder vielmehr durch diese Einreibungen entstand, um das Bild noch 
mehr zu verwirren, ein roseolaähnliches Exanthem, das jedoch nach 
Aussetzen der Einreibungen bald abblasste, ebenso wie die Psoriasisstellen 
nach geeigneter Therapie nach 3 Monaten völlig verschwenden. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Möneau. Un cas de eontagion apparente de psoriasis. 
Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896, p. 32. 

Mene au berichtet über eine seit 6 Monaten bestehende Psoriasis 
des behaarten Kopfes bei einem 5jährigen Mädchen, die möglicherweise 
durch eine Uebertragung vermittelst des gemeinsamen Kammes von einer 
3 Jahr älteren, an Psoriasis universalis leidenden Schwester entstanden ist. 

Paul Neisser (Beuthen o. S.). 

Luton. Traitement du psoriasis par la noix vomique. 
Union medicale du Nord-Est 1896, Nr. 7. Referirt im Journal des mal. 
cut. et syph. 1896, p. 439. 

Luton berichtet über die Heilung zweier hartnäckiger Fälle von 
Psoriasis mit Extr. nucis vomicae, von dem er täglich eine Pille ä 0*05 gab 
und empfiehlt weitere Versuche bei schweren Fällen damit zu machen. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Daverac. Vaste psoriasis cliez une femme sypliili- 
tique avantageusement traitee par le cerat. Journal des mal. 
cut. et syph. 1896, p. 33. 

Daverac demonstrirt eine an einer alten Syphilis leidende Pat., 
welche von einer sehr ausgedehnten Psoriasis vulgaris durch die An¬ 
wendung einer einfachen Wachssalbe geheilt wurde. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Jocqs. Guerison d’une „plaque lisse“ de la langue 
(psoriasis lingual) par le bleu de methyle. Journal des mal. 
cut. et syph. 1896, p. 308. 

Jocqs berichtet über die Heilung einer Leukoplakie, die den 
Träger derselben beim Rauchen und Trinken scharfer Getränke sehr 
schmerzte und die schon mehrfach ohne Erfolg antisyphilitisch behandelt 
worden war, durch fortgesetzte Pinselungen mit 20°/ 0 Methylenblau. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Filaretopoulo. Sur un pemphigus aigu grave. Mort par 
septicemie. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 556. 

Filaretopoulo berichtet über einen binnen 8 Tagen zum Exitus 
führenden Fall von Pemphigus acutus bei einer 32jährigen, bis dahin 
gesunden Frau. Die Anfänge der Erkrankung zeigten sich auf dem 
Rücken, den Genitalien und den Gaumen; in zwei Tagen war fast die 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


ganze Körperoberfläche befallen und unter hohem Fieber, Delirien, Diar¬ 
rhoen trat, wie schon oben gesagt, nach 8 Tagen der Exitus ein. 

Paul Ne iss er (Beutben 0. S.). 

Barmeyer, Paul. U eher einen Fall von Pemphigus chro¬ 
nicus. Inaug.-Diss. München 1895. 

Bei dem von Barmeyer mitgethoilten Falle von Pemphigus vul¬ 
garis chronicus bei einem 21 jährigen Soldaten war 3 Wochen vorher 
Scharlach aufgetreten gewesen, so dass sieh die Blasen gleichsam als 
Nachkrankheit des Scharlachs entwickelten. Daher dürfte auch die Schwere 
des Verlaufs zu erklären sein. Die Krankheit war mit heftigen Allgemein¬ 
symptomen verbunden, häutig reeidivirend und mit Bildung grosser, z. Th. 
pustulosen Blasen einhergehend. Auch die Schleimhaut des Mundes war 
affieirt und es bestand auch Pemphigus conjunctivae et corneae, der auf 
der linken Seite zur fast völligen Erblindung führte. 

Ed. Oppenheimer (Strassburgj. 

Broelemann, Max. Beitrag zur Lehre des Pemphigus. 
Inaug.-Diss. Berlin 1895. 

Nach einigen einleitenden Bemerkungen über den heutigen Stand 
der Pemphigusfrage, beschreibt Broelemann einen Fall von Pemph., den 
er auf der Lewin’sehen Klinik zu beobachten Gelegenheit hatte. Er be¬ 
traf eine 18jährige, hereditär nicht belastete, luetische Virgo, die mit 
starker Stomatitis auf die Klinik aufgenommen, nach einer Woche an 
typischem Pemph. erkrankte. Jodkali brachte Stillstand der Eruptionen, die 
nach Aussetzen des Mittels sieh erneuerten, bei Wiedergebrauch sistirten. 

An intercurrinder Influenza ging die Pat. nach 3 Monaten zu 
Grunde, ohne dass die Section etwas besonders für Pemph. ergeben konnte. 
B. ist geneigt Pemphigus svphil. adultor. aiizunehinen, da kein anderes 
ätiolog. Moment aufzulinden und auf Jodkali regelmässig Besserung 
resp. Stillstand eingetreten war. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Sohloemanil, Rudolf. Beitrag zur Lehre von der Pity¬ 
riasis rubra pilaris Devergie. Inaug.-Diss. Strassburg 1895. 

S cb loe mann beschreibt einen typischen Fall von Pityriasis rubra 
pilaris Devergie bei einem 48jährigen Kellner, bei welchem nach circa 
300 Iiijectionen von Arsen in verschiedener Verdünnung und gleich¬ 
zeitiger Behandlung mit Bädern vollständige Restitutio ad integrum des 
ganzen Körpers eingetreten war. Ed. Oppenheimer i Strassburg). 

Coffin. T r a i t e ra e n t des ulcures variqueux p a r 1 a t e i n - 
ture d’Aloes. Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896, p. 1. 

Coffin empfiehlt hei kleineren bis etwa ömarkstückgrossen Flcera 
cruris die Application von Tinctura Aloes, darüber einen impermeablen 
Stoff und Verband, nach 4 J agen eventuell Wiederholung der Proeedur. 
Der bei der Einpinselung eintretende Schmerz sei nur von kurzer Dauer. 
Verf. hat sehr gute Resultate von dieser Therapie gesehen, 

Paul X eisser (Beutben O. S.). 


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279 


der Dermatologie. 


Freche. Engelures papuleuses. Journal des mal. cut. et syph. 
1896, p. 180. 

Freche demonstrirt der Societe de medecine et de Chirurgie de 
Bordeaux eine besondere Art von Erfrierung. Beide Hände sind mit 
kleinen, rothen, derben Papeln und hirsekorngrossen Bläschen bedeckt. 
Diese Art der Erkrankung ist bei dem 13jährigen Patienten, der all¬ 
jährlich erfrorene Hände hat, dies Jahr zum erstenmal aufgetreten. 

Taul Neisser (Beutken 0. S.). 

Ury Hans. Ein Fall von Mal perforant du pied. Inaug.- 
Diss. Berlin 1895. 

Ein seit 6 Jahren bestehendes Mal perforant beider Füsse mit 
häufigen Recidiven, mit Sensibilitätsstörungen und trophischen Verände¬ 
rungen in der Umgebung der Geschwüre. Als ätiologisches Moment 
hebt Ury besonders hervor eine wahrscheinlich vorausgegangene Syphilis, 
in deren Folge sich einerseits eine Rüekenmarksatfection, andererseits 
eine Endarteriitis obliterans syphil. entwickelt hat. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg). 


Bildungsanomalien. 

Meneau. Un cas de maladie de Paget. Journal des maladies 
outanees. et syphilitiques 1896, p. 31. 

Me ne au demonstrirt einen typischen Fall von seit 4 Jahren be¬ 
stehender Paget disease. Die typische Farbe, das Beschränktsein auf die 
Brustwarze und ihre Umgebung, die Einziehung der Warze charakterisiren 
den Fall auf das Genaueste. In der Discussion sind alle sich an dieser 
Betheiligenden derselben Meinung, dass zur eventuellen Heilung die Ex¬ 
stirpation der Mamma mit allen dazu gehörigen Drüsen vorzunehmen sei. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Delore. Epithelioma primitif sebace de la fesse. Jour¬ 
nal des mal. cut et syph. 1896 p. 431. 

Delore stellt eine 50jährigc Patientin mit seit einem Jahre be¬ 
stehenden Epithelioma sebaceum der rechten Glutealgegend und einen 
zweiten der Inguinalgegend vor. In der Discussion wird die Gutartigkeit 
dieser Aflection, aber ihr häufiges Recidiviren betont. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Selberg, F. Ein Fall von Cancroid der Haut bei einem 
6 Monate alten Kinde. Vircliow’s Archiv, 1896, Band 145, Heft 1. 

Bei einem l / 2 Jahr alten Kinde fand sich an der rechten Schulter 
■oberhalb der Scapula ein wallnussgrosser, knolliger, an mehreren Stellen 
exulcerirter Tumor, dessen Entstehen vier Wochen post partum bemerkt 
worden war. Excision des Tumors, Naht, Heilung per primarn; 4 Monate 
post operationem war das Kind vollkommen gesund. Histologisch erwies 
sich der Tumor als ein zweifelloses Cancroid der Haut. 

Gustav Tandler (Prag) 


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280 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Cordes, H. Ein casuistisch er Beitrag zur Multiplicität 
der primären Carcinome. Yirchow’s Archiv, 1896, Band 145, Heft 2. 

Bei der Section einer 77jährigen an Marasmus verstorbenen Frau 
fand sich ein primäres Adenocarcinom des Magens mit Metastasen im 
Magen, Netz, Peritoneum und retroperitonealen Lymphdrüsen, ferner ein 
gleichfalls primäres Plattenepithelcarcinom am Fusse mit secundärer Be¬ 
theiligung der inguinalen Drüsen derselben Seite, demnach bei einem 
Individuum zwei primäre Krebstumoren. Gustav Tandler (Prag). 

Bohm, H. Tra umatische Epithelcvste und Fremd¬ 
körper-Riesenzellen in der Haut. Virchow's Archiv 1896, Band 
144, Heft 2, Seite 276. 

Bohm beschreibt drei Fälle von traumatischen Epithelcysten ander 
Hand, dadurch entstanden, dass durch irgend ein Trauma ein Stückchen 
Oberhaut aus seinem Zusammenhänge gelöst und in die Tiefe der Cutis oder 
des Unterhautzellgewebes verpflanzt wurde. Indem nun dort die Zellen 
des losgelösten Stückchens ihre Thätigkeit fortsetzen, entsteht so langsam 
eine gewöhnlich bohnengrosse Epithelcyste, während sich unterdessen 
der Substanzverlust der Ilaut schon lange darüber geschlossen. Für die 
traumatische Natur dieser Cysten spricht das regelmässige Vorhanden¬ 
sein einer feinen Narbe der Haut über der Cyste. In einem Falle zog 
von der Oberhaut zur Cyste ein zarter Narbenstrang, in welchem sich 
zahlreiche Riesenzellen um Epidermisschollen gelagert vorfanden, welche 
Zellen als Fremdkörper-Riesenzellen gedeutet werden müssen. 

Gustav Tandler (Prag). 

Hallopeau, H. No uv eile Etüde sur le dermatitebulleuse 
congenitale avec kvstes epidermiques. Annales de dermatologie 
et de syphiligraphie, Tome VI., Nr. 4. Avril 1896, p. 453. 

Hallopeau theilt einen weiteren P'all der von Vidal als „lesions 
trophiques d’origine congenital ä ruarche progressive“, von Besnier 
als Ichthyosis congenita bullosa bezeichnet.cn Aff»»ction, von der auch 
Referent vor einigen Jahren einen Fall in den Monatsheften für prakt. 
Dermatologie mitgetheilt hat. H. stellt folgende Schlusssätze auf. 

1. Diese congenitale, bullöse Ilautaflection, mit bleibenden Narben 
und Epidenniscysten ist unbedingt eine Krankheit sui gcneris. 

2. Das Hauptcharacteristikura ist die Bildung gelb-seröser oder 
sero-sanguinolenter Bullae. 

3. Ganz leichte Berührungen genügen, um das Auftreten dieser 
Bullae hervorzurufen. 

4. Ihr Sitz ist mit Vorliebe Streckseite der Gelenke der Extremi¬ 
täten, aber sie treten auch auf der Continuität derselben und am Stamme auf. 

5. Meist sind sie schmerzlos, können aber während der acuten 
Nachschübe von lebhaftem Jucken begleitet sein; manchmal geht das 
Jucken voraus. 

6. Die Bullae hinterlassen manchmal einfache anfangs pigmentirte, 
später entfärbte Maculae, manchmal meist ganz oberflächliche, unregel¬ 
mässig runde oder ovale, isolirte oder coniluirende, leicht deprimirte 


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der Dermatologie. 


281 


oder wenig vorspringende Narben; meist sitzen dieselben an den Prae- 
dilectionsstellen, finden sieb aber auch am Stamm. An den am meisten 
befallenen Stellen besteht gleichzeitig eine ausgesprochene Atrophie 
der Haut. 

7. In den Maculae sieht man miliare Knötchen, von weisser oder 
gelblicher Farbe. Es sind Epidermiscvsten, veranlasst wahrscheinlich 
durch die Obliteration eines Drüsenausführungsganges bei der Regene¬ 
ration der Epidermis nach der Rückbildung der Bullae. 

8. Die IiJemente entsprechen in ihrer Vertheilung manchmal dem 
Lauf der Nervenstämrae. 

9. Es handelt sich wahrscheinlich nicht, wie Vidal meinte, um 
eine angeborene Ernährungsstörung, noch um eine Intoxication, w T ie es 
Hallopeau früher annahm, sondern um eine Trophoneurose. 

10. Die Krankheit kann erblich sein; sie überträgt sich meist, 
jedoch nicht ausschliesslich, mütterlicherseits. 

11. Von der angeborenen Anlage zum Auftreten der Bullae unter¬ 
scheidet sich diese Afiection durch ihren entzündlichen Charakter, durch 
die Localisationen, die Narben, die Atrophien, die Epidermiscystchen und 
durch die, der Nervenvertheilung folgenden, acuten Nachschübo. 

E. von Düring (Constantinopel). 

Fflrstenheim, F. Kiemengangshautaus wüchse mit knor¬ 
peligem Gerüste. Jahrb. f. Kinderh. XL., p. 248—251. 

Die im Titel angeführte Missbildungsform, welche von Virchow, 
Weinlechner und Grimm bisher immer nur hemilateral gesehen 
wurde, fand Fürstenheim in 3 Fällen gleichzeitig über beiden Kopf¬ 
nickern ohne nachweisbare Fistelöflhungen ausgeprägt. Es waren zitzen¬ 
förmige, % — 1 V, Cm. lange häutige Fortsätze mit festem Gerüste, welche 
in verschiedener Höhe über der Artic. sterno-clav. ihren Sitz hatten und 
in die Tiefe des Zellgewebes vordrangen, ohne eine Verbindung mit einem 
knöchernen oder knorpeligen Gebilde des Halses einzugehen. 

Hochsinger (Wien). 

Tenueson, Leredde et Martinet. Sur un granulome inno¬ 
mine. Annales de dermatologie et de syphiligraphie Tome VII, Nr. 7. 
juillet 1896, p. 913. 

Tenneson, gemeinschaftlich mit Leredde und Martinet, gibt 
eine klinische und anatomische Beschreibung einer in den letzten Jahren 
häufiger discutirten Affection. Es handelt sich um die von Brocq als 
Folliculites disseminees symetriques des parties glabres; von Barthe- 
lemy als Acnitis und Folliclis; von Pollitzer als Hydradenitis de- 
struens suppurativa; von Dubreuilh als Idrosadenite suppurative dis- 
seminee; von Unna als Spirdenitis disseminata suppurativa beschriebene 
Affection. Tenneson hat zwei Fälle klinisch beobachtet und bei beiden 
Biopsien gemacht. Klinisch handelt es sich um eine, bei jungen, lympha¬ 
tischen Individuen auftretende Bildung schmerzloser Knötchen, die un¬ 
regelmässig verstreut überall, besonders aber auf den Fingerrücken, in 
der Handfläche und am freien Rande der Ohrmuschel auftreten; die grössten 


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282 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


sind erbsengross, die meisten kleiner. Die Knötchen entwickeln sich 
langsam in den tiefen Ilautschichten, dringen langsam zur Oberfläche vor, 
machen subjectiv keine Beschwerden. Ein Theil der Knötchen wird spontan 
resorbirt, einige erweichen, zeugen nach Aufbruch eine kraterförmige, 
häutig durch ein Krüstchen verschlossene Oeflnung; daher die Aehnlichkeit 
mit einer Folliculitis. Bei Druck wird ein Tröpfchen Eiter entleert. 
Nach der Heilung bleibt eine weisse, strahlige, häufig mit einem Pig¬ 
mentrand umgebene Narbe zurück. Die Affection schliesst sich häufig an 
Eczeme an. — Das wichtigste an T’s. Arbeit ist wohl der Nachweis, dass 
die Affection weder mit den Schweiss- noch mit den Talgdrüsen noch 
mit den Follikeln etwas zu tliun hat, dass dieselbe sich vielmehr an der 
Grenze von Derma und Hypodonna entwickelt, besonders in der Umgebung 
der (jefasse, die häufig thrombosirt gefunden werden; dass weiter die im 
Cent rum verkästen Knötchen alle Charaktere einer infectiösen Granula¬ 
tionsgeschwulst an sich tragen. Die Betheiligung der Drüsen der Haut 
ist eine eecundäre. 

Interessant sind auch die kurzen pathogenetischen Bemerkungen. 
Mikrobon sind von keinem Autor gefunden. Aber alle Publicationen er¬ 
wähnen direct oder indirect die Scrophulose. T. sagt: Wenn man von Oer 
Srophulose, sowie sie Lugol und Bazin verstanden, das ablöst, was zur 
hereditären Syphilis und zur Tuberculose gehört, so bleibt doch noch 
etwas übrig, wofür \vir weder ätiologische noch anatomische Kriterien 
haben — und doch wissen alle Kliniker, was sie unter „Srophulösen“ 
verstehen! Die gedunsene, schlecht ernährte Haut solcher r Seropliulösen“ 
bietet den unbekannten Mikroben (Tuberkelbacillen oder anderen) ein 
günstiges Feld zur Entwickelung der erwähnten Granulome. 

E. von Düring (Constantinopel) 

Brandt, A. Eine Virago, mit B en ii t z u n g d er v o n W. Favr 
ermittelten gynäkologischen Daten. Virchuw’s Archiv, ISffö, 
Band 146, Heft fl. 

Brandt beschreibt eine fl9 jährige Virago, bei welcher bloss Stirn, 
W angen, Hals, die von den herabhängenden Brüsten verdeckten Stellen 
des Thorax, ferner die Seiten flächen desselben, sowie die des Unterleibes 
mit Lanugo bedeckt sind. Alle übrigen Stellen sind dicht behaart, während 
die Extremitäten einzeln stehende, bis I Cm. lange, schwarze Haare auf¬ 
weisen. Backen-, Schnurr- und Kinnhart bestehen aus straffen, schlichten, 
kastanienbraunen, roth mehrten Haaren; der Backenbart ist bis 20 Cm., 
der Schnurrbart 4—5 Cm. lang, die Haare des Kumpfes schwarz, bis 
4 Cm. lang. Die Hypertrichose, gegen welche die verschiedensten Mittel 
ohne Erfolg angewendet wurden, soll im 2b. Jahre der betreffenden 
Person während einer schweren puerperalen Pelvioperitonitis, die ira 
Anschluss an eine Frühgeburt auf getreten war, entstanden sein. 

Gustav Tandler (Prag). 

Ramirez, B. del Yielar. Heber die Verruga peruana. Inaug.- 
Diss. Berlin 1S95. 


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der Dermatologie. 


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Vi 11 ar gibt eine sehr interessante monographische Darstellung dieser 
ausschliesslich in einigen tropisch gelegenen Hochthälern der peruani¬ 
schen Anden vorkommenden Infectionskrankheit, die besonders für die 
weisse Race sehr gefährlich zu sein scheint. Auf die Einzelheiten der 
Aetiologie, Symptomatologie etc. hier einzugehen, dürfte für den Rahmen 
eines Referates zu weit gehen. Hervorzuheben sei nur, dass sich auf der 
Höhe der sehr schmerzhaften Krankheit ein juckendes Exanthem über 
den ganzen Körper entwickelt, aus welchem dann zahlreiche (100—200) 
kleinere und grössere in der Haut gelegene Tumoren hervorgehen können. 
Diese sind keine echten Verrugas (Warzen), sondern im papillären oder 
subcutanen Bindegewebe gelegene bindegewebige Tumoren. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Fuchs, E. Ueber Blepharochalasis (Erschlaffung der Lidhaut). 
Krankenvorstellung in der Sitzung der Gesellschaft der Aerzte in Wien 
vom 6. December 1895. (Wiener klin. Wochenschrift 1890. Nr. 7.) 

Nach Fuchs besteht das Wesen der Krankheit in einer Atrophie 
der Lidhaut mit Verdünnung und Elasticitätsverlust und in Folge dessen 
Ausdehnung derselben; ferner in einer Atrophie oder wenigstens Er¬ 
schlaffung des Unterhautzellgewebes. Die hiebei auftrende Erweiterung 
der feinen Hautvenen wärd als secundäre Erscheinung gedeutet, ebenso 
der leichte Grad von Ptosis. Die Krankheit befällt ausschliesslich die 
oberen Lider, tritt beiderseitig auf und betrifft vorzüglich die Lid-Haut. 
Zu Folge der Verdünnung und des Elasticitätsverlustes ist die Haut in 
unzählige, feine, nach allen Richtungen sich durchkreuzende Falten ge¬ 
legt und wird nicht unpassend mit zerknittertem Cigarettenpapier ver¬ 
glichen. Die Empfindlichkeit der Haut gegen Tast- und Temperaturein¬ 
drücke ist normal. Horovitz (Wien). 

Kaposi, M. Mycosis fungoides und Sarcomatosis cutis. 
Demonstration in der k. k. Gesellschaft der Aerzte 28. Februar 1896. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1896, Nr. 10.) 

Diese 2 Fälle wurden 3 Monate zuvor mit folgenden Bemerkungen 
vorgestellt: Während Mycosis fung. in Anschluss an ein Erythem und 
Ekzem sich entwickelt, ging hier eine Pemphiguseruption voraus und 
daneben; die Therapie ist gegen das Uebcl ohnmächtig, obschon einzelne 
Knoten sich auch spontan zurückbildcn können; gewöhnlich letaler Aus¬ 
gang. Die Sarcomatosis cutis hat viel Aehnliehkeit mit Mycosis fun¬ 
goides; auch sie führt zum Tod, doch ist auf Arseniktherapie auch voll¬ 
ständige Genesung möglich. Die Sarcomatosis wurde innerlich mit Arsen 
behandelt, doch musste wegen Fieber und Diarrhoen diese Therapie unter¬ 
brochen werden; und dennoch ist ein vielfaches Schwänden der Geschwülste 
zu constatiren. Auch bei der Mycosis fung. musste die Arsenmedication 
wegen hohen Fiebers unterbrochen w r erden. Aber jetzt trat Abflachung 
der Knoten auf, die Blaseneruption wurde geringer und nach Ablauf einer 
inzwischen aufgetretenen acuten Nephritis, eines Hydrops und allgemeiner 
Hinfälligkeit schwanden die Knoten, es trat eine allgemeine seröse Aus¬ 
schwitzung auf und die Kranke erholte sich. Horovitz (Wien). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Hennig, Karl. Hirsuties congenita cum hemiatrophia: 
melanosarcoma. Jahrb. für Kinderh. XL., p. 107—120. 

Ein 3 3 / 4 Jahre altes Mädchen, dessen Krankengeschichte K. Hennig 
mittheilt, wies an der rechten Wange, dem ganzen Rücken und stellen¬ 
weise am rechten Oberarme dichten Haarwuchs nebst dunkel pigmentirten 
Flecken und Ringen auf. Die behaarte rechte Wange und der rechte 
Oberarm waren atrophisch, die Eckzähne dieser Seite länger als normal. 
Ueberdies wurden am Nacken und Rücken Geschwülste beobachtet, welche 
sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Mela nosarcome er¬ 
wiesen. 

An die Beschreibung dieses Falles knüpft H. eine ausführliche 
Besprechung der Hirsuties congenita, welche in übersichtlicher Form 
das bisher über diese Hautanomalie Bekannte an führt und zum Gegen¬ 
stände interessanter Erörterungen vom vergleichend-anatomischen Stand¬ 
punkte aus macht, welche ira Originale nachgesehen werden mögen. 

Karl Hochsinger (Wien). 

Perrin. Xeroderma pigmentosum. Journal des maladies 
cutanees et syphilitiques 1896. p. lf>4. 

Perrin demonstrirt ein 6jähriges Mädchen mit einem typischen 
Xeroderma pigmentosum. Auf den unbedeckten Kürpertheilen, dem Ge¬ 
sicht, Ohre, Hals, Nacken, Vorderarmen und Händen sind alle Stadien 
dieser Erkrankung zu coustatiren; mehr oder weniger pigmentirte rothe 
Flecke, Trockenheit, Abschuppung und Atrophie der Haut, impetigo¬ 
ähnliche Pusteln, mit Krusten bedeckte Exulcerationen, von diesen her¬ 
rührende, mit Teleangiektasien durchzogene Narben, verrucöse und 
papillomatöse mit Krusten bedeckte, leicht blutende EiHorescenzen. 
Vortragender bespricht sodann die unbekannte Aetiologie dieser Krank¬ 
heit, ihr häutiges Vorkommen in derselben Familie, ihre Therapie, die 
eine möglichst milde sein und nur bei dem Entstehen der Epitheliome 
in Aetzung oder Kauterisirung bestehen soll. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Vladimirov. Le vitiligo chez uneufant de six ans. Med. 
Obozr. 1895, Nr. 22, Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, 
pag. 110. 

Der kleine 6jährige Patient Vladimirow’s zeigte seit 9 Monaten 
mehrere Anfangs isolirte, später wachsende und contluirende Vitiligo¬ 
stellen im Gesicht mit Betheiligung der Wimpern. Unter ömonatlicher 
Arseniktherapie (2 Gtts. Sol. Fowieri pro die) verschwanden die Stellen 
völlig und nur die Entfärbung der Cilien blieb zurück. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Malherbe, A. et Malherbe, H. (de Nantes). Note sur un cas 
curieux de lymphangieetasio cutanee avec ly mpliorr agi e 
vegetante et elephantiasis (1 Tafel). Annales de dermatologie et 
syphiligraphie. Tome VH. Nr. 3. März 1896, p. 278. 

Es handelt sich um einen klinisch nicht uninteressanten Fall von 
Lymphorragie, Lymphectasie und chronischen Oedem — nicht eigentlicher 


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der Dermatologie. 


Elephantiasis — bei einem jungen Mädchen. Afficirt waren das linke Bein, 
d e Labien, besonders das rechte, Mons veneris und Inguinalgegend. Zu¬ 
rückgeführt wird die Krankheit auf eine im Jahre 1891 durch das Corset 
verursachte Abschürfung. Der Status Mitte 1893 wird folgendermassen 
beschrieben: Am besten zu beobachten ist sie in der Inguinalfalte und 
am Bauche oberhalb des Mons veneris. Bei aufmerksamer Betrachtung 
sieht man geschlingelte, halb-transparente Vorwölbungen, ähnlich Fluss¬ 
läufen auf Landkarten; im Verlauf dieser oberflächlichen erweiterten 
Lymphgefässe sieht man sudaminaähnelnde Bläschen, von kaum sicht¬ 
barer bis zu llanikorngrösse. Bei weiterer Entwickelung sieht man, dass diese 
Bläschen multiloculär sind, sie werden bis erbsengross, Hiessen zusammen und 
bilden warzenähnliche Wucherungen. Die unterliegende Haut ist ödematos, 
röthlich, chagrinirt, wie Orangenschale. Angestoelieu entleeren diese 
Bläschen oder Vegetationen klare oder röthliehe Lymphe, die unausge¬ 
setzt fliesst, wie bei der Stichelung ödematöser Extremitäten. Sie werden 
aber auch spontan eröffnet, nässen und maceriren die Haut. — Alle 
Cautherisationen waren machtlos. Von Erfolg war schliesslich nach 
3 Jahren nur systematische Compression durch Bindeneinwickelung der 
linken Extremität. — Die anatomischen und bakteriologischen Enter- 
suclningen bieten kaum etwas Bemerkenswerthes. Verf. halten eine Infection 
für die z weiffei lose Ursache der Atfection. Sie haben einen unbekannten 
speciellen Baciilus, dann Streptococcen und den B. tetragenes aus der 
Lymphe gezüchtet; damit haben sie negative Thierversuche angestellt 
und sprechen sich selbst sehr reservirt aus über die pathogenetische 
Bedeutung derselben. (Ein gleicher Fall ist kürzlich von Hafer körn, 
Deutsches Archiv f. klin. Medicin. Bd. ob, Heft 5 u. G beschrieben.) 

E. von Düring (Constantinopel). 

Zwillinger, II. Leber das V erhält n iss der Pachydermia 
laryngis zu den Leukokeratoseu (Leukoplakien). Wiener klin. 
Wochenschrift. 189G, Nr. 8. 

Z. kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu dem Schlüsse, dass 
die Pachydermia laryngis identisch ist mit dem Krankheitsprocesse, der 
mit Leukoplakii oris belegt wird; auch soweit die Aetiologie in dieser 
Erage einiges Licht verbreitet, fallen die beiden Proeesse mit einander 
zusammen. H o r o v i 1 z (Wien i. 

Giehrl, Josef. Leber Elephantiasis. Inaug.-Diss. München. 1894. 

Giehrl beschreibt 2 Fälle von Elephantiasis, von denen der erste 
wahrscheinlich nach einem Trauma entstanden ist. Er betrifft einen 
22jälirigen Knecht, der im G. Lebensjahre einen Sturz vom Heuboden 
erlitt und seit dieser Zeit eine Zunahme seines linken Oberschenkels und 
Hüfte bemerkte, die zur Zeit der Beobachtung zu zwei grossen Geschwulst¬ 
massen sich entwickelt hatte. Patient wurde operativ geheilt. 

Der zweite Fall, von dem eine Abbildung beigegeben ist, betrifft 
eine gleichmäs>ige elephantiastische Verdickung beider unteren Extremi¬ 
täten mit Ausnahme der Zehen und der vorderen Theile des Metatarsus 
bei einer 70jährigen Frau. Ed. Oppenheimer (Strassburg). 


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286 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

Rothschild, Otto. Elephantiasis scroti et penis. Inaug.-Diss. 
Bonn. 1895. 

In einer Zusammenstellung von 53 Fällen von sporadischer Elephan¬ 
tiasis scroti et penis bringt Rothschild 3 neue Fälle aus der Bonner 
med. Klinik. Während der 2. Fall (Fall 31) eine Folge eines häufig recidi- 
virenden Erysipels bei einem Tubereulösen war, verdankten die beiden 
anderen Fälle (27 und 32) ihre Entstehung einer bestellenden Harnfistel. 
Diese ist überhaupt eine häufige Ursache des Leidens, und dies wohl 
dadurch zu erklären, dass durch die Stauung der Cireulation in Folge 
von Narben, die Ilarnstauung, das Aussickern des Urins durch die Fisteln 
und die Infiltration der benachbarten Gewebe diese in einen chronischen Reiz¬ 
zustand versetzt werden, den sie mit einer Lymphangoitis und Binde¬ 
gewebswucherung beantworten. Ed. Oppenheimer (Strassbürg). 

Joppich, Julius. Ein Fall von S c 1 er od ermi e. Inaug.-Diss. 
Würz bürg 1894. 

Bei dem von Joppich beschriebenen und mikroskopisch unter¬ 
suchten Falle von Sclerodcrmia circumscripta ist besonders bemerkens- 
werth, dass die Bindegewebshyperplasie sich ausser in der Haut noch an 
mehreren inneren Organen, vor allem der Leber und der Milz vorfindet, 
so dass die Sclerosirung der Haut nur als ein Theil des Gesammtbildes 
des selerotischen Broeesses erscheint. 

Ed. 0 p p e n h e i m e r (Strassburg). 

Haushälter. Lichen scrofulosorum. Societe de medeeine 
de Nancy 27. Mai 1896. Journal des mal. cut. et sy])h. 1896 p. 473. 

Hau sh alter demonstrirt 2 Fälle von Liehen serophulosum; bei 
dem zweiten war die Atlection, die ausser auf dem Körper auch auf den 
Gesicht zu constatiren war, mit einer multiplen Tuberculosis verrucosa 
cutis combinirt. Ein Meerschweinchen, in dessen Peritoneum einige Liehen- 
knötchen vom Gesicht der Pat. inoculirt worden war, starb nach 3 Mona¬ 
ten an Tubereulose. Paul Neisser (Beutlien 0. S.). 

Hamburger, Robert. Die Therapie des Lichen ruber. 
Inaug.-Diss. Strassburg 1895. 

Hamburger empfiehlt als beste Methode zur Heilung des Lichen 
ruber die subcutane Anwendung des Arsens; die Fnna'sche Karbol- 
sublimatsclimiercur bezeichnet er als ebenfalls sehr wirksam. Die Involu¬ 
tion der Etllorescenzen wird bei der Arsencur beschleunigt durch Appli¬ 
cation reizmildernder Salben. Schädliche nervöse Einflüsse sind vom 
Patienten fernzuhalten. Eduard Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Fere. L a p e lade p o s t - e p i 1 e p t i q u e. Nouvclle Iconographie 
de la Salpetriere. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 51. 

Eure berichtet zwei Fälle von Alopecia areata nach epileptischen 
Anfällen, bei denen nach wenigen Wochen oder Monaten ohne jede Be¬ 
handlung die Haare wieder wuchsen. In dem einen Falle hatte Patient 
liacu wocheulunger Pause 4 epileptische Anfalle in einer Nacht; am 
folgenden Tage begannen die Haare auszufallen und nach 2 Tagen zeigte 
sich auf dem Kopfe des Patienten 50 etwa Francstüek grosse, jeglichen 


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der Dermatologie. 


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Haares beraubte Stellen, die sich in den nächsten Tage theihveisen noch vor- 
grösserten; die Sensibilität war auf diesen Stellen unverändert, schmerz¬ 
hafte Empfindungen nicht vorhanden. Ira Verlaufe mehrerer Wochen und 
Monate begannen zuerst die kleineren, später die grösseren Stellen sich 
wieder mit normalem Haar zu bedecken. Paul Ne iss er (Beuthen 0. S.). 

Sabouraud, R. Sur les origines de la pelade. Etüde clini- 
que et experimentale. Annales de dermatologie et de syphiligraphie. 
Tome VII. Nr. 3, 4, 5 et 6. Mars, avril, mai et juin et 189G. (Mit 6 Taf.) 

Sab ouraud’s Arbeit ist eine Monographie, über die Alopecia areata. 
Nach einer Uebersicht über die früheren Arbeiten, deren keine das Ziel, die 
Ursache der Pelade zu finden, erreicht hat, geht Sabouraud zunächst 
zum klinischen Theil seiner Arbeit. Zunächst besteht S. darauf, dass die 
Alopecia areata contagiös sei. Dass diese Thatsache im Auslande noch 
bestritten sei, hänge davon ab, dass die Krankheit 1. dort weniger häufig 
sei als in Frankreich; dass 2. die Feststellung der directen Filiation häufig 
schwer sei; und dass 3. die Art der Uebertragung — besonders durch die 
Friseure — häufiger zu sporadischen l allen, als zu Epidemien Anlass 
gibt. Ist die Krankheit aber contagiös, so müssen wir einen Parasi¬ 
ten suchen. 

Für die Untersuchung, anatomisch-histologisch, sowie bacteriologisch, 
ist es wichtig zunächst in die klinischen Erscheinungen und Stadien 
der Krankheit einigen Einblick zu gewinnen. 

Vor dem Ausfall der Haare, vor der Bildung der kahlen Stelle, 
kann man an den Haaren schon Veränderungen constatiren: das erkrankte 
Haar ist der Stumpf eines noch an seinem Platz verbliebenen Haares; 
es ist ganz genau keulenförmig, oder besser noch, es hat die Form eines 
Ausrufungszeichen. Bei schnell verlaufenden Peladen, besonders bei der 
von Besnier als Pelade trichophytoide oder Pelade ä cheveux fragiles 
bezeichneten Form, findet man diese Haare häufig auf dem erkrankten 
Fleck oder in seiner Umgebung. 

Wenn man Gelegenheit hat, Alopecia während der Ausbreitung zu 
beobachten, so sieht man im Centrum eine vollständig kahle Stelle, man 
erkennt die leeren Ausführungsgänge, die mit Sebum gefüllt sind; schon 
mit blossem Auge oder mit. der Lupe ähneln sie den erweiterten Poren, 
wie sie bei Acne der Nase zu sehen sind. Um diese leeren Follikel sind 
die andern, schon erkrankten Haare kreisförmig geordnet. 

Die histologische Untersuchung des erkrankten Haares ergibt, dass: 

1. das Pigment, welches im oberen Theile ganz normal vorhanden 
ist, im basalen Theile fehlt; 

2. der im oberen Theile normale Durchmesser des Haares, vom 
oberen Drittel ab bis zur Wurzel sich verjüngt ; 

3. der im oberen Theile vorhandene Markraum in dem mittleren 
Theile starke Veränderungen zeigt, um im centralen Theile ganz zu ver¬ 
schwinden ; 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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4. die Wurzel nicht hemispherisch ist, keinen Bulbus bildet, und 
keine, der Papille entsprechende Höhlung zeigt; sie ähnelt einer Pfahl¬ 
wurzel, einer Kohlrübe. Histologisch gesprochen stellt das erkrankte Haar die 
regressive Metamorphose dar eines ausgebildeten Haares in ein Wollhaar. 

Diese Veränderungen können unmöglich durch einen Mikroben 
veranlasst werden, der seinen Sitz im Ilaare hat; die Störung muss von 
der Papille ausgehen; wir können den Zustand der Rückbildung, das 
Absterben der Papille in allen Stadien beobachten; und nach den Dimen¬ 
sionen des Haares kann man sagen, dass dieser Proeess des langsamen 
Absterbens der Papille mindestens l 4 Tage, längstens zwei Monate dauert. 

Das, was dem Pelade-Haar specihsek, eigcnthüralich ist. ist seine 
Spaltbarkeit ; es ist sowohl transversal, als ganz besonders vertical sehr 
leicht zu spalten. 

Sabouraud gesteht, dass er, wie alle Untersucher (? Red.) vor ihm, 
nicht genügend auf die Bedeutung der Papi 11 enerkrankung geachtet und, 
der Contagiosität wegen, den Parasiten an der Oberfläche gesucht. So 
haben seine ersten Untersuchungen ihn 15 Arten von Mikroben finden 
lassen, 6 besonders häutig, unter ihnen 2, auf die er naher eingeht : den 
von ihm sogenannten Micrococeus communis und den V nna’schen Flaschen¬ 
bacillus. Wegen dieses Tlieiles müssen wir auf das Original verweisen — 
genug, nach einjährigem Studium überzeugte er sich, dass keiner dieser 
Mikroben als Ursache der Pflade anzusenen ist, sondern dass sie häutig 
vorkommende Bewohner des nicht erkrankten Kopfes sind. 

5. wandte sich dann zur histologischen Untersuchung der Kopfhaut, 
um vielleicht hier den Mikroben zu linden. Man muss suchen, die Haut 
in drei Phasen zu untersuchen; 

1. zu Beginn des Kahl Werdens, 2. bei völliger Kahlheit und 3. zur 
Zeit des Wieder.vachsens der Ilaare. Kr begann seine Untersuchungen 
mit dem dritten Stadium. Kr eonsfatirte in diesem Stadium: 

1. Viele Haarfollikel sind vollständig verschwunden. 

2. Um die übriggebliebenen Follikel ist das eutane Bindegewebe 
in Verticalbiiinleln verdickt, dicht, gedrängt., mit Bindegewebszellen 
durchsetzt, von denen einige fetthaltig sind. 

3. An der Basis dieser „Bindegewebspfeiler“ findet man weiter 
zahlreiche abgeplattete, degenerirte, die leicht als Mastzellen zu er¬ 
kennen sind. 

4. Sehr viele Ilaare sind im BegriiVe, sich neu zu bilden (auch aus 
den „verschwundenen“ Follikeln? Red.) und dieser Nachschub findet 
ganz in der normalen Weise statt, sowie man es bei allen nicht durch 
JSarbenbildung veranlassen Alopecicn sieht. 

5. Die zugehörigen Talgdrüsen sind immer sehr gross, manchmal 
auffallend gross und reichlappig. 

0. Die Pigmentbildung ist und )»leibt aufgehoben, nicht nur in den 
neuen Ilaarpapillen, woraus die Canifics der nach wachsenden Haare (er¬ 
scheinen ja doch meist später wieder pigmentirt. Red.) zu erklären, 
sondern auch in den Basalzellen der Kpidermis. 


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der Dermatologie. 


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Zwei Punkte sind auffallend: Einmal die über die ganze erkrankte 
Hautpartie ausgedehnte, nicht auf die Follikel beschränkte Störung der 
Pigmentbildung; und weiter die Anwesenheit der Mastzellen in den tiefen 
Cutislagen, ein Beweis dafür, dass die Wirkung der Krankheitsursache 
sich auch auf andere Theile der Bedeckung, nicht nur auf die Follikel, 
erstreckt. 

Die weiteren Untersuchungen erstreckten sich auf das Höhestadium 
der Affection, vom Eintritt der Kahlheit, bis zum Beginn (exclusive) des 
Wiederwachsena des Wollhaares. Zwei Punkte sind zur Constatirung 
dieser Periode wesentlich: In der Umgebung der kahlen Stelle findet man 
keine brüchigen, pigmentirten Haare mehr; d. h. der Haarausfall ist zum 
Stillstand gekommen. Ebensowenig aber findet man nachwachsende Woll- 
baare; d. h. das letzte Stadium des Nachwachsens der Haare ist noch 
nicht erreicht. Die histologische Untersuchung dieses Stadiums zeigt die 
Follikel geradezu eingeschachtelt in Wanderzellen — es handelt sich 
um eine chronische, atrophisirende, das Haar gleichsam aus dem Follikel 
heraustreibende Folliculitis. An Stelle der erkrankten Follikel und um 
dieselben findet sich eine vollständige Scheide reifen, dichten, sclerotischen 
Bindegewebes; aber auch das periphere Gewebe beweist die Theilnahme 
am Entzündungsprocesse durch die Anwesenheit der eben geschilderten 
Veränderungen. Man constatirt Störungen der Pigmentbildung in der 
Malpighi8chen Schicht, die S. auf eine „Fern Wirkung“ zurückführt, 
und kleinzellige Infiltration um die Gefässe — entzündliche Diapedese. 
Ein Drittel der kleinzelligen Infiltration sind Mastzellen; dieselben 
finden sich in allen Theilen der Cutis. S. weist besonders auf den Punkt 
hin, dass den Mastzelleu keine phagocytären Eigenschaften zukommen, 
dass ihre Anwesenheit in keiner Weise auf die Anwesenheit von Mikroben 
deutet. Ihre Anwesenheit deutet, nach Westphal lediglich auf das 
Bestehen localer nutritiver Störungen hin. Es handelt sich also bei der 
Pelade um eine specitische, auf die peladische Stelle localisirte, aber auch 
die ganze Ausdehnung derselben diffus betreffende nutritive Störung. 
Daraus wird die vorher ausgesprochene Annahme bewiesen, dass im 
Gegensatz zu den „Teignes“ die Pelade keine Haarerkrankung, 
sondern eine Erkrankung des Tegu m ents der behaarten 
Theile ist. Weiter ist festzuhalten, dass man die Mastzellen in grösster 
Masse findet zu einer Zeit, wo die Enthaarung schon einige Zeit besteht. 
An weiteren Zellen findet man mononucleäre Leukocyten; alle Gelasse 
des Teguments, seien sie perilolliculär oder nicht, sind gleichmässig ein- 
gescheidet in eine Schicht von Mastzellen und mononucleären Leukocyten ; 
jedoch ist die Infiltration ausgesprochener in den tieferen Schichten, 
weniger ausgesprochen in dem sub M a 1 p i gh i’schen (V! lled.) und papillären 
Gef assnetz. Diese Thatsache ist bemerkenswert h besonders wegen des 
Fehlens der polynucleären Leukocyten, die in der Umgebung von Mikroben¬ 
herden niemals fehlen und weil die Vertheilung der Zellen eine so absolut 
gleichmässige ist. Sabouraud betont, dass ähnliche Bilder sich bei Brom- 
und Jodintoxicationen finden, dass demgemäss auch der Befund bei der 

Archiv f. Dermat. u. Syphil. Ban*! XXXIX. jf) 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Pelade auf eine chemische Wirkung hindeutet. So viel steht fest, dass in 
dieser Periode, ausser auf der Haut und in der Follikelmündung, sich in 
tieferen Schichten absolut keine irgendwie nachweisbaren Mikroben finden 
lassen. — Die folgenden anatomisch-physiologischen Auseinandersetzungen 
S.’b müssen im Original eingesehen werden. S. kommt zu folgenden 
Schlüssen: Das ganze Bild der Pelade im Stadium der vollendeten Kahl¬ 
heit lässt sich so definiren: 1. keine der histologischen Veränderungen 
spricht irgendwie für eine gegenwärtig bestehende Mikrobenaffection; 
im Gegentheil 2. deuten alle Befunde auf das Fehlen eines solchen hin. 

3. Alle Befunde bezeugen übereinstimmend, dass es sich um eine tiefe 
locale Intoxication handelt; und zwar 4. um eine Intoxication, deren 
Ursache in der Vergangenheit liegt. 

Im 3. und 4. Memoire gibt S. dann die Untersuchung der aller¬ 
frühesten Perioden und die Beschreibung eines regelmässig gefundenen 
Bacillus. Zunächst constatirt er die höchst wichtige Thatsache, dass im 
oberen Drittel zwischen der Einmündung der Talgdrüse und der Follikel¬ 
mündung auf der Haut, eine gleichmässige, ampiillenartige Dilatation 
besteht, von ungefähr a /, 0 Millimeter Breite, bei % Millimeter Höhe. 
Untersucht man eine noch mit brüchigen Haaren besetzte Pelade-Plaque 
zu Beginn, so findet man, dass alle Follikel diese Ampulle haben, welche 
S. als „Utricule“ und als pathognoraiseh bezeichnet. Diese Utricules sind 
vollgestopft mit einem feinen Bacillus. — Es ist unmöglich auf die De¬ 
tails der Untersuchungen weiter im Referat einzugehen. S. kommt in 
Bezug auf den Mikroben zu folgenden Conclusionen: 

1. Nur das Anfangsstadium der Pelade zeigt Mikroben. 

2. Soweit die kahle Stelle gebildet ist, kann man nirgend den 
Tilz finden, weder im Ilaar, noch im Follikel, noch im Gewebe, noch auf 
der Haut. 

3. Dagegen sind im Aniängstadium, wenn der Haarausfall beginnt, 
alle Follikel mit unzähligen Mikrobeneolouien inficirt, die überall die¬ 
selben und stets in Keincultur vorhanden sind. Diese Mikrobeninfection 
geht allen histologischen Veränderungen voraus; sie macht auch alle 
späteren histologischen Veränderungen verständlich, denn dieselben sind 
ßämmtlich nicht als Folgen einer directen Mikrobmieinwirkung aufzu¬ 
fassen, sondern als durch Fernwirkung von Toxinen hervorgerufene ein¬ 
fache Läsionen. 

4. In den benignen Beladen ist die Follikelinfection vorübergehend; 
in der chronischen oder mit vollständiger Alopecie einhergehenden Fällen, 
in denen die unbegrenzte Dauer auf die gleichzeitige Dauer der krank¬ 
machenden Ursache hinweist, findet man mit gleicher Localisation stets 
denselben Bacillus, meist in ausserordentlicher Menge. 

5. Da dieser Bacillus sich stets, in allen Fällen, findet, wo die 
histologischen Befunde auf den Beginn oder ein Fortbestehen der Erkran¬ 
kung hin weisen, so muss er andere Rolle spielen, als eine beliebige, zu¬ 
fällige secundäre Infection. 


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der Dermatologie. 


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6. Der Mikro-Bacillus des Utricule kann, trotz gewisser Form- 
verschiedenheiten, nicht absolut von dem Mikroben differencirt werden, 
den Hodara als Acne-Bacillus beschrieben hat. 

Der Hodara’sche Acne-Bacillus ist aber nicht der Acne-Bacillus, 
denn man findet ihn nicht nur im Coraedo, sondern auch in allen Formen 
der Seborrhoea sebacea oleosa, bei denen der Befund des Bacillus nur 
auf einen Zufall, auf eine locale Symbiose hinzudeuten scheint. Letztere 
Affection ist sehr häufig: Obwohl der Mikrobacillus des „Utricule pela- 
dique“ eich massenhaft auf den in Ausbreitung begriffenen Plaques findet, 
auch ohne jede ölige Seborrhoe, so müssen doch noch entscheidende 
experimentelle Beweise beigebracht werden, ehe man sich über die patho¬ 
gene Bedeutung des Mikrobacillus aussprechen kann. 

7. Entweder dieser Mikrobacillus und der Hodara’sche Comedo- 
Mikrobe sind identisch. Dann muss man nachweisen, weshalb im Beginn 
jeder Pelade diese Secundärinfection sich findet, und welche Rolle 
sie spielt. 

8. Oder es handelt sich um zwei verschiedene Pilze. Dann muss 
man sie experimentell differenciren. Da die Utricule peladique das An¬ 
fangssymptom jeder Pelade ist, so muss die Rolle als Erreger der Pelade 
für den in der Utricule gefundenen Bacillus erst erbracht werden. 

9. Oder vielleicht sondert dieser Bacillus, je nach den verschiedenen 
Existenzbedingungen, ein peladogenes Toxin ab oder nicht. Daun muss 
man dieses Toxin isoliren. 

10. Welche Hypothese man auch aufstellt, das Studium dieser 

Mikrobenart ist nothwendig. Sei er nun speoifisch oder nicht, jedenfalls 
findet er sich stets und allein an den bestimmten Punkten und gerade 
zu der Zeit, zu der Klinik und Histologie die Entwicklung der Krankheit 
beweisen. E. von Düring (Constantinopelj. 


Parasiten und parasitäre Affectione». 

Haan. Tricophytie transmise ä Thomme. Tribüne metli- 
cale, 22. Juli 1890. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 442. 

Haan berichtet über 3 Fälle von Uebcrtragung von Herpes ton- 
surans von Kühen auf Menschen. In dem ersten Fall handelte es sich 
um einen Kuhhirten, in dem zweiten um eine Pächterin, welche beide 
an der rechten Hand inficirt wurden. Letztere inficirte noch ihre kleine 
Tochter, die sie täglich anzog, am Kinn. 

Paul N e i s s e r (Beuthen 0. S.). 

Warminski. U n mot sur le favus ä Toccasion d’un cas 
rare de cette affection. Nowiny Lekarskie 1894, Nr. 12. Referirt 
im Journal des mal. cut. et syph. 1890, p. 111. 

Der seit 15 Jahren an Favus des Kopfes leidende Patient War- 
minski’s hat vor 2 Jahren Lues acquirirt und zeigt seit einem halben 
Jahre einen Favus der unteren Extremitäten. Aus der langen Dauer, die 

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292 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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zwischen dem Befallensein de9 Kopfes und dem Auftreten auf den Extre¬ 
mitäten verging, aus der vor 2 Jahren überstandenen Lues, aus einzelnen 
braunpigmentirten, nicht schuppenden, keine Pilze enthaltenden Stellen 
an den Beinen schliesst W. auf einen Zusammenhang der Lue9 mit dem 
Favus der Extremitäten derart, dass die Favuspilze sich auf einen dort 
localisirten Exanthem angcsiedelt haben. Er hält diese braunpigmentirten 
Stellen für Reste dieses Exanthem, umsomehr, als sie nach antiluetischer 
Cur fast unsichtbar wurden, während eine antibacterielle Cur sie vorher 
nicht verändert hatte. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Will, Theophil. Ueber Favusbehandlung. Inaug. - Diss. 
Strassburg 1895. 

Will kommt nach einer Uebersicht über die in der Literatur 
niedergelegten Methoden der Favusbehandlung zu dem Schlüsse, dass alle 
Behandlungsarten längere Zeit mit Consequenz fortgesetzt werden müssen, 
wenn das Wiederkeimen der Pilzelemente in der Haut und den Haaren 
verhindert werden soll. Er empfiehlt das Wolf fache Verfahren aus der 
Strassburger dermatol. Klinik. Erweichen der Favusmassen mittels Kata- 
plasraen und Kautschukhaube oder Guttapercha und Entfernung der 
erweichten Massen mittels Spatel, Schmierseife oder Spirit, saponat. 
Dann energische Einreibung von 10% Chrysarobin in kleinen Mengen. 
Bei Reizzuständen Aussetzen und Sublimatsalbe (1% 0 j. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.). 

Porak. Observation d’u ne 1 e s i o n parasitair e non d e c r i t e 
de la langue chez le nouveau-ne. Journal des mal. eut. et sypb. 
1896, p. 20. 

Porak berichtet über eine merkwürdige parasitäre Zungenaffection 
bei einem Neugeborenen. Auf der Zunge des 4 Tage alten Kindes zeigten 
sich plötzlich circa 10 weibliche, erhabene unregelmässig ovalare Flecke, 
die sich schwer abkratzen Hessen, aber nach ihrer Entfernung nicht mehr 
auftraten. Das Zungenepithel war unter ihnen unversehrt. Die mikro¬ 
skopische und culturelle Untersuchung ergab eine Art seltenen Hefepilzes. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Gciliy et Vincent (II.). Sur un nouveau cas de „P i cd de 
M ad ura w . Annales de dermatologie et de syphiligraphie. Tome VII. 
Nr. 11. novembre 1896, p. 1253. 

Gcrnv und Vincent haben in einem Fall von Madurafuss einen 
Pilz nachgewiesen, von 1 — 1*5 u Breite, mit langem, starkverzweigtem 
Mycel. Cultur in Peptonbouillon ungünstig, gedeiht besser in Heu- oder 
Strohaufguss. Auf Kartoffeln gedeiht der Pilz gut und gibt nach einem 
Monat eine rosa oder hochrot he Cultur, die langsam tiefrot h werden und 
metallischen Glanz zeigen kann. In Heu- oder Kartoffelinfus bildet er 
kleine, zu Boden sinkende Kugeln; einige bleiben an der Wandung der 
Reagenzgläschen haften, nahe an der Oberfläche; im Contact mit der 
Luft färben sich diese Kügelchen rosa oder roth. Die Entwicklung ist in 
allen Medien eine langsame; sie beginnt erst am 6.—12. Tage. Die weiss¬ 
gelblichen Körnchen, welche mit dem Fisteleiter entleert werden, bestehen 


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der Dermatologie. 


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durchaus aus Mycelien. Der Parasit des Madurafusses ist durchaus ver¬ 
schieden von dem Pilz der Aktinomykose. Es ist pyogen. Wichtig ist die 
Bestätigung der von Beranger-Feraud geäusserten Ansicht, dass der 
Madurafuss auf dem ganzen orientalischen Continente, vom atlantischen 
Ocean bis zura Rothen Meer und bis zur Ostküste heimisch ist. 

E. von Düring (Constantinopel). 

Perrin, L. (De Marseille.) Des nevrodermies parasitop 
hobiques. Annales de dermatologie et de syphiligraphie. Tome VII. 
1896. Nr. 2, p. 129. 

Perrin theilt drei Fälle mit von entschieden auf tiefer liegender 
Degeneration beruhender „Parasitophobie“; alle drei Kranken glaubten 
Läuse zu haben, hatten subjectiv alle Symptome, die das Vorhandensein 
dieses Ungeziefers begleiten, ohne dass objectiv der geringste Grund 
vorlag. Ref. meint, dass derartige Fälle in den Irrenhäusern wohl recht 
häufig sind. Es lohnt nicht der Mühe, auf die etwas weitschweifigen 
theoretischen Erörterungen des Verf. über die Nevrodermies parasito- 
phobiques primaires et secondaires hier einzugehen. 

E. von Düring (Constantinopel). 

Sabouraud. Ueber die Seltenheit des Microsporon- 
Audouini in Italien. Soc. de derra. et de syph. Annal. 1895, 
pag. 400. 

Bisher sind die Angaben Sabouraud’s über das Vorkommen 
und die Eigenschaften des Microsporon Audonini von anderen Forschern, 
namentlich den Italienern Marrianelli und Mi belli in Zweifel gezogen 
worden. Auf die durch Sabouraud erfolgte Zusendung von erkrankten 
Haaren hat nun Mibelli an Sabouraud einen Bericht geschickt, der 
im wesentlichen die Angaben Sabouraud’s bestätigt. Mibelli findet, 
dass die Haare bei Microsporon Audouini viel widerstandsfähiger gegen¬ 
über Kalilauge sind als die Haare von Trichophytie. Sie sind eingescheidet, 
nicht durchwachsen von den Sporen. Letztere sind bedeutend kleiner als 
die des Trichophyton. Auch die Culturen unterscheiden sich von allen 
jenen, die von Kopf-, Barthaaren und Nägeln trichophytisch Erkrankter 
angelegt worden waren. Auf Grund dieser Befunde glaubt Mibelli, dass 
er bisher nie einen Fall dieser beim Menschen vorkommenden Mycose 
gesehen habe. Winternitz (Prag). 

Rossi, Giovanni. Deila tricofitiasi (Erpete tonsu- 
rante) e sue varietä. Osservazioni cliniche ed anatomiche. II Mor¬ 
gagni XXXVII. I. Nr. 7. 

Rossi beschreibt nach einer sehr unvollständigen Uebersicht 
über die historische Entwicklung der Lehre vom Herpes tonsurans die 
bekannten verschiedenen Formen dieser Erkrankung, ohne dabei etwas 
neues zu bringen. In den Schlüssen, die er zu Ende der ziemlich langen 
Arbeit bringt, behauptet er, dass der Pilz die Epidermis nicht nur in 
allen ihren Schichten durchdringen, sondern dass er auch die Drüsen der 
Haut, das Bindegewebe, das Derma und selbst andere tiefere Theile be¬ 
fallen könne. (!Ref.) Theodor Spietschka (Prag). 


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294 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie. 


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Pellizzari, Celso. Del polimorfisrao tricofitico ed 
in parti colare di una forma clinica non descritta. 
— Lo 8perimentale XLIX. Nr. 14, p. 266. 

Pellizzari stellte in einer klinischen Vorlesung mehrere Fälle 
von Herpes tonsurans vor; dieselben betrafen eine Mutter mit 3 Töchtern 
und eine Cousine derselben. Die Mutter, zwei Töchter und die Cousine 
zeigten die Erkrankung einestlieils in der Form des Kerion, anderentbeiles 
glichen die Erkrankungsherde vollkommen einem chronischen schuppenden 
Eczeme; letztere Form war nur an Stamm und Extremitäten vorhanden; 
so dass die Stellung der Diagnose grosse Schwierigkeiten bereitete. Ganz 
abnormale Charaktere jedoch zeigte die Erkrankung bei der dritten 
Tochter, welche später als die übrigen zur Klinik kam, so dass man an¬ 
fangs von den verwandtschaftlichen Verhältnissen nichts wusste. Hier 
glichen die Efflorcscenzen vollkommen denen eines Lichen scrophulo- 
sorum, so dass P., bevor er den Zusammenhang mit den übrigen Familien¬ 
mitgliedern erkannt hatte, an alles andere eher als an einen Herpes ton. 
gedacht hatte. Hier bot die Diagnose unendliche Schwierigkeiten. Der 
Allgemeinzustand der Patientin Hess einen Lichen scroph. ausschliessen; 
desgleichen konnte Syphilis ausgeschlossen werden. An eine durch ge¬ 
wöhnliche Eitercoccen bervorgerufene Erkrankung konnte gleichfalls nicht 
gedacht werden. Erst nachdem der genannte Zusammenhang erkannt 
worden war, wurde auch bei diesem Mädchen nach wiederholtem Suchen 
der Hyphoravcet in den Krankheitsproducten gefunden.. Diese kleine Haus¬ 
epidemie von H. t. bot also nicht nur sehr schwer zu diagnostieirende 
Formen, sondern auch ein bisher noch ganz unbekanntes Krankheitsbild 
desselben. Theodor Spietschka (Prag). 


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Venerische Krankheiten. 

(Ledigirt von Prof. Neisser und Dr. Scliäffer in Breslau.) 


Gonorrhoe und deren Complicationen. 

Abramovicht. Traiteraent de la blenorrhagie par des 
medicaments internes, Pextrait fluide de Kawa-Kawa en particulier 
(Piper methysticum poivrier des lies de la mer du Sud). — Ref. in La 
Medecine moderne. 1896. Nr. 33. 

Abramovicht fand das Fluidextract Kawa-Kawa (von dem 
Pfefferbaum auf den Südseeinseln) in einigen Fällen wirksam gegen 
Gonorrhoe in acutem und subacutem Stadium, in den meisten musste zu 
der internen Behandlung noch eine locale treten. Definitive Heilungen — 
lediglich durch die innere Medication — sind selten. Kawa-Kawa leistet 
ebensoviel wie die anderen Balsamica, ohne irgend welche unangenehme 
Nebenerscheinungen zu machen (selbst bei 3mal täglich 40 gtt.). Es 
wird durch die Nieren ausgeschieden. Pinn er (Breslau). 

Achard. Radiographie des arthrites deformantes blen- 
norrhagiques. Soc. med. des höpitaux Seanc. du 10 juillet. Ref. in 
La France med. Nr. 29. 1896. 

An der Hand von Photographien, die vermittelst Röntgenstrahlen 
von dem Fusäe eines an Arthritis blennorrhagica leidenden Patienten her- 
gestellt worden waren, versucht Achard nachzuweisen, dass im Verlaufe 
blennorrhagisch arthritischer Aflectionen auch das Periost und der Knochen 
der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen werden können, die dann durch 
Bildung von Osteophyten auf den chronischen Reiz reagiren. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Appert. Diagnosi e cura delle metriti blenorragiche. 
La semaine gynecologique. Mars 1896. Ref. in 11 Morgagni. Nr. 45, 1896. 

Appert bespricht das klinische Bild und die Diagnose der Cervi¬ 
citis bezw. Metritis gonorrhoica acuta und chronica, ohne Neues zu bringen ; 
die NothWendigkeit, auf Gonococcen zu untersuchen, wird nicht erwähnt, 
dagegen betont A., dass der alte chronische Cervixkatarrh gonorrhoischer 
Natur mehr Tendenz hat zur Atrophie und Sclerosirung als zur Hyper¬ 
trophie. Was die Therapie anlangt, so wird vor der Auskratzung des 


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296 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Uterus gewarnt, wegen der Gefahr der Propagirung des Proce9ses und 
der Möglichkeit der Entstehung von Gelenkmetastasen. Bei der acuten Cervix¬ 
gonorrhoe werden Ruhe und Spulungen mit Hypermang. Kali (1:2000 , 0) em¬ 
pfohlen, nach Abklingen der acuten Erscheinungen: Pinselungen mit Me¬ 
thylenblau und Cervixausspülungen (!) mit schwachen Kal. hyp.-lösnngen 
unter leichtem Druck. Bei der acuten Metritis gonorrhoica, absolute Ruhe und 
sehr vorsichtige antiseptische Scheidenausspülungen. Beim chronischen 
Cervixcatarrh. Vaginaltampons und Cervixbehandlung mit Kal. hyp. oder 
Argent. nitric. Bei chronischer Metritis gonorrhoica: Dilatation und Tampo¬ 
nade des Uterus mit Creosot-glycerin- oder Camphor-naphthol-Gaze. 
Schliesslich wird bei ganz veraltetem Cervixkatarrh die Excision der be¬ 
fallenen Schleimhaut nach Bo ul ly empfohlen. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Arnaud, Lucien. Les grands lavages de Pure th re. Journal 
des mal. cut. et syph. 1896, p. 344. 

Arnaud empfiehlt in diesem Artikel die jetzt wohl Gemeingut 
aller Urologen gewordenen Janet'schen Spülungen mit Kalium permang. 
bei Gonorrhoen und gibt eine genaue Beschreibung ihrer Anwendung. 
Nur in der Anpreisung des abortiven Charakters derselben bei ganz 
frischen Gonorrhoen ist Verf. wohl etwas zu optimistisch. In dem End¬ 
stadium, wo nur Secretion ohne Gonococcen zu constatiren ist, wendet 
er an Stelle des Kalium permang. lieber Sublimat 1 : 20000 oder Resorcin an. 
Als Contraindicationen dieser Behandlungsmethode nennt er: 1. Epididy- 
mitis, Prostatitis und Funiculitis, 2. periurethrale Infiltrate und Abscesse 
und 3, alte Stricturen, die erst zu erweitern seien. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Baer. Beiträge zur Lehre von der weiblichen Rectal¬ 
gonorrhoe. Arbeiten aus dem städtischen Krankenhause zu Frankfurt 
a. M. Festschrift der 68. Naturforscherversammlung. Frankfurt a. M. 1896. 

Baer fügt seiner bereits (D. M. W. 1896 Nr. 8) veröffentlichten 
Arbeit über die Rectalgonorrhoe der Weiberweitere Beobachtungen hinzu. 

Er hat neuerdings weitere 129 venerische Patientinen untersucht und bei 
ihnen in 32*5% aller Gonorrhoischen und in 21*7% aller überhaupt Rectal¬ 
gonorrhoe festgestellt. (Bei den 296 zuerst veröffentlichten stellten sich 
die Zahlen auf 35*1 und 22*6%-) 

Die neu gewonnenen klinischen Erfahrungen decken sich so ziemlich 
mit den früheren: nur ist es Baer gelungen auch in Fällen, in denen 
der als charakteristisch geschilderte Eiterpfropf („la goutte w Jullien’s) 
fehlte, durch Abkratzen der Rectalschleimhaut ein ISecret mit typischen 
Gonococcen zu gewinnen. Im Folgenden behandelt B. das „Ulcus recti“, 
welches er im Gegensätze zu Jullien nur als postgonorrhoischen Process 
aufl'asst. Es ist dies die bereits in der ersten Publication beschriebene 
Afiection, welche der „fissure ulcereuse“ Jullien’s entspricht, und ferner 
jene auf der Unterseite einer überhängenden Analfalte sich findenden 
Ulcera, denen Herxheim er den Namen „Verendafnrmiges Ulcus“ geben 
möchte (Condylome Jullien’sJ. Bei 3 solcher Fälle, bei denen gleich- 


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der Syphilis. 


297 


zeitig Rectalgonorrhoe bestand, hat B. Excisionen gemacht und eine 
mikroskopische Untersuchung vorgenommen, ohne Gonococcen nachweisen 
zu können. Auf der Rectalsehleimhaut selbst hat er immer nur ober¬ 
flächliche, sich durch ihre dunklere Farbe von der hochrothen Farbe der 
Ma8tdarmschleimkaut sich deutlich abhebende, leicht blutende Erosionen 
beobachtet, deren Aetiologie wohl hauptsächlich in gestörten Circulationsver- 
hältnissen zu suchen ist, nie primäre Ulcera. 

Unter seinen 450 Fällen hat B. niemals das von Jullien ange¬ 
nommene „ulcere mixte blenno-chancrelleuse“ oder „ulcera mixte blenno- 
syphilitique“ beobachtet. 

Ferner beschreibt B. noch einen Fall von Mastdarmfistel (Histo¬ 
logische Untersuchung mit positivem Gonococeenbefund), und einen 
paraanalen Gang (?) mit Gonococcen im Secrete, aber negativem Er¬ 
gebnisse der histologischen Untersuchung. 

DieRectalstrictur ist offenbar sehr selten bei Rectalgonorrhoe, denn bei 
450 rectal untersuchten Patientinen fand sich nur ein Fall. Bei letzterem 
— es handelte sich um eine Luetica mit Rectalgonorrhoe (coitus per anum 
in der Anamnese) — konnte zwar die Lues als ätiologisches Moment 
durch die Therapie ausgeschlossen werden, jedoch lag der Fall bezüglich 
der positiven Seite auch nicht ganz klar, da eine Excision nicht vorge¬ 
nommen werden konnte. 

Bezüglich der Therapie unterscheidet Baer zwischen: 

1. unkomplicirter \ 

2. complicirter (Fissuren, Ulcera) / Rectalgonorrhoe. 

ad 1. Intensive mechanische Rectalbehandlung mit Speculum (gut 
vertragen). Auswischen mit 2—5% Argeut. nitricum oder Argentarainlösung. 
Darauf reichliche Ausspülungen mit erwärmten Flüssigkeiten (Argent. 
nitr. und Argentamin 1 : 4000—2000, Argonin 7’5 : 3000 -2000; Kali hyp. 
1 : 5000 - 3000) 

ad 2) Möglichst seltene Speculumeinfübrung. Vor allem Behandlung 
des Rectaleinganges mit möglichst milden Mitteln (Jodoform, Aethvlen- 
diamincresol 1 : 5000—1000, Argent. nitr. Salbe 1% und TraumatoP. 

Eventuell Excision der Ulcera in Narkose daneben Rectalbehand¬ 
lung ohne Speculum mit grossen (Oliren)Spritzen. 

Paul Oppler (Breslau). 

Beckett, James. Reportofacaseillustrating thedangers 
of forcible and rapid dilatation in the treatment of Ure¬ 
thral Stricture. Medical News. July 25., 1896. 

In Beck ett’s Fall handelt es sich um die Folgen einer in der 
Narcose vorgenommenen rapiden Stricturdilatation (von filiformer Bougie 
bis Stahlsonde Nr. 18 englisch in einer Sitzung). Nach 5 Tagen Blasen- 
tenesmus, tropfenweises Urinieren, Schmerzen und Auftreibung des Leibes. 
14 Cm. hinter dem Orificium externum urethrae unpassirbare Strictur. 
Unter Schüttelfrost und nächtlichen Delirien dauerte der Zustand einige 
Tage unverändert an, bis sich 4 Cm. unter dem Nabel ein fluctuirender 
Tumor bildete. Eine Incision wurde gemacht; aus der Wunde kam reich- 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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lieh Urin, danach stinkender Eiter und nekrotische Gewebsfetzen. Von da 
an hatte Patient Ruhe. Nachdem er sich etwas erholt hatte, wurde vom 
Perineum her die Urethra eröffnet und nach einiger Mühe mit dem 
Katheter die Blase erreicht. Allmälige Heilung. 

Verf. fuhrt die Erkrankung auf die rapide Dilatation zurück, bei 
der die Sonde entweder unmittelbar durch Zerreissung der vorderen 
Urethralwand die Urininfiltration des abdominalen Zellgewebes erzeugte 
oder wenigstens den Reiz verursachte, welcher Eiterung und Perforation 
nebst Urinaustritt herbeiführte. Pinkus (Breslau). 

Bender. Das Argonin (Argentum Casein) ein neues Anti- 
gonorrboicum. Aerztlicher Praktiker. 1696, Nr. 1. 

Bender empfiehlt das von Jadassohn in die Praxis eingeführte 
Argonin für die GoDorrhoebehaudlung, da auch seine Resultate (bei 
54 Patienten) sehr befriedigende waren. Pinn er (Breslau). 

Bennati, Angelo. Considerazioni sopra un casodible- 
norragia da contagio estra genitale. Accadernia Medico-Chi- 
rurgica. Seduta di 23 ottobre 1896. lief, in Gazzetta degli ospedali 
e delle cliuicbe. Nr. 137, 1896. 

Bennati erzählt von einem Patienten, bei dem wenige Tage nach 
einem Coitus per os mit einer Puella publica ein mikroskopisch be¬ 
stätigter Hamröhrentripper auftrat; bei der Untersuchung der Mundhöhle 
der betreffenden Frostituirten konnte eine Blennorrhöa oralis nicht nachge¬ 
wiesen werden, doch wurde eruirt, dass das Mädchen ganz kurz vor dem Ver¬ 
kehr mit dem Patienten Bennati 1 » mit einer anderen Person ebenfalls 
per os coitirt hatte, so dass die Mundhöhle der Dirne als der Ort be¬ 
trachtet werden musste, wo der erste Besucher infectiöses Material 
deponirte, mit welchem der zweite Besucher sich ansteckte. — Im An¬ 
schluss hieran bespricht B. die Folgen der Gonorrhoe beim Manne und 
der Frau und betont, dass auch durch diese Krankheit ein schädigender 
Einfluss auf die Nachkommenschaft ausgeübt werden könne; und zwar 
namentlich in Folge chemischer und dynamischer Läsionen der Prostata, 
der Testes, des Uterus und der Ovarien, die im Verlaufe einer chroni- 
nischen Gonorrhoe sich geltend machen können. Von diesem Gesichts¬ 
punkte aus stellt B. den Tripper in Analogie mit der Lues, und spricht, 
von parablennorrhagischen Affeetioncn im V ergleiche zu den parasyphili¬ 
tischen Affectionen Fourniers. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Bocci. A r g e n t a in i n in der A ugenpraxis. Ref. Centralblatt 
f. Augenheilkunde. 1896, April. 

Bocci hat mit gutem Erfolge Argentamin-Lösungen von V 2000 bis 
V 400 o bei Blennorrhoen und bei acutem Conjuncf ivulkatarrli solche von */j° 
verwendet. 

Boyd. S e p t i e c m i a F o 11 o w i n g Gonorrhoea. The Boston 
Medical and Surgical Journal. 1896, Nr. 9, 

Boyd berichtet über einen Fall von Gonorrhoe bei einem lSjährigen 
Menschen, welche alsbald die Gelenke ergriff und zu Fiebersteigerungen 
führte. Im weiteren Verlauf traten häufig Schüttelfröste und Temperatur- 


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der Syphilis. 


299 


exacerbationen auf, welche durch Chinin nicht zu beeinflussen waren. 
Nach wenigen Wochen erfolgte der Tod. Ausfluss bestand in den letzten 
drei Wochen vor dem Exitus nicht mehr. 

Sectionsbefund gibt nichts Wesentliches. Mikroskopisch wurde nie 
auf Gonococcen untersucht, da hievon nichts erwähnt wird, auch fanden 
scheinbar die Genitalorgane bei der Section keine genügende Beachtung. 

Verf. deutet den Fall als Septicaemie. Pinn er. 

Barr, H. Albert. Gonorrhea in the puerperium. The Journ. 
öf the american medical association. August Ith. 1896. 

Burr schuldigt die Gonorrhoe an, in einer Anzahl von Fällen die 
Ursache schwerer puerperaler Erkrankung zu sein. Er gibt 6 Fälle, von 
denen 8 rapid tödtlich verliefen, und in denen (bis auf einen) der Nach¬ 
weis gonorrhoischer Erkrankung der Frau vor der Entbindung geführt 
ist (in den 3 mit Genesung endenden Fällen Gonococcennachweis aus 
Cervix und dem blennorrhoisch inficirten Auge des Kindes). Beigefügt 
sind einige charakteristische Photogramme von Gonococcen in Eiter¬ 
körperchen, welche von diesen Fällen stammen. Verf. ersehnt eine ge¬ 
setzliche Einrichtung, die nur denjenigen Personen zu heiraten gestattet, 
welche ein ärztliches Zeugniss über ihr Freisein von ansteckenden und 
vererbbaren Krankheiten beibringen. Piukus (Breslau). 

Bykhovski. Cephalee et affections genitales chez la 
fern me. Societe medicale de Kief. ref. in Gazette hebdomadaire de 
medecine et de Chirurgie 1896 Nr. 79. 

Bykhovski stellt, auf 3 eigene Beobachtungen gestützt, die Be¬ 
hauptung auf, dass der hartnäckige, jeder Behandlung spottende Kopf¬ 
schmerz bei Frauen sehr häufig auf gleichzeitig bestehende Genitalaffection 
zu beziehen und durch Behandlung der letzteren zu heilen sei. In der 
Discussion hebt Wosskrescensky hervor, dass besonders häufig Kopf¬ 
schmerz vorkommt bei Frauen, die an Salpingitis leiden. 

Doye (Breslau). 

C&lderini. La gonorrea in relazione colla ginecologia 
e colla ostetricia secondo i piu recenti studi. Gazzetta degli 
ospedali e delle cliniche. 9 maggio 1896. 

Nach einer weitausholenden Einleitung bespricht Calderini de- 
taillirt die Aetiologie, Gelegenheitsursachen, Frequenz, Prophylaxe und 
Prognose der Gonorrhoe des Weibes und die Folgen dieser Erkrankung, 
ohne etwas Neues zu bringen. Therapeutisch verwendet er a) in der 
geburtshilflichen Praxis: während der Gravidität: Urethral- und Vaginal¬ 
spülungen mit hypermangansaurer Kalilösung; intra partum: Sublimat¬ 
spülungen; im Puerperium mit hohen Temperaturen: Spülungen mit 
reinem Wasser. 6) in der gynäkologischen Praxis: Urethral- und Vesical- 
spülungen mit hypermangansaurer Kalilösung; Vaginal-, Cervical- und 
Endouterinspülungen mit Wasser oder hypermangansaurem Kali; eventuell 
locale Aetzungen mit Argentum nitricum bezw. Chlorzink. Bei gonorrhoi¬ 
schen Adnexerkrankungen zunächst Ruhe, Opium, Eis, Umschläge, später 
Ichthyol, Jodtinctur, Jodkali. In veralteten Fällen und bei Verwachsungen 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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der Adnexe mit dem Peritoneum: ira Nothfalle Exstirpation auf dem 
abdominalen Wege. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Callari. Sulla presenza di un bacillo non patogeno 
nella vagina di una donna affetta da vulvo-vaginite ble- 
norragica. Gazzetta degli ospedali e delle cliniche Nr. 101. 1896. 

Callari fand in dem Eiter eines an Vulvo-vaginitis blennorrhoica 
erkrankten 15jährigen Mädchens, ausser zahlreichen Gonococcen, einen 
ihm bisher noch unbekannten Bacillus, den er nicht nur mikroskopisch 
und culturell, sondern auch durch das Thierexperiment auf seine Patho¬ 
genität untersuchte. Er gibt eine genaue Beschreibung dieses „Strepto¬ 
bacillus vaginae“ und hebt hervor, dass er der Form nach dem Wurzel¬ 
bacillus ähnelte, während die Lagerung (Kettenform etc.) an den Bacillus 
des malignen Oedems erinnere. Pathogen ist der Mikroorganismus nicht. 
Es handelt sich wahrscheinlich (Ref.) um einen Kettenbacillus, den man 
nicht so selten in den Präparaten anzutreffen pflegt, wenn man statt 
isolirtem Urethral- bezw. Cervicalsecret gleichzeitig etwas Vaginalschleim 
auf den Objectträger bringt. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Campbell, Highet. Nevro-retinite causee par lagonor- 
rhoe. Annales d’oculistique. Januar 1896 Ref. La Medecine moderne. 
7. Jahrgang Nr. 13, den 12. Februar 1896. 

Der 30 Jahre alte Patient C. H’s aquirirte 3 Wochen nach dem 
Auftreten einer Gonorrhoe, in deren Verlauf Inguinaldrüsenschwellung 
auftrat, eine typische einseitige Neuroretinitis. Da alle anderen ätiologi¬ 
schen Momente auszuschliessen waren, musste die Gonorrhoe als die 
Ursache angesehen werden. Paul Oppler (Breslau). 

Mc. Cann, F. J. Gonorrhoeal Peritonitis. The british me¬ 
dical Journal, Nr. 1877, December 19, 1896. 

Mc. Cann glaubt, dass es bei Eiterungen im Gefolge von gonor¬ 
rhoischer Erkrankung im weiblichen Genitaltractus (Tube) und im Peri¬ 
toneum stets um Mischinfection mit Eitererregern handelt. Den Beweis 
des Vorhandenseins von Gonococcen glaubt er durch die Cultur (auf 
erstarrtem Ovarialkysteninhalt) erbringen zu müssen. 

Pinkus (Breslau). 

Cassine. Trattamento della blennorragia acuta ne 11’ 
uomo. Revue int. de med. et de chir. gennaio 1896. ref in 11 Morgagni. 
9. Maggio 1896. 

Nach einer kurzen Einleitung über den Tripper des Mannes, in 
welcher Cassine hervorhebt, dass die Gonorrhoe keineswegs eine so 
harmlose Erkrankung ist, wie viele Menschen glauben, bespricht er die 
Therapie, die er in die „alte - und „neue“ scheidet. Unter der „neuen - 
Therapie versteht er Spülungen mit grossen Quantitäten hypermangan- 
saurer Kalilosung (1 :6000*0 zi 2000*0); die Applicationsweise wird ein¬ 
gehend beschrieben, der Name Jan et ist nicht erwähnt. Fast stets (?) 
tritt schnelle Heilung bei den subacuten Fällen ein. Wo nicht, so ist 
nach 12—15 Tagen das hvpermangansaure Kali mit Argentum nitricum 
(1*0:1000*0) oder mit Sublimat (1*0:20iN)0*0) zu vertauschen. Betreffs der 


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der Syphilis. 


301 


„alten“ Therapie, die in die locale und innerliche getrennt wird, bringt 
C. nicht viel Neues. Bemerkenswerth ist nur die Behauptung, dass am 
Ende der ersten Woche einer Gonorrhoe stets die Pars posterior mit¬ 
erkrankt ist. Ausser zahlreichen anderen Injectionsflüssigkeiten(Ri cord’sche 
Lösung etc.) empfiehlt C. das sogenannte „Dreisulfatgemisch“ (Aqu. dest. 
400 0 Zinc sulf. Ferr. sulf. und Cupr. sulf. aa 1*0. Mucil. g. arab. 20*0 M.). 
Den Schluss bildet die Aufzählung der Kriterien der Heilung, wobei der 
Hauptwerth auf den negativen Gonococcenbefund nach Instillation einer 
1% Argentumlösung gelegt wird. Die Crippa’sche Methode ist nicht 
erwähnt. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Du Castel. Chancres du canal et blennorhagie. Revue 
generale de clinique et de therapeutique. 9 fevr. 1895. Ref. im Journal 
des maladies cutanees et syphilitiques 1895, p. 244. 

Bei der Besprechung der Differentialdiagnosc zwischen Urethral- 
schankern und Gonorrhoe erwähnt du Castel den serösen Ausfluss, die 
Induration der Glans und der Urethra bei Sclerosen, den reichlicheren, 
öfters blutigen, öfters chocoladenbraunen Ausfluss, das häufige Perforirt- 
werden der Urethra bei Ulcera raollia. Zum Schluss erwähnt Verf. die 
häufig nach Urethralschankern zurückbleibenden Stricturen. Als Therapie 
bei Ulcera mollia gibt er Aetzungen mit 10% Carbolsäure und Einblasen 
von Jodoform oder Salol an. (Warum erwähnt Verf. nicht das sicherste 
Unterscheidungsmerkmal zwischen Gonorrhoe und Urethralschankern, die 
Gonococcenuntersuchung?) Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Chaix. Traitement de l’urethrite blennorrhagique chez 
la femme par les tiges d’ichthyol. Theses de Paris 1895—96. Ref. 
in Gazette hebdomadaire de Medecine et de Chirurgie 1896. Nr. 80. 

Chaix empfiehlt warm die Behandlung mit Ichthyolstäbchen bei 
der Gonorrhoe der weiblichen Urethra, da hierdurch eine innige lang- 
andauernde Berührung des Mittels mit der ganzen erkrankten Schleim¬ 
haut möglich sei. Gleichzeitig rühmt er die schmerzstillende Eigenschaft 
des Medicaments im acuten Stadium der Gonorrhoe. Doye (Breslau). 

Charalambieff et son maitre Balzer. Traitement de la cys- 
tite blennorrhagique chez l’homme. Gazette hebdomadaire de 
medecine et de Chirurgie Nr. 72. 1896. 

Bei der acuten Cystitis im Anschluss an die Gonorrhoe beim Mann 
empfehlen Charalambieff und sein Lehrer Balzer in erster Linie 
die interne Behandlung. Dieselbe besteht ausser in absoluter Bettruhe, 
Enthaltung aller Alkoholica, Kaffee’s, Thee’s und scharf gewürzter Speisen 
in strenger Milchdiät verbunden mit innerlichen Gaben von Alkalien 
(doppelkohlensaurem Natron, Borax) und Antisepticis (bes. Salicyl). Die 
Balsamica möchten die Verfasser für die Cystitiden im Anschluss an alte 
Gonorrhoen aufgehoben wissen. Symptomatisch thuen ferner gute Dienste 
(heisse) Leinbreiumschläge mit etwas Opium oder Bilsenkraut auf’s Ab¬ 
domen; ausserdem Suppositorien mit Narcoticis (Bilsenkraut, Belladonna, 
Opium, Kokain, Ichthyol u. s. w.). Auch Kälteapplicationen auf den Damm 
nützen oft. Bei ganz heftigen Fällen sogar Einführen von Eisstückchen 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


in’s Rectum. Unter dieser Behandlung sieht man die meisten gonorrhoi¬ 
schen %stitiden zurückgehen resp. heilen. Die locale Behandlung erscheint 
erst dann angebracht, wenn die Cystitis anfangt chronisch zu werden. 
Und zwar kommt dann zunächst in Betracht die mechanische Entfornung 
der stagnirenden Secrete durch Ausspülung mit abgekochtem Wasser. 
Will man zugleich auf die Schleimhaut direct einwirken, so nimmt man 
dafür 4% Borsäurelösung. Erst in letzter Reihe kommen Auswaschungen 
von Arg. nitric. 1/500*0, Ichthyol 0*6—1/100*0, Antipyrini 4/100*0, Creolin 
10—15 Gr./250*0 und als allerletrtes Refugium die Guyon’echen In¬ 
stillationen von Arg. nitric. 1—5/100 oder Sublimat 1/5000*0. 

S p i e g e 1 h a u e r (Breslau). 

Cbauinier, Edraond. La blennorrhagie chez le petit 
gar^on; etude pathologique et medicolegale. Journal de Clinique et 
de Therapeutique infantiles. 95 Nr. 28 u. 29. Iieferirt im Journal des mal. 
cut. et syph. 1895, p. 688. 

Der Artikel Chaumier’s über die Gonorrhoe kleiner Knaben bringt 
nichts Neues; er betont, dass im Gegensatz zu der Vulvovaginitis der 
Mädchen, die häufiger durch Instrumente, Waschgeräth u. 8. w., als auf 
geschlechtlichem Wege übertragen werde, die Gonorrhoe der Knaben stets 
durch Connex mit einem weiblichen, gonorrhoisch inficirten Wesen ent¬ 
stehe. Incubation, Verlauf, Complicationen und Therapie unterscheide sich 
in Nichts von der Gonorrhoe Erwachsener. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Chetwood. The Treatment, of FollicularAbscess of the 
fossaNavicularis with Attenclant Fistula. Medical News 1896, 
Nr. 21. 

Chetwood theilt die Fälle von folliculärcr Abscessbildung in 
der Fossa navicularis mit Entwickelung von Fistelgängen in 8 Gruppen: 
incomplete innere, incomplcte äussere und complete Fistelgänge. Für 
alle diese Formen hält er die Spaltung der Urethra von innen nach 
aussen für nothwendig, unter gleichzeitiger Behandlung der Wundflächen 
mit starken Wasserstotfsuperoxydlösungen (25%)- Pinner (Breslau). 

Christian, H. M. Die Dauer der acuten Gonorrhoe. Ame¬ 
rican Association of genito-urinary surgeons. Sitzung am 23. Juni 1896. 
Journal of cutan. and genito-urin. diseases. August 1896. 

Nach Christian ist die Gonorrhoe eine langdauernde Erkrankung 
und ernster, als gemeinhin angenommen wird. In Vs aller uncomplieirten 
Fälle dauert die Heilung 6—10 Wochen; in einer kleineren Zahl von 
Fällen, in welchen nicht die ganze Urethra atficirt ist und sich die 
Erkrankung nur auf die Urethra anterior beschränkt, ist eine vollstän¬ 
dige Heilung schon in 4 Wochen zu erwarten. Es ist wichtig, bevor man 
eine Gonorrhoe für geheilt erklärt, stets eine sorgfältige Untersuchung 
vorzunehmen. — White, Bryson und Judkins stimmen in der Dis- 
eussion dem Vortrage bei. Ledermann (Berlin). 

Cipriani Mielite da infezione b len n or ragica. Iiivista 
clinica e terapeutiea. Marzo 1896, Nr. 3. 


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der Syphilis. 


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Im Anschluss an die Krankengeschichte eines 14jährigen Mädchens, 
welches im Verlaufe einer Gonorrhoe eine Myelitis bekam, die nach Be¬ 
seitigung der Gonorrhoe in 6 Mon. heilte, bespricht Cipriani den gegen¬ 
wärtigen Stand der infectiosen Myelitis und bringt eine Casuistik derje¬ 
nigen Fälle, in denen eine Beziehung der Gonorrhoe zu Entzündungen 
entfernter Organe, speciell des Rückenmarkes, sei es durch echte Meta¬ 
stasen, sei es durch Toxinwirkung — angenommen wurde. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Cognetti de Martiie. Pazzia blennorragica. Annali di 
medicina na vale fase. I. 1896. ref. in Gazzetta degli ospedali e delle 
cliniche 29. Febraio 1896. 

Cognetti berichtet von einem 21jährigen Matrosen, bei welchem 
gleich nach der Acquisition eines acuten Harnröhrentrippers eine Psy¬ 
chose auftrat, die im Wesentlichen den Charakter einer Manie zeigte. C. 
glaubt, dass die psychische Affection sicher durch die Gonorrhoe bedingt 
sei, ebenso denkt der Referent der Gazzetta, welcher diesen Fall in 
Parallele stellt mit den 12 von Venturi publicirten Fällen von Hebe- 
phrenia blennorrhagica. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Colombini. Reazione del pus blenorragico e la vita del 
gonococco. Giornale delle scienze mediche (cardarelli) 15 luglio 1896 
ref. in Gazzetta degli ospedali e delle cliniche. Nr. 95. 1896. 9. agosto. 

Colombini hat den Eiter von 235 männlichen Tripperkranken, 
bei welchen Gonococcen sicher nachgewiesen waren, auf seine Reaction 
untersucht und in 223 Fällen deutlich alkalische Reaction (im Gegensatz 
zuMartineau, Pajot und Castellan) gefunden, die übrigen 12 Fälle 
zeigten neutrale Reaction. Er tritt der schon mehrfach aufgeworfenen 
Frage wiederum näher, ob nicht der mehr oder minder saure Urin im 
Stande ist, bei seinem Durchströmen bezw. bei seinem Verweilen in der 
Harnröhre eine Art Gonococcendesinfection zu bewirken. Seine Befunde 
überdas constante Alkalischbleiben des Harnröhrenlumens auch unmittel¬ 
bar nach der Miction decken sich mit denen Jadassohn’s, dessen diesbe¬ 
zügliche Arbeit („Die Reaction im Lumen der Harnröhre“: dieses Archiv 
Bd. XXIV, Heft 3) noch nicht erwähnt ist. Auch C. kommt zu dem 
Schlüsse, dass unsere Kenntnisse über die Harnröhrenlumenreaction und 
über die Lebensbedingungen der Gonococcen zur Zeit noch keinen Finger¬ 
zeig für die Beurtheilung des Verlaules oder für die Behandlung der 
Gonorrhoe geben. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Combemale, M. F. Un cas de pvohemie blennorrhagique. 
Bullet med. du Nord, 26. juin. La medecine moderne Nr. 54, 1896, 
4 Julliet. 

Combemale berichtet einen Fall von gonorrhoischer Pyaemie 
bei einem 35 J. alten Mann, im Anschluss an einen zwei Monate alten, 
vernachlässigten oder falsch behandelten Tripper, der mit polyarticulärem 
Rheumatismus und einer Nierenentzündung verbunden war. Unter den Er¬ 
scheinungen einer purulenten Bronchitis und Parotitis trat der Tod ein. 
Section verweigert. Spiegelhauer (Breslau). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Comby. Heraorrhagies compliquant la vu1vovagini te 
des petites fi lies. Societe medicale des höpitaux. Gazette hebdoma- 
daire de Medecine et de Chirurgie. 29. Octobre 1896. 

Comby berichtet über 3 kleine Mädchen, die an Blutungen aus 
der Scheide litten und als mit Metrorrhagie (resp. Menstruatio praecox) 
behaftet in das Hospital gebracht wurden. Bei allen dreien bestand eine 
durch Gonocoecen erzeugte Vulvovaginitis. Die Blutung kam aus leicht 
blutenden Granulationsknöpfen am Orificium externum urethrae. 

Pinkus (Breslau). 

Cosh, Mc. Peritonitis in the Male as a Complication of 
Gonorrhoea. Annales of Surgery 1895. Febr. 

Mc. Cosh hat in einem Falle, nachdem Schmerzen bei der Defae- 
cation vorangegangen waren, nach einer Bougirung Schmerzen im Darm, 
Dysurie, Schwellung der Sarnenstränge, Sainenblasen und Prostata, Blutung 
und eitrigen Ausfluss aus der Urethra, Peritonitis eintreten sehen. Bei der 
Laparotomie wurden 3 Quart Eiter entleert, um die Prostata war ein 
förmlicher Eitersack vorhanden; 36 Stunden post operationem trat der 
Exitus ein. Von den 30 Fällen von Peritonitis gonorrhoica beim Manne, 
die Mc. Cosh in der Literatur gefunden hat, sind 9 zur Section gekommen. 

Jadassohn (Breslau). 

Cumston, C. G. Die Therapie der Gonorrhoe d e s W e i b e s. 
Med. St. Frauenarzt. März 1896. lief, in Medico 1896, pag. 173. 

Cumston empfiehlt bei Gonorrhoe des Weibes: 1. bei Infeetion 
der Urethra: Irrigationen der Urethra und der Blase mit Kal. permang.- 
lösung (I : 1O0O—2000.0) pro die eine Irrigation mit 1 Liter; zur Nach¬ 
behandlung bei Fluor ohne (Jonococcen Injectionen mit 1 °/ 0 Ichthyol¬ 
lösung. 2. bei Bartholinitis gonorrhoica: Injectionen von 1% hyperraang. 
Kalilösung, in besonders hartnäckigen Fällen elektrolytische Zerstörung 
der Drüse. 3. bei Uteringonorrhnc im acuten Stadium: Buhe und Mer- 
curial-Belladonnusalbe auf den Leib: gleichzeitig Vaginalspülungen mit 
Sublimat (1 : 10.000). Zur Nachbehandlung: Auswischen des Uteruscavum 
mit 10% Ichthyollösung, eventuell Curetteinent. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Del bet. C i n q c a s d’o r c h i t e blennorrhagiquetraites p a r 
les la vages au permanganate de potasse. Ann. gen.-ur. 1896, 
pag. 922. 

Del bet hat zum Theil schon länger bestehende, zum Theil frische 
Gonorrhoe mit acuter Epididyinitis den Janet'schen Porraanganatspü- 
lungcn unterzogen und glaubt nicht nur nicht geschadet zu haben, son¬ 
dern sogar, abgesehen von dem Erfolge bei der Gonorrhoe, bei der Epi- 
didvmitis genützt zu haben. Besserung machte sich nach der 3. oder 4. 
Spülung schon geltend. Auch bei älteren Nebenhodenentzündungen 
schwand das Infiltrat, so dass I). bei einem der von ihm behandelten 
Patienten mit doppelseitiger alter Epididyinitis den späteren Sperma- 
tozoenbcfimd auf Rechnung der Behandlung zu setzen geneigt ist. 

B a r 1 o w (M ii n chen). 


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der Syphilis. 


305 


Dezanneau. Du rhumatisme blennorrhagique et de son 
traitement. Theses de Paris 1895/96. Ref. in Gazette hebdomadaire 
de Medecine et de Chirurgie 1896, Nr. 80. 

Dezanneau empfiehlt bei dem gonorrhoischen Rheumatismus 
gleichzeitig eine Allgemeinbehandlung mit Balsamicis, interner Dar¬ 
reichung von salicylsaurem Natron und prolongirten urethralen Ausspü¬ 
lungen mit übermangansaurem Kali und eine Localbehandlung der be¬ 
fallenen Gelenke mit den allbekannten bewährten Mitteln. Bei der akuten 
Arthritis befürwortet der Autor besonders allgemein oder locale heisse 
Terpentinölbäder und will die Immobilisirung nur auf ein paar Tage der 
acutesten Erscheinungen beschränkt wissen, um eine Ankylose zu ver¬ 
meiden, wie ihm dies auch in 110 Fällen gelungen ist. Einen chirurgischen 
Eingriff verwirft er. Doye (Breslau). 

Dominä, fl tu de eritique sur les progres realises dans 
le traitement de la blennorrhagie urethrale chez l’homme. 
Theses de Paris 1895/96. Ref. in Gazette hebdomadaire de Medecine 
et de Chirurgie 1896, Nr. 80. 

Dom ine kommt am Schlüsse seiner Arbeit zu dem Resultat, dass 
es keine specifische Behandlung der Gonorrhoe, kein specifisches Anti- 
septicum gegen den Gonococcus gebe; alle angewandten Antiseptika 
seien wirksam, wofern sie nur auf den Gonococcus einwirken könnten. Er 
empfiehlt als bestes Mittel langandauernde Ausspülungen mit Antisepticis 
in dem klinischen Verlaufe entsprechenden Lösungen. Von der Urethro- 
skopie verspricht er sich nur in chronischen Fällen Erfolg. 

Während der Incubationszeit hält er die Abortivbehandlung für 
möglich. In der acuten Periode redet er der antiphlogistischen Methode 
als der besten das Wort. Als eigentliche heilende Behandlung empfiehlt 
er in der subacuten und chronischen Periode eine oder mehrere Serien 
von Massenausspülungen. Trotzdem blieben viele Fälle insofern unheilbar^ 
als eine nicht gonorrhoische Secretion bestehen bleibe. 

Doye (Breslau). 

Dunil, H. Percy. Reraarks on gonorrhoeal iritis. The Brit. 
Med. Journ. 14. Decbr. 1895. 

Dünn bemerkt, dass sich aus den Aussprüchen der verschiedensten 
Autoren die Thatsache entnehmen lässt, dass eine gonorrhoische Iritis 
niemals beobachtet wurde, ohne dass ihr Gelenkerscheinungen voraus¬ 
gingen. Er beschreibt einen Fall gonorrhoischer Iritis, bei dem die In- 
fection mit Gonorrhoe 12—15 Monate vor der Augenerkrankung erfolgt 
war, und der Monate lang an doppelseitiger Kniegelenkentzündung und 
Entzündung des Unterkiefergelenkes gelitten hatte. 

Alfred Sternthal (Braunschweig). 

Elirmann, S. Beiträge zur Therapie der Urethral- 
blennorrhoe und ihrer Complicationen. Zur Therapie der 
periurethralen Abscesse und der Prostatitis blennorrhagiea. Wiener 
medic. Presse Nr. 48 und 49, 1895. 

Archir f. Dermatol, u. Syphil. Bund XXXIX. 20 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


300 


Ehr mann gibt zunächst kurz die nach seiner Erfahrung am 
häutigsten vorhandenen Ursachen für Periurethritis und Prostatis bei 
acuten Blennorrhuen an. Läsionen der Mueosa im Bulbus uretbrae, Epi¬ 
thelrisse in der Eossa navicularis nach zu starken Injectionen nach Coitus 
haben oft die Einwanderung von Gunoeoccen oder anderen ^Mikroorga¬ 
nismen zur Folge. — Die Therapie der Periurethritis soll symptomatisch 
und auch direct gegen die pathogenen Organismen gerichtet sein; dem¬ 
nach Bromnatron gegen die schmerzhaften Erectionen. Ichthyol in Form 
von Cacaobutter suppositorien (0.02 Ichth. pro bacillo.) oder auch Irriga¬ 
tionen mit schwachen Ichthyol-Lösungen gegen die Eiterung. Bei dro¬ 
hendem Durchbruch der Abscesse durch die Haut Ichthyolpimelungen oder 
Salben und Incision mit nachherigem Iclithyolverband. E. zieht das Ich¬ 
thyol hier deshalb dem Jodoform vor, weil ersteres leicht mit Ol. Eu¬ 
calypti und Ol. Citronellae aus 2.5% auf Ichth\ol berechnet geruchlos 
gemacht werden kann. — Bei parenchymatöser Prostatitis: Absolute 
Bettruhe, Mastdarmkühler, Ichthyolsuppositorien, die besser als Jodsuppo- 
sitorien wirken und niemals zu Intuxicationen Veranlassung g»d)en. — 
Bei eingetretener Suppuration Eröifnung vom Perinäum aus und zwar 
nach Ablösung der Mastdarmschleimhaut nach v. Ditter. Eiiifache Spal¬ 
tung per rectum hält E. für lebensgefährlich. — Kef. hat 0 Fälle schwerer 
Prostataabscesse Vom Mastdarme aus operirt, ohne jede Coinplication des 
Wundverlaufes, allerdings jedoch bei vorheriger Entleerung und Tam- 
j)onirung des Kectums mit Jodoformgaze und völliger Huhigstellung des 
Darmes durch die ersten d—4 Tage. Uli mann (Wien). 

Fressei, B. Eudocarditis gonorrhoica; Inaugural.-Disser¬ 
tation. Leipzig L S !H. 

Nach Aufzählung der aus der Literatur bekannten mehr oder 
minder sicheren Fällen von Eudocarditis gonorrhoica, die z. Th. sehr 
ausführlich angeführt werden, berichtet Fressei über einen Fall eigener 
Beobachtung aus dem pathologischen Institut zu Leipzig. Es handelt sich 
um ein 2(i J. altes Dienstmädchen, das moribund dem Krankenhause 
überliefert wurde. Die klinische Diagnose lautete: Oedema pulmonum, 
Kheumarthritis pedis acuta, die anatomische Hauptdiagnose: Eudocar¬ 
ditis ulcerosa, Perioration des Aortensegels der Mitralis; Gonorrhoe. 
Die Diagnose „Gonorrhoe“ gründete sich auf Böthung der Schleimhaut 
von Urethra und Vagina. Eine mikroskopische Untersuchung des eitrigen 
Seeretes, das spärlich in der Harnblase enthalten war, reichlich die Va- 
ginalschleimliaut bedeckte und das sich aus einer kirschgrossen Pro¬ 
minenz an der linken Seite der Vagina nahe dem Eingänge entleerte, 
wurde nicht vorgenommen. Die Eudocarditis war hauptsächlich auf die 
Aortenklappen localisirt. Mikroskopisch bestanden die ca. huntkorngrossen 
v.eissen Ablagerungen aus Eibringerinnsel und Blutinseln. In Schnitten 
landen sich in denselben bei b ärbung mit wässriger Meth\ lenblaulösung 
grosse Hasen von Diplococcen, „die den N eisserschen sehr ähnlich 
waren“. Die Semmcllorm war nicht deutlich ausgeprägt; sie lagen z. Th. 
innerhalb der Zellen, nach der Gralirschen Färbung waren sie nicht 


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der Syphilis. 


307 


sichtbar. Andere Bakterien fanden sich nicht; Züchtungsversuche wurden 
nicht vorgenommen. Dreysel (Leipzig). 

Gigii. Un excellent moyen de faciliter l’introductiou 
de la sonde urethrale Gazette medicale de Strasbourg. Ref. 
in la raedicine moderne Kr. 57. 15. Juiliet 1896. 

Gigii ist in drei Fällen, in welchen alle vorher gegangenen Kathe- 
terisirungsversuche vergeblich gewesen waren, durch ein Verfahren zum 
Ziel gekommen, welches sich dem Guyon’s anlehnt. (Guyon: Erwei¬ 
terung der Harnröhre vor der Katheterisirung durch unter Druck einge¬ 
spritzte Flüssigkeit.) Gigli’s Verfahren ist kurz Folgendes: Ein dünnes 
Glasrohr, auf welches der Schlauch eines, 1 M. hoch aufgehängten, mit 
warmem Salicylwasser gefüllten Irrigators gestülpt ist, wird in die Harn¬ 
röhre eingeführt. Die Eichel wird fest an die Glasröhre angedrückt, 
damit die unter Druck einströmende Flüssigkeit nicht herauslaufen kann. 
Dann wird unterhalb der Glasröhre die Harnrührensonde (Katheter?) 
eingeführt, welche dann leicht das Hinderniss, die Verengerung (Strictur V 
Hypertrophie der Prostata? oder nur SphinkterkrampfV) überwinden soll 
in Folge der günstigen Einwirkung der Wärme und des Druckes der ein¬ 
strömenden Flüssigkeit. Spiegelhauer (Breslau). 

Grandcl^ment. Necessite de reviser le traitement des 
ophthalmies du nouveau-nc. Soc. des Sciences medicales de Lyon. 
20. II. 1895 La Provinc^ medicale. 1895. Kr. 8, p. 93. 

Grandclement betont die Notlnvendigkeit bei jeder Ophthalmie 
der Neugeborenen das Secret zu untersuchen, da es sehr viele Fälle ohne 
Gonococcen gibt. Diese heilen sehr gut durch häutige Waschungen mit 
antiseptischen aber nicht faustischen Flüssigkeiten; man soll Argentum 
nitricum uud Sublimat hierbei geradezu vermeiden, da diese Mittel oft 
und mehrere Wochen hindurch angewendet, unheilbare Trübungen der 
Cornea hervorrufen. Auch die wirklichen Gonorrhoen in der Conjunctiva 
sind meist benigne, und heilen durch dieselbe längere Zeit angewendete 
Behandlungsmethode. Nur in besonders schweren Fällen muss man neben 
der antiseptischen nicht faustischen Behandlung auch Argent. nitricum 
in starker Lösung vorsichtig und nicht zu oft — anwenden. Als nicht 
ätzendes Antisepticura wird neben Borsäure und hypermangansaurem 
Kali (1 :5000) besonders Argentum nitricum 1—2: 1000 empfohlen. 

Jadassohn (Bern). 

Gravagna. Süll’ isotoniadel sangue nei blennorragici. 
Gazzclta degli ospedali e delle cliniche. Nr. 90. 1896. 

Gravagna hat an Tripperkranken im acuten Stadium und bald 
nach Beendigung der Krankheit Blutuntersuchungen angestellt [a) Iso- 
toniebestimmungen nach Hamburger-Mosso, b) Blutkörperchenzählung 
(Färbung mit T o i s o n) M a 1 a s s o z’scher Apparat, c) Hämoglobinbestimmung 
nach Fl eis cli 1] und kommt zu folgenden Schlüssen: 

1. Während der acuten Periode der Infection ist die 
mittlere und minimale (n. b. die maximale wurde nicht bestimmt) Re¬ 
sistenz vermindert, 2. während der Dauer der Krankheit sind die rothen 

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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Blutkörperchen beträchtlich vermindert, die weissen vermehrt. 3. Am 
Schluss der Krankheit ist die mittlere Isotonie nur 1—2 Grad ver¬ 
mehrt, während die minimale Resistenz eine ziemlich deutliche Vermehrung 
zeigt.. 4. Zu dieser Zeit erreichen die rotlien Blutkörperchen nahezu die 
normale Zahl, ebenso wie die weissen. Ferdinand Epstein (Breslau). 

H&enlein. L eber Gonorrhoe der paraurethralen Gänge. 
I.-D. Boün 1894. 

Haenlein veröffentlicht ausser einer kurzen das ganze Gebiet der 
gonorrhoischen Erkrankungen umfassenden Uebersicht, die Kranken¬ 
geschichte und den Befund eines Falles von gonorrhoisch erkranktem para¬ 
urethralen Gange. 

Eine Excision ermöglichte die histologische Untersuchung des¬ 
selben. Auffällig an dem Befunde ist, dass H. als Auskleidung des Ganges 
nur Pflasterepithel feststellen konnte, dessen Zellen allerdings in der Tiefe 
etwas länglich wurden. 

Gonococeen fanden sich in den Schnitten (Unna’sche Methylen¬ 
blaufärbung) in grosser Zahl frei im Lumen des Ganges, auf den Epi- 
thelicn, in den Spalten zwischen denselben, sowie innerhalb der Epithelien. 

Paul 0ppler (Breslau). 

Hawkins, A. New l : rethroscope. Medical News. Vol. LXVI1I, 
Nr. 21, d. 23. Mai 189(3. 

Hawkins hat sich ein Urethroskop nach dem Princine des Oph¬ 
thalmoskopes coiistruirt. 

Es besteht aus einem Tubus (gleich dem des Klotz’scheu Endo- 
scopes), welcher an einem L-förmigen Gestelle befestigt ist; andern gegen¬ 
überliegenden Schenkel dieses Gestelles ist durch ein Kugelgelenk ver¬ 
bunden ein central durchbohrter Retleetur angebracht. Die Lichtquelle, 
ein kleines Glühlämpchen, befindet sieh in der Mitte zwischen beiden am 
Ende des Handgriffes mit welchem das Instrument gehalten wird. 

Das Instrument zeichnet sieh durch geringes Gewicht aus, sowie 
durch die Möglichkeit die Lichtquelle vollkommen auszunützen, da sieh 
das Auge in der optischen Axe des Objectes befindet. Endlich gewährt 
es weiten Spielraum für therapeutische Eingriffe. 

Eine beigegebene Abbildung macht die Art der Anwendung ver¬ 
ständlich. Mit passenden Speculis armirt ist dasselbe Instrument auch 
zur Untersuchung von Ohren und anderen Höhlen geeignet. 

Paul 0 pp ler (Breslau). 

ItawkiliN. Death Front Gonorrheal Rheumatism. Medical 
News Vol. LXYI1I, Nr. 24. den 13. Juni 1893. 

Hawkins 22 Jahre alter Patient kam zu ihm wegen einer acuten 
Gonorrhoe, entzog sieh jedoch leichtsinniger Weise der regelrechten Be¬ 
handlung und kam erst nach ca. 10 Tagen wieder mit der Klage über 
»Schmerzen an verschiedenen Körpert heilen. 

Den nächsten Tag wurde II. zu ihm gerufen und fand ihn deli- 
rirend uud hoch fiebernd. Er klagte jetzt über Schmerzen in beiden 
Handgelenken, welche auch eine geringe Schwellung aufwiesen. 


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der Syphilis. 


309 


Am dritten Tage Hessen die Delirien nach, die Gelenkschmerzen 
besserten sich etwas auf Jodkali, Morphium, Ichthyolsalbe, heisse Bäder etc., 
das Fieber hielt an. Der Urethralausfluss war seit dem ersten Fieber¬ 
tage verschwunden. Ara 9. Tage begann die Herzthätigkeit schlecht 
zu werden, leichtes Coraa trat auf und unfreiwillige Mictionen und Defae- 
cationen. Bewegungen des rechten Armes waren schmerzhaft; das Ellen¬ 
bogengelenk dieser Seite war etwas geschwollen und schmerzempfindlich. 
An diesem Zustaude änderte sich nichts, das Coma wurde tiefer, am 
19. Tage erfolgte der Tod. (Leider fehlen die Angaben über einen even¬ 
tuellen Sectiousbefund. Ref.) Paul Oppler (Breslau). 

V. Hibler. Ueber das constante Vorkommen von Spalt¬ 
pilzeinschlüssen in den Zellen bei Eiterungsprocessen des Menschen, 
nebst experimentellen Beiträgen zur Kenntniss und diagnostischen Be¬ 
deutung solcher Befunde. Centralblatt für Bakteriologie u. s. w. XIX. Bd., 
Nr. 2/3 und 4/5 d. 23. Januar 1896. 

Behufs Feststellung der Umstände, unter denen sich Mikrobenein¬ 
schlüsse in Zellen finden und der Ausdehnung, in welcher sie sich finden, 
hat v. Hibler Untersuchungen angestellt an 

1. Eiterungsprocessen beim Menschen (Osteomyelitis, Hautfurunkel, 
Abscesse, Drüseneiterung, eitrige Parotitis, Gonorrhoe des Mannes, Proc- 
raastoideuseiterung, Phlegmone, eitrige Meningitis, Thrombophlebitis). 

2. experimentellen Impfungen mit 20 verschiedenen Reinculturen, 
von denen 10 aus obigen Fällen gezüchtet waren. Mit diesen wurden 
weisse Mäuse, Kaninchen, Meerschweinchen oder Hunde intraperitoneal 
geimpft und zwar a) mit lebensirischen, b) durch Formalin abgetödteten 
Culturen. 

In sämmtlichen Fällen der ersten und zweiten Gruppe wurden die 
betreffenden Spaltpilze in reichem Masse in Zellen eingeschlossen gefunden. 

Hauptsächlich waren die betroffenen Zellen polynucleäre Leuko- 
cyten, in geringerer Zahl mononucleäre, im gonorrhoischen Eiter auch 
Epithelien, in dem einen Osteomyelitisfalle auch grosse Markzellen, und 
in den Thierversuchen bei Entnahme des Exsudates in vorgerückter Zeit 
nach der Infection auch stets Bauchfellepithelien. Stets war das Proto¬ 
plasma, nie der Kern betroffen. 

Es ist nicht angängig hier all’ die Einzelbeobachtungen H’s. zu 
referiren; sie sind im Originale, dessen Verständniss durch 2färbige Tafeln 
sehr erleichtert wird, nachzulesen. Zu folgenden Schlüssen gelangt H.: 
Es ist eine bei den verschiedensten Eiterungsprocessen zu constatirende 
Thatsache, dass die betreffenden Eitererreger in die Leukocyten aufge¬ 
nommen werden. 

Dieser Thatsache gegenüber muss von vornherein Befunden von 
Spaltpilzeinschlüssen in Zellen, der Werth eines bei der diagnostischen 
Bestimmung gewisser Spaltpilzarten entscheidenden Criteriums, abge¬ 
sprochen werden. 

Diese Auffassung ist auch bei den 2 Arten von Kokken berechtigt, 
bei deren Diagnose man bisher ein mehr oder minder grosses, ja ent- 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

scheidendes Gewicht auf ihr Vorkommen innerhalb der Zellen zu legen 
gewohnt war, nämlich dem Gonocoecus (Neisser) und dem Diplococeus 
intracellularis (Weichseibauin). 

Es seien nur kurz H’s. Ergebnisse betreffend den Gonocoecus 
angeführt. 

a) Morphologie: II. hat sicher festgestellt, dass Staphylococcen 
sich innerhalb der Zellen vorwiegend in Form von paarigen und auch 
von höheren Verbünden finden, welche zum Verwechseln ähnlich sind 
den Bildern, wie sie für die Gonococcen als charakteristisch bezeichnet 
werden. 

b) Tinctoriell es Verhalten: Die G ram’schc Methode liefert 
bei Gonococcen, welche durch alle Cultureigensohaften sicher gestellt 
sind, unter gewissen Umständen ein wechselndes Ergebniss. Lässt man 
Ausstrichprüparate von frischem Trippereiter 10—20 Std. im Harn oder 
physiologischer Kochsalzlösung i behufs Feuchterhaltung) stehen, so fällt 
die G ram'selie Färbung ungleichmassig aus; es finden sich dann in- und 
extracellulär gefärbte und entfärbte Individuen neben einander. Andere 
Mikroorganismen verhalten sich aber ganz ähnlich. Als Grund hierfür 
sieht II. secundär nach dem Absterben eintretende Veränderungen an. 
Andrerseits wieder entfärben sich Stapliylococous aureus- Üulturen, wenn 
sie von Culturen stammen, die schon längere Zeit auf künstlichem Nähr¬ 
boden (Zuckeragar) fortgeimpft und aufbewahrt waren, bei der G ram¬ 
schen Behandlung gleichzeitig oder wenig später, als die Gonococcen 
eines frischen Trippereiters. 

c) Localisation: Die Localisation in der Zelle hat nach H\s. 
Befunden durchaus keine für die Diagnose des Gonocoecus speeifisek zu 
verwertende Bedeutung. Ebenso wie die bisher für die Gonocoecen-Dia- 
gnose verwerteten rein morphologischen oder tinctoriellen Merkmale und 
ihr intracelluläres Vorkommen nicht Stich halten, so reicht auch ihre 
Vereinigung nicht aus. Die den Beschluss bildenden Ausführungen zur 
Frage der Phagocytose sind im Originale nachzulesen. 

Paul Oppler (Breslau). 

Iiotaling. The Use of Permanganate of Zinc in the 
Treatment of Gonorrhea, with a Report of Fifty Gases. — Medical 
News Novbr. 7. 189ib 

Iiotaling ordinirt nach Ablauf der acut entzündlichen Urethritis 
(3 Wochen) Injectionen von Zinc-perraanganat (()■ 1—0-3%) 4—5 Mal pro 
die. Er erzielte damit bei acuter Urethritis schnelle Heilung (9 Tage) 
und war auch bei der chronischen Entzündung der Urethra mit seinen 
Erfolgen zufrieden. Nur in wenigen complicirten Fällen versagte die 
Heilung. P inner (Breslau). 

Ilowald. Behandlung der Gonorrhoe mit Airol. Corres- 
pondenzblatt für schweizer Aerzte. Nr. 21, 189(1. 

Howald berichtet über die Resultate, welche in der Berner 
Hautklinik mit Airol bei Tripperkranken gemacht wurden. Die Form, in 
welcher das Airol aiigewendet wurde, war die von Leg neu und Levy 


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der Syphilis. 


311 


angegebene Glycerinenmlsion (Airol 2.0, Aqu. destill. 5.0, Glycerin 15.0); 
hievon wurde wöchentlich 2 Mal je 10 Ccm. eingespritzt. Von 20 acuten 
Gonorrhoen wurden 12 in kurzer Zeit (nach 3—5 Injectionen) ohne Secret 
und Fäden entlassen; 6 hatten bei der Entlassung noch Fäden ohne 
GC. im 1. Urin. Weniger günstig fielen die Resultate bei 11 Patienten 
mit chronischem Tripper aus, jedoch immer noch so, dass Howald „das 
Airol wegen seiner exquisit secretionsbehindernden Wirkung“ zur Behand¬ 
lung der Gonorrhoe warm empfiehlt. — Eine Controle auf Gonococcen- 
freiheit durch Provocation scheint in keinem Falle gemacht worden zu 
sein. (Ref.) Ferdinand E p stein (Breslau,). 

Jahn, lieber die Complicationcn der Gonorrhoe, ins¬ 
besondere einen Fall von geheilter acuter eitriger, metastatischer Irido- 
Chorioiditis. (Inaug.-Diss. Berlin 1803.) Ref. nach Baumgartens Jahres¬ 
bericht. IX. Jahrg., S. 92. 

lieber einen Fall von metastatischer gonorrhoischer Irido-Chorio- 
iditis berichtet Jahn; es ist dies der 7., der überhaupt beobachtet ist. 
Es fand sieh zwar in dem betreffenden Fall keine Arthritis gonorrhoica, 
nichts destoweniger glaubt der Autor das Zustandekommen einer gonor¬ 
rhoischen Metastase erklären zu müssen durch das Vorhandensein einer 
wenn auch geringgradigen Endocarditis ulcerosa: nach Ansicht des Ver¬ 
fassers — natürlich handelt es sich nur um Vermuthungen — können 
beim Zustandekommen einer Metastase auch die von den Gonococcen 
gebildeten Ptomaine eine gewisse Bedeutung haben. Eine mikroskopische 
Untersuchung des Augeninhaltes bei Iridochorioiditis auf Gonococcen 
wurde leider noch in keinem der rnitgetheilten Fälle vorgenommen. Nur 
wenn diese Bedingung erfüllt, lässt sich diese hochinteressante und wichtige 
Frage entscheiden. Joh. Fabry (Dortmund). 

Janet. 11 trattamento abortivo della blennorragia. 
Gazzetta degli ospedali e delle cliniche. Nr. 136, 1896. 

In der Association francaise d’urologie fand eine Discussion über 
„die Abortivbehandlung der Gonorrhoe“ statt. An derselben nahmen 
theil: Janet, Nogues, Eraud, Guiard und Desnos. Die Discussion, 
deren Einzelheiten sich zur Wiedergabe in einem kurzen Referat nicht 
eignen, betraf im Wesentlichen die Frage der Berechtigung der Be¬ 
zeichnung: „Abortivbehandlung“ und die Definition dieses Ausdrucks; 
ferner: die Art der Ausführung dieser Therapie. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Jean§elm e. Troubles t r o p h i q u e s d a n s 1 a b 1 e n n o r r h a g i e. 
Presse medicale 2S. December 1895. Ref. Gazette hebd. de Sied, et de 
Chir. 43. Jahrg. Nr. 18, d. 1. März 1896. 

Der Fall Jeanselms bekam 1 Woche nach seiner gonorrhoischen 
Infection eine Polyarthritis; 3 Wochen später an den Füssen symmetrisch 
auftretend eine Eruption bestehend aus Hornbildungen verschiedener 
Grösse. Arzneiwirkung oder Lues waren auszuschliessen. J. nimmt die 
Gonorrhoe als Ursache an, und zwar glaubt er an tropliische, von einer 
Rückenmarkerkrankung ausgehende Störungen. Paul O p p le r (Breslau). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Iliinsky. D u traitement de la blennorrhagie par l’ich- 
tyol et l’ongucnt mercuriel. Ref. La Semaine Medicale 16. Jahrg. 
Nr. 12, d. 4. März 1896. 

Iliinsky behandelt acute Gonorrhoeen mit Injectionen einer 
2—8°/ 0 wässrigen Ichthyollösung, steigt eventuell bis zu einer 5 und 6° <0 
Lösung und erzielt bei gleichzeitiger Beobachtung hygienischer Vor¬ 
schriften (Ruhe, Abstinenz in Baccho et Venere etc.) gewöhnlich inner¬ 
halb von 8—10 Wochen Heilung. Immer versagt diese Therapie, wenn 
coraplicatorisch Prostatitis vorhanden war. In diesen Fällen bewährt sich 
ausgezeichnet — Heilung manchmal schon in 14 Tagen — die tägliche 
Application von 8uppositorien, w r elche 0.6 unguent. cinereum enthalten. 
Therapie der chronischen Gonorrhoe: 5—G Tage hindurch Injectionen 
von Lanolin 10.0 auf Aqu. Destillat. 300,0, dann von 2°/ 0 Ichthyollösung, 
ausserdem alle 2 Tage Blasenspülungen mit 2 ü / 0 Borsäurelösung. Genügt 
dies nicht, so führt I. alle 2 l äge ausserdem elastische Gummibougies 
ein, welche mit 

Unguent. ein. dupl. 15*0 

Lanolin 

Vaselin aa 8*0 

bestrichen sind, und 30—40 Minuten jedesmal liegen bleiben. Diese Be¬ 
handlung soll zu einer rapiden Beschränkung des Ausflusses, allerdings 
mitunter auch zu Stomatitis führen. Bei Prostatitis ausserdem noch in¬ 
nerliche Jodkalidarreichung. Bei gonorrhoischen Stricturen Dilatation 
mit Metallsonden, die mit obiger Salbe bestrichen sind und für die 
Nacht dann Application von Urethralstäbchen folgender Zusammensetzung: 

Ichthyol 0*5 
Butyr. Cacao. 

Olei Olivar. 

Lanolin pur. aa qu. s. ut. f. bacilli VIII. 8 Cm. lang. 

Paul Oppler (Breslau). 

Jullien. Bl ennorrhagie ano-rectale. X. Congres fran<;ais de 
Chirurgie. Gazette hebdomadaire de medecine et de Chirurgie. 29. Oc- 
tobre 1896. 

Jullien hat 10 Fälle von Anal- und Mastdarmgonorrhoe beobachtet. 
Als Grund wurde in einer Anzahl die Infection durch Coitus per anuru 
festgestellt, in den übrigen wurde das Herabrinnen des Vaginalsecrets ange- 
schuldigt. Subjective Beschwerden fehlen fast vollkommen. Objectiv findet 
man Condylome von eigentümlich charakteristischem Aussehen, Fissuren 
und gonococcenhaltigen Ausfluss. Einmal wurde das Entstehen eines In¬ 
filtrats in der Mastdarmmucosa beobachtet. Jullien weist auf die Mög¬ 
lichkeit hin, hier die Aetiologie der (bei Frauen häutigeren) Mastdarm- 
stricturen zu finden. Die Behandlung ist fast machtlos, 5—6 monatliche 
Behandlung führte zu keinem Heilerfolg. Pinkus (Breslau). 

Jullien. Note sur Pulceration b lennorrhagique. Societe 
de Medecine. Sitzung v. 21. Mai 1896. Ref. La Medecine moderne. 7. Jahr¬ 
gang. Nr 42, d. 23. Mai lb96. 


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der Syphilis. 


313 


Nach Jullien vermag der Gonocoecus auf den Schleimhäuten, 
in deren Secrct er sich findet, resp. über welche er hinwegfliesst, Ulcera- 
tionen zu setzen. Die Erosionen können schankriform aussehen und die 
Grösse eines 20 Centimesstück erreichen. Auf der Analschleimhaut können 
sie unter dem Bilde einer Fissur auftreten. 

Solche Excoriationen und Fissuren zeigen keine Tendenz zur Heilung; 
man kann auf ihrer Oberfläche leicht den Gonocoecus nachweisen. 

Nach Leloir sind es richtige Pyodermitiden, durch den Urethral¬ 
eiter verursacht. 

Dass sich in ihnen ausserdem Ulcera mollia etabliren können ist 
selbstverständlich, ebenso auch luetische; wir können daher beide Misch¬ 
formen finden. Paul 0ppler (Breslau). 

Rast. Ueber einen Fall von Stomatitis gonorrhoica 
eines Neugeborenen. Inaug.-Diss. Bonn 1894. 

Rast bespricht im Anschluss an einen in der Bonner Frauen¬ 
klinik beobachteten Fall von Stomatitis gonorrhoica eines Neugeborenen 
eingehend die Aetiologic, das klinische Bild, die Diagnose, Prognose und 
Therapie dieser Erkrankung und bringt die bisher über diese Krankheit 
publicirte Literatur. Ferdiuand Epstein (Breslau). 

Keersmaecker. Le röle des glandes de Littre dansl’ure- 
thrite chronique. Ann. gen.-ur. 1896, pag. 728. 

Keersmaecker bringt eine allgemeine Besprechung über die 
Wichtigkeit der Diagnose besonders der chronischen Gonorrhoe. Er weist 
darauf hin, dass Ausfluss und Fadenbildung im Urin eine Zeit lang ganz 
fehlen können, ohne dass der Process deshalb erloschen sein müsse, da 
manchmal die erkrankten Drüsen zeitweise verschlossen seien, für ihn gibt 
sichere Diagnose in solchen Fällen nur das Endoscop und zwar unter¬ 
scheidet er 2 Formen chronischer ^Drüsenerkraukung: eine solche, bei 
der der Drüsenausgang mit der Harnröhre communicirt und eine solche, 
bei der der Drüsenausführungsgang geschlossen ist, Heilung erfolgt am 
besten durch Dilatation, unterstützt durch Adstringentien und Caustica. 
Immer aber muss die Endoscopie die Richtschnur für die Diagnose und 
Therapie angeben. Barlow (München). 

Kiefer, F. Zur Differentialdiagnose des Erregers der 
epidemisch en Cerebrospinalmeningi tis und der Gonorrhoe. 
(Berl. klin. Wochenschr. 1896 Nr. 28). 

Ein Fall Fürbringer’s, der gleichzeitig Cerebrospinalmeningitis 
und Gonorrhoe darbot, gab K. Gelegenheit, vergleichende Untersuchungen 
zwischen den Erregern dieser Krankheiten anzustellen. 

Als wesentlichste histologische Unterscheidungsmerkmale sind fest¬ 
zuhalten die Variabilität der Grösse der Meningococcen und deren enorme 
Anzahl, zwei Eigenschaften, die den Gonococcen nicht in gleichem Masse 
zukommen. Dagegen können beide Coccenarten in den Kernen Vorkom¬ 
men und haben keine Kapseln, wie Jäger behauptet. Der Hof um den 
Meningoooccus wird vielmehr von K. als schleimige Secretionsschicht der 
Stoffwechselproducte der Coccen angesehen. 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Marcanter sind die Unterschiede in cultureller Beziehung. Der 
Meningococcus zeigt erhebliche Neigung zur Coniluenz und wächst 
auf Glycerinagar. 

Nach den Resultaten Iv's. wird man in zweifelhaften Fällen nicht 
umhin können, sich dieser letzteren Culturmethode zu bedienen, zumal 
die angegebenen histologischen Merkmale sich für die DitTerentialdiagnose 
voraussichtlich nicht immer verwerthen lassen. 

K. Hcrxheimer (Frankfurt a. M.). 

Kob, Johannes. 1) i e Bedeutung des Gonococcenna c h- 
weises für die gerichtliche Med i ein. Inaugural-Diss. zur Er¬ 
langung der Doctorwürde am 5. Juni 1894 an der Friedrich-Wilhelm 
Universität zu Berlin. 

Kob schildert in grossen Zügen, welchen Umschwung die Go¬ 
norrhoefrage seit Nöggerath : die latente Gonorrhoe des weiblichen Ge¬ 
schlechtes (1872) und seit Neisser: Entdeckung des Gonococcus (1879. 
erfahren; wie beiden Autoren mancherlei Anfechtung (La wson - T w i k. 
Diseases of Woman and abdominal Surgery 1889) zu Theil geworden; 
wie dann Wert he im, Bumrn, Wel ander, Steinschneider und 
Andere mehr die Lösung der Frage gefördert, durch Nachweis der 
Gonococcen auch bei chronischer Gonorrhoe und durch Cultivirung der¬ 
selben. Vor der N e i s s e Eschen Entdeckung hatte man die Vulvo-vagi- 
nitis der kleinen Mädchen als eine Folge von Dvskrasie, Lues, Tuberculose 
u. s. w. aufgefasst; als man nun jetzt auch bei dieser Erkrankung Gonococcen 
fand, eröflhete sich für die forensische Medicin eine neue Perspective, 
besonders bei der Frage des Stuprum, der bekanntlicherweisc noch oft 
in dom Wahn begangen wird: ein Tripper heile durch Berührung eines 
unschuldigen Mädchens. Der Verfasser berichtet nun einen ihm von 
Strass mann zur Verfügung gestellten Fall, in dem ein Arbeiter, 
der (unbewusster Weise) an chronischer Gonorrhoe litt, an einem 8jährigen 
Mädchen ein Sittlichkeitsverbrechen begangen hatte. Interessant ist in 
diesem Fall, dass die Uebertragung des Contagium durch die Finger des 
Mannes stattgefunden haben soll und dass schon vier Tage nach dem 
Verbrechen sieh reichlicher Ausfluss gefunden, weswegen vom Gericht 
auch nur auf Sittlichkeitsverbrechen erkannt und für die Gonorrhoeerkran¬ 
kung dem Attentäter nicht die Schuld gegeben wurde. Kob kommt dagegen 
mit Hinweis auf eint* Beobachtung Casperhs zu dem Schluss, dass sehr 
wohl die Vulvo-vaginitis des Kindes 4 Tage post Infectionem einen 
reichlichen Ausfluss zeigen könne, da beim Kind doch entschieden die 
Nährbodenverhältnisse u. s. w. andere sind als beim Erwachsenen. 

Spiegelbauer (Breslau). 

Kopytowski. De la frequence des gonocoques et aut res 
b a c t e r i e s d a n s 1Y* c o u 1 e m e n t du c o 1 eher 1 e s p r o s t i t u e e s d e- 
clarees saines. Krön. Lek. 1895, Nr. 3. Keferirt im Journal des mal. 
cut. et ßyph. 18;KL pag. 115. 

Kopytowski untersuchte 193 bei der Controle für gesund er¬ 
klärte und keinerlei Anzeichen von Gonorrhoe habende Prostiluirte auf 


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der Syphilis. 


315 


den Bakteriengehalt des Uterussecrets und fand bei 15 (also in 8%) 
Gonococcen und bei 68 (also in 41%) andere unbestimmte Bakterien. 

Paul Neisser (Beuthen 0- S.) 

Kroum Kambrusseff. De l’arthrite blennorrhagique chez 
le Nouveau-ne. These Nancy 1895—1896. 

Kambrusseff beweist, dass die gonorrhoische Arthritis beim 
Neugeborenen so häufig ist wie in der zweiten Kindheit; sie ist mono-, 
seltener oligo-articulär, betrifft (nach K.) fast immer das Knie, nie die 
kleinen Gelenke; sie dauert 15—20 Tage und involvirt sich vollständig. 
Die Prognose ist gut, die Therapie exspectativ. Die Arthritis wird durch 
den Gonococcus direct erzeugt. Jadassohn (Bern). 

Laborde, Jean. Contribution ä l’ötude de la vulvo-vagi- 
nite despetites filles. Recherches personnelies de bacteriologie cli- 
nique. Nr. 346 (Steinheil). (These de la faculte de Paris.) Gazette heb- 
domadaire de medecine et de Chirurgie. Nr. 56. 12. Juillet 1896. 

Ausser dem verschiedenen secundären (im Anschluss an andere 
Krankheiten) Vulvovaginitiden und der traumatischen (Stuprum) Vulvo¬ 
vaginitis gibt es noch zwei Arten von Vulvovaginitis: 

1. eine von Laborde als einfache, katarrhalische Vulvovaginitis 
bezeichnete Krankheit, hervorgerufen durch normalerweise in der Vagina 
vorhandene Saproplivten und 2. eine specifische Vulvovaginitis, hervor¬ 
gerufen durch den Gonococcus Neisser. Letztere erfordert eine sofortige, 
energische Behandlung, da sonst alle bei Gonorrhoe bekannten Complica- 
tionen ein treten können. Spiegelhauer (Breslau). 

Lanz. Ueber den diagnostischen Werth der mikrosko¬ 
pischen Untersuchung der weiblichen Genitalsecrete. 
Allg. Medic. Ctrl.-Ztg. 1896. Nr. 68. 

Lanz hat auf der ihm unterstehenden Weiber-Abtheilung des 
Mjassnitzky-Hospitals in Moskau bei 200 Prostituirten methodische Unter¬ 
suchungen auf Gonococcen durchgeführt und kam hierbei zu dem nach 
Neisser’s Vorgang von verschiedenen Untersuchern gezeitigten Resultat: 
dass das makroskopische Aussehen des Secretes durchaus nicht immer 
seinem mikroskopischen Charakter entspricht und dass eine richtige 
Diagnose und somit auch Behandlung des gonorrhoischen l’rocesses bei 
Frauen ohne genaue und mehrfache Untersuchung der Genitalsecrete 
unmöglich ist. Stein. 

Larrien. Un traitement simple et efficace de la blen- 
norrhagie aigue Paris. Librairie Lefrangois 1896. 

Nach einem Ueberblick über die bisherige Therapie des männlichen 
Trippers hebt Larrien die Unzulänglichkeit aller diesbezüglich em¬ 
pfohlenen Mittel hervor, und empfiehlt eine von ihm selbst erfundene 
Methode der Gonorrhoebehandlung, die speciell im acuten Stadium die 
besten Erfolge haben soll. 

d) Abortivbehandlung: 2—3mal täglich Injection einer lauwarmen 
gesättigten (20%) Borsäureglycerinlösung (mit Zusatz von 0*5—1 # 0% Cocain) 
in die Pars anterior, nb.: dabei blande Diät und körperliche Ruhe. 


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316 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie. 


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b) In der acuten Periode : 

1. 2—5 Injectionen täglich in die Pars anterior bezw. auch in die 
Pars posterior der oben angegebenen Borsäureglycerinlösung. 

2. 2mal täglich 2 Eucalyptol- bezw. Terpentin-Kapseln bei den 
Mahlzeiten. Diät, Ruhe. 

In der nicht mehr entzündlichen Periode: 

1. cfr. B. 1 und 2, 

2. dazu täglich 5 Tropfen Solutio Fowleri 1 Monat lang zu nehmen. 

Im Anfangsstadium will L. mit der Abortivbehandlung (o) in 2 bis 

6 Tagen Heilung erzielen. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Lewiu, A. Zur Argoninbehandlung der Gonorrhoe. 
(Berl. klin. Wochenschr. 181)6 Nr. 7.) 

L. veröffentlicht aus der Poliklinik Posner’s die Resultate der 
Argoninbehandlung der acuten Gonorrhoe der Männer, zu denen er bei 
12 Fällen gelangte (ein nicht allzu reichliches Versuchsmaterial. Ref.). 
In Uebereinstimmung mit Jadassohn, der das Mittel in die Praxis ein¬ 
führte, fand er, dass es hervorragende Gonococcen tödtende Eigenschaften 
besitzt, ohne Reizerscheinungen zu verursachen. Bei den 12 Fällen ver¬ 
schwanden die Gonococcen in 9 Fällen innerhalb 2—6 Tagen. 

Karl Herxheimer (Frankfurt a. M.). 

Lindemaun, S. Arthritis blennorrhoi ca. (Beiträge zur 
Augenheilkunde. 1892, Heft 5.) Ref. nacli Baum gar ten’s Jahresbericht. 
Bd. IX., pag. 89. 

In einer nach Blenorrhoea neonatorum entstandenen Gelenk-Meta¬ 
stase gelang es Linde mann Diplococcen nachzuweisen, die nach ihrer 
intracellulären Lage, nach ihrem Aussehen sowie nach ihrem Verhalten 
gegen Färbeflüssigkeiten als echte Gonococcen auszusprechen waren. Beim 
Versuch, die Gonococcen rein zu züchten, bediente sich der Verfasser 
W e rthe i m’scher Nährböden, jedoch gelang es ihm nicht einwandfreie 
Gonococcen-Reinculturen zu erzielen. Trotzdem ist der Fall für die heute 
nicht mehr zweifelhafte Thatsache echter Gonococcen-Metastasen verwerth- 
bar zu machen, wie wir ja später in dieser Hinsicht völlig einwandfreie 
Mittheilungen in der Literatur vorfinden. Joh. Fabry (Dortmund). 


Buehanzeigen und Besprechungen. 


Neisser, A., Frof. in Breslau. Stereoskopischer medicinischer 
Atlas. Th. G. Fisher & Co., Cassel. 

Angezeigt von Prof. F. J. Pick in Prag. 

Am o. Congresse der Deutschen Dermatologischen Gesell¬ 
schaft in Breslau hatten die Congressmitglieder reichlich Gelegen- 


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Buchanzeigen und Besprechungen. 


317 


heit, die instrnctiven Stereoskopien zu bewundern, welche in dem 
vortrefflich eingerichteten photographischen Atelier der Breslauer 
Klinik hergestellt wurden. Die allgemeine Anerkennung, welche 
diese Anwendung der Stereoskopie für die Illustration von Haut¬ 
krankheiten daselbst gefunden hat und der Wunsch diesen didac- 
tischen Behelf anderen Kliniken und weiteren Kreisen zugänglich 
zu machen, haben den Anlass zur Herausgabe des vorliegenden 
Bilderwerkes gegeben. Dasselbe beschränkt sich aber nicht auf 
die Dermatologie, es soll eine Sammlung photographischer Bilder 
aus dem Gesammtgebiete der klinischen Medicin, der Anatomie, 
der pathologischen Anatomie etc. bieten und das ist sehr begreif¬ 
lich, weil die anderen medicinischen Disciplinen, insbesondere die 
Chirurgie, von der mit der Stereoskopie erreichten Plastik, der 
Natur der darzustellenden Objecte entsprechend, verhältnissmässig 
noch mehr Nutzen ziehen können als die Dermatologie. 

Vorerst kommt jedoch der Atlas vorwiegend der uns beson¬ 
ders interessirenden Abtheilung flir Dermatologie und Syphilido- 
logie zugute. Von den 15 Lieferungen der bisher ausgegebenen 
Sammlung sind ihr 8 Lieferungen gewidmet. 

Man kennt unsere Ansicht Uber den Werth von Bilderwerken 
für Forschung und Unterricht in Hautkrankheiten. Wir haben 
uns darüber mehrfach in diesem Archiv ausgesprochen und haben 
keine Ursache, auch diesem ßilderwerke gegenüber unsere Ansicht 
zu ändern. Ihrer Brauchbarkeit sind enge Grenzen gesteckt, sie 
sind insgesammt Nothbehelfe und machen in dem Grade aus der 
Noth eine Tugend, als sie die Einzelnheiten in Form und Farbe 
genauer und im Gesammteindruck lebendiger darstellen. Das Erstere 
kann die Photographie ohne Colorirung nicht bieten, dagegen kann 
das photogr. stereoskopische Bild durch seine Plastik den 
Gesammteindruck sehr lebendig gestalten und schon dadurch be¬ 
lehrend wirken. Das ist an den vorliegenden Abbildungen klar 
ersichtlich. 

Der Herausgeber hat nach dieser Richtung eine vorzügliche 
Auswahl getroffen und so ist es gekommen, dass nur wenige Bilder 
nicht vollkommen entsprechen. Sehr löblich und nützlich finden wir 
auch das Bestreben des Herausgebers, den Atlas den Fachgenossen zur 
kurzen Publication interessanter, in dieser oder jener Beziehung 
bemerkenswerther Fälle zugänglich zu machen. Der Atlas gewinnt 


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Bucbanzeigen und Besprechungen. 


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dadurch wesentlich an Verwendbarkeit beim Unterrichte, weil durch 
die Mannigfaltigkeit der Bilder nicht bloss das Gewordene, sondern 
das Werdende, also der Kranklieitsprocess zur Darstellung gelangt. 

Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Herausgabe von Bilder¬ 
werken, das Streben innerhalb eines begrenzten Umfanges, mög¬ 
lichste Vollständigkeit zu erzielen, ist bei diesem Atlas durch den 
Umstand behoben, dass bei den geringen Herstellungskosten der 
Preis sehr niedrig gestellt werden konnte und dass eine enge Be¬ 
grenzung des Umfanges deshalb nicht nothwendig war und ist. 
Die Kliniker sollten, wie ich es thue, den Studenten empfehlen, 
sich den Atlas anzuschaffcn, damit sie nach Absolvirung eines 
dermatologischen Curses an der Hand der Bilder das Gesehene in 
Erinnerung bringen und ergänzen. 

Schliesslich sprechen wir den Wunsch aus, dass nach einiger 
Zeit, wenn das Material genügend angewachsen sein wird, eine be¬ 
sondere Schul-Ausgabe veranstaltet werde, in welcher die Bilder, 
nach Krankheiten geordnet, in einzelnen Heften erhältlich wären. 
Der Herausgeber wie die rührige Verlagshandlung würden sich 
dadurch noch erhöhteren Dank erwerben. 


Prof. Stukowenkow *{•. 

Unser geschätzter Mitarbeiter Prof. Stukowenkow in Kiew 
ist am 14. März, gerade in dem Augenblicke, in dem er die erste Sitzung 
der neu begründeten physikuliseh-mediciniseheii Gesellschaft in Kiew als 
Präsident inaugurirte, einem Schlaganfalle erlegen. 

Der hochgeschätzte College, von dessen trefflichen Arbeiten über 
Syphilis, Mycosis fangendes, lthinoselerom u. A. dieses Archiv reichliches 
Zeugniss ablegt, hinterlässt unter den hervorragenden Fachgenossou 
Russlands eine breite Lücke. AVir sprechen ihnen hiermit unser herz¬ 
liches Beileid aus. Pick. 


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Varia 


69. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. Die 

Unterzeichneten Mitglieder des Vorstandes der Abtheilung für Derma¬ 
tologie und Syphilis beehren sich, die Herren Fachgenossen zu der 
vom 20.—25. September in Bra u n s c h w e ig statt findenden Jahresver¬ 
sammlung ergebenst einzuladen. 

Wir bitten, Vorträge und Demonstrationen spätestens bis Mitte 
Mai bei einem der Unterzeichneten anmelden zu wollen, da den allge¬ 
meinen Einladungen, welche von den Geschäftsführern Anfangs Juli zur 
Versendung gebracht werden, bereits ein vorläufiges Programm der Ver¬ 
sammlung beigegeben werden soll. ' 

Für Mittwoch, den 22. September, ist von Seiten der naturwissen¬ 
schaftlichen Hauptgruppe des wissenschaftlichen Ausschusses eine ge¬ 
meinsam ' Sitzung aller sich mit der Photographie wissenschaftlich be¬ 
schäftigenden oder dieselbe als Hilfsmittel der Forschung benutzenden 
naturwissenschaftlichen und medicinischen Abtheilungen in Aussicht ge¬ 
nommen. für die Herr Prof. II. W. Vogel in Charlottenburg den einlei¬ 
tenden Vortrag über den heutigen Stand der wissenschaftlichen Photo¬ 
graphie zugesagt hat. An denselben sollen sich Berichte über die von 
anderen Seiten gemachten Erfahrungen anschliessen; auch soll eine Aus¬ 
stellung wissenschaftlicher Photographien damit verbunden werden, deren 
Organisation Herr Prof. Max Müller liieselbst übernommen liat. Die 
Anmeldung von Mittheilungen für diese Sitzung und von auszustellonden 
Photographien erbitten wir gleichfalls spätestens bis Mitte Mai. 

Zugleich ersuchen wir, uns etwaige Wünsche in Betreff weiterer 
gemeinsamer Sitzungen mit einzelnen anderen Abteilungen kundgeben 
und Berathungsgegenstönde für diese Sitzungen nennen zu wollen. 

Der Einführende: Die Schriftführer: 

Dr. med. Alfred Sternthal, Dr. med. Hermann Heller, 

Wolfenbüttlerstrasse 58—II. Sand weg 3—I. 

Dr. med. Max Ziehm, 
Steinweg 26. 

XII™ Pongres international de mideoine ä Moscou. Liste 
des questions du comite d’organisation de la VlllEi* section. 
Dermatologie. 1 . Actinomycose. 2. Tuberculose primitive de la peau. 
3. Sarcomatose cutanee. 4. Aeanthosis nigricans. 5. Pathogenie de Parea 
Celsi (alopecie en aires, pelade). 6. Eruptions blennorrhagiqties. 7. Erup- 
tions d’origine paludeenne. 8. Eruptions hydrargyriques. 9. Traitement 


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Varia. 


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de la sclerodermie. 10. Traitement du rhinosclerome. V6n4r6ologie. 1. Quand 
doit-on commeneer le traitement de la syphilis par lemercure? Pendant 
conibien de temps le traitement de la sypbilis doit-il etre continue? 
Faut-il traiter la sypbilis au moment de l’apparition des accidents de 
cette maladie oubien faire le traitement provisoire en deliors de ces 
accidents? 2. Modification des elements figures du sang chez les syphi- 
litiques dans la periode condylomateuse. 3. Metbodes de traitement de 
la sypbilis par les injections mercurielles solubles et insolubles. 

Wissenschaftliche Privat-Bibliotheken. Der Herausgeber des 
„Verzeichnisses von Privat-Bibliotheken“, G. Hedeler in 
Leipzig, wird dem kürzlich erschienenen I. Band (Amerika) demnächst 
den III. Band (Deutschland) folgen lassen. Um diesen wichtigen 
Theil möglichst vollständig zu gestalten, besonders hinsichtlich wissen¬ 
schaftlicher und technischer Sammlungen, richtet derselbe an alle Be¬ 
sitzer hervorragender Bibliotheken die Bitte, ihm, soweit nicht schon ge¬ 
schehen, Angaben über Bändezahl, Sonderrichtung etc. ihrer 
Bücherbestände zur unentgeltlichen Benutzung zu senden. 
Bei den im I. Band kurz beschriebenen (501 amerikanischen Privatbiblio¬ 
theken fanden Sammlungen unter 3000 Bänden nur dann Aufnahme, 
wenn hoher "Werth, Seltenheit etc. dies rechtfertigten oder wenn es sich 
lim bedeutendere Specialsainmhingen bandelte. Line ähnliche Begrenzung 
ist auch für die übrigen Bände nöthig. Neben Büchersammlungeii lite¬ 
rarischer oder allgemeiner Dichtung werden wissenschaftliche und tech¬ 
nische Fachbibliotheken gerade im III. Band ganz besonders berück¬ 
sichtigt. Für die Allgemeinheit dürfte das „Verzeichnis*“, dessen Be¬ 
nutzung ein jedem Band beigegebenes Sachregister erleichtert, auch in¬ 
sofern Interesse bieten, als dasselbe dazu beitragen kann, dass manche 
wichtige, im Privatbesitz befindliche und daher gegenwärtig meist nur 
"Wenigen bekannte Bücherschätze bei wissenschaftlichen und literarischen 
Forschungen mehr als bisher zu Käthe gezogen werden. Wer sich 
des Besitzes einer geeigneten Fach- oder Hausbibliothek 
erfreut, sollte die Mühe einer kurzen M i 11 h c i 1 u n g nicht 
scheue n. 

Berichtigung. In meiner Arbeit über das Eczema marginatum 
habe ich gelegentlich der Nennung der Autoren bei der Aetiologie dieses 
Processes durch einen Lapsus den Namen Ko ebner’s zu nennen unter¬ 
lassen, was ich hiemit, aufseine diesbezügliche Keclamation hin, nachtrage. 

Dr. Eduard Spiegler. 


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Originalabhandlungen 


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Archiv f. Dermatol, u. Svpliil. Band XXXIX. 


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Ans Prof. Welander’s Klinik im Krankenhaus© St. Göran 

zn Stockholm. 


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Zur Frage yon der gonorrhoischen Allge- 
meininfection.') 

Yon 

Dr. G. Ahman, 

Assistenzarzt am Krankenhause St. Gfirau. 


Wenn ich in dieser Mittheilung den Ausdruck, gonorrho¬ 
ische Allgemeininfection, anwende, so geschieht dieses, wie ich 
gleich zeigen werde, in einer besonderen Tendenz. 

Wir wissen alle, was wir mit Tripperrheumatismus meinen. 
Gewöhnlich denken wir uns darunter die gonorrhoische Arthri¬ 
tis, doch sind zum Tripperrheumatismus füglich auch die oft 
gleichzeitig vorkommende Tendovaginitis, die Myositis u. s. w. 
zuzurechnen. 

Schon seit langer Zeit hat man die monoarticuläre Form als 
die für den Tripperrheumatismus typische angesehen. Diese 
Form kommt ohne Zweifel oft vor, in der Mehrzahl der Fälle 
dürfte aber, wie Jullien (1886) statistisch dargethan hat, 
mehr als ein Gelenk angegriffen sein. Auf alle Fälle handelt 
es sich hier zumeist um eine geringe Zahl Gelenke, doch tritt 
der Tripperrheumatismus zuweilen im höchsten Grade multipel 
auf. Die Gelenkaffectionen treten indessen in solchen Fällen 
nicht gleichzeitig oder, wie bei dem acuten rheumatischen 
Fieber, in rascher Folge nach einander, sondern mehr unter 
der Form von hartnäckig wiederkehrenden Recidiven auf, die 
aus neuen Gelenkaffectionen bestehen, während die früheren 
zurückgehen. 


*) Vortrag, gehalten in der Gesellschaft schwedischer Aerzte am 
22. December 1896. 


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Ä li m an. 


324 


Wenn man dieses Krankheitsbild sieht und weiss, dass 
Gouococcen sich zuweilen in den Exsudaten der gonorrhoischen 
Arthritiden etc. nachweisen lassen, so kann man sich schwer¬ 
lich des Gedankens erwehren, dass es sich hier um eine all¬ 
gemeine Gonococceninfection der ganzen Blutmasse handelt, 
die sich in dieser Weise durch locale Symptome manifestirt. 
Diese Ansicht verfocht z. B. Souplet schon 1893 in seiner 
Abhandlung „Blennorrhagie, maladie generale“, und sie hat 
später durch eine Serie von vortrefflichen Untersuchungen von 
Hock, Finger, Ghon und Schlagenliaufer, Neisser, 
Bordoni-Uffreduzzi, R e s p i g h i und Burci, Colom- 
b i n i a, M a c a i g n e und F i n e t u. A. eine mehr positive Stütze 
gewonnen. 

In der Absicht, für die Richtigkeit dieser Ansicht einen 
sicheren Beweis zu erbringen, mache ich hier folgende Mit¬ 
theilung, wobei ich erst die untenstehenden beiden kurz- 
gefassten Kraukheitsgeschichten anführen will. 

Fall I. A. T. A., 22 Jahre, Comptoirist aus Finland. 

Der Patient, wurde in das Krankenhaus St. GÖran am 25. September 
1S06 aufgenommen. Kr hatte den ganzen Sommer über an einem Tripper 
gelitten. Bei seiner Aufnahme in das Krankenhaus hatte er einen reich- 
lidien purulenten, Gouococcen in Menge enthaltenden Ausfluss aus der 
Harnröhre. Der Harn war bei der zwei Gläser Probe in beiden Gläsern 
trübe. Keine Beschwerden beim Harnen. In Betreff der Prostata war 
nichts zu bemerken. 

Diese Gonorrhöe wurde mittelst Irrigationen der Urethra mit über¬ 
mangansauren Kalilösungen nach Jan et s Methode behandelt, ohne 
dass sieh anfangs der Zustand veränderte. 

Den 12. October 1806 bekam der Patient, häufiges Drängen zum 
Harnen. Der Harn war jetzt etwas blutig. Die Behandlung wurde auf¬ 
gesetzt. 

Den 13./10. Der Patient batte am Abend Fieberschauer. Die Tempe¬ 
ratur ö7*2 u C. 

Den 14./10. Sehmerzen und Empfindlichkeit im rechten Schulter¬ 
gelenk; beginnende Schmerzen im rechten Carpus und in den proximalen 
Interphalangealgelenken des rechten Zeige- und des rechten Mittelfingers, 
Uebelkeit, Erbrechen, Schmerzen im Kücken, Alhumen im Harn. Temperatur 
am Morgen 40*o°, am Abend 40*6° C. 

Den lo./lO. Schmerzen und Empfindlichkeit in den Interphalangeal- 
gelenkon des Zeige- und des Mittelfingers der rechten Hand. Der Harn 
enthält Eiweiss. Die Temperatur am Morgen 38*4° und am Abend 39\V‘ C. 


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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 305 

Den 16./10. Der Harn dunkel, blutig; enthält 0*05% Albumen 
und Blutcylinder in geringer Menge. Temperatur am Morgen 37*5°, am 
Abend 38*1 0 C. 

Den 17./10. Die Albumin* und Cylindermenge unverändert. Erguss 
in der Scheide der Sehne des linken Musculus tibialis anticus. Das 
Metacarpalgelenk des kleinen Fingers der rechten Hand empfindlich. 
Die Temperatur am Morgen 37-2°, am Abend 38*1° C. Die Harnmenge 
am letzten Tage 1‘100 Gr. 

Den 18./10. Die Albumin- und Cylindermenge unverändert. Der 
Erguss in der Scheide der Sehne des linken Musculus tibialis anticus 
etwas vermehrt. Die Haut über dieser Sehnenscheide geröthet und 
empfindlich. Bei Punction mit steriler Spritze wurde ein mucopurulentes 
Exsudat erhalten, in dessen Zellen bei der mikroskopischen Untersuchung 
Gonococcen in typischen Gruppen nachgewiesen wurden. Dieselben wurden 
schnell nach Gram entfärbt. 

Culturen wurden auf Ascitesagar nach Kiefer’s Me¬ 
thode angelegt, und in 24 Stunden war die Platte mit typi¬ 
schen Gonococcencolonien übersäet, die dann in mehreren 
Generationen cultivirt und in Bezug auf ihr Verhalten zu den verschiedenen 
Farbenreactionen und Nährböden geprüft wurden. Die Temperatur des 
Patienten war an diesem Tage subfebril. An den Brust- und Bauch¬ 
organen war nichts Krankhaftes zu bemerken. Die Harnmenge am letzten 
Tage 1*100 Gr. 

Den 19./10. Albumin (0*05%) und Cylinder in unveränderter Menge ; 
die tägliche Harnmenge 1*300 Gr. Die Haut über der Tendovaginitis 
empfindlich und geröthet. Die Temperatur subfebril. 

Den 23./10. Die Albuminmenge etwas vermindert (0*02%), Cylinder 
spärlich, der Harn von normaler Farbe, die Menge desselben 1*600 Gr. 
per Tag. Der allgemeine Zustand gut. Die Tendovaginitis ist etwas zurück¬ 
gegangen. Von den Brust- und Bauchorganen war nichts zu bemerken. 
Die Temperatur afebril. 

Den 25./10. Die Tendovaginitis ist nun beinahe zurückgegangen. 
Am Abend bekam der Patient einen Fieberschauer, und gleichzeitig 
fingen Schmerzen an, sich in der rechten Hüfte einzustellen. Die Tem¬ 
peratur am Abend 38*9° C. 

Den 26./10. Die Temperatur am Morgen 36*8°, am Abend 37*8° C. 
Die Schmerzen in der Hüfte bestehen fort. 

Den 28./10. Der Patient ist jetzt afebril. Im Harn, der von nor¬ 
maler Farbe ist, Spuren von Albumin und einzelne Cylinder. 

Den 5./11. Der Patient, der sich während der letzten Woche wohl 
befunden hat, bekam am Vormittag einen Fieberschauer sowie Schmerzen 
und eine Geschwulst in dem Metocarpophalangealgelenke des rechten 
Mittelfingers. Die Temperatur am Morgen 39*1°, am Abend 38*6° C. Der 
Harn etwas mit Blut tingirt. Albumin 0*02%; einzelne Pigmentcylinder. 

Ich hatte schon früher während der Krankheit des Patienten ein 
paar Mal versucht, durch Cultivirung auf Ascitesagar Gonococcen im 


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Äh man. 


Blute des Patienten nachzuweisen, doch ohne dass mir dieses gelang. 
Heute erneute ich diesen Versuch, und dieses Mal mit positivem Resultat. 
Siehe hierüber weiter unten. 

Ich gehe indessen zu der betreffenden Krankheitsgeschichte zurück. 

Den 16./11. Seit dem Fieberanfall am 4. dieses Monats ist die 
Temperatur afebril gewesen und der Patient hat sich wohl befunden. 
Heute ist die rechte Epididymis stark angeschwollen und empfindlich. 
Die Temperatur war am Morgen 39*8° und am Abend 39*3° C. 

Den 17./11. Die Temperatur afebril. Die Epididymis wie gestern. 

Den 25./11. Die Temperatur ist während der vorhergegangenen 
Tage afebril gewesen. Heute bat der Patient heftige Schmerzen in dem 
linken oberen Theil der Vorderseite des Brustkorbes. Keine deutlichen 
Reibungsgeräusche Empfindlichkeit für Druck. Ob eine Reizung in der 
Pleura oder eine Affeetion in der Brustwand vorliegt, kann nicht ent¬ 
schieden werden. Die Temperatur am Morgen und am Abend 38-7° C. 

Den 28./11. Hat fortwährend Schmerzen an der genannten Stelle 
der Brustwand. Die Temperatur subfebril. 

Den 8./12. Die Schmerzen in der Brustwand geringer. Die Epidi¬ 
dymis ist abgeschwollen. 

Den 4-/12. Die Schmerzen in der Brustwand noch gross. Kopf¬ 
schmerzen. Temperatur am Morgen 37*9 Ü , am Abend SS’U 0 C. 

Den 5. 12. Die Temperatur afebril. Der Patient befindet sich wohl. 

Nichts deutet in der Urethra auf eine Gonorrhöe hin. 

Seit dieser Zeit hat sich die Gesundheit des Patienten immer 
mehr verbessert. Den 19. December hatte er kein anderes Symptom von 
seinem Leiden, als unbedeutende Spuren von Albumin im Harn. 

Bei der oben erwähnten Reinziiclitung von Gonococcen 
aus dem Blute des Patienten beim Fieberanfall am 5./10. be¬ 
nutzte ich folgendes Verfahren. 

In eine Vene in der Falte des rechten Ellenbogens, die 
durch eine um den Oberarm gelegte, fest angezogene Binde 
zum Anschwellen gebracht worden war, wurde, nach sorgfältiger 
Desinlicirung der Haut, in gewöhnlicher chirurgischer Weise 
die Spitze einer sterilisirten Pravaz’schen Spritze gestochen, 
mit welcher sich solchergestalt leicht ein Gramm Blut aspiriren 
Hess. Von diesem Blute wurde der grösste Theil unter asep¬ 
tischen Cautelen in ziemlich dicken Lagen auf vier Platten 
Ascitesagar in PetrPschen Schalen gegossen. Von einigen noch 
übrigen Tropfen Blut wurden Deekglaspriipnrate gemacht, in 
denen ich mittelst Färbung mit Methylenblau und nach 
Gram Bakterien nachzuweisen suchte, was jedoch nicht ge¬ 
lang. Die vier Platten zeigten, nachdem sie zwei Tage im 


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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 327 


Thermostaten,, wo die Temperatur 36° C. betrug, gestanden, zu¬ 
sammen etwas über 30 Colonien, die Gonococcencolonien recht 
ähnlich waren. Da diese Colonien zum Theil im Blute wuchsen, 
boten sie nicht ganz das Aussehen dar, welches ich bei Gono¬ 
coccencolonien zu sehen gewohnt war. Ich machte deshalb 
von diesen Colonien eine Aussaat auf Ascitesagar, wo ich nach 
einem Tage eine zweite Generation jetzt leicht erkennbarer 
Gonococcencolonien bekam. Gleichzeitig waren die Colonien 
auf den Originalplatten mehr gewachsen, und wo sie sich am 
Rande der Blutstreifen fanden, hatten sie auf den von dem 
Blute nicht bedeckten Theilen der Platten vegetirt, an welchen 
Stellen sie ein mehr charakteristisches Aussehen darboten. Sie 
wurden hierauf in mehreren Generationen cultivirt und sowohl 
mikroskopisch (mit Gram’s Färbung etc.), wie durch Cultur- 
versuche auf anderen Nährböden geprüft und dabei in ihrem 
Verhalten als echte Gonococcen befunden.') 

Da dieser Fund alleinstehend und, so viel mir bekannt, 
der erste sichere derartige Fall in der Literatur ist, beschloss 
ich, nachdem ich mich mit dem Chef der Klinik, Herrn Prof. 
W eiander, berathen, eine Inoculation an einem Menschen aus¬ 
zuführen, um allen Einwendungen und Zweifeln begegnen und 
unwiderleglich das Factum feststellen zu können, dass Gono¬ 
coccen bei dem fraglichen Patienten wirklich in der Blutmasse 
circulirt haben. 

Bei einem jungen Manne, welcher gewillt war, sich dem 
Risico einer Gonorrhoe zu unterwerfen, und bei dem sich keine 
Zeichen gefunden hatten und auch damals keine fanden, die 
auf eine vorhandene oder abgelaufene Gonorrhoe hindeuteten, 
wurde am 13. November 189H im Krankenhause St. Göran 
eine Inoculation in die Urethra mit der fünften Generation der 
obengenannten Gonococcenculturen gemacht. Diese Inoculation 
gelang leider allzu gut, und der unglückliche Verlauf des Falles 
bildet ein ernstes Memento für alle, welche sich geneigt fühlen 

') Das Gelingen dieser Culturversuche schreibe ich hauptsächlich 
dem Umstande zu, dass ich eine so grosse Menge Blut auf die Platten 
goss. Da ich aus dieser grossen Menge Blut nur dreissig Colonien erhielt, 
würde ich wahrscheinlich gar keine erhalten haben, wenn ich, wie ver- 
muthlich viele andere gethan haben, mit einem Platindraht nur einen 
Tropfen Blut auf die Platten ausgestrichen hätte. 


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Ä h m a n. 


sollten, den Versuch zu erneuern. Es ist ja nämlich nicht 
undenkbar, dass die Virulenz dieser im Blute circulirenden 
Gonococcen über das Normale gesteigert war. Der Fall bot 
indessen viel Interesse dar und war auf alle Fälle als das 
letzte und entscheidende Glied in dem Beweise, den ich dafür 
erbringen wollte, dass echte Gonococcen wirklich im Blute 
circulirten und dass es sich hier also um eine allgemeine 
Gonococceninfection handelte, von Bedeutung. 

Fall II. Iv. J. S. B., 25 Jahre, Arbeiter. 

Der Patient, der seit dem 19./10. 181*6 im Krankenhause St. Göran 
wegen Uleus molle und Bubo inguinalis behandelt wird, hat nie an einem 
Tripper gelitten; in Betreff seiner Urethra ist nichts zu bemerken. Mit 
seiner Einwilligung wurde heute (den 13./11.) in die Urethra dieses 
Mannes eine fünfte Generation der vorerwähnten, aus dem Blute des 
vorigen Patienten cultivirten Gonococcen inoculirt. 

Den 14. 11. Schleimiger Ausfluss mit freien Gonococcen. 

Den 15.|11. Spärlicher, schleimiger Ausfluss mit Gonococeen- 
gruppen. 

Den 16./11. Mucopurulenter Ausfluss mit zahlreichen Gonococcen, 
sowohl frei, wie in Gruppen. Es wird die Behandlung des Patienten mit 
Irrigation der Urethra anterior mit Permanganatlösung von 0*1 % ä 45° C. 
begonnen. 

Den 10. 11. Das Präputium ödematös; starke Reizung; Ausfluss 
mit Gonococcen. Die Behandlung wird ausgesetzt. 

Den 22. 11. Das Präputium noch etwas ödematös; die Reizung 
etwas vermindert. Spärlicher, mucopurulenter Ausfluss mit Gonococcen. 
Culturen auf Ascitesagar. Es wird die Behandlung mit Irrigation 
der ganzen Urethra mit übermangansaurer Kalilösung nach Jan et 
begonnen. 

Den 25./11. Der Patient hat diese Nacht schwere Fieberschauer 
gehabt. Die Temperatur war am Morgen 40° C. Ueber der rechten 
Lunge unten in der vorderen Axillarlinie geschwächte, entfernte, bron¬ 
chiale Athmungsgeräusehe mit zahlreichem feinem Knisterrasseln und 
unbedeutender .Dämpfung. Daselbst Stiche und Schmerzen heim Athmen. 
Der Harn in beiden Gläsern trübe. In Betreff der Prostata nichts zu be¬ 
merken, ebenso auch nichts vom Herzen. Die Temperatur am Abend 37'4° C. 

Den 27/11. Der Patient ist gestern und heute afebril gewesen. An 
der oben angegebenen Stelle sind die Athmungsgeräusehe jetzt vesiculär. 
Keine Rasselgeräusche. Dagegen wird ein deutliches Reibungsgeräusch 
gehört. Der Patient expectorirt jetzt reichliche schleimig-eiterige Massen 
mit einigen eingemischten Blutstreifen. 

Den 20./11. Der Patient ist fortwährend afebril gewesen, hat eine 
Morgentemperatur von )H*S° C. Fühlt Sclmier/eu an der vorderen Seite 


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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 


329 


des linken Fussgelenkes und ist unbedeutend empfindlich an der Radial* 
seite des rechten Handgelenkes. Die Symptome von der Brust sind bis 
auf eine gewisse Empfindlichkeit und geringe Schmerzen bei tiefen Athem- 
zügen verschwunden. Die Temperatur am Abend 37 6° C. 

Den 4./12. Die Temperatur ist während der 4 letzten Tage subfebril 
gewesen. Der Schmerz im Fussgelenk ist auf die Sehnen des Extensor 
digitorum communis und im Handgelenk auf die Sehnen der Extensoren 
des Daumens am Processus styloideus radii beschränkt. Am Abend Schmer¬ 
zen in der Museulatur an der vorderen Seite des rechten Unterarmes 
und an der inneren Seite des rechten Oberarmes. Eine Drüse in der 
Axilla angesehwollen und empfindlich. Kleine Lymphangoitis war deutlich 
zu palpiren. Temperatur am Abend 38*5° C. 

Den 5./12. Die Temperatur am Morgen 37-8°, am Abend 38 6° C. 

Den 9./12. Ist die vorhergehenden Tage afebril gewesen. Die 
Tendovaginitis am linken Fusse noch vorhanden. 

Den 18./12. Die letzte Woche ist die Temperatur subfebril gewesen. 
Deutlicher Erguss in die Sehnenscheide des Extensor dig. com. ped. 
sin. Die Haut darüber sehr empfindlich und entzündet. Heftige Schmerzen 
daselbst. Temperatur am Abend 38*8° C. 

Den 19./12. Hat während der Nacht schwere Schmerzen gehabt. 
Die Entzündung scheint mehr localisirt zu sein. Bei Punction wurde ein 
eiteriges Exsudat erhalten, in dem bei mikroskopischer Untersuchung 
Gonococcen in charakteristischen Haufen in den Zellen gefunden wurden. 
Culturen wurden auf Ascitesagar nach Kiefer angelegt und nach ein paar 
Tagen zahlreiche Gonococcencolonien erhalten. 

Den 24./12. Hat heute Harndrang, febrile Temperatur, die Prostata 
angeschwollen. 

Den 26. 12. Der Tendovaginitis-Abscess wurde incidirt. Im Eiter Hessen 
sich sowohl mikroskopisch, wie durch Cultur Gonococcen nachweisen. 

Den 31./12. Die Tendovaginitis in Heilung; die Anschwellung der 
Prostata vermindert. Funiculus spermaticus angeschwollen. Temperatur 
am Morgen 37 u , am Abend 38-5° C. 

Den 3./1. 1897. Epididymis dext. heute leicht angeschwollen. Tem¬ 
peratur am Abend 38*4° C. 

Seitdem hat sich der Zustand des Patienten mehr und mehr ver¬ 
bessert, obschon er noch nicht (den 9. Januar 1897) vollkommen her¬ 
gestellt ist. 

Es ist wohl klar, dass wir es hier mit zwei Fällen von 
gonorrhoischer Allgemeininfection zu thun haben. Die An¬ 
wesenheit von Gonococcen konnte ich bei beiden Patienten in 
je einer Metastase nachweisen. Dass sie bei dem ersten im 
Blute circulirten, dürfte wohl durch die eben angeführten 
Untersuchungen klar bewiesen sein. Die Kette der Beweise 
ist ja so vollständig wie möglich. Ich werde gleich ein paar 


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o 

330 Ahm an. 


Fall i. 




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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 331 

Fall II. 




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332 


Ä hm a n. 


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Untersuchungen anführen, die neulich gemacht worden sind 
und die in derselben Richtung gehen, will aber erst ein paar 
Umstände in dem Verlauf der soeben beschriebenen Fälle her¬ 
vorheben. Im Allgemeinen kann man sagen, dass sie für die 
Gonorrhoe vollkommen typisch gewesen sind. Die verschiedenen 
Atfectionen begannen stets mit heftigen Entzündungssymptomen 
und plötzlich auftretendem Fieber, um dann in einer milderen 
Form fortzufahren, bis eine neue Affection mit Fieber kam, 
was sich mehrere Male wiederholte.') Einige dieser Affectionen 
waren weniger gewöhnlich, wie z. B. die Nephritis in dem 
ersten Falle. Die Fälle, welche in der Literatur beschrieben 
sind, gleichen indessen diesem in hohem Grade. Sie haben alle 
mit hohem Fieber und heftigen Allgemeiusymptomen begonnen, 
um nachher einen günstigen Verlauf zu nehmen. Ob die Ne¬ 
phritis durch die locale Gegenwart der Gonococcen, oder durch 
Toxinwirkung hervorgerufen war, ist schwer zu entscheiden. 
Eine andere bemerkenswertlie Complication war die Lungen- 
atfection im zweiten Falle. Die Symptome: plötzlich auftretende 
1 K’spnoe, hohes Fieber, Seitenstechen, Bronchialathmen, Knister¬ 
rasseln, Dämpfung u. s. w. sprachen anfangs für eine Pneumonie. 
Der für die Gonorrhoe typische Verlauf des Falles zeigte in¬ 
dessen bald, dass wir es hier mit einer gonorrhoischen Lungen- 
atfection, vermuthlich einem Infarct mit Reizung der Pleura, 
zu thun hatten. Bei einem ähnlichen Fall (Thayer und 
Blumer, 1895), auf den ich später zurückkommen werde, 
fand man bei der Section einen haemorrhagischeu Infarct und 
mehrere bronchopneuraonische Herde. Dass die Gonorrhoe eine 
Pleuritis mit Gonococcen in dem pleuritischen Exsudate ver¬ 
ursachen kann, ist von Mazza und Bordoni-Uffreduzzi 
(ls94) gezeigt worden. Ob die Epididymitis in dem ersten Falle 
metastatischer Natur war oder nicht, will ich dahingestellt sein 
lassen. 

Es ist, wie ich oben gesagt habe, durch eine lange Serie 
vortrefflicher Untersuchungen dargethan, dass Gonococcen bei 
gonorrhoischer Arthritis, Tendovaginitis, Pleuritis u. s. w. in 
den Exsudaten Vorkommen, und ich habe nun zu diesen Unter¬ 
suchungen zwei neue Fälle hinzugefügt.') Es ist offenbar, dass 

Siehe die beigefügten Temperatnrcurven. 


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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 333 


die Gonococcen in die neuen Inflammationsherde schwerlich 
auf anderen Wegen als durch die Blutcirculation gelangen 
konnten; dies ist bisher aber nur ein pathologisches Postulat 
gewesen, das erst durch die oben beschriebenen Beobachtungen 
klar bewiesen werden konnte. 

Indessen sind in der letzten Zeit ein paar Untersuchun¬ 
gen ausgeführt worden, die in derselben Richtung gehen. 

W erth e im legte auf dem 6. deutschen Gynäkologen- 
congress in Wien (im Juni 1895) eine sehr interessante Unter¬ 
suchung über einen Fall von gonorrhoischer Cystitis dar. 

Dieser Fall wurde bei einem neunjährigen Mädchen be¬ 
obachtet, das an gonorrhoischer Vulvovaginitis, acuter Cystitis 
und gonorrhoischen Arthritiden der beiden Ellenbogenge¬ 
lenke litt. Wertheim hatte Gelegenheit, ein kleines Frag¬ 
ment von der Blasenwand zu excidiren und dieses mikrosko¬ 
pisch zu untersuchen. Er fand zahlreiche Gonococcen im 
Epithel und im Bindegewebe und in den venösen Capillaren 
zahlreiche Thrombophlebitiden, welche echte Gonococcen ent¬ 
hielten. Dies gibt uns sichere Andeutungen, wie die Gonococcen 
von diesen gonococcenhaltigen Thromben in den capillaren Venen, 
in die Blutcirculation hineinkommen können. 

l ) Bekanntlich hat man auch bei der gonorrhoischen Arthritis oft 
andere Bakterien: Staphylococcen, Streptococcen, Pneumococcen etc. ge¬ 
funden. Von 11 Exsudaten von gonorrhoischen Arthritiden, die ich selbst 
im Krankenbause St. Göran bakteriologisch untersucht habe, fand ich in 
einem Streptococcen und in zweien Pneumococcen; acht Exsudate waren 
steril. (Die Sterilität dieser 8 Exsudate beweist durchaus nicht, dass die 
Arthritis nicht durch Mikroorganismen hervorgerufen war, denn solche 
können sich in der inflammirten serösen Haut finden, ohne in das Ex¬ 
sudat überzugehen.) Der Umstand, dass man oft andere Mikroorganismen 
in den gonorrhoischen Gelenkergüssen gefunden hat, spricht nicht im 
geringsten gegen die oben angeführte Ansicht von der Natur der gonor¬ 
rhoischen Allgemeininfection. Die Gonorrhoe verhält sich hierbei völlig 
analog mit anderen notorischen Allgemeininfectionen, z. B. dem Abdomi¬ 
naltyphus. In den typhösen Abscessen etc. findet man oft Eberth’ä 
Bacillus, doch hat man in ihnen auch andere Bakterien gefunden, die 
offenbar als Misch- oder Secundärinfectionen zu betrachten sind. Das¬ 
selbe ist der Fall mit anderen Infectionskrankheiten, woraus aber nicht 
folgt, dass man die Bedeutung des speciellen Virus verneinen kaun. Was 
die Gonorrhoe betrifft, so kann man dieses um so viel weniger, als die 
gonorrhoischen Gelenkaffeetionen oft einen ziemlich charakteristischen 
Verlauf zeigen. 


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334 


Ähman. 


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Die andere Untersuchung ist von den Amerikanern 
Thayer und Blumer (1895) an einem Fall von gonorrhoi¬ 
scher Endocarditis mit Allgemeininfection ausgeführt worden. 
Dieses ist derselbe Fall, den ich vorhin erwähnt habe. Thayer 
und Blumer konnten hier an Schnitten von den Herzklappen 
Diplococcen nachweisen, die höchst wahrscheinlich Gonococcen 
waren. Sie machten indessen, während der Patient noch lebte, 
Versuche, Gonococcen im Blute nachzuweisen. Leider waren sie 
mit den für die Gonococcenzüchtung geeigneten Substraten nicht 
versehen. Sie halfen sich in der Weise, dass sie Blut aus einer 
Vene aspirirten und es mit ungefähr doppelt so viel Agar 
mischten. Sie bekamen Colonien von Diplococcen, die vollständig 
Gonococcen glichen, und ein jeder, der sich mit der Züchtung 
von Gonococcen beschäftigt hat, weiss, dass man die Gono¬ 
coccen wirklich in dieser Weise zum Wachsen bringen kann. 
Die genannten Coccen konnten auf den gewöhnlichen Nähr¬ 
böden nicht zum Wachsen gebracht werden. Eine Woche 
nachher bekamen die Autoren Serum- und Harnagar zu ihrer 
Disposition, da aber waren die Colonien schon abgestorben, 
sie wuchsen nicht mehr; dieses ist indessen für die Gono¬ 
coccen vollkommen charakteristisch. Wenn Thayer und 
Blumer’s Culturversuche auch zum Theil misslangen, so er¬ 
scheint es mir doch als sehr wahrscheinlich, dass die Coccen, 
welche sie aus dem Blute züchteten, wirklich Gonococcen 
waren. 

Durch diese Untersuchungen wissen wir also, dass die 
Gonococcen in das Bindegewebe eindringen und capilläre 
Thrombophlebitiden hervorzurufen vermögen, von welchen sie 
leicht in die Blutcirculatiou hineinkommen können, um in den 
entferntesten Theilen des Körpers neue inflammatorische Pro- 
cesse hervorzurufen. 

Durch meinen Nachweis der Gonococcen im circuliremlen 
Blute ist in unserer Kenntniss der Pathogenese der gonorrhoischen 
Complicationen eine wesentliche Lücke ausgefüllt worden; 
wir sind nun vollkommen berechtigt, von einer 
allgemeinen G onococceninfe ction zu sprechen. 


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Ans Dr. Max Joseph’s Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin. 


Ueber Porokeratosis. 


Von 

Dr. Max Joseph.') 

(Hierzu Taf. XIII u. XIV.) 


Unsere Kenntnisse über die Pathologie der Schweiss- 
drüsen, insbesondere über die Betheiligung der Schweissdrüsen- 
ausführungsgänge an keratotiscben Processen rühren erst aus 
der jüngsten Zeit her. Mibelli 2 ) gebührt das Verdienst, als 
der erste darauf hingewiesen zu haben, dass zuweilen von dem 
Ausführungsgange der Schweissdrüsen aus ein Verhornungs¬ 
vorgang ausgeht, welcher über die Oberfläche der Epidermis 
warzenförmig hervorragt und sich von hier aus excentrisch aus¬ 
dehnt. Hierfür schlug er die Bezeichnung „Porokeratosis“ vor. 

Das klinische Bild, welches Mi belli in seiner ersten 
Arbeit bereits sehr prägnant hinstellte und welches wir nach 
meinen Beobachtungen in der That als ein Novum hinnehmen 
müssen, war etwa Folgendes: 

Auf scheinbar gesunder Haut, ohne dass eine Spur eines 
Entzündungsprocesses vorangegangen wäre, treten umschriebene 
hyperkeratotische Herde auf, die zu ihrer Entwicklung Monate 
ja Jahre gebrauchen, ohne dabei Jucken oder bedeutende 
Desquamation hervorzurufen und die auch später wieder ohne 
jede Spur von Pigmentation verschwinden. Die Initialform zeigt 
sich als eine kleine, schmutzig braune Erhabenheit in Gestalt 
eines cylindro-konischen trockenen harten Stachels, der in die 

J ) Nach einem auf der 68. Naturforscherversammlung zu Frankfurt 
a. M. Sept. 1896 gehaltenen Vortrage. 

*) Mon. f. prakt. Dermat. XVII. 1893. XX. 1895 und Internat. Atlas 
seltener Hautkrankheiten. Nr. IX. 1893. 


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Joseph. 


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3 3 6 

Haut hineiugesteekt ist oder aus derselben hervorragt. Nach 
der Entfernung dieser kleinen hornigen Erhabenheit bleibt eine 
trichterförmige Oeffuuug zurück, welche den Anschein erweckt, 
als ob die Prominenz viel eher in einen Drüsenausführungsgang 
als in eine Follikelmündung eingekeilt wäre. Allmälig verhornen 
dann die Ränder, welche den centralen Pfropf begrenzen, und 
es entwickelt sich nun allmälig durch Erweiterung der ersten 
Oeffnung und durch vermehrtes Wachsthum der Ränder eine 
scheibenförmige Plaque. Nach einer gewissen Zeit des Wachs¬ 
thums fällt der centrale Pfropf dann gewöhnlich von selbst 
aus oder wird zufällig abgestreift. Das centrifugale Wachsthum 
der Effiorescenzen bleibt gewöhnlich ziemlich beschränkt, und 
die Effiorescenzen bleiben, wenn sie einen Durchmesser von 
10—1-5 Cm. erreicht haben, Jahre lang unverändert. Gerade 
in diesem Stadium ist das Bild, wie es Mibelli beschreibt, 
sehr charakteristisch: die warzenähnlichen gelbbraun gefärbten, 
linsen- bis markstückgrossen Flecke von unregelmässiger Form 
heben sich mit ihrem flachen nur von einigen spitzen harten 
Höckerchen unterbrochenen Centrum scharf von dem erhabenen, 
geschlängelten, trockenen, fast scharfen Rande ab und fühlen 
sich bei der Berührung wie ein Reibeisen an. 

Das hiervon Mibelli scharf gezeichnete Krankheitsbild 
mit seinem im wesentlichen abgeflachten und muldenartig ein¬ 
gesunkenen Centrum im Gegensatz zu dem wallartigen Rande 
ist so prägnant, dass man es nicht leicht übersehen kann. Ich 
hatte das Bild nicht nur durch das Studium der sehr gut ge¬ 
lungenen Zeichnung in dem internationalen Atlas seltener Haut¬ 
krankheiten, sondern vor allem auch durch die auf dem Lon¬ 
doner internationalen Dermatologeu-Congress im August 18% 
ausgestellte vortreffliche Moulage so gut meinem Gedächtnisse 
eingeprägt, dass ich zwei in meiner Poliklinik vor Kurzem 
zur Behandlung gelangende Krankheitsfälle sehr bald als „Poro- 
keratosis“ erkannte. 

In meiner ersten Beobachtung handelte es sich um den 14jährigen 
Otto B., Sohn eines hiesigen Töpfers. Derselbe soll seine Hauterkrankung 
angeblich seit dem dritten Lebensjahre haben, und da in der letzten Zeit 
eine Ausbreitung des Processes bemerkt wurde, so suchte er ärztliche 
Hilfe auf. Von ähnlichen Erkrankungen in der Familie ist nichts 
bekannt. 


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lieber Porokeratosis. 


337 


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Die Hauterkrankung besteht nur an der rechten Hand. Hier ist 
sie hauptsächlich auf den zweiten und dritten Finger beschränkt, während 
sich ein eben beginnender kleiner Herd auf dem Handrücken in der 
Furche der Interossei zwischen dem zweiten und dritten Finger befindet. 
Dieser letztere Erkrankungsherd soll jetzt sogar unter der von mir 
durchgeführten Behandlung mit 10% Chrysarobin-Traumaticin schon etwas 
abgenommen haben, während in letzter Zeit ein Fortschreiten der ein¬ 
zelnen Krankheitsherde aber nur an isolirten kleinen Punkten, welche 
sich dem Gefühle als Rauhigkeiten präsentirten, bis zum Handgelenke 
zu constatiren ist. 

Die genauere Inspektion ergab an dem r. Zeigefinger folgenden 
Befund: An der Dorsalfläche der ersten Phalanx von dem Metacarpo- 
phalangealgelenke an bis zur zweiten Phalanx sieht man etwa 15 bis 
20 kleine stecknadelkopfgrosse schwarze Pünktchen. Diese scheinen bei 
makroskopischer Besichtigung, ähnlich wie es Mi belli beschreibt, „aus 
dem Centrum einer der rautenförmigen Figuren, die aus der Kreuzung der 
normal in jener Region besonders ausgebildeten Hautfurchen entstehen“ her¬ 
vorgegangen zu sein. Kratzt man diese kleinen Erhöhungen ab, so sieht man 
eine Vertiefung, welche in einen Schweissdrüsen-Ausführungsgang zu 
münden scheint. Ausser diesen isolirten Efflorescenzen besteht in der 
Mitte der Dorsalfläche der ersten Phalanx eine grössere erkrankte Fläche, 
welche etwa 2 Cm. in der Länge und ungefähr % Cm. in der Breite 
misst. Diese Plaque zeigt vor Allem einen in die Augen fallenden peri¬ 
pheren, ausgezackten hornartigen Wall, während das Centrum glatt, fast 
normal aussieht und nur hin und wieder kleine spitze, harte Erhaben¬ 
heiten zeigt. Hierdurch wird zunächst der Eindruck hervorgerufen, als 
ob man es nur mit gewöhnlichen Warzen zu thun hätte, aber bei ge¬ 
nauerem Zusehen erkennt man, dass der gleichmässig über die Oberfläche 
sich erhebende Wall zwischen den Erhöhungen auch einzelne Vertiefungen 
zeigt. Die Erhabenheiten entsprechen im Wesentlichen den keratotischen 
Stellen an den Schweissdrüsen-Ausführungsgängen, die Vertiefungen den 
dazwischen befindlichen Theilen. Besonders deutlich tritt diese Hyper- 
keratose der Schweissdrüsen-Ausführungsgänge hervor, wenn man mit 
einem Objectträger auf die Stelle drückt und sie auf diese Weise blut¬ 
leer macht. Um diesen Plaque befindet sich, ihn wie ein Kranz umgebend, 
eine grössere Anzahl ähnlicher kleiner keratotischer Stellen. Einige iso- 
lirte oder zu 4—5 zusammenstehende tief schwarz gefärbte keratotische 
Stellen sieht man dann noch in geringerem Grade an der ersten und 
zweiten Phalanx. An der zweiten Phalanx des Mittelfingers befinden sich 
nur zwei keratotische Punkte, an der dritten Phalanx eine etwa hirse¬ 
korngrosse erkrankte Partie. An der oben bezeichneten Stelle des Hand¬ 
rückens zeigen sich ebenfalls ungefähr 20 bis 25 einzelne keratotische, 
wie es scheint an den Schweissdrüsen- Ausführungsgängen befindliche 
schwarze Punkte. An der Austrittsstelle der kleineu Flaumhärchen be¬ 
merkt man nichts Abnormes. 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 22 


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o38 


Joseph. 


Während in Italien nach den Mittheilungen Mibelli's 
und Respighi’s 1 ) die Erkrankung nicht gar so selten zu sein 
scheint, ist aus Deutschland bisher noch kein Fall veröffent¬ 
licht, trotzdem Mibelli’s erste Mittheilung bereits aus dem 
Jahre 1893 datirt; daher wird es interessiren, dass ich vor 
kurzem noch einen zweiten hieher gehörigen Fall beobachtet 
habe, dessen Abbildung ich auf Taf. XIII, Fig. 1 gebe. 

Erkrankt war der 12jährige Max S. Sein Leiden soll angeblich 
seit 8 Jahren bestehen und ist hauptsächlich auf die rechte Hand be¬ 
schränkt. Zuerst soll die Hauterkrankiing nur auf den gegen einander 
liegenden Seiten des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand vorhanden 
gewesen sein. Ungefähr 6 Monate später erschien die Aflection auch über 
dem Gelenk zwischen 1. und 2. Phalanx des rechten Ringfingers, und 
alle Bemühungen der bisher behandelnden Aerzte führten zu keinem 
Resultate. Der Zustand änderte sich gar nicht, nur zeigten sich seit etwa 
einem halben Jahre einige wenn auch geringe Erscheinungen im Gesichte. 

Die genauere Besichtigung ergab, wie aus der Abbildung hervor¬ 
geht, dass sich der Hauptherd der Erkrankung in der That auf dem 
Zeige- und Mittelfinger befindet. Die Affection erstreckte sich von dem 
Dorsum der Grundphalange des Zeigefingers über die Interdigitalfalle 
auf die Rückeniläche der Grundphalanx des Mittelfingers in etwa huf¬ 
eisenförmiger Gestalt. Der Zeigefinger ist auf der ulnaren Seite vom 
ersten luterphalangealgelenk bis zum Metakarpophalangealgelenk befallen, 
der Mittelfinger an der dem Zeigefinger zugewandten Seite vom Meta* 
karpophalangealgelenk bis zur Mitte der Grundphalanx. Die proximale 
Grenze der Affection liegt in der Höhe der Metakarpophalangculgelenke. 

Die erkrankten Stellen sind scharf gegen die gesunde Haut abg< - 
grenzt mit einem wallartig absteigenden Rande, welcher trocken, rauh, 
hart ist und eine bräunliche Färbung zeigt. Die von dieser wallartigen 
Peripherie eingeschlossene Hauttläche zeigt keine Spur von Entzündung 
und macht einen normalen Eindruck. Nur an einigen wenigen punkt¬ 
förmigen Stellen sieht man eine kleine stachelige, warzige Erhabenheit, 
nach deren Abheben eine Vertiefung zu J age liegt, welche einem Schweiss- 
drüsenausführungsgange zu entsprechen scheint. Ebenso lassen die wall¬ 
artigen Prominenzen an der Peripherie der Plaques am Zeige- und Mittel¬ 
finger die Annahme zu, dass sie grossentheils mit den Schweissdriisen- 
Ausführungsgängen Zusammenhängen, denn nach Abkratzen derselben 
gelangt man in eine Vertiefung, welche gerade dem Schweissdrüsenporus 
zu entsprechen scheint. Doch kommt an einigen, wenn auch wenigen 
Stellen solch eine warzige Erhabenheit auch an einem Follikel vor. Die 
zwischen den wallartigen Rändern gelegene Haut macht einen atrophischen 
und dadurch viel zarteren Eindruck als an den anderen Stellen, im 


') Mon. f. prakt. Dermat. Bd. XVJII. 1804 p. 70. 


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Ueher Porokeratosis. 


ooO 


Uebrigen aber befinden sich hier weder Krusten noch sonstige /eichen 
einer oberflächlichen Entzündung, wie auch Patient über keine subjeetiven 
Beschwerden an diesen Stellen zu klagen hat. 

An der radialen Seite des Mittelfingers befindet sich ein etwa den 
Umfang einer Erbse einnehmender Plaque mit erhabenem warzenförmigem 
trockenem Rande und einem atrophischen Ceutrum. I)er ganze Plaque 
wurde zur mikroskopischen Untersuchung excidirt und ist daher auf der 
Photographie (Taf. XIII, Fig. 1) nicht sichtbar. Schliesslich befindet sich 
noch ein Erkrankungsherd, der auf der Abbildung deutlich sichtbar ist, 
an dem vierten Finger und hatte hier etwa die Ausdehnung einer Bohne. 
Sein Hauptherd sass an dem ersten Interphalangealgelenk mit denselben 
Charakteren wie wir sie oben beschrieben haben. Von hier aus zweigte 
sich ein wallartiger Streifen in fast gerader Richtung nach den Nägeln 
zu ab mit den gleichen oben beschriebenen Charakteren, an denen he. 
sonders wieder der Zusammenhang der stacheligen, warzigen Excrescenzen 
mit den Schweissdrüsen-Ausführungsgängon deutlich zu demonstriren war. 

An der rechten Seite des Unterkiefers haben sich neuerdings etwa 
sechs linsengrosse rundliche, mit kleinen warzigen Excrescenzen bedeckte 
Krankheitsherde gebildet. Dieselben sind ebenfalls über die Oberfläche 
etwas erhaben und ungefähr kreisförmig ungeordnet, so dass sie einen 
zackigen Wall in der Peripherie und in der Mitte eine atrophisch ein¬ 
gesunkene Stelle bilden. 

Nach der hier gegebenen Beschreibung und der auf Tat’. XIII, 
Fig. 1 befindlichen Abbildung wird die Aelmlichkeit der ein¬ 
zelnen Eruptionsformeu mit den von Mibelli und Respighi 
gegebenen Abbildungen sofort in die Augen fallen. Nicht nur 
die Localisation, sondern auch die Art der warzigen Efflores- 
cenzen stimmt mit dem von diesen Autoren gezeichneten Bilde. 
Allerdings stellen unsere beiden Falle noch Frühstadien des 
Processes dar und daher ist es bei ihnen noch nicht zu der 
hochgradigen Ausdehnung gekommen, wie sie von den beiden 
genannten Autoren in Wort und Bild mitgetheilt ist. Wir haben 
es in unseren beiden Fällen mit Frühformen dieser Krankheit 
zu thuu, und dieses wurde auch durch die mikroskopische 
Untersuchung 1 ) bestätigt. 

Dieselbe ergab in beiden Fällen einen vollkommen iden¬ 
tischen Befund und die Veränderungen waren die gleichen 
an den isolirten stacheligen Hervorragungen wie an den grossen 
Plaques. Es bestand eine ausserordentliche Zunahme des Bete 


') Die hier zugehörigen Präparate wurden 
Herl. denn. Ges. demonstrirt. 


in der Märzsitzung der 




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340 


Joseph. 


Malpighii, welches sich hoch hinauf erstreckte und hier bis 
weit in die hyperkeratotischen Partien durch seinen Zellen¬ 
charakter erkenntlich war. Ebenso hatte aber diese Hyper- 
keratose zu einer Erweiterung der Interpapillarzapfen geführt, 
welche auf diese Weise 4—6 Mal so breit als normal waren 
und sehr stark .in die Tiefe des Coriums wucherten. Die da¬ 
zwischen befindlichen Papillen waren etwas verschmälert und 
von einem dichten Zellinfiltrat ausgefüllt. Das letztere schliesst 
sich enge, wie aus Taf. XIV, Fig. 3. ersichtlich ist, an die lang 
ausgezogenen und stark erweiterten Capillaren an. Das Infiltrat 
selbst besteht aus zahlreichen mononucleären Leukocyten und 
Spindelzellen, während Mastzellen in dieser Gegend nur sehr 
spärlich anzutreffen waren. Dagegen wurden die Mastzellen 
zahlreich in der Tiefe des Coriums gefunden, wo sie sich zu¬ 
sammen mit den zahlreich vorhandenen mononucleären Leuko- 
cyten den stark erweiterten Gefässen anschliessen. Auch zwi¬ 
schen den Schweissdrüsenglomeruli waren zahlreiche Mastzellen 
zu finden. Die nach der Orceinmethode dargestellten elastischen 
Fasern boten nichts abnormes dar. 

Besondere Beachtung verdienen aber die hyperkeratotischen 
Stellen. Denn hier zeigten sich einige Merkwürdigkeiten, welche 
für diese Erkrankung specifisch sind, und welche ich noch bei 
keiner anderen Aftection wiedergefunden habe. Es gehen näm¬ 
lich von den Schweissdrüsenausführungsgängen Hornkegel aus, 
welche nicht nur wie aus Taf. XIV, Fig. 2 ersichtlich in den 
Ausführungsgang eingekeilt sind, sondern auch (Taf. XIV, Fig. 4 s.) 
über die Oberfläche hervorragen. An einzelnen Stellen ist diese 
Prominenz schon ausgefallen, während sie an anderen noch 
deutlich sichtbar ist und hier wie ein Büschel über die Ober¬ 
fläche hervorragt. Verfolgt man den Process weiter, so sieht 
man nur, wie zunächst zu beiden Seiten solcher hyperkerato¬ 
tischen Schweissdrüsenausführungsgänge sich ähnlich wie in 
Taf. XIV, Fig. 1 warzenförmige Erhabenheiten bilden, welche 
allmälig sich excentrisch weiter ausbreiten und von den klein¬ 
sten Anfängen (Taf. XIV, Fig. 1) allmälig ziemlich grosse Dimen¬ 
sionen annehmen, ähnlich wie es auf Taf. XIV, Fig. 2 und 3 
dargestellt ist. Manchmal sind sogar mehrere dieser hyper¬ 
keratotischen warzenartigen Gebilde in der Nähe eines Schweiss- 


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lieber Porokeratosis. 


341 


drüsenausiuhrungsganges zu finden (Taf.XIII, Fig. 3) und zeichnen 
sich durch ihr Höhenwachsthum aus, während an anderen 
Stellen wiederum die warzenförmigen Gebilde durch ihr ex¬ 
centrisches Wachsthum auffallen und grosse Dimensionen an- 
nehmen (Taf. XIH, Fig. 4 und 5). Dieselben zeichnen sich stets 
dadurch aus und heben sich von ihrer Umgebung scharf ab, 
indem in ihnen im Gegensatz zu der Umgebung eine grosse 
Menge färbbarer Kerne in der Epidermis noch zu finden ist. 
Dies geht am besten aus den vier ersten Zeichnungen der 
Tafel XIV hervor. In Mitten solcher warzenförmiger Hervor- 
ragungen sieht man dann oftmals einen theils geradlinig, theils 
geschlängelten, korkzieherförmig verlaufenden Scliweissdrüsen- 
ausführungsgang, welcher aber meist ganz normal ist und nur 
an wenigen Stellen eine bereits beginnende Verhornung zeigt. 
In diesen Partien ist auch gerade wie sich aus den Präparaten 
ergibt, welche nach den von Dreysel und Oppler 1 ) empfoh¬ 
lenen Methoden gefärbt sind, das Keratohyalin deutlich vor¬ 
handen, während es an den nicht hyperkeratotischen Stellen 
fehlt. An diesen letzteren ist wiederum ein deutliches Stratum 
lucidum vorhanden. Es zeigen sich Eleidinkörnchen, und das 
Stratum granulosum ist an manchen Stellen gar nicht deutlich 
sichtbar, an anderen nur sehr gering, in ein bis zwei Zellagen 
entwickelt. Ich kann hiernach bestätigen, was Dreysel und 
Opple r als allgemeine Thatsache gefunden haben, dass bei 
Krankheiten, welche wesentlich mit Verhornungsanomalien ein¬ 
hergehen, den Parakeratosen, niemals Eleidin gefunden wird 
an den Stellen, wo die Kerne im Stratum corneum noch ihre 
Färbbarkeit bewahrt haben, selbst wenn Keratohyalin an sol¬ 
chen Stellen noch nachweisbar ist. 

An einzelnen Stellen sieht man deutliche Flaumhärchen 
(Taf. XIII, Fig. 6) und etwas erweiterte Follikel, aus welchen 
ebenfalls ein horniger Pfropf hervorragt und inmitten eines 
hyperkeratotischen warzenartigen Gebildes liegt, genau so wie 
wir es vorhin bei den excentrischen Hyperkeratosen der Schweiss- 
drüsen beschrieben haben. Allerdings muss ich bemerken, dass 
man solcher Stellen nur äusserst wenige findet. Indessen ist 


*) Dieses Archiv Bd. XXX. 


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M2 


Joseph. 


das Vorkommen derartiger Stellen doch aus der photographi¬ 
schen Aufnahme in Taf. XIII, Fig. 6 sicher klargestellt. 

Auffällig war der grosse Reichthum an Schweissdrüsen, 
welche sich in jedem Schnitte in vielfacher Zahl vorfanden 
und hier sehr viel zahlreicher anzutreffeu waren als in der 
Gegend des Fingerrückens der normalen Haut. Taf. XIV, Fig. 5 
zeigt diese abnormen Verhältnisse. Zwischen den Scliweiss- 
drüsenglomeruli fand ich zwar eine grosse Menge von Mast¬ 
zellen, aber sonst keine Infiltration. Die Schweissdrüsen selbst 
zeigten zunächst nichts Abnormes und vor allen Dingen keine 
solchen cystischen Erweiterungen, wie sie Mi belli beschrieben 
hat und wie sie mir aus meinen Untersuchungen über den 
Lichen ruber (dieses Archiv Band XXXVIII, Heft 1. 1807) sehr 
genau bekannt waren. Indessen war es auffällig, dass man mit 
bestimmten Färbungen, vor allem der Gram’schen Methode 
eine ziemlich beträchtliche Menge von lverntheilungstiguren 
erkennen konnte. Auf Taf. XIV, Fig. fi sind einige derselben 
abgebildet. 

Vergleichen wir die von mir an den beiden Patienten 
beobachteten klinischen und histologischen Bilder mit den von 
M i b e 11 i und It e sp i g h i herrührenden Schilderungen, so haben 
wir es in allen diesen Fällen zweifellos mit einem gleichartigen 
Krankheitsprocesse zu thun. Allerdings bestehen kleine Diffe¬ 
renzen, welche sich aber wohl hauptsächlich durch die ver¬ 
schieden lange Dauer des Leidens in den einzelnen Fällen 
erklären lassen. 

Diese Dermatose setzt gewöhnlich schon im frühesten 
Lebensalter ein. Meine beiden Patienten hatten ebenso wie die 
von Mibelli und Re sp igln zuerst beschriebenen ihre Poro- 
keratosis schon seit der frühesten Kindheit. Auch Dubreuilh ') 
berichtet über einen achtjährigen Knaben, welcher die Affection 
seit seinem ersten und Hut ch ins 2 ) über einen ;52jährigen 
Patienten, der die Affection seit seinem 2. Lebensjahr hatte. 
Dagegen begann die Erkrankung bei den von Iieisner 3 ) aus 
Prof. Wolff’s Klinik in Strassburg berichteten Falle erst im 1 


') Intern, dertuat-. Congress zu London. lsOii. 

V) Journal of cutan. and in*nito-urin. dis. Ort. Is9f5. 
3 ) Inaug.-Dissert. Strasslmn; lMMi. 


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Heber Porokeratosis. 


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bei einem der von Iiespighi 1 ) beschriebenen Falle etwa im 
25. Lebensjahre und bei einem Patienten Mibelli's sogar erst 
im Alter von 55 Jahren. Meist localisirt sich die Affection nur 
an den Händen, den Unterarmen und dem Gesicht. Doch war 
in den von Reisner und Respighi mitgetheilten Beob¬ 
achtungen 2 ) das Exanthem sogar über einen grossen Theil des 
Körpers verbreitet. 

Die Frage, ob es sich hier um eine besondere Form der 
Keratosenbildung handle, glaube ich mit Ja beantworten zu 
müssen. Dafür scheint mir vor Allem das klinische Aussehen 
der Affection zu sprechen, welche mit keiner ähnlichen Derma¬ 
tose meiner Ansicht nach verwechselt werden kann. Diese scharf 
umschriebenen Erkrankungsherde mit ihrem sich deutlich von 
der gesunden Umgebung abhebenden hyperkeratotischen Walle, 
welcher die Neigung hat sich excentrisch auszubreiten, während 
in der Mitte dieser Scheiben eine Atrophie der Haut eintritt, 
machen das klinische Bild unverkennbar. 

Die Aehnlichkeit dieser Affection mit einem Lichen ruber 
planus scheint mir nur eine geringe zu sein und wenn nicht 
schon das klinische Aussehen und der Verlauf des Lichen, 
welcher mit der Porokeratose gar keine Gemeinschaft hat, 
gegen eine Vermengung beider Krankheitsbilder spräche, so 
sollte es der histologische Befund thun, welcher beim Lichen 
ruber (conf. meine anatomischen Untersuchungen, dieses Archiv 
Band XXXVIII) vollkommen different von der uns hier be¬ 
schäftigenden Krankheit ist. Eine Aehnlichkeit der Porokera- 
tosis mit gewöhnlichen Warzen liegt entschieden vor, auch 
Mi belli beschreibt die Eftiorescenzen als warzenförmige Ge¬ 
bilde und bemerkt bei seinem zweiten Patienten sogar (p. 425 
Mon. f. prakt. Derm. Band XVII 1893), dass sie auf den 
ersten Blick das Bild gewöhnlicher harter Warzen der Iland 
darboten. Auffälliger Weise sassen die meisten dieser Gebilde 
ebenso wie bei meinem Patienten auf den Streckseiten der 

■) (.iiorn. ital. doll. Malatt. Ven. e dell. Pelle. Fase. I. 1805. 

5 ) Ausser diesen bisher in der Literatur mitgetheilten Beobach¬ 
tungen über Porakeratosis dürfte wohl auch ein von Rudojawzew als 
Keratosis linearis in der russ. derm. Ges. v. 28. Jau. 1895 (Mon. f. prakt, 
Derm. Bd. XXII. 189li p. 181) vorgestellter Fall hierhin zu rechnen sein. 


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Joseph. 


Extremitäten. Indessen weisen sowohl Mibelli wie Respighi 
(p. 83 Monat, f. prakt. Dermat. Band XVIII 1894) sehr 
eingehend auf die Unterschiede dieser beiden Affectionen hin. 
Eine Verwechselung mit Tuberculosis verucosa cutis kann wohl 
nur auf den ersten Blick erfolgen, aber nicht nur der weitere 
Verlauf, sondern vor Allem auch die histologische Untersuchung 
wird hier marcante Unterschiede ergeben. Schliesslich bleibt 
nur noch eine Verwechslung dieser Erkrankung mit der Ich¬ 
thyosis übrig, und in der That haben sowohl Tornasoli 
(citirt bei Mibelli) wie Majocchi (Monat, f. prakt. 
Dermat. p. 77 Band XXII 1896) die Forokeratosis für eine 
Varietät der Ichthyosis erklärt. Auch Mibelli betont die 
Aehnlichkeit der Affection mit der Ichthyosis hystrix. Indessen 
hat er sowohl wie Respighi schon auf die Differenzpunkte 
dieser beiden Affectionen hingewiesen, so dass ich es mir ver¬ 
sagen kann, hier ausführlicher darauf einzugehen. Die bei der 
Forokeratosis beobachtete Localisation des Erkrankungsprocesses 
würde allerdings nicht gegen Ichthyosis sprechen, da wir wissen, 
dass hier mannigfache Varietäten Vorkommen. Ich habe mir 
erlaubt, schon früher (Verhandlungen der deutschen dermato¬ 
logischen Gesellschaft, IV. Congress Seite 407) an der Hand 
eines einschlägigen Palles 1 ) darauf hinzuweisen, dass die Ich- 

') Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweiscn, dass mir 
Jarisch (Verhandl. d. deutschen dermat. Ges. V. Congress 1896 p. 103) 
nicht Recht zu haben scheint, wenn er meinen Krankheitsfall vielleicht 
zu der Psorospermosis follicularis (Darier’sche Dermatose) zurechnen 
will. Ich hatte ja selbst darauf hingewiesen, wie gross klinisch die Aehn¬ 
lichkeit ist und der einzige, welcher aus Berlin einen derartigen Fall be¬ 
schrieben hat, Buzzi, stimmte mit mir in dieser grossen Aehnlichkeit 
überein. Aber es fehlten die sogeuannten Psorospermien! Wenn nun 
Jarisch meint, dass auch diese nicht einmal mehr als typisch für das 
Bestehen der Darier’schen Dermatose angesehen werden, so liegt wie 
mir scheint überhaupt kein Grund vor an der klinischen Eigenart dieser 
Erkrankung festzuhalten. Es würde sich vielleicht verlohnen, alle in der 
Literatur niedergelegten Krankheitsfälle sogenannter Darier’scher Der¬ 
matose daraufhin zu revidiren, ob sie 1. einen einheitlichen Typus dar¬ 
stellen und 2. nicht vielleicht unter andere uns bereits sehr gut bekannte 
Kategorien von Hautkrankheiten wie z. B. die Ichthyosis unterzubringen 
sind. Bis dahin halte ich aber auch daran fest, dass der von mir auf dem 
Breslauer Congress berichtete Krankheitsfall zu den atypischen Formen 
der Ichthyosis gehört. 


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Ueber Porokeratosis. 


345 


thyosis auch einmal atypisch verlaufen kann, indem sie nur an 
den sonst von dieser Erkrankung verschonten Stellen z. B. den 
Gelenkbeugen, Achselfalten etc. auftritt. Indessen sprechen 
ausser den schon von Mibelli und Respighi angeführten 
Gründen besonders der Verlauf der Porokeratose und der 
histologische Befund gegen ein Zusammenwerfen dieses Krank¬ 
heitsbildes mit der Ichthyosis. Unter Anderen ist das Stratum 
granulosum bei der Porokeratosis nur sehr gering ausgebildet, 
während es bei den gewöhnlichen Warzen sowohl, als vor Allem 
bei der Ichthyosis hochgradig entwickelt ist. Selbst ein so eigen¬ 
artiger Fall von Ichthyosis, wie ihn Giovannini 1 ) beobachtet 
hat zeigt, doch wesentliche histologische Differenzen von der 
Porokeratosis. Allerdings fanden sich auch dort Prominenzen 
der Schweissporen, die Schweissdrüsengänge zeigten cysten¬ 
artige Erweiterungen, während die Knäuel normal -waren, es 
fanden sich auch zahlreiche Mitosen im Epithel der Schweiss¬ 
drüsengänge, aber das wesentliche, was der Porokeratosis das 
charakteristische Gepräge verleiht, die von den Schweissdrüsen- 
mündungen ausgehende excentrische Hyperkeratose, diese fehlte 
in der Beobachtung Giovannini’s. 

Viel wesentlicher aber als alle klinischen Gründe ist für 
die eigenartige Stellung dieser Dermatose das histologische 2 ) 


‘) Dieses Archiv Band XXVII 1894. 

*) Bedauerlicherweise fehlt in dem von Hallopeau (Annales de 
Dermatol, et de Syphil. 1895 p. 480) vorgestellten Falle von einer auf 
die Palmar- und Plantarflächen beschränkten und an den Sehweissdrüsen¬ 
mündungen localisirten Hyperkeratose die mikroskopische Untersuchung. 
Ohne diese ist es schwer zu sagen, ob nicht vielleicht jene Beobachtung 
ebenfalls mit zur Porokeratosis zu zählen wäre. Das Gleiche gilt für die 
schon früher von Besnier und H a 11 o p e a u mitgetheilten Beobach tungen, 
die bereits Mibelli in seiner ersten Arbeit kritisch erwähnt. Hallo¬ 
peau glaubt zwar, seine Beobachtung unterscheide sich von der Poro¬ 
keratose vor Allem durch die Localisation, da bei der letzteren Hand¬ 
teller und Fusssohlen freiblieben. Indessen scheint mir das kein genü¬ 
gendes Unterscheidungsmerkmal zu sein, da wir vielleicht bei weiteren 
Beobachtungen, welche aber vor Allem auch histologisch untersucht sein 
müssen, diese Stellen ebenfalls als Sitz der Porokeratosis kennen lernen 
werden. So zeigt besonders auch der neuerdings von Hutchins (1. c.) 
publicirte Fall die Localisation der Erkrankung ausser an anderen Stellen 
hauptsächlich auf den Palmarflächen der Hände. Wenn zwar an diesem 


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34<> Joseph. 

Bild. Ein dem Aehnliches ist bisher bei keiner anderen Affec- 
tion beschrieben worden. Ich kann allerdings nicht ganz genau 
das histologische Bild, welches Mi belli so ausgezeichnet be¬ 
schrieben hat und von dem auch Respighi nur in unwesent¬ 
lichen Punkten abweicht, in meinen Präparaten wiederfinden. 
Das liegt aber vielleicht daran, dass sich meine beiden Patien¬ 
ten in dem Anfangsstadium ihrer Erkrankung befanden. Ich 
habe hier höchst wahrscheinlich auch histologisch das frühe 
Stadium der Affection zur Untersuchung bekommen, und in¬ 
sofern glaube ich, dass meine anatomische Untersuchung eine 
geeignete Ergänzung der von Mibelli erhobenen Befunde 
darstellt. Das lässt sich daraus schliessen, dass ich in den 
byperkeratotischen oder vielmehr nach U n n a parakeratotischen 
Partien noch Hornzellen mit deutlich färbbaren Kernen vor¬ 
finde. Dies prägt sich besonders deutlich in den mit Tbionin 
gefärbten Präparaten aus. Doch kann ich hierin mit Mibelli 
ii herein stimmen, dass es sich um eine hochgradige gerade in 
der Gegend der Schweissdrüsenausführungsgänge gelegene 
Hyperkeratose handelt, welche nicht nur die Ausführungsgänge 
der Knäueldrüsen, sondern auch die angrenzenden Partien in 
hohem Masse beeinflusst. Ob diese Hyperkeratose freilich stets 
von den Schweissdrüsenausführungsgängeu ausgeht, wie es 
Mibelli will, oder die Hornsubstanz erst durch den kerato- 
tischen Process in die Knäueldrüsenausführungsgänge hinein¬ 
gelangt, wie Majocchi (1. c.) annimmt, wageich nach meinen 
eigenen Untersuchungen nicht zu entscheiden. 

Trotzdem bleibt aber noch immer die eigenthümliche Art 
von Hyperkeratose mit ihrem excentrischen Wachsthum und 
der centralen Betheiligung der Schweissdrüsen übrig, welche 
ich von keinem anderen ähnlichen pathologischen Objecte der 
Haut weder aus eigener Anschauung, noch aus der Literatur 
kenne. Denn weder bei meinen Studien des Lichen ruber planus 
(1. c.) noch bei gewöhnlichen Hautwarzen, mit welchen ja die 
Porokeratosis bei oberflächlicher Betrachtung noch die grösste 
Aehnlichkeit hat, konnte ich ein gleiches histologisches Bild 

letzteren Falle die histologische Untersuchung leider ebenfalls fehlt, so 
knnn man doch aus der gesammten klinischen Beschreibung wohl sagen, 
dass hier ein sicherer Fall von Porokeratosis Vorgelegen hat. 


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lieber Purokerato'is. 


finden. Unter anderem sind bei der Porokeratosis die Verände¬ 
rungen im Corium gegenüber den Verrucae hervortretend. Den 
von M i b e 11 i beschriebenen Hornpropf, welcher aus den Schweiss- 
drüsenausfuhrungsgängen hervorragt, konnte ich nur andeutungs¬ 
weise in Taf. XIV, Fig. 4 wiederfinden. Dagegen sah ich viel 
häufiger das Bild, wie es in Taf. XIV, Fig. 1 und Taf. XIII, Fig. 2 
und 3 abgebildet ist, nämlich den Schweissdrüsenausführungs- 
gang von einer Hornlamelle verschlossen, während sich zu bei¬ 
den Seiten hyperkeratotische Wälle erheben. Diese letzteren 
dehnen sich nach den Seiten hin mächtig aus (Taf. XIII, Fig. 5 
und Taf. XIV, Fig. 2), während die Mitte einsinkt. Möglich dass 
hierbei der aus dem Schweissdriisenporus herausragende feder¬ 
buschartige Hornpfropf bereits ausgefallen ist, wie es M i b e 11 i 
auch als ein zuweilen eintretendes Vorkommniss beschreibt. 

Merkwürdig sind aber in meinen Präparaten die in den 
hyperkeratotischen Erhebungen befindlichen, lang ausgezogenen 
Schweissdrüsenausführungsgänge, welche theilweise sogar eine 
gelb verfärbte, wie es scheint hornige Masse enthalten. Meine 
Präparate umfassen nicht warzenförmige Bildungen, ähnlich 
wie sie Mibelli in einem Theile seiner Präparate (1 c) ge¬ 
funden hat, wo die intraepidermidalen Abschnitte der Knäuel¬ 
drüsengänge grossentheils noch durchgängig blieben, trotzdem 
sie in den Verhornungsprocess hineingezogen waren. Ein we¬ 
sentlicher Unterschied zwischen Mibelli’s Beobachtungen 
und meinen liegt aber in dem Verhalten der Schweissdrüsen- 
knäuel und der Ausführungsgänge. Zur Erklärung dieser Diffe¬ 
renzen vermuthe ich, wie schon früher gesagt, dass ich in 
meinen beiden Beobachtungen ein Frühstadium dieses Processes 
vor mir gehabt habe. Meine Patienten waren jugendliche Indi¬ 
viduen, welche die Affection nicht so lange gehabt hatten, wie 
der Patient Mibelli’s (Bolzani). Zu dieser Ansicht werde ich 
durch die Veränderung der Schweissdrüsen geführt, welche in 
meinen Präparaten nichts von dem nachwiesen, was Mibelli 
als charakteristisch beschrieben hat, und wovon ich mich auch 
an den Präparaten überzeugen konnte, welche Mibelli so 
liebenswürdig war, mir zu übersenden. Mibelli beschreibt 
vor allem die in der That auffälligen cystischen Erweiterungen 
der Schweissdrüsen, die mir von meinen Untersuchungen über 


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Joseph. 


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den Lichen ruber sehr bekannt waren. Solche cystischen Er¬ 
weiterungen konnte ich bei meinen beiden Patienten mit Poro- 
keratosis nicht bemerken. 

Dagegen traf ich in den Schweissdrüsen eine mir höchst 
auffällige Erscheinung, nämlich eine grosse Menge von Karyoki- 
nesen. Im Gegensätze zu den Talgdrüsen, wo wir ja sehr häufig 
Kerntheilungsfiguren finden, ist es immer überraschend, aber 
leicht erklärlich, dass wir in den Schweissdrüsen fast nie oder 
nur ausnahmsweise karyokinetische Figuren constatiren können. 
Ich habe in einer früheren Arbeit 1 ) bei meinen experimentellen 
Versuchen an Katzen hierauf sehr viel geachtet, aber in Ueber- 
einstimmung mitBizzozero und Vasale 2 ) habeich niemals 
daselbst, selbst nicht nach vorhergehender Pilocarpininjection 
Kerntheilungsfiguren finden können. Auch beim Menschen habe 
ich bei zahlreichen daraufhin gerichteten Untersuchungen nie¬ 
mals derartige Verhältnisse angetroffen. Dagegen war ich über¬ 
rascht, in meinen Präparaten von Porokeratosis eine grosse 
Zahl von Karyokinesen zu finden, wie sie auf Taf. XIV, Fig. 6 
dargestellt sind. 

Ich denke mir den Vorgang unabhängig davon, ob die 
Hyperkeratose von den Schweissdrüsenausführungsgängen aus¬ 
geht oder nicht, so, dass nachdem die Schweissdrüsenausfüh- 
rungsgänge jedenfalls durch die hyperkeratotischen Massen 
verlegt sind, nun das Bestreben der secernirenden Theile der 
Schweissdrüsen hervortritt, jeden Widerstand zu überwinden. 
Dieser vermehrten Anspannung von Kräften, dem Verbrauch 
von parenchymatösen Zellen in den Schweissdrüsen, entspräche 
das vermehrte Auftreten von Kerntheilungsfiguren, und die 
hyperplastische Zunahme der Schweissdrüsen selbst, 3 ) auf 

') lieber Schweiss- und Talgdriisensecretion. Archiv f. Anat. und 
Physiol. Physiol. Abth. 1891 p. 81. 

7 ) Med. Centralbl. 1S84 p. 77 u. 179. Virchow’s Archiv 1887 p. 110. 

# ) Uebrigens will ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass 
nach Petersen (dieses Archiv 1893 Band XXY p. 442) die einfache 
Hypertrophie der Schweissdrüsen auch bei weichen Warzen, Ichthyosis, 
acuten und chronischen Ekzemen, sowie bei Prurigo beschrieben ist, 
ebenso wie Beier (dieses Archiv 1895 Band XXXI p. 337) eine hoch¬ 
gradige Hyperplasie der Knäueldrüsen bei einem Naevus subcutaneus 
(Virchow) beschreibt. 


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Ueber Porokeratosis. 


349 


welche wir oben ebenfalls hingewiesen haben und welche wir 
in allen unseren Präparaten bestätigen konnten. Erst später 
lässt die Thätigkeit der Schweissdrüsen nach, und es findet nun 
eine Erweiterung der Knäuel statt, wie sie Mibelli in seinen 
wahrscheinlich vorgeschrittenen Stadien vor sich gehabt hat. 

Auch durch die übrigen histologischen Befunde werde 
ich in meiner Annahme bestärkt, dass Mibelli einen viel 
weiter vorgeschrittenen Process vor sich gehabt hat, als ich 
ihn in meinen Präparaten finden konnte. Bestätigen kann ich, 
dass der Process mit einer starken Wucherung des Rete Mal- 
pighii beginnt. Es handelt sich hier also um keine reine Hy- 
perkeratose, sondern es geht ihr eine Hyperakanthose voran. 
Aber es fehll in meinen Präparaten im Gegensatz zu Mibelli 
der Stillstand der Wucherung des Rete Malpighi und das 
Weichen der Zellen der Stachelschicht gegenüber den sich in 
die Zapfen einsenkenden Hornzellen. Auch verfallen sie nicht, 
wie Mibelli sah, bereits in den untersten Schichten einem 
frühzeitigen Verhomungsprocesse, im Gegentheil, die Zellen mit 
gut färbbaren Kernen lassen sich sehr weit bis in die oberen 
Schichten der warzenförmigen Bildungen hineinverfolgen. In 
meinen Präparaten sah man fast überall nur eine starke Hy¬ 
pertrophie des Rete Malpighii, aber noch keine Atrophie des¬ 
selben. Dieses fasse ich als Zeichen der Frühstadien des Pro- 
cesses auf, und auch Mibelli sah einzelne solche Stellen, wo 
das Rete Malpighii zahlreiche, zum Theil sehr lange und ver¬ 
ästelte Fortsätze aussandte und deutlich gewuchert war. Da¬ 
gegen sah ich das folgende von Mibelli beschriebene Stadium, 
in welchem diese Wucherung stille gestanden und darauf das 
Rete in seiner Gesammtheit in Folge der Compression durch die 
daraufgelagerte Hornschichte atrophisch geworden war, nur an 
äusserst wenigen Stellen. Ebenso sah ich zwar an vielen Stellen 
stark in die Länge und Breite gewucherte Fortsätze des Rete, 
welche von einem Schweissdrüsengang durchzogen waren, aber 
es kam noch nicht dazu, wie es Mibelli beschreibt, dass 
die hypertrophische Schicht bis auf die tiefsten Partien 
herunterstieg. 

Schliesslich kann ich auch nach meinen Untersuchungen 
nicht mit Mibelli übereinstimmen, dass bei diesem Krank- 


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heitsvorgauge die Haarfollikel zu Grunde gehen. Im Gegentheil 
muss ich hierin Respighi vollkommen Recht geben, dass an 
einigen Stellen die Haarfollikel ebenfalls an dem hyperkera- 
totischen Processe betheiligt sind. Es geht dies am besten aus 
Taf. XIII, Fig. 2 und 6 hervor. Indess stellt dieser Vorgang nur 
die Ausnahme dar, in der Regel geht der krankhafte Process 
von dem Schweissdrüsenausführungsgang aus. 

Auf den Einwand, als ob die hier beschriebene Hyper- 
keratose nichts Eigenartiges bedeute, sondern bei vielen ande¬ 
ren Krankheiten, wenn auch vielleicht in vermindertem Masse 
vorkomme, brauche ich hier nicht einzugehen. Mibelli hat 
eingehend und überzeugend nachgewiesen, dass man zwar auch 
mitunter bei anderen Dermatosen ausnahmsweise einmal einen 
Hornkegel aus den Knäueldrüsencanälen hervorgehen sieht. 
Aber dieses findet dabei doch nur immer ausnahmsweise statt, 
und ausserdem kann das klinische Bild jener Krankheiten zu 
keiner Verwechslung mit der Porokeratosis Veranlassung 
geben. Man findet zwar auch beim Lichen ruber mit¬ 
unter Anhäufungen von Hornschicht au den Schweissdrüsen- 
ausführungsgängen. Auch Mourek weist in seiner Arbeit 
über Pityriasis rubra pilaris auf Seite 88 darauf hin, dass er 
Anhäufungen mächtiger Hornschichten über den Ausführungs¬ 
gängen der Schweissdrüsen gefunden habe, aber das ganze 
anatomische Bild ist. doch bei der Porokeratosis ein anderes 
als beim Lichen ruber etc. Es bleibt also die Specifität der 
hier beschriebenen Hyperkeratose an den Schweissdrüsenporen 
bestehen, und Mibelli gebührt das Verdienst, die Selbst¬ 
ständigkeit und Eigenart dieser Affection als Erster erkanut 
und genauer beschrieben zu haben. Ich halte es auch für 
richtig, den kurzen und prägnanten Namen, welchen Mibelli 
dieser Affection gegeben hat, Porokeratosis, beizubehalten, wenn 
er auch nicht alle klinischen und histologischen Charaktere 
dieser Erkrankung umfasst. Ich sehe aber keinen Vortheil 
davon, wenn wir Respighi 1 ) folgend, statt dessen die Be¬ 
zeichnung Hyperkeratosis oder Keratodermia excentrica ein¬ 
führen wollten. Die kleinen Unterschiede, welche Respighi 

*) Giorii. itnl. delle iuahittie venereo e della pelle 18U5. I. lief, in 
Mon. f. prakt. Dermat. 1SD5 Bd. XXI p. 4M. 


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Telier Porokerulosis. 


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in diesem letztbeobacliteten Falle gegenüber seinen früheren 
fand, sind vielleicht ähnlich, wie ich es schon oben in meinen 
beiden Beobachtungen ausführte, auf die verschiedenen Stadien 
desselben Processes zurückzuführen. 

Auf die Theorie Mibelli’s von einer rein functioneilen 
Störung der Sclmeissdrüsenporen, d. h. einer Störung der 
Schweisssecretion, welche in abnormer Weise wirkend eine 
Hyperkeratose erzeugen würde, wollen wir nicht eingehen, da 
sie nichts weiter als eine Hypothese zu sein beansprucht. Wie 
dem auch sein mag, meine Arbeit soll nur e^nen kleinen Bei¬ 
trag zu den thatsächlichen Befunden bei dieser, wie es scheint, 
seltenen und interessanten Dermatose geben. Haben sich der¬ 
artige Angaben gemehrt, dann ist es Zeit, sich an eine Hypo¬ 
these heranzuwagen. An der Eigenartigkeit des klinischen 
Processes kann meiner Ansicht nach kein Zweifel bestehen, 
trotzdem noch nicht volle Uebereinstimmung über den ursäch¬ 
lichen Vorgang der Hyperkeratose und die Betheiligung der 
Schweissdrüsen besteht. Aufgabe weiterer Untersuchungen wird 
es nun sein, die fehlenden Tkeile in diesem Bilde zu er¬ 
gänzen. 

Was die Therapie betrill't, so will ich schliesslich noch 
hinzufügen, dass mir alle bisher angewandten Mittel kein defi¬ 
nitives Resultat gaben. W T eder die Salicylsäure noch eine Reihe 
anderer keratolytischer Mittel erwiesen sich als dauernd erfolg¬ 
reich. Bei kleinen umschriebenen Stellen trat nach der Excision 
der erkrankten Stellen kein Reeidiv ein. 


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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIII u. XIV. 

Taf. XIII. Fig. 1. Die rechte Hand des zweiten Patienten. Fig. 2 
bis Fig. 6. Tubus eingeschoben. Vergröss. etwa 1/40. Erklärung der Fi¬ 
guren 2—6 aus dem Texte ersichtlich. 

Taf. XIV. Fig. 1. Vergröss. 36/1. Färbung mit Thionin-Eosin. a Hy¬ 
pertrophische Hornschicht mit färbbaren Kernen, bei von einem Schweiss- 
drüsen-Ausführungsgang durchsetzt, b Rete Malpighii mit Verbreiterung 
der interpapillären Zapfen, bei * ein Schweissdrüsengang. c Cutis mit 
Gefässen und kleinzelliger Infiltration. 

Fig. 2. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin. a Hypertrophische Horn¬ 
schicht, die Färbbarkeit der Kerne erhalten. Schweissdrüsen-Ausfüh- 
rungsgang mit verhornter gelblich gefärbter Wandung, b Rete Malpighii. 
c Cutis mit Infiltrat, t Talgdrüsen. 

Fig. 3. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin. Partie von mehr verru- 
cösem Charakter, o Hypertrophische Hornschicht mit Kernen, bei von 
einem Schweissdrüsengang durchsetzt, b Rete Malpighii mit verbreiterten 
und stark verlängerten interpapillären Zapfen. / Haarfollikel, p Stark 
verlängerte Cutispapillen, cp Langgestreckte Capillaren. i Dichtes klein¬ 
zelliges Infiltrat der subpapillären Cutisschicht, s Schweissdrüsengang 
zu s t gehörig. 

Fig. 4. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin-Eosin. Bei Mündung 
einer Schweissdrüse mit herausragenden, gelblich gefärbten Hornmassen. 

Fig. 5. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin. s Ausführungsgang. 

Drüsenknäuel, fg Fettgewebe, mz Mastzellen. 

Fig. 6. Schweissdrüsen mit Kerntheilungen der Epithelien, k, Fär¬ 
bung nach Gram. Vergröss. 330/1. 


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Ein seltener Fall regionärer Atherora- 
cystenbildung (Molluscum atheromatosum 
Kaposi) an der Scrotalhaut. 

Von 

Dr. Nicolaus Ostermayer in Budapest. 

Vom Titel verleitet, könnte in so manchem Leser der 
Glaube erweckt werden, dass ich in dieser Mittheilung höchst¬ 
wahrscheinlich einen Fall von Molluscum contagiosum Bate- 
man (Molluscum sebaceum Hebra, Epithelioma molluscum 
Virchow, Acne varioliformis B a z i n etc.), eine ziemlich häu¬ 
fige Hautaffection beschreiben will, bei welcher es sich meist 
um ein gruppenweises, regionäres Auftreten von warzigen, 
stecknadelkopf- bis erbsengrossen, flachkugeligen, constant mit 
einer Delle versehenen, weisslich durchschimmernden Bildungen 
der Haut des Scrotum, Penis, der grossen Labien, des Mons 
veneris und Gesichtshaut, seltener des Halses, des Stammes 
und der Extremitäten handelt. Diese letzteren sind zwar, 
gleich den Atheromcysten, Retentionsgeschwülste der Talg¬ 
drüsen, zeigen jedoch in formeller Beziehung Unterschiede 
gegenüber den Atheromen, weshalb auch Kaposi 1 ) zum Zweck 
klinischer Differenzirung die ersteren, die warzenförmigen Bil¬ 
dungen als Molluscum verrucosum, die letzteren cystenartigen, 
Molluscum atheromatosum benannt wissen will. Um dieser 
eventuell vorausgefassten unrichtigen Meinung keinen weiteren 
Spielraum zu geben, muss ich betonen, dass sich meine Be¬ 
obachtung auf einen Fall bezieht, in welchem die ganze Scro¬ 
talhaut von typischen Atheromcysten, von Follikelcysten der 
Haarbalgdrüsen, also Molluscum atheromatosum nach Kaposi 
in grosser Zahl und verschiedener Grösse besetzt war, was 
jedenfalls zu den grösseren Seltenheiten gehört, warum ich 
den Fall auch mittheilenswerth halte und ihn hiemit der 
Oeffentliclikeit übergebe. 

Zolt&n D., 31jähriger lediger Telegraphenbeamter wurde am 3. Oct. 
1893 auf die Chirurg. Abtheilung des allg. Krankenhauses St. Johann in 
Budapest aufgenommen. Der Kranke gibt an, schon seit circa 6 Jahren 
at» Geschwulstbildungen am Hodensack zu leiden. Beschwerden irgend- 

‘) Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten. 1887. 

Archiv f. Derinat. u. Syphil. Band XXXIX. 23 


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U s t o r m a v e r. 


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welcher Art haben ihm jene nicht verursacht. Die Scrotalhant war früher 
immer gesund; weder entzündliche noch andere Erkrankungen derselben 
sind vorausgegangen. Vor 4 Jahren wurde er derentwegen in einem 
Militärspitale antisyphilitisch behandelt, weil man sie für syphilitische 
Neubildungen hielt, trotzdem Kranker angeblich nie venerisch inficirt war. 

Stat. praesens: Die gesammte Hodensackhaut von zahlreichen, 
dicht wie die Beeren einer Traube angeordneten, von haselnuss- bis 
stecknadelkopfgrossen, kugligen, weisslichgelb, fettartig durchschimmem- 
den, derb elastisch sich anfühlenden Geschwülsten vorgebuchtet. Der An¬ 
blick war ein so fremdartiger, so eigentümlicher, dass ich es noch heute 
bedauere, das Object nicht abbilden gelassen zu haben. Die schon an 
und für sich dünne Scrotalhaut war über den Geschwülsten äusserst 
verdünnt, gespannt und so durchsichtig, dass die gelbe Farbe des Inhalts 
der cystösen Neubildungen ganz saturirt hervorstach. Die grössten Ge¬ 
schwülste sassen an der Vorder- und Unterseite beiläufig in parallelen 
Linien neben der Kaphe beiderseitig angeordnet. An den Seitenflächen 
und in der Nähe der Crena ani nimmt die Grösse der Geschwülste 
stufenweise ab. 

Um der dringenden Bitte des Kranken — die Geschwülste zu be¬ 
seitigen — naehzukornmen, wurde folgendes Verfahren eingeleitet: In 
Chloroformnarkose wird am 6. October 1893 zunächst zu beiden beiten 
der I!ai>he scroti beiläufig in der Mitte der Hodensackhälften je ein von 
oben vorn nach unten hinten das Scrotum umkreisender Schnitt vorsichtig 
angelegt und von diesen aus die Auslösung der grössten und grösseren 
Geschwülste bewerkstelligt. Wegen der Dünnheit des Balges bersten 
einige, entleeren ihren breiigen Inhalt, wonach der Balg auspräparirt, 
ausgeschält wird. Einige grössere, die ausser dem Bereiche des Schnittes 
liegend von diesen aus nicht erreicht werden konnten, werden mittelst 
separat angelegter Schnitte blossgelegt und enucleirt. Die hanfkorn- 
grossen und noch kleineren Knötchen werden mit dem glühenden Spitz¬ 
brenner des Paquelin’schen Thermocauter zerstört, damit ein weiteres 
Wachsen, eine Zunahme der Geschwülste verhindert wird und eine Re- 
cidive nicht eintritt. Zum Schluss werden die zwei langen Schnitte 
genäht und ein Jodoformgazewattaverband angelegt. 

Die Heilung verlief anstandslos, so dass der Kranke am 21. Oct. 
vollkommen geheilt entlassen werden konnte. Nach einem Monate stellte 
er sich vor und fand ich schon zu dieser Zeit einige hirsekorngrosse, 
weissliche, neueutstandene Knötchen. Sie wurden so wie bei der ersten 
Gelegenheit mit dem Paquelin zerstört. 

Die anatomische Untersuchung der exstirpirten Tumoren 
ergab eine vollkommene Identität dieser mit den gewöhnlichen 
\theromcysten, sowohl bezüglich der Structur des Balges als 
auch des Charakters des Inhalts. 

Durch Zufall bekam ich den Kranken Mitte März 1897 
zu Gesicht, wobei die Untersuchung des Scrotums wohl weiss¬ 
liche Narben, jedoch keine Kecidive aufwies. 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulg. mit 
besond. Berücksichtigung der Thiersck- 
schen Transplantationsmethode. 

Von 

l)r. J. Fabry in Dortmund. 


Die folgenden Zeilen sollen eine Fortsetzung sein des in 
der Festschrift des Arnsberger Vereins veröffentlichten 
Aufsatzes über die tuberculösen Erkrankungen der Haut. 2 ) Dort 
konnte die Behandlung nur kurz gestreift werden und wurde 
in erster Linie Werth darauf gelegt, an der Hand eigenen Be- 
obachtungsmaterials die Hauptformen der Hauttuberculose zu 
besprechen, deren strenge Scheidung vorwiegend durch die 
Arbeiten von Friedländ er, Koch, Doutrelepont, Leloir. 
Chiari, Riehl, Lang u. A. nicht mehr anzufechtende That- 
sachen geworden sind. 

Ein Blick in die modernen Lehrbücher lehrt uns denn 
auch, dass die Trennung der Hauttuberculose in die drei we¬ 
sentlichsten Repräsentanten: Lupus, Scrofuloderma und Tuber- 
culose der Haut im engeren Sinne resp. tuberculöses Geschwür 
heute allgemein anerkannt ist als eine in dem pathologisch¬ 
anatomischen wie klinischen Befund hinreichend sich begrün¬ 
dende wissenschaftliche Wahrheit. 


') Nach einem im Verein der Aerzte des Regierungsbezirks Arns¬ 
berg gehaltenen Vor trage. 

*) Fabry. Ueber die tnberculösen Affectionen der Haut. Festschr. 
des ärztl. Vereines des Reg.-Bez. Arnsberg. 1893. 


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35G 


Fabry. 


Auch hier hat sich einmal wieder das gezeigt, was in 
allen Zweigen der Wissenschaft Erfahrung ist, dass anerkannte 
Wahrheiten jedem so einfach und plausibel erscheinen, dass 
man schon kurze Zeit nachher nicht mehr verstehen kann, 
Avie die Ansichten hierüber so sehr getheilt waren; und doch 
sollte noch vor nicht vielen Jahren der Lupus überhaupt kein 
Anrecht darauf haben, als Tuberculose der Haut mitgezählt 
zu werden. 

In meiner bereits citirten Arbeit war die Literatur über 
die Tuberculose der Haut im Allgemeinen und den Lupus 
im Speciellen zusammengestellt vom Jahre 1869 bis zum 
Jahre 1889 (es lag ursprünglich in unserer Absicht, in dieser 
Publication die Literatur bis zum Jahre 1895 nachzutragen, 
jedoch fanden wir diese schön übersichtlich zusammengestellt 
bei von Win i wart er, chirurgische Erkrankungen der Haut 
und des Zellgewebes, ferner bei Leloir, Traite pratique, 
theorique et therapeutique de la Scrofulotuberculose. Paris 
189*2); diesen Zeitraum muss ja auch derjenige eingehender 
würdigen, der es unternimmt, über Lupusbehandlung zu 
schreiben. 

Zuvor sei nun ein kleiner Excurs gestattet in frühere 
Zeiten; dieser kann natürlich keinen Anspruch auf Vollstän¬ 
digkeit machen; dazu stehen mir weder Zeit noch Mittel zur 
Verfügung. 

Es ist ja bekannt, dass die Bezeichnung Lupus von Willan und 
Bäte man herrührt; die Erkrankung ist natürlich viel älter; erwähnt 
doch schon Ilippokrates fressende Flechten, ebenso Celsus und die 
Uebersetzer der arabischen Schriften; aber wer leistet uns Gewähr dafür, 
dass nicht alle möglichen ulcerösen Processe, seien dieselben Folgen von 
Lepra, Lues oder Carcinom confundirt wurden? 

Bäte man (1835) kann kein Arzneimittel nennen, welches von 
irgend einem wesentlichen Nutzen bei der Heilung gewesen wäre; er führt 
an Messer und Kaustik, Argentum nitricum, Calomel mit Arsenpulver 
und Arsen innerlich. 

Aehnlich Alibert (1838), der neben einer übergrossen Schaar 
von internen Mitteln doch die äusseren Mittel bevorzugt; es wird eben¬ 
falls Argentum nitricum empfohlen nach vorheriger Reinigung der Ge¬ 
schwüre. Wenn der Schorf sich abgestossen hat, abermalige Application 

') Batemann. Prakt. Darstellung der Hautkrankli. 1835. 

7 ) Alibert. Nosologie naturelle ou les malad, du corps humain. 1838. 


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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


357 


von Höllenstein und so fort; es ist keine Frage, dass mit Höllenstein- 
behandlung einzelne Fälle, die von Natur günstig im Verlauf, vielleicht 
geheilt, viele wohl gebessert wurden. Die Chirurgen empfehlen nach 
diesem Autor Liniraentum volatile, l’esprit de rosmarin, er empfiehlt 
warm die „Pommade stibiee des Allemands u und spricht bei Anwendung 
dieses Mittels von einem Exantheme arteficiel, das eine heilwirkende 
Entzündung verursacht. Endlich werden empfohlen Luftveränderung, 
Seebäder und Douchen, wohl ut aliquid fiat. Interesse hat immerhin der 
Hinweis, dass künstlich eine Entzündung durch Anwendung einer Aetz- 
paste herbeigeführt wird, durch deren Schwinden der krankhafte Process 
mit beeinflusst wird; es ist das ja das Prinzip der Heilwirkung aller 
Aetzmittel. 

Bei Cazenave und Schedel 1 ) (1839) finden wir schon eine Ein¬ 
theilung in oberflächlich zerstörenden Lupus, in tief zerstörenden Lupus 
und in Lupus mit Hypertrophie, eine Eintheilung, die im Grossen und 
Ganzen auch heute noch zu Rechte besteht. Zur allgemeinen resp. in¬ 
ternen Behandlung wird Kalkwasser, Eisen und Sclrwefeleisen empfohlen; 
örtlich wenden dieselben an zur Verheilung nicht exulcurirter Fälle 
Quecksilber und Jodpräparate. „Sollte dabei ein Erythem oder gar ein 
Erysipel entstehen, so kann das nur heilsam sein.“ Also auch hier wieder 
die Idee von der künstlich hervorgerufenen Entzündung, die heilwirkend 
sein soll. Als Kaustica dienen: Höllenstein, Kalium causticum, Butyrum 
Antimonii, Arsenikteich des frere Cöme, also die allbekannten Aetzmittel; 
noch bis in unsere Zeit werden manche davon zuweilen von Fuschern 
als Geheim- und Wundermittel verwendet. 

Bayer (1839) 2 ) theilt den Lupus ein in L. exedens und Lupus non 
exedens; hier wird der Anwendung des Glüheisens insofern Erwähnung 
gethan, als gesagt wird, dieselbe sei wieder ausser Gebrauch gekommen ; 
eine so schmerzhafte Behandlung konnte ja auch erst unter Unterstützung 
der Narcose festen Fuss fassen, wie das ja in den späteren Jahrzehnten 
und besonders nach Erfindung des Pa que lin’schen Benzin Platina- 
brenners in der That der Fall war. Ray er gibt ein ganz neues Princip 
der Behandlung; er habe, um den lupösen Process einzudäramen, ringsum 
Einschnitte gemacht oder kauterisirt, um so eine Narbenbildung herbei¬ 
zuführen, die der Lupus nicht überschreiten sollte; leider musste Bayer 
selbst schon einsehen, dass diese Methode der Behandlung jenen ge¬ 
wünschten Erfolg nicht hatte. 

Bei Fuchs ä ) (1840) ist die Eintheilung der Lupusformen folgende: 


') Cazenave und Schedel. Praktische Darstellung der Haut¬ 
krankheiten. 1839. 

2 ) Ray er. Theoretische und praktische Darstellung der Haut¬ 
krankheiten. Deutsche Uebersetzung Stammins. 1839. 

3 ) Fuchs. Die krankhaften Veränderungen der Haut und ihrer 
Anhänge. 1840. 


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F a b r y. 


3üS 


1. Lupus exedens (eine Varietät ist der L. exedens sine tüber¬ 
eil 1 i s; hier finden wir zuerst die Bezeichnung Lupusknötchen). 

2. Lupus excorticans oder der schuppige Hautwolf, was wohl un¬ 
serem Lupus exfoliatious und serpiginosus entsprochen haben mag. 

3. Lupus tumidus; wir vermuthen hierbei den Lupus mit chronisch 
ödematöser Schwellung. 

4. Lupus exuberans (Framboesia sen syco^is scrofulosa: unzweifel¬ 
haft der Lupus papillaris oder hvpertrophicus, dessen Bezeichnung als 
Framboesia klinisch gewiss zutreffend ist). 

Von diesem Autor werden im Allgemeinen dieselben interna und 
externa empfohlen; besonders wird der Anwendung der dodpräparate 
das Wort geredet: Jodtinetur, Jodsalbe, Jodwasser. 

Von späteren sei Anderson 1 ) (1863) angeführt, der die ev. dia¬ 
gnostische Schwierigkeit zwischen Lupus und Eczema hervorhebt und 
darauf aufmerksam macht, dass Lupus sehr oft mit Drüsen- und Knochen- 
scrophulose combinirt ist; man brauchte nur für Scrophulose Tuberculose 
zu substituiren und würde glauben können, ganz moderne Lehren zu 
hören. Eine sehr erschöpfende und lehrreiche Darstellung über Lupus 
vulgaris aus der Feder Kaposi’s rinden wir in dem Handbuch von Hebra 
und Kaposi; 1 ) hier ist auch die Geschichte eingehend gewürdigt. Dort 
wird nun im Jahre 1876 der Lupus noch definiert „als eine nicht an¬ 
steckende und nicht erbliche Krankheit der allgemeinen Decke und der ihr 
angrenzenden Schleimhaiitpartieu, bei welcher in chronisch sich fortspin¬ 
nenden Eruptionen stecknadelkopfgrosse, hirsekorngrosse braunrothe, nieht 
schmerzhafte, derbe, in das llautgcwebe gleichsam eingesenkte Knötchen 
ei scheinen, die in einem äusserst lentescinirenden Verlaufe bis zu linsen- 
und erbsengrossen Knoten und grösseren confluirenden Infiltraten sich 
entwickeln, alsdann aber durch Flccration oder Involution verschwinden 
und an ihrer Stelle wirkliche Narben und narbige Atrophie der Haut 
veranlassen.“ Abgesehen von der Auffassung des Lupus als nicht erbliche 
und nicht infectiösc Erkrankung wird man die meisterhafte Darstellung 
und Auffassung bis ins kleinste Detail bewundern müssen. 

Wir müssen auch heute, ehe wir zum eigentlichen Gegen¬ 
stände, der Behandlung des Lupus übergehen, einige Augen¬ 
blicke bei der pathologischen Anatomie verweilen und dieselbe 
kurz vom mikroskopischen und makroskopischen Standpunkt 
beleuchten, schon in der einfachen Ueberlegung, dass dadurch 
die Abhandlung der Therapie wesentlich erleichtert wird. 


') An der sou, A. Practical Treatice upon Eczema, in cluding its 
I.iehenous, Impetigiuous, and Pruriginous varities. 1803. 

*) Hebra und Kaposi. Lehrbuch der Hautkrankheiten. I. Band. 
1874. II. Bd. 1870 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


359 


Untersuchen wir einen senkrechten Schnitt durch tuber- 
culöse Haut, so finden wir bekanntlich und zwar gewöhnlich 
in den oberflächlich gelegenen Schichten der Cutis eine Neu¬ 
bildung, die sich auf Kosten respective unter Verdrängung des 
normalen collagenen und elastischen Gewebes entwickelt hat 
und diese Neubildung ist uns ein alter, wenn auch nicht gern 
gesehener Bekannter, nämlich der Tuberkel, den wir bei jeder 
Form der Tuberculose und in jedem Organ finden, wo sich 
tuberculöse Erkrankung entwickelt. 

„Ein feinstes Gewebe zartester Fasern und darin vertheilt 
enthalten zahlreiche epithelartige Zellen, das — Plasmom 
Unnas — und hie und da einzelne Riesenzellen und, wenn 
wir bei der Untersuchung Glück haben und die nöthigen Vor¬ 
färbungen anwenden, einzelne Tuberkelbacillen. Das ist in all¬ 
gemeinen Zügen gegeben, die pathologisch-anatomische Be¬ 
schreibung des Tuberkelknötchen; die pathologisch-ana¬ 
tomische Einheit des Tuberkelknötchens ist nicht zu ver¬ 
wechseln mit der höheren klinischen Einheit des Lupus- 
knötchens; in einem mikroskopischen Schnitt durch ein einzelnes 
Lupusknötchen finden sich immer zahlreiche Tuberkelknötchen 
oder miliare Tuberkel. Wir mussten der Vollständigkeit halber 
auch auf diese fundamentalen Sachen eingehen und wollen 
aus demselben Grunde noch einige Augenblicke bei der Histologie 
verweilen. 

Während nun an inneren Organen, besonders in den 
Lungen, dem Lieblingssitz des Tuberkelbacillus und des Tuberkels 
gar schnell der krankhafte Process bis zur Verkäsung Fort¬ 
schritte macht, scheinen in der Haut die Bedingungen für das 
unheilvolle Wirken des Bacillus insofern ungünstigere zu sein, 
als ein Zerfall des Gewebes nicht so leicht wie anderwärts 
eintritt, leider aber entschädigt sich hier die Krankheit hin¬ 
reichend durch die Zähigkeit und Hartnäckigkeit, mit der sie 
sich einnistet und, wenn auch zumeist langsam, so doch mit 
unfehlbarer Gewissheit fortschreitet und der gesunden Haut 
immer mehr Terrain abgewinnt. Wer, wie ich hier in West- 
phalen Gelegenheit hat, sehr oft weit vorgeschrittene und 
furchtbar entstellende Lupusfälle zusehen — denn in Westphalen 
im Münsterlande sowohl wie im hiesigen dichtbevölkerten 


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360 


Fab r y. 


Industriebezirke ist diese scheussliche Krankheit sehr verbreitet, 
entschieden häufiger wie in der Rheingegend, dem kommt leicht 
der Gedanke, dass der Lupus mit seinen Entstellungen und 
auch Verstümmelungen die Erbschaft der früher in Deutschland 
so verbreiteten Lepra in gewissem Sinne übernommen hat. 

Histologisch ist nun in der Haut der Krankheitsprocess 
mit dem Auftreten des Tuberkels nicht abgethan, vielmehr 
involvirt dies Veränderungen secundärer Natur in der Epidermis. 
Wir finden in manchen Fällen den epithelialen wie den binde¬ 
gewebigen Papillarkörper hypertrophisch, in anderen atrophisch, 
in anderen hinwiederum eitrige Einschmelzung des Gewebes 
bis zur tJlceration, eine Folge des früheren Stadiums, der klein¬ 
zelligen Infiltration längs den kleinen Capillaren der Cutis und 
sich fortsetzend bis in’s subcutane Gewebe. Oft finden wir 
alle jene histologischen Details in einem und demselben Prä¬ 
parate respective in Schnitten eines und desselben Falles ver¬ 
einigt. Wir sind ja gewohnt, den Lupus klinisch zu scheiden 
in Lupus hypertrophicus, atrophicus sc. exfoliativus und exul- 
cerans und wissen aus Erfahrung, dass in einigermassen fort¬ 
geschrittenen Fällen fast immer alle Formen zusammen vor¬ 
handen sind und von (1er krankhaften Haut abgelesen werden 
können. 

Makroskopisch oder klinisch lässt sich nach den in vivo 
bei der Operation gewonnenen Befunden der Lupus scheiden 
in zwei Hauptgruppen, wenn ich so sagen darf, in einen 
centripetalen und einen centrifugalen Lupus. Mit 
anderen Worten und an Beispielen illustrirt. Aus unbekannten 
Gründen oder sagen wir durch Impfung — es sind hinreichend 
Fälle von durch Impfung entstandenem Lupus beschrieben — 
ist an der äusseren Haut ein aus ganz wenigen winzigen 
Knötchen zusammengesetzter Lupus entstanden. Lange Zeit 
bleibt die ursprünglich wenig auffällige Erscheinung auf dem¬ 
selben Standpunkt stehen, bis auf einmal vielleicht erst nach 
Jahren geschwüriger Zerfall und Tiefergreifen des Processes 
eintritt, Vergrösserung und Ausdehnung dieses tuberculösen 
ITimäraffectes, Infection der benachbarten Drüsen, endlich 
Weitergreifen des Processes auf das widerstandsfähigere Binde¬ 
gewebe, auf Knorpel- und Knochensubstanz. 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


361 


Das ist das Bild eines centripetalen Lupus und gleich 
die Nutzanwendung hierzu. Wären jene primären Knötchen 
sofort excidirt worden, man hätte dann die Krankheit im Keime 
erstickt und die weiteren Verheerungen wären nicht ent¬ 
standen. 

Leider macht nur zu oft die Aengstlichkeit der messer¬ 
scheuen Patienten und die Zaghaftigkeit der Angehörigen 
unserem therapeutischen Wollen einen Strich durch die Rech¬ 
nung. Nichtsdestoweniger soll die Entfernung mit dem Messer 
als die conditio sine qua non für die Behandlung strenge 
verlangt werden; nur ja nicht die günstigste und beste Zeit 
verlieren mit der Anwendung von Aetzpasten, Aetzstiften und 
Salben. Je bestimmter wir die Nothwendigkeit eines operativen 
Eingriffes verlangen, um so öfter wird man doch vernünftigen 
Rathschlägen Folge leisten. 

Und nun umgekehrt zwei Beispiele eines centrifugalen 
Lupus. Eine Patientin consultirt uns — es handelt sich hier 
um einen von uns selbst erlebten Fall und ich kann Ihnen 
heute die Patientin demonstriren — wegen eines haselnuss¬ 
grossen fluctuirenden Knotens links am Kinn; sonst ist absolut 
nichts Krankhaftes nachzuweisen; der kleine Abscess wird 
entleert; Patientin consultirt uns erst nach Monaten wieder 
und siehe da, um das primäre Scrofuloderma hat sich ein Lupus 
disseminatus entwickelt und auch treten schon versprenkelte 
Knötchen an der Nasenspitze auf. Wir rathen nunmehr auf 
das energischeste zur sofortigen Vornahme einer gründlichen 
Operation, aber durch die Nachlässigkeit der Patientin ver¬ 
gehen wieder Monate, ohne dass etwas geschehen kann und 
als nun endlich Patientin wieder kömmt, präsentirt uns dieselbe 
einen sehr ausgedehnten Lupus der Gesichtshaut, vorwiegend 
der linken Gesichtshälfte, der der Behandlung recht viele 
Schwierigkeiten machte, wiederholt operirt wurde und zwar 
mit Excision und Transplantation und schliesslich doch noch 
zu einem befriedigenden Heilresultate geführt hat. 

In einem anderen Falle unserer Beobachtung will ein 
Lupus exulcerans der Hand nach mehrfachen gründlichen Aus¬ 
schabungen und Cauterisationen nicht heilen und wie wir, natür¬ 
lich in Narcose, genauer Zusehen, finden wir, dass an einer 


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362 


Fahr y. 


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Stelle der tuberculöse Process sich in eines der Fingergelenke 
fortsetzt und hören bei darauf hin angestelltem Examen, dass 
das Kind ursprünglich einen geschwollenen Finger — Spina 
ventosa — hatte, dass derselbe bald aufbrach und dass im 
Anschluss daran der Lupus der Haut an den Fingern sich 
entwickelte. 

Folgende Krankengeschichte, als Beispiel dafür, dass sich 
nach einem primären tuberculösen Knochenleiden ein Lupus 
der Haut entwickelt, halten wir gleichfalls einer ausführlicheren 
Mittheilung werth. 

Es handelt sich um den 45 Jahre alten Maschinisten Heinrich Grote 
aus Lasphe bei Iserlohn. 

Nach der Anamnese erkrankte Patient in seinem 18. Lebensjahre 
mit Schmerzen oberhalb der rechten Kniegegend und mit Schüttelfrost. 
Andauernd hatte Pat. heftige Schmerzen im Knie, etwa '/, Jahr lang; 
dann bildete sich die Krankheit wieder zurück, bis nach einem Jahre 
plötzlich neue Schmerzen auftraten und bald oberhalb des Knies Eiter 
durchbrach. Dieser Abscess heilte mit einer Fistel, die mehrmals geheilt 
gewesen sein soll, aber stets wieder von Neuem aufbrach und die also 
Patient fast ununterbrochen annähernd 20 Jahre mit sich herumtrug, 
ohne dass dieselbe geheilt wäre. 

Vor sieben Jahren nun bekam Patient — an der äusseren Haut 
waren bis dahin krankhafte Veränderungen noch nicht bemerkt worden 
— am rechten Unterschenkel ein Geschwür („Beule“), das incidirt wurde, 
aber nicht heilen wollte; im Gegentheil entwickelte sich im Anschluss 
daran eine Erkrankung der Haut des ganzen Unterschenkels. Seit 6 Wochen 
fängt auch am linken Unterschenkel ein Exanthem an sich zu entwickeln. Wir 
glauben nicht zu irren, wenn wir nach der Erzählung des Patienten an¬ 
nehmen, dass der rechte Unterschenkel im Anschluss an den Abscess im 
ersten Stadium ganz ähnlich erkrankt ist. 

Der objective Befund war nun bei der Aufnahme des Patienten am 
29./IX. 1895 folgender: 

Am linken Unterschenkel im unteren Drittel besteht ein oberfläch¬ 
liches, etwas nässendes Hautekzem. Am rechten Oberschenkel findet sich 
an der Vorderseite etwa 8 Cm. über dem Knie ein 5 pfennigstückgrosser 
Defect der Haut, von dem aus man nach oben mit der Sonde in eine tiefe 
Tasche gelangt. 

Der ganze Unterschenkel ist kolossal elephantiastisch verdickt, mit 
einem '/, Cm. dicken Schuppenbelag bedeckt, also eine auffallend starke 
Epidermisabschuppung; nach Entfernung dieser Schuppen tritt eine nässende 
exeoriirte Hautfläche zu Tage und darunter mächtige hypertrophische 
respective papillöse Excrescenzen. In der Mitte des Unterschenkels ein 
grosses Ulcus. Am Baude finden wir neben den papillösen Wucherungen 
typische Lupusknötcheu. Patient ist sehr herunter gekommen und schleppt 


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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


3G3 


nur mühsam den schweren klumpigen Fuss nach sich; er ist seit längerer 
Zeit arbeitsunfähig und in Folge des schauderhaften Geruches, den das 
schmutzige eiternde Geschwür im Verein mit den zersetzten Epithel¬ 
schuppen verbreitet sich selbst und anderen sehr zur Last geworden. 
Deshalb wurde Patient von Sanitätsrath Dr. Becker’s dem hiesigen städ¬ 
tischen Krankenhause überwiesen. 

Die Diagnose lautete: Tuberculöse Ostitis des rechten Unter¬ 
schenkels, Lupus hypertrophicus und Elephantiasis des rechten Unter¬ 
schenkels und Fusses, tuberculöses Ekzem des linken Unterschenkels. 

In Narkose wurden die ganzen hypertrophischen Partien in der 
ganzen Peripherie des Unterschenkels mit dem scharfen Löffel ausgekratzt, 
was bei der grossen Ausdehnung des Lupus und bei der relativen Festig¬ 
keit des Gewebes eine recht mühsame Arbeit war. 

Die heftige Blutung wurde durch Compression gestillt und vor 
Allem Sorge getragen, die Geschwürsfläche mit Scheere und Pinzette oder 
mit dem Messer zu säubern und schliesslich konnten wir uns wohl nach 
langer mühsamer Arbeit sagen, dass wohl alles Lupöse entfernt sein müsste. 

Um nun die Elephantiasis in zweiter Linie zu beseitigen, wurden in 
der ganzen Peripherie mit dem Messer vom Knie bis zu der Fussspitze 
reichende, tiefe, weit in’s subcutane Gewebe reichende Entspannungsschnitte, 
etwa 30—40 an der Zahl gelegt. Abennals starke, hauptsächlich venöse 
Blutung. Dann wurde ein Corapressionsverband angelegt. Zum Schlüsse 
wurde die Fistel am Oberschenkel breit gespalten, ausgekratzt, kaute- 
risirt und dort ebenfalls eine Jodoformgazetamponade mit Compression 
angelegt. Das Ekzem am linken Oberschenkel wurde mit starker Argen- 
tumnitricumlösung (10%) geätzt und mit Salbe (Borglycerinlanolin) ver¬ 
bunden. Am 4. Tage wurde der erste Verband gewechselt; die elephan- 
tiasiastische Schwellung hat schon merklich abgenommen in der ganzen 
Peripherie des Unterschenkels finden sich gereinigte Geschwüre mit zum 
Theil beginnender guter Granulation; es wurden nun Patienten auf die ganzen 
lupösen Flächen 5%igö Höllenstein-Umschläge verordnet fast ununter¬ 
brochen etwa 4 Wochen lang nach der Operation; nach 6 Wochen sind 
alle Ulcerationen tadellos geheilt, nirgends eine Spur von Lupusknötchen 
bemerkbar und der Umfang des rechten Beines ist nicht grösser wie der 
des linken. 

Patient musste nichts desto weniger noch weitere 6 Wochen im 
Krankenhause verbleiben, weil die Fistel am Oberschenkel nicht heilen 
wollte. 

Es wurde deshalb in Narkose die Fistel nochmals breit gespalten, 
der Knochen des Oberschenkels freigelegt, muldenförmig aufgemeisselt, 
und ein reichlich bohnengrosser Sequester entfernt; die Fistel communicirte, 
wie sich nun ergab, mit einem im Knochenmark gelegene tuberculösen Er¬ 
krankungsherd. Derselbe wurde mit Hammer und Meissei breit freigelegt, 
kauterisirt und tamponirt; auch hier erfolgte nun nach weiteren 6 Wochen 
völlige Heilung und Patient konnte wieder als vollständig arbeitsfähig 
entlassen werden. Wir hatten auf diese Weise Gelegenheit uns zu über- 


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364 Fabry. 

zeugen, dass die Heilung des Lupus der Haut des Unterschenkels eine 
dauernde blieb und dass die Elephantiasis völlig geschwunden war. 

Hier haben wir also in extenso wiedergegeben die Kran¬ 
kengeschichte eines Lupus verrucosus oder papillosus, der sich 
im Anschluss an eine primäre tuberculöse Erkrankung des 
Oberschenkelknochens entwickelt hat; wir konnten daher Pa¬ 
tienten nicht eher als geheilt betrachten, bis auch diese chirur¬ 
gische Grundursache beseitigt war. Und ähnlich die beiden 
vorhergehenden Fälle, wo auch die chirurgische Erkrankung 
die primäre war und daran schloss sich die Erkrankung 
der Haut. 

Meine Ansicht über die nicht so ganz seltene Entwicke¬ 
lung eines Lupus im Anschluss an Scrofuloderma und tuber¬ 
culöse Knochen- und Gelenkentzündungen, die seinerzeit nicht 
überall von der Kritik anerkannt wurde, muss ich auch heute 
noch vollständig aufrecht halten; man muss sich nur eben die 
Mühe nehmen und die Anamnese genau erheben, dann hört 
man oft genug, dass bei einem Lupus des Gesichtes oder 
Armes Drüsenvereiterung das Primäre war und dass im An¬ 
schluss an eine Ineision oder nach spontanem Durchbruch 
Lupus in der Nähe und um die Narbe oder Fistel entstand; 
in anderen Fällen beobachten wir das Auftreten von Lupus 
in der Knie- oder Ellenbogengelenksgegend und hören, dass 
vorher Schwellung und eitrige Entzündung des benachbarten 
Gelenkes vorhanden gewesen ist. Hier handelt es sich also 
nicht um Muthmassungen, sondern um exacte klinische Be¬ 
obachtungen; und zugegeben, dass diese Beobachtungen in der 
Literatur selten mitgetheilt sind; umsomehr lag uns daran, 
darauf aufmerksam zu machen, was mir Chirurgen immer zu¬ 
gegeben und selbst beobachtet haben, dass der secundär im 
Anschluss an eine primäre tuberculöse Drüsenvereiterung oder 
tuberculöse Knochen- und Gelenksentzündung entstehende 
Lupus eben doch nicht so selten ist. Wohl mag er weniger 
oft dem Dermatologen wie dem Chirurgen begegnen. 

Weiter haben wir klinisch olt beobachtet, dass die schon 
angedeutete Complication des Lupus mit Bindegewebstubercu- 


') Fabry, 1. c. 


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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


305 


lose, mit Tuberculose des Knochen- oder Knorpelgewebes 
die Ursache ist, weshalb eine Heilung des Lupus der Haut über¬ 
haupt nicht eintritt oder doch nicht Stand hält. Man soll daher 
im einzelnen Fall sich nicht begnügen, die Diagnose Lupus ge¬ 
stellt zu haben, sondern sich auch noch die Unterfrage vorlegen: 
ist der tuberculose Process ausser in der Cutis auch in tiefer 
liegenden Geweben etablirt und müssen wir auch diese Tuber¬ 
culose beseitigen? Allerdings ist sehr oft die Beantwortung 
der zweiten Frage erst bei der Operation möglich, wie wir es 
bei dem folgenden Falle erlebten. 

Ein junger Mensch (Fall Hasenkamp) leidet an einem 
ganz umschriebenen Lupusherd unterhalb des rechten Auges 
und wurde dieserhalb mehrmals ausgeschabt und kauterisirt; 
nichtsdestoweniger trat bald ein Recidiv ein; als wir Patienten 
abermals operierten, bemerkten wir, dass der Jochbeinfortsatz des 
Oberkiefers erkrankt, vom Periost entblöst und rauh war; es 
wurde nun das Krankhafte am Knochen mit Hammer und Meissei 
entfernt und dann gleichzeitig der Lupus behandelt; hier er¬ 
gab sich erst die richtige Diagnose bei der Operation, während 
man vorher nichts anderes hatte annehmen können, wie einen 
Lupus vulgaris exulcerans der Gesichtshaut und derartige Be¬ 
obachtungen sind häufiger wie man denkt. Nach diesen all¬ 
gemeinen Expositionen wollen wir nun zum eigentlichen Thema 
übergehen und uns die Frage zu beantworten suchen, die wir 
uns vorgelegt haben: Welches ist die zweckmässigste Behand¬ 
lung des Lupus, d. h. welche Methode ist am besten im Stande, 
das Krankhafte gründlich zu entfernen und leistet dabei 
auch in kosmetischer Beziehung am meisten und dabei in 
kürzester Zeit? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so 
einfach, nicht zum geringsten Theil deshalb, weil eine so 
grosse Zahl von Medicamenten und Methoden angegeben sind, 
über die der einzelne Praktiker nicht ausreichende Erfahrungen 
sammeln kann, dann aber ist es gerade bei Lupuskranken 
schwer, hinsichtlich des Erfolges oder Misserfolges der Therapie 
über Jahre hinaus Beobachtungen anzustellen, da die Patienten 
selbst nur zu oft den Arzt und die Methode wechseln. Wir 
sind daher zum Theil auf das Urtheil anderer Autoren ange¬ 
wiesen, die einzelne Medicamente besonderer Prüfung unter- 


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Original frorn 

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Fabry. 


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366 


zogen, anderntheils müssen wir froh sein, doch wenigstens eine 
geringe Zahl von Beobachtungen bieten zu können, die über 
eine ganze Reihe von Jahren von uns verfolgt werden konnten. 

Sehen wir uns nun die Literatur der Lupusbehandlung 
etw^as genauer an, so müssen wir gestehen, dass bis in die 
neueste Zeit eine Anzahl von Medicamenten äusserlich anzu¬ 
wenden, angegeben worden sind, die mit Rücksicht auf den 
Sitz der tuberculösen Erkrankung einen besonderen Erfolg 
nicht haben können. 

Damit treten w r ir also ein in die Besprechung der viel¬ 
fach geübten Methode der chemischen Behandlung. Es ist 
hier vorher nothwendig, sich zu einigen über das Princip der 
Behandlung und die Anforderungen, die im Allgemeinen an 
jede Methode gestellt werden müssen. Wir müssen zunächst 
streng scheiden, ob irgend eine Medication einen Lupus bes¬ 
sert, an einzelnen Stellen zur Heilung bringt, oder aber ein 
radicaler Erfolg erzielt wird; jeder wird zugeben müssen, dass 
damit nicht viel erzielt ist, wenn es gelingt, Lupusstellen, viel¬ 
leicht exulceirte oberflächlich zum Heilen zu bringen, während 
in der Tiefe der Process unberührt bleibt, im Gegentheil leider 
weiter zerstört. Die Erfahrung lehrt zur Genüge, dass eine 
solche Besserung nur scheinbar und nicht von Dauer ist. 

Es ist zu bekannt und verdient kaum angeführt zu wer¬ 
den, dass einfache Wasserdunstverbände einen exulcerirteu 
Lupus insofern beeinflussen können, dass die Krusten abwei¬ 
chen und durch die ein lache Reinigung und Reinhaltung hie 
und da Vernarbung eintritt. 

Setzen wir diesen feuchten Umschlägen irgend ein Des- 
inficiens in der gewöhnlichen Concentration Carbolsäure, Sublimat, 
Creolin, Lysol, Borsäure, Argentum nitricum zu, so muss natur- 
gemäss der Erfolg in dieser Richtung ein noch bedeutenderer 
sein. Hier handelt es sich schon um eine Behandlungsweise, 
deren wir auch bei fast allen später zu besprechenden Methoden 
kaum entrathen können, wenigstens als unterstützende Hilfsmittel 
und wir wollen deshalb hier einen Augenblick verweilen. Be¬ 
kannt sind die störenden Sublimat- und Carbolekzeme bei der 
Nachbehandlung des Lupus; wir sahen sie oft genug bei Su¬ 
blimat 1:4—5000, 7„%—U’/o Carbollösungen; Creolinlösungen 


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Leber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


307 


haben nun entschieden den Vorzug, dass bei ihnen derartige 
Störungen durch arteficielle Ekzeme kaum beobachtet werden; 
wir ziehen daher Creolin den erstgenannten desinficirenden 
Mitteln bei weitem vor; kommt es uns aber darauf an, eine 
tiefergehende Wirkung bei der Nachbehandlung beispielsweise 
nach einer Ausschabung zu erzielen, so applicirten wir wochen¬ 
lang täglich mehrmals Höllensteindunstverbände und zwar in 
Concentrationen von 2%—10% uud diese letztere Behandlung 
bis zur völligen Vernarbung — es sei nochmals hervorgehoben 
— nur zur Nachbehandlung bei Anwendung anderer Methoden. 
Insbesondere zu üppige Granulation, bei Lupus eine fast regel¬ 
mässige Erscheinung, wird so bequem in Schranken gehalten 
und wir brauchen dann den immerhin sehr schmerzhaften 
Höllensteinstift in diesen Fällen nicht anzuwenden; die Appli¬ 
cation der Höllensteinlösungen, auch der concentrirteren ver¬ 
ursachen wenig und nur geringe Zeit anhaltenden Schmerz. 

Wenn wir nun uns zu den weiteren Mitteln wenden, die 
angepriesen wurden, durch chemische Einwirkung den Lupus 
zu beeinflussen und zu heilen, so müssen wir im Hinweis auf 
unsere vorhergehenden pathologisch-anatomischen Reflexionen 
ihnen einen besonderen therapeutischen Erfolg deshalb ab¬ 
sprechen, weil sie nicht tief genug Vordringen zu dem eigent¬ 
lichen Sitz der Erkrankung. Dies ist auch wohl der wahre 
Grund, weshalb Anthrarobin, Perubalsam, Hydroxylamin sich 
in der That in der Praxis nicht eingeführt haben und ein¬ 
führen konnten. 

Und was diese Skepsis anlangt, so kann ich auch das 
viel gerühmte Salicylcreosotpflaster Unna’s nicht ganz davon 
ausschliessen, wenngleich man von manchen Seiten Rühmens- 
w r ertkes hört. Ich führe hier zwei Fälle an, die mit Salicyl- 
kreosotpflaster anderwärts behandelt worden waren. 

In dem einen Falle bandelte es sich um einen etwa fünfmarkstück- 
grossen Lupus der rechten Wange, der mit wunderschöner glatter Narbe 
geheilt war; aber die Narbe war, was uns auffallend war, denn doch sehr 
roth und wenn man mit dem Finger über die Narbe intensiver herstrich, 
so konnte man in der Tiefe Knötchen durchschimraern sehen. Es war also 
nur eine scheinbare Heilung und wird auch wohl das Recidiv nicht aus¬ 
geblieben sein. Die Methode der Phaneroskopie (Liebreich, Unna) als 
diagnostisches Hilfsmittel bei Lupus war damals noch nicht veröffent¬ 
licht; es ist heute wohl allgemein anerkannt, dass vermittels derselben 


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368 


Fab ry. 


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Knötchen entdeckt werden können, die bei noch so grosser praktischer 
Uebung und Erfahrung mit blossem Auge nicht zu sehen sind. 

Der zweite Fall ist augenblicklich im hiesigen Krankenhause in 
unserer Behandlung; Fräulein Dr. aus Dortmund, 18 Jahre alt. Eine 
fünfmarkstückgTosse Stelle auf der linken Wange ist tadellos geheilt; 
dagegen sind im Bereiche zweier annähernd gleich grosser Stellen auf 
der rechten Wange in der Gegend unter dem Auge und vor dem linken 
Ohre Recidive eingetreten; und dasselbe ist zu sageu von verchiedenen 
disseminirten grösseren Flecken an den Armen auf dem Dorsum beider 
Hände, an den Oberschenkeln, in der Glutaealgegend, vor allem ist fast 
der ganze linke Vorder- und Oberarm an Streck- und Beugeseite von einem 
grossen Recidiv im Bereiche weiss glänzender Narben befallen. Es ge¬ 
lang uns an den Armen und Händen verschiedene Stellen zu excidiren 
und durch primäre Naht zum Verheilen zu bringen. Im Gesicht haben wir 
excidirt und nach Thi ersch transplantirt. Doch davon später, am Vorder¬ 
arm haben wir einfach tief kauterisirt und mit 1<>° 0 Höllenstein-Um¬ 
schlägen behandelt. 

Unsere Ansicht über Sulieylkreosotpflasterbeliandlung ist also 
die, dass das Mittel wie kaum eines im Stande ist, oberfläch¬ 
liche Lupus-Ulcerationen zum Heilen zu briugen und dass da¬ 
bei schöne glatte Narben entstehen, aber auch bei Combination 
des desquaminirend wirkenden Salicyl — vergleiche hierüber 
die Arbeiten Unna’s und seiner Schüler — mit dem desiufi- 
cirenden Creosot, das ja besonders als Specificum gegen 
Tuberculose gerühmt wird, kommt für den Lupus keine aus¬ 
reichende Tiefenwirkung zustande und das haben uns die 
eben mitgetheilten Krankengeschichten zur Evidenz gelehrt. 

Selbst die als schärfere reducirende Mittel auch für die 
Behandlung von Lupus angegebenen Pyrogallus- und Chrysa- 
robmsalben (10%—20%), ferner Höllenstein und Sublimatsalbe 
(letztere 1% und 2°/ u ) wirken nur dann intensiver, wenn eine 
Ausschabung und Cauterisation vorausgegangen ist. 

Unter diesen letztgenannten Mitteln wird von den meisten 
Autoren Pyrogallussäure am höchsten geschätzt; besonders bei 
der abwechselnden Behandlung mit einweichenden Sublimatdunst- 
verbänden und dazwischen wiederholter Application von 10% 
Pvrogalluspflaster sah ich schöne Resultate, die aber leider 
oft nicht Stand hielten. Nur zu oft war wenige Monate nach 
der Entlassung ein Recidiv da. 

Für Behandlung nach letztgenannter Methode, die bis vor 
einigen Jahren ja wohl noch sehr viel geübt wurde, steht mir 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


3li'J 


eine Krankengeschichte mit auffallend günstigem Heilresultat 
zur Verfügung, die ich jahrelang and heute noch Tag für Tag 
bezüglich des Erfolges der Behandlung controliren kann, und 
nur solche Fälle sollte man füglich benutzen, um über den 
Werth einer Behandlungsmethode ein Urtheil zu fällen. 

M., männlich, 50 Jahre alt, aus Dortmund, wurde von mir vor 
7 Jahren an Lupus behandelt. Derselbe litt seit seiner frühesten Kindheit 
an Lupus der rechten Wange, der sich im Laufe der Jahre bis zum Halse, 
zum unteren Augenlide und über das ganze Ohr hingezogen hatte, zum 
Theil 8erpiginüs, zum Theil exulcerirt, die ganze Wange bläulich ver¬ 
färbt und inclusive des Ohres stark intumescirt. Patient leidet seit längerer 
Zeit an Asthma, ist aber im Uebrigen von blühender Gesundheit. Tuber- 
culöse erbliche Belastung ist vorhanden. 

Patient wurde in tiefer Narkose ausgekratzt, dann wurden die 
hängen bleibenden Gewebsfetzen sorgfältig mit Scheere und Piuzette ent¬ 
fernt und nun zum Schlüsse mit dem Flach- und Spitzbrenner alle ver¬ 
dächtigen und verfaroten Stellen tief und laug anhaltend ausgebrannt. Die 
Nachbehandlung geschah mit Sublimatumsclilägen (1 : 2000) und abwech¬ 
selnder Application von 10% Pyrogallus-Salbe in wiederholten dreitägigen 
Touren. In genau 8 Wochen war der ganze Lupus mit äusserst günstigen 
kosmetischen Resultate d. h. mit wunderschönen glatten Narben geheilt; 
nirgendwo Röthungen oder gar Lupusknötchen. So blieb es mehr wie 
drei Jahre, wo sicli inmitten der rechten Wange ein typisches Lupus¬ 
knötchen zeigte; Patient Hess sich aber leider nicht bestimmen, dieses 
Knötchen wegbrennen zu lassen; so hat sich, wie ich dieser Tage noch 
constatiren konnte, dort ein kleines Reeidiv, etwa zwanzigpfennigstück¬ 
gross entwickelt, nicht exulcerirt; wäre das erste Knötchen gleich zer¬ 
stört worden, so wäre das Resultat noch besser gewesen, ja sogar eine 
vollständige Heilung erzielt worden. 

Es ist sehr schwer, dem Patienten die Wichtigkeit einer 
längeren Beobachtung und Nachbehandlung plausibel zu machen. 

Und noch ein nach V o 1 k m a n n’scher Behandlung be¬ 
handelter Fall mit ausgezeichnetem Heilresultat und nach 
jahrelanger Beobachtung möge kurz mitgetheiit werden. 

Walter Seeger, 16 Jahre, höherer Schüler, Dortmund, corisultirte 
mich zuerst vor 4 Jahren mit Lupus disseminatus an 2 Stellen des rechte-i 
Oberarmes, 1 Stelle unterhalb der linken Claviculargegend — diese Stellen 
konnten noch excidirt und primär durch die Naht geschlossen werden; 
daun aber fanden wir am linken Oberarm hauptsächlich aussen, Beuge- und 
Streckseite gleich stark befallend, einen Lupus serpiginosus et exulcerans 
und eine complicirende Tuberculose eines triceps Bauches. Wir waren 
noch fünfmal nach der ersten Operation genöthigt, Patienten an Recidiven 
zu behandeln znm Theil mit Excision, zum Theil mit Cauterisation und 
haben seit einem Jahre die Befriedigung, bei dem jungen, kräftigen und 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 24 


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370 I-’abiy. 

vor allem energischen .jungen Manne eine geradezu ideale Heilung erzielt 
zu haben mit glatter, schöner, weisser und leicht verschieblicher Narbe. 
Auch ist die Musculatur des erkrankten Armes dank fleissigen Turn¬ 
übungen eine gute und kräftige geblieben. Doch hiervon genug. 

Mir stehen eine ganze Reihe von Beobachtungen zur 
Verfügung, die hier alle mitzutheilen zu weit fuhren würde, 
hei denen ich nach genannter Behandlungsweise sehr zufrieden¬ 
stellende Resultate erzielte. 

Es möge hier der Passus über die Behandlung nach 
Volk mann, wie wir ihn vor fast 4 Jahren abfassten, kurz 
wiederholt werden: 

„Die erste Operation soll in tiefer Narcose vorgenommen 
werden, bei sehr ausgedehntem Lupus in mehreren Sitzungen: 

— wir haben doch in letzter Zeit Sorge getragen, gleich bei 
der ersten Operation alles Tnberculöse möglichst zu beseitigen 

— dabei soll man Sorge tragen, mit Scheere und Pinzette 
die bei der Ausschabung hängenbleibenden Fetzen sauber zu 
entfernen, möglichst im gesunden, weil gerade vom Rande aus 
von solchen wieder anheileDden Gewebstheilen, die noch 
Lupusherde, wenn auch vielleicht mikroskopisch nicht sichtbare, 
enthalten, die Recidive sich zu entwickeln pflegen. Es folgt, 
wenn sich der Brandschorf abgestossen hat, Nachbehandlung 
mit Pyrogallol, Sublimat, Salicyl, Creolin. Treten dann den¬ 
noch, wie es bei veraltetem und weit vorgeschrittenem Lu¬ 
pus immer der Fall ist, Recidive ein, so haben wir keinen 
Augenblick gezaudert, die Patienten in ganz kurzen Zwischen¬ 
räumen zum II., III. und IV. Male einer eingreifenden und 
gründlichen Operation in Narkose zu unterziehen. Es gelingt 
dann zumeist, auch schwere Lupusfälle soweit zu bringen, 
dass sie durch alle paar Wochen, später noch seltener vor¬ 
zunehmende Cauterisationen einzelner auftretender Lupus- 
knötclien mit dem Galvanocantor in Schranken gehalten wer¬ 
den, in einer gewissen Anzahl aber auch eine dauernde Hei¬ 
lung zu erzielen. Allerdings scheitert die Durchführung dieser 
Behandlung nicht selten an dem Widerstande der Patienten, 
die meist schon lange behandelt, nicht gerade mit besonderem 
Muth und Vertrauen auf Erfolg zu uns kommen.“ Wir können 
auch heute nach weiteren Erfahrungen unsere damaligen Aus¬ 
einandersetzungen im Grossen und Ganzen zurechte bestehen 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


371 


lassen, wenngleich, wie wir sehen werden, in den letzten Jahren 
doch mehr nach anderen Principien behandelt haben. 

Beim Kauterisiren mit dem Paquelin nach vorhergegan¬ 
gener Ausschabung, welche Methode wir in früheren Jahren 
fast ausschliesslich angewandt haben, legten wir insbesondere 
Werth darauf, die tieferen Herde aufzufinden und durch län¬ 
gere Einwirkung des Ferrum candens auszusengen; allerdings 
entstehen dann für die Nachbehandlung gewöhnlich sehr tiefe 
Wunden, die jedoch sehr günstig ausheilen; tiefere Taschen 
nun, die vom tuberculüsen Process ausserdem seitlich unter- 
minirt waren, wurden ausserdem noch mit dem Scalpell breit 
gespalten und freigelegt und dann noch tief auscauterisirt. 
Wir gingen immer von der Ansicht aus, in erster Linie sei 
Sorge zu tragen, alles krankhafte Gewebe möglichst zu zer¬ 
stören. Man kann im Allgemeinen sagen, je gründlicher und 
exacter das tuberculöse Gewebe beseitigt, umso reiner, glatter 
und schöner werden die Narben. Und eine Beobachtung möchte 
ich hier noch im Zusammenhang anführen; auch der glühende 
Paquelin findet an gesundem Gewebe einen weit grösseren 
Widerstand wie an tuberculös verändertem und man erhält 
bald einige Uebung, um schon aus dem Grade der Wider¬ 
standsfähigkeit des Gewebes an einer vorher ausgeschabten 
Lupusfläche zu schliessen, ob verdächtige Stellen vorliegen 
oder nicht, abgesehen davon, dass sich dieselben durch eigen 
thümliche schmutziggräuliche Verfärbung kenntlich machen. 

Der Vollständigkeit halber wollen wir hier noch einige 
schärfere Aetzmittel anführen, die theils rein, theils gemischt 
oder in Combination, theils offen, theils als geheime Wunder¬ 
mittel von mancher Seite empfohlen werden. Wir werden solche 
Mittel, wie Unguentum tartar., Calomel, Arsenpaste, Milchsäure 
wenn wir die älteren Autoren naclilesen, schon zumeist vor¬ 
finden; auch unterliegt es keinem Zweifel, dass es gelingt mit 
Hilfe derselben und bei sachgemässer Anwendung gewisse Er¬ 
folge beim Lupus zu erzielen; nichtsdestoweniger sind diese 
Mittel im Vergleich mit anderen Methoden wegen der überaus 
grossen Schmerzhaftigkeit der Application und dann wegen des 
doch sehr problematischen Erfolges geradezu als veraltet zu 
betrachten. 

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372 


F abry. 


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Zur Entfernung der bei fast allen Lupuskranken und 
insbesondere bei vorgeschritteneren Fällen sich leider zu oft 
einstellenden Recidive bedienen wir uns mit Vorliebe der 
Galvanokaustik; wenn der Platindraht schön weiss glühend 
ist, haben die Patienten auch nicht sonderlich über Schmerzen 
zu klagen und der kleine operative Eingriff dauert nur Secunden. 
Bei Lupus im ersten Anfang, wenn derselbe, wie nicht so selten, 
an der Nasenspitze localisirt ist, bedient man sich gleichfalls 
zweckmässig derselben Methode, weil Excision und Transplan¬ 
tation oder Excision und primäre Naht aus kosmetischen Rück¬ 
sichten oft nicht zu verwerthen sind. 1 ) Dass aber dann die 
Galvanokaustik doch in der Lage ist, allen Anforderungen an 
eine ideale Heilung zu genügen, dafür einige Beispiele mit 
über Jahre hinaus anhaltender Heilung. Die Frühdiagnosen 
sind leider selten und schon aus diesem Grunde führe ich die 
Krankengeschichten mit an. 

1. V., 12 J., m. aus Dortmund, leidet an einem seit Monaten persi¬ 
stent gebliebenen Knötchen an der Nasenspitze. Schleimhaut der Nase — Pat. 
wurde auch daraufhin von einem Specialistcn (J>r. Hansberg) unter¬ 
sucht, der denselben meiner Behandlung überwies; die Mutter leidet an 
Phtihisis pulmonum. Diagnose: Lupus der Nasenspitze im allerersten An¬ 
fang. Therapie: in Bromäthylnarkose gründlich Kauterisation des Knotens. 
Glatte Heilung in etwa 14 Tagen unter Borpuderbehandlung. Heute nach 
4 vollen Jahren ist ein ltecidiv weder in loco noch an irgend einer 
anderen Körperstelle eingetreten. Wäre der gründliche Kingriff nicht ge¬ 
schehen und hätte man die beste Zeit zum operativen Handeln mit der 
Anwendung unzulänglicher Heilmittel — hierzu rechnen wir auch die 
Anwendung der nicht gründlich und nicht tief genug wirkenden Aetz- 
stifte — vergeudet, so würde von diesem primären Knötchen gar bald 
die nächste Nachbarschaft inlicirt worden sein; leider ist das der ge¬ 
wöhnliche, traurige Verlauf. Ganz ähnliche Verhältnisse bot der fol¬ 
gende Fall. 

2. W., 34 Jahre alt, Ehefrau. Patientin fiel schon seit längerer 
Zeit eine nicht weichen wollende Röthung der Nasenspitze auf und 
consultirte, da sie glaubte, dass eine Erkrankung der Nasenschleimhaut 
vorliege, gleichfalls einen Nasenspecialisten, der Patientin an mich verwies, 
da im Innern der Nase nichts Abnormes nachzuweisen war. Bei genauer 
Inspection fand ich bei der gleichfalls tuberculöy belasteten Patientin eine 
entzündliche Köthung der Nasenspitze, die auf Druck erblasste und im 


') Wir haben jedoch später eine ganze Reihe von Patienten mit 
Lupus der Nase mit Excision und Transplantation behandelt; siehe dar¬ 
über unten die Krankengeschichten. 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


37.5 


Centrum dieser Röthung eine knötchenförmige Efilorescenz. Diagnose : 
Lupus im Beginn. Therapie: Galvanocaustische Zerstörung des Knötchens 
im Centrum; in Folge dessen bald Verschwinden des Knötchens so wie 
der therapeutisch nicht beeinflussten reactiven Röthung. 1 Jahr nachher 
stellte sich Patientin wieder vor und litt an zwei kleinen flachen Ulcera- 
tionen rechts und links von der Nasenspitze. Es war das eine Bestätigung 
meiner ersten auf Lupus lautenden Diagnose. Abermalige Cauterisation, 
Heilung; Patientin ist bis heute von einem Recidiv frei geblieben nach 
vollen drei Jahren; noch vor wenigen Wochen habe ich Patientin 
gesehen. 

3. A., 39 Jahre, w. Patientin consultirte mich zuerst vor fast 
8 Jahren wegen Frost an den Händen und eines hartnäckigen Ausschlages 
an den Ohren. Dabei fiel mir bei Patientin an der Nasenspitze eine 
Knötcheneftlorescenz auf, deren Beachtung ich für viel wichtiger hielt. 
Da das Knötchen schon monatelang bestand, so schlug ich Patientin die 
galvanocaustische Zerstörung vor, worauf dieselbe einging. Meine Wahr- 
scheinlichkeitsdiagnose lautete auf Lupus an der Nasenspitze im ersten 
Beginnn. Der Vater ist frühzeitig gestorben, woran ist unbekannt. Patientin 
selbst ist bis dahin immer ganz gesund gewesen. Auch bei dieser Patientin 
traten im Laufe der nächsten Jahre wiederholt ulceröse Recidive ein ; 
ferner zeigte Patientin gelegentlich einer Tuberculincur deutliche örtliche 
und allgemeine Keaction. Im Verlaufe der Erkrankung wurde die Diagnose 
sowohl wie die Behandlung nicht unwesentlich erschwert, durch wieder¬ 
holte acute Eruption von Lupus erythematosus Efflorescenzen, die zeit¬ 
weise fast das ganze Gesicht befielen. Seit etw r a zwei Jahren ist der 
Lupus vollständig geheilt, der Lupus erythematosus bis auf kleine Stellen 
an den Händen und Ohren. Auch diese Patientin ist in meiner beständigen 
Beobachtung. 

Einen Augenblick sei es noch gestattet, bei den Methoden 
zu verweilen, die durch eine allgemeine Behandlung den Lupus, 
sei es innerlich, sei es hypodermatisch zu heilen suchen. Weder 
Tuberculin noch das von Liebreich so warm empfohlene 
Cantharidin haben sich bewährt. Liebreich will zwar von 
Cantharidin deutlich günstige Beeinflussung des Lupus gesehen 
haben, jedoch hat Köbner dies mit grosser Entschiedenheit 
in Abrede gestellt. Auch S aal fei d bleibt bei seiner Ansicht 
beharren, dass er in den Lupus fällen, die er mit Cantharidin 
behandelt hat, Besserung gesehen habe; bei Cantharidin scheint 
selbst die primäre Beeinflussung des Erkrankungsherdes oder 
die Reaction, die bei Tuberculin in den meisten Fällen so schön 
eintritt, kaum beobachtet zu werden; auch ist Cantharidin 
wegen seiner ungünstigen Einwirkung auf die Nieren keines- 


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374 


F a b r y. 


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wegs ungefährlich, wie wiederholt in der Literatur mitge- 
theilt wurde. 

Die Behandlung des Lupus kann nur daun eine erfolg¬ 
reiche sein, wenn sie eine gründliche chirurgische ist und, dass 
hier der schönste Erfolg in der Frühdiagnose und in der Früh¬ 
behandlung des Lupus liegt, wurde schon angedeutet. 

Wir müssen beim Lupus nach denselben Grundsätzen 
verfahren, wie beim Epitheliom und beim Carcinom der Haut 
und nicht den schönsten und günstigsten Zeitpunkt für die 
Operation, vielleicht noch eine einfache Excision verstreichen 
lassen mit der Anwendung von Pflastern, AetzmitteLn etc. 

Haben wir es aber nun, wie ja leider in der Praxis zu¬ 
meist mit recht ausgedehnten Lupusfällen zu thun, wie haben 
wir dann zu verfahren, welches sollen dann die allgemeinen 
leitenden Principien chirurgischer Behandlung sein. 

Es sind zwei Bedingungen zu erfüllen: 

I. Entfernung allen lupös oder tuberculös erkrankten 
Gewebes der Haut und Subcutis und eventuell auch des 
darunter befindlichen Knorpels oder Knochens. 

H. Erzielung einer möglichst schnellen und guten Ver¬ 
narbung und möglichst geringer Entstellung. 

Wir wollen zum Schlüsse unserer Abhandlung unter diesen 
Gesichtspunkten beleuchten: 

Die Methode der Thiersch’schen Transplantation nach vorher¬ 
gegangener Excision. G 

Steffen Hugo, Dreher, Witten, 27 Jahre, wird am 6. März 1893 
in’s städtische Krankenhaus atif genommen mit Lupus exulcerans, am 
Lande serpiginosus der ganzen rechten Wange. Durch Narbenverzug ist 
ein ziemlich hochgradiges Extropium des rechten unteren Augenlides 
eingetreten. Der Lupus besteht seit frühester Kindheit und hat sich die 
Krankheit im Anschluss an einen in Suppuration iibergegaiigenen Drüsen- 


l ) Ich halte es für meine Pflicht hier ausdrücklich zu bemerken, 
dass ich mich bei allen meinen Lupusoperationen im hiesigen städtischen 
Krankenhause der liebenswürdigsten Unterstützung des chirurgischen 
Oberarztes Dr. Gerstein erfreut habe und dass die meisten der im 
verllosseuen wie im folgenden Kapitel wiedergegebenen Ideen der Ausfluss 
sind des mit demselben während einer Reihe von acht Jahren fast un¬ 
unterbrochenen gepflogenen wissenschaftlichen Gedankenaustausches. 


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(Jeher die Behandlung des Lupus vulgaris. 


375 

knoten entwickelt. Patient ist nicht gerade besonders kräftig gebaut, 
jedoch von gesundem Aussehen; an den Lungen wie überhaupt an den 
inneren Organen nichts Abnormes nachzuweisen. 

Am 6./IIL 1893 wurde in tiefer Narkose die ganze Wangenhaut, 
soweit sie ulcerös oder narbig mit eingesprenkelten Lupusknötchen ver¬ 
ändert war, excidirt, dann wurde gleichzeitig Sorge getragen, alle 
spannenden, nach dem rechten unteren Augenlide hinziehenden Stränge 
zji durcbschneiden, wodurch das Lid wieder in seine normale Lage quasi 
zurückschnellte. Nachdem durch Compression die Blutung einigermassen 
gestillt und das Operationsfeld sichtbar gemacht war, wurden alle tieferen 
verdächtigen Stellen energisch mit dem Flach- und Spitzbrenner des 
Paquelins behandelt; darauf ein Jodoformgaze - Compressionsverband 
angelegt. 

Am 4 Tage post operationem Verbandwechsel, abermals Jodo¬ 
formgaze-Verband ; am 8. Tage Implantation von Haut aus dem Ober¬ 
arm. Es blieb zwar nicht alles haften, jedoch trat nichtsdestoweniger 
eine tadellose Heilung und Vernarbung ein. Das Extropium stellte sich 
nicht wieder ein. 

Dass es uns in diesem Falle gelungen war, radical in 
einer einzigen Sitzung alles Lupöse zu beseitigen, davon konnten 
wir uns im Laufe der folgenden Jahre zur Genüge überzeugen. 
Wir hatten einmal nicht nöthig bis zum heutigen Tage auch 
den geringsten operativen Eingriff vorzunehmen und konnten 
im vorigen Herbst den Patienten im Arnsberger Bezirksverein 
als tadellose Heilung vorstellen. Die Narben waren wunderschön 
glatt, ohne eine Spur von ominöser Röthung, weder auf Finger- 
noch auf Glasdruck, weder mit blossem Auge noch bei Lupen¬ 
besichtigung Hessen sich Knötchen nachweisen. Auch hatte 
sich, was leider öfter eintritt, das Ectropium nicht wieder ge¬ 
bildet. Nunmehr hat diese Heilung in das vierte Jahr Stand 
gehalten und da glaube ich mich doch für diesen Fall der 
berechtigten Hoffnung hingeben zu können, dass die Heilung 
auch für die Dauer Stand halten wird. 

Schmidt, Ehefrau, 47 Jahre, Hamm. Patientin leidet an einem 
Lupus, der genau das untere Nasendrittel befallen, etwa in der Aus¬ 
dehnung eines Markstückes, mit typischen Lupusknötchen, beginnender 
Ulceration und leichten Narbeneinziehungen, der Process greift auf das 
Naseninnere beider Nasengänge über. Die Anamnese ergibt, dass der 
Vater an Phthisis pulmonum gestorben ist. Der Lupus besteht, soweit 
den Angaben der Patientin zu glauben ist, bei der schon ziemlich weiten 
Verbreitung verhältnissmässig kurze Zeit. Im Naseninnern seit sechs 
Monaten, aussen seit zwei Monaten. 17./VI. 1893 Aufnahme in’s hiesige 
städtische Krankenhaus ; in Narkose tiefe Excision allen lupösen Gewebes 



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Fahr y. 


37ß 

bis auf den Nasenknorpel, verdächtige Stellen des letzteren werden 
gleichfalls entfernt; ebenso wird Sorge getragen, den Lupus des Nasen- 
innern (befallen sind da nur die Nasenflügel) zu entfernen. Die Blutung 
wird durch Compression sowie durch Torsion grösserer Gefässe gestillt 
und dann sofort aus dem Oberarm nach Thiersch’scher Methode Haut trans- 
plantirt und Sorge getragen, dass auch die gesetzten Defecte im Innern 
gedeckt werden- Compressionsverband mit protectiv silk, Jodoformgaze 
etc. — 24./VI. erster Verbandwechsel: alles ist tadelles angeheilt. 28./VI. 
wird Patientin bereits mit der Weisung zu pudern entlassen. 

Patientin habe ich im ersten Jahre öfter, zuletzt noch in diesem 
Jahre gesehen; dieselbe ist von einem Recidiv verschont geblieben; auch 
ist, wie ein Photogramm zeigt, der kosmetische Erfolg ein durchaus 
guter zu nennen 

Borgstedt, Fräulein, 22 Jahre, Camen. Patientin stellte sich zuerst 
vor am 4./I. 1893 und lautete die Diagnose: Lupus exulcerans et hvper- 
trophicus am Kinn, kleiner serpiginöser Lupusherd am Kinn. 

Die Eltern der Patientin leben und sind ganz gesund, sechs lebende 
gesunde Geschwister; Patientin selbst hat als Kind eine Meningitis Über¬ 
stunden; der Lupusherd am Habe besteht seit 6 Jahren, seit 2 Jahren 
der am Arm. Rechte Lungenspitze suspect. 

9./L Aufnahme: Auskratzung und nachfolgende Cauterisation mit 
dem Paquelin. 18./I. Transplantation auf die schön granulirende Wund- 
iiäche vom rechten Oberarm. Die Lappen heilten nur theilweise an, 
jedoch ist Ende Januar die ganze Wumlfläche vernarbt. Die Narbe blieb 
r >th und es zeigten sich innerhalb der Narbe umschriebene Lupusreeidive. 
Die Stelle am Arm konnte excidirt und primär durch die Naht ver¬ 
einigt werden. 

Wir entschlossen uns nun am 15. Juni 1694 zur gründlichen 
Excision der ganzen lupösen Narbe und transplantirten 8 Tage darauf 
auf die vorher durch Ausschabung von den überwuchernden Granulationen 
befreiten Flächen. Es trat nun nach 14 Tagen Heilung ein, die bis zum 
heutigen Tage Stand gehalten hat. In der HerbstveiSammlung 1895 des 
Vereines der Aerzte im Regierungsbezirk Arnsberg, mehr wie zwei Jahre 
nach der Entlassung aus der Behandlung, konnte ich Patientin noch als 
völlig geheilt vorstellen. Die Heilung hat bis heute derart Stand ge¬ 
halten, dass auch nicht das geringste verdächtige Knötchen zu sehen. 
Ich stehe daher nicht an, in diesem Falle von einer Radicalheiluug zu 
sprechen. 

Die mikroskopische Untersuchung der excidirten Narbe 
ergab neben stark gewuchertem Granulationsgewebe, zwischen 
welches sich echtes Epithel ganz tief hinein erstreckte, ver¬ 
einzelte typische Tuberkelknötchen, ein Beweis, wie nothwendig 
der radicale Eingriff gewesen war. Gleichzeitig zeigte uns das 
Präparat, eine wie energische active Proliferation von der an- 



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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


577 


geklebten Epidermis auch in die Tiefe vor sich geht. Ein wie 
energisches Flächenwachsthum des Epithels statthat, ist ja 
klinisch immer zu sehen bei den Reverdin’schen Transplan¬ 
tationen sowohl wie bei denen nach Thier sch, wenn nicht die 
ganzen Flächen bedeckt sind oder die Lappen nicht in 
toto anwachsen. 

Middendorf Theodor, 15 Jahre, Hamm. Lupus exulcerans, Hyper- 
trophicus et disseminatus der ganzen rechten Gesichtshälfte und der 
Unterkinngegend bis zur linken Wange. Patient ist von auffallend 
blühendem Aussehen, die Eltern desselben sind gesund, er hat fünf 
lebende gesunde Geschwister, abgesehen von seinem Lupus, der 9chon 
seit langen Jahren von frühester Kindheit besteht und allmälig bis zu 
der jetzigen Ausdehnung sich entwickelt hat, soll Patient immer ganz 
gesund gewesen sein. 

Am 10./VI. 1892 in Narkose Abschälung der Haut der ganzen lupösen 
Partie, also der ganzen rechten Wange und der ganzen Unterkinngegend 
bis zur linken Wange in einer Sitzung, also bedeutend mehr wie der 
einen Gesichtshälfte entspricht. Sehr starke Blutung, wie das nichts 
anders bei dem Gefassreichthum der Gesichtshaut und dem zum grossen 
Theil narbig verändertem Gewebe mit den starrwandigen Gelassen zu 
erwarten war; durch Torsion und Compression Stillung der Blutung, es 
brauchen nur wenige grössere Gefässe unterbunden zu werden. Den 
12./VI. Transplantation nach Thiersch, die Lappen werden vom Ober¬ 
schenkel entnommen; bis zum 80. Juni ist etwa die Hälfte der Fläche 
bewachsen, sehr starke Granulation, die vielfach die anhaftenden Läppchen 
überwuchert, deshalb in Narkose Ausschabung der Granulation, abermalige 
Transplautation, Verband wie gewöhnlich mit Puder, Protectiv silk etc. 
Den 16./V111. wurde Patient geheilt mit leichtem Ectropium des rechten 
unteren Augenlides entlassen; im Laufe der nächsten zwei Jahre habe 
ich ihn wiederholt gesehen und konnte jedesmal constatiren, dass von 
Kecidiven keine Spur zu Beheu war. Das Ectropium leichten Grades be¬ 
stand noch; Patient konnte sich zu der von mir vorgeschlagenen operativen 
Beseitigung nicht entschliessen. Da ich nun Patienten seit dem Jahre 
1894 nicht mehr gesehen, so richtete ich an den Arzt, der mir den 
Patienten zur Operation überwiesen hatte, eine Anfrage über das augen¬ 
blickliche Betinden des Patienten. Darauf antwortete mir Dr. Falk 
in Hamm: „Dem p. Middendorf geht es im Allgemeinen gut. Recidiv 
ist nicht eingetreten, das Ectropium ist noch vorhanden. Aber das Aus¬ 
sehen ist trotzdem so Vertrauen erweckend, dass kürzlich seine Auf¬ 
nahme in eine Krankencasse, bei der vorherige Untersuchung erforderlich 
ist, nicht beanstandet wurde.“ 

Eine Abbildung des status ante operationem findet sich in meiner 
Abhandlung „über die tuberculösen Affectionen der Haut“ auf Seite 3. 

Gassmann, C., 28 Jahre, Buchdrucker, Dortmund. Patient ist 
tuberculös belastet, der Beginn seiner Erkrankung datirt auf die ersten 


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Fahr y. 


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Kinderjahre zurück. Es findet sich bei demselben ein Lupus serpiginosus 
malae sinistrae, der nach vorne bis zura Mundwinkel und linken Nasen¬ 
flügel reicht, nach oben bis zur Schläfengegend und scharf bis an die 
Grenze des unteren Augenlides, nach rückwärts ist die Ohrmuschel mit 
erkrankt, nach unten hin endlich noch ein grosser Theil der entsprechen¬ 
den Halsgegend. In der Mitte zeigt der Lupus spontane Tendenz zur 
Heilung, es war also jene Form, die man als Lupus exfoliativus zu be¬ 
zeichnen pflegt, während wir in den Randpartien es mit der progressiven 
Form des Lupus serpiginosus zu thun hatten. Dies der Befund vom 
10. März 1893. Patient wurde am 8. Agril iiTs städtische Krankenhaus 
aufgenommen und ich excidirte bei demselben in vier Sitzungen in der 
breite von etwa 3 Cm. die Randpartien und Hess in gewohnterWeise wenige 
Tage nach jeder Excision die Transplantation nach Thiersch folgen. Am 
16. Juni wurde Patient entlassen. In der Mitte war also absichtlich 
nichts geschehen. Im Laufe der folgenden Jahre und bis zum heutigen 
Tage konnte ich nun constatiren, dass auf der einen Seite an den Rand¬ 
partien da, wo wir excidirt und transplantirt hatten, sich auch nicht 
eine Spur eines Recidivs entwickelte, ebenso wenig über diese Exisions- 
linie hinaus nach dem Gesunden; auf der anderen Seite aber ging unsere 
Hoffnung, im Centrum werde eine vollständige spontane Zurückbildung 
erfolgen, der Lupus werde dort verkümmern, nicht in Erfüllung. Wir 
haben uns daher zweimal entschliessen müssen, zahllose kleine Lupus¬ 
knötchen mit dem Spitzbrenner des Paquelin zu zerstören. 

Das Resultat ist nun heute in diesem Falle folgendes: Der Lupus 
ist nicht weiter vorgeschritten in den Randpartien, in den transplun- 
tirten Stellen ist nirgends eine Spur von Knötchen zu sehen, die kleine, 
etwa ein Fünftel der ursprünglich befallenen Wange betragende Stelle im 
Centrum der Wange zeigt noch suspecte Röthungen und Knötchen, aber 
es ist keine Tendenz zur Exulceration vorhanden. Trotz diesem zufrieden¬ 
stellenden Resultate habe ich Patienten doch noch vorgeschlagen, dem- 
näfhst auch die centrale Partie excidiren und transplantiren zu lassen. 
Wir haben in diesem Falle die Excisionen in vier Sitzungen vornehmen 
zu müssen geglaubt, weil jedesmal die Blutung eine ganz kolossale war 
und weil Patient nach jedem operativen Eingriff ganz bedenklich eolla- 
birte, so dass wir ihm einen grösseren Blutverlust nicht zumuthen 
durften. Auch dieser Patient wurde in der Ilerbstsitzung des ärztlichen 
Vereines im Regierungsbezirk Arnsberg, Frühjahr 1896, demonstrirt. 
Für uns unterliegt es keinem Zweitel, dass auch in diesem Falle die 
Heilung eine ideale gewesen wäre, hätten wir gleich von vornehereiu 
auch in einer fünften Sitzung das Centruin excidirt. Dieses soll, wie 
betont wurde, demnächst noch nachgeholt werden. 

Fischer Heinrich, 16 Jahre, Dortmund. Lupus exulcerans et 
hvpertrophicus der rechten Wange, Tuberculose des rechten Nasen¬ 
beins. Vater an Phthisis gestorbeu. Patient ist Epileptiker. Ab¬ 
gesehen von seiner Hauterkrankung ist Patient von gesundem 
kräftigem Aussehen. 24. September 1891 Aufnahme in’s Kranken- 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


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haus. Zuerst wurde Patient ausgekratzt und cauterisirt, es traten aber 
Recidive ein; vor allem aber macht die zum Nasenbein gehende Fistel 
eine ganze Reihe von Cauterisationen, Entfernung von Knochensequestern 
erforderlich. Dagegen gelang es in viel kürzerer Zeit durch gründliche 
Excision und nachfolgende Transplantation den Lupus zur vollständigen 
Verheilung zu bringen. Verfahren bei der Transplantation wie gewöhnlich 
und tadelloses Anheilen der vom Oberarm entnommenen Hautlappen. Die 
Heilung hat, wie ich mich noch vor ganz kurzer Zeit überzeugen konnte, bis 
heute Stand gehalten. Ich nahm fünf volle Jahre post operationem fol¬ 
genden Befund auf: Patient ist von auffallend kräftigem gesunden Aus¬ 
sehen. Wo früher der in seinem Verlauf rapide fortschreitende Lupus 
localisirt war, finden wir eine wunderschöne glatte, ganz unverdächtige, 
d. h. nicht die geringsten Spuren von Knötchen zeigende Narbe. Keine 
Spur von Ectropium, obschon früher der Lupus und jetzt die Narbe ver- 
hältnissmässig dicht an das rechte untere Lid heranreicht. Am Kinnrande 
rechts findet sich ein unter der glatten dünnen Narbenhaut verschieb¬ 
licher Drüsenknoten, sonst keine Drüsen am Halse oder vor dem Ohre. 
Die Entfernung soll in Kurzem vorgenommen werden und dürfte die 
Ausschälung nach meinem Dafürhalten kaum mehr Schwierigkeiten 
machen wie die eines einfachen Ateroms. Die Heilung dieses Lupus, die 
über fünf Jahre Stand gehalten hat, glaube ich als eine radicale be¬ 
zeichnen zu dürfen; d. h. die Gefahr des Auftretens neuer Knötchen ist 
kaum vorhanden. Und das kosmetische Resultat ist in diesem Falle ein 
vorzügliches, die Narben sind allerdings sichtbar, aber sonst ist eine Ent¬ 
stellung nicht vorhanden. 

Becker Lina, 24 Jahre alt, Ehefrau aus Hacheney, überwiesen von 
Dr. Broelemann in Hörde mit Lupus exulcerans der linken Gesichts¬ 
hälfte und des rechten Armes. Aufnahme Febr. 1893 zur Operation nach 
Thiersch. Die Erkrankung begann am Arm vor 13 Jahren und im Ge¬ 
sicht vor 10 Jahren. Am Arm findet sich ein über Handflächen grosser 
Lupusfleck, die grössere Hälfte der linken Wange bis zum Mundwinkel 
ist befallen von einem zum Theil ulcerirten, zum Theil hypertrophischen 
Lupus. 

Es wird in Narkose unter ziemlich vehementer Blutung alles 
Lupöse rein excidirt und dann am Arm, wo die Blutung durch Com- 
pression zu stillen ist, sofort, im Gesicht, da wir sehr tief gehen mussten, 
erst nach acht Tagen transplantirt. Am Arm haftet der eine aufgelegte 
Lappen vollständig, im Gesicht lösen sich jedoch hie und da kleinere 
Fetzen ab, jedoch ist bereits nach 14 Tagen hier alles verheilt. 

Patientin sah ich zum ersten Male wieder am 25. October 1890, 
also nach fast 3'/ a Jahren und constatirte Folgendes: Dieselbe ist, wie 
auch vor der Operation, von gutem blühenden Aussehen, hat mehrere ge¬ 
sunde Kinder, die sie selbst stillte und was den Lupus anbelangt, so 
wurde notirt: am Arm schöne weisse Narbe, nichts von Recidiven be¬ 
merkbar. Es findet sich aber ein typisches Lupusknötchen an der Ober¬ 
lippe und ein gleiches an der rechten Wange; dagegen sind die trans- 


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plantirten Stellen an der linken Wange vollständig tadellos, das Recidiv 
in Gestalt zweier Knötchen hat sieh weit davon entfernt entwickelt und 
nicht ira Zusammenhang mit dem primären Herd der Wange. Ich 
schlug nun Patientin gründliche Excision der beiden neuen Knötchen 
vor und, da dieselbe sich hierzu nicht entschliessen konnte, cauteri- 
sirte ich dieselben tief und gründlich mit dem Paquelin. Der weitere Verlauf 
und das eventuelle Neuauftreten von Knötchen bleibt in diesem Falle ab¬ 
zuwarten, nichtsdestoweniger können wir mit dem Erfolge der Methode 
mehr wie zufrieden sein. 

Die nunmehr folgenden Krankengeschichten, bei denen 
gleichfalls excidirt und nach T h i e rs c h transplantirt wurde, 
wurden zwar in späteren Jahren operirt und ist somit die 
Dauer des Erfolges noch nicht über so lange Jahre hinaus 
verfolgt worden, nichtsdestoweniger werden sie mit zur Beur- 
theilung der Leistungsfähigkeit der Thierse Irschen Methode 
verwerthet werden können. 

Gregor Marie, 21 Jahre, Näherin aus Marten. Leidet an einem 
etwa handtiäehengrossen Lupusfleck der linken Wange. Patientin ist 
tuberculös belastet, leidet an Kyphose, sowie an Spitzenatlection der 
Lungen beiderseitig. Die Erkrankung der Wangenhaut besteht schon 
seit langen Jahren und ist ganz allmälig am Rande weiter fortge¬ 
schritten. Fleck fast kreisrund, im Centrum an mehreren Stellen ulcerirt. 
Am 22./I1I. 18D5 Excision, die sehr tief gemacht werden musste, da sich 
intra operationem ergab, dass der tuberculoso Process verhältnissmässig 
weit in die Tiefe, jedoch nicht bis zuin Oberkielerknochen vorge¬ 
schritten war. Jodolörmgaze - Compressiousverband, der nach vier 
Tagen in Nareose entfernt wird, es wird dann die nicht mehr starke 
Blutung durch Anliegen von 0.0% Kochsalzcompressen gestillt und die 
ganze Wundtiäche mit zwei Thierse huschen Lappen vom Oberschenkel be¬ 
deckt. ln den nächsten Tagen heilen die Lappen tadellos an und glaubten 
wir bereits in Kurzem Patientin entlassen zu können, als von einer 
kleinen eiternden stelle aus ein Erysipelas faeiei sich einstellte, das mit sehr 
hohem Fieber verlief, Patientin sehr elend machte und einen grossen 
Theil der iiuplantirten Stellen wieder löste; eine erneute Transplantation 
war jedoch nicht erforderlich, indem von den haftenden Läppchen aus 
die Wundfläche sieh schön überhäutete. Im Monat September 18^0 
hatte ich Gelegenheit, Patientin zu untersuchen und konnte eonstatiren: 
die Narbe ist, wenn auch etwa uneben, so doch vollständig blass und ent¬ 
halt keine Spur von verdächtigen Stellen in Gestalt von Hyperämien 
oder tuberculüsen Knötchenherden. Die bei der Entlassung noch sehr 
stark eingesunkene Wange — wir hatten sehr tief excidiren und auch 
noch krankhaft veränderte Partien von der Musculatur entfernen müssen 
— ist viel flacher geworden, die Entstellung eine sehr geringe. Das 
Allgemeinbefinden der Patientin ist relativ gut; dieselbe hat auffallend 


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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


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lange Zeit gebraucht, um sich von dem iiberstandenen Erysipelas zu 
erholen. 

Die Krankengeschichte eines 20jährigen Bergmannes, Wilhelm 
Scheich, will ich nur ganz kurz anführen, da der Fall ganz analog war 
dem Fall Borgstedt. In diesem Falle haben wir 22./III. 1895 sofort die 
ganze zwei handflächengrosse lupöse Stelle unter dem Kinn excidirt und 
in gewohnter Weise nach 4 Tagen transplantirt; auch diesen Kranken 
habe ich im August dieses Jahres noch untersucht und mich davon über¬ 
zeugen können, dass die Heilung bis dahin Stand gehalten hat. 

Kranefeld Hulda, 17 Jahre, Lütgendortmund. Patientin, die väter¬ 
licher und mütterlicher Seite tuberculös belastet ist, wurde am 13./VII 
1894 in’s städtische Krankenhaus mit Lupus exulcerans der linken Ge- 
sichtshälfte, weit über die Hälfte die Wange bedeckend und bis zur 
Oberlippe und zum Mundwinkel hinziehend, aufgenommen. Zuerst Be¬ 
handlung nach Volkmann und Nachbehandlung mit Pyrogallus und Su¬ 
blimat. Es traten Recidive ein und so entschlossen wir uns 6./V. 1896 
nach abermaliger Aufnahme der Patientin in’s Krankenhaus zur radicalen 
Exstirpation des Lupusrecidivs sammt den Narben. In gewohnter 
Weise Transplantation; am 23./V. wurde Patientin entlassen mit einem 
auch kosmetisch zufriedenstellenden Resultat. Patientin steht natürlich 
noch in unserer Beobachtung; bis heute hat sich aber auch nicht die 
geringste Spur eines Lupusrecidivs gezeigt. 

Kleinschnittger Maria, 16. Jahre, Dienstmädchen, Dortmund. Lupus 
serpiginosus antibracchii dextri, kaum handfiächengross. Aufnahme in\s 
städtische Krankenhaus am 4./III. 1895. Patientin ist von blühendem ge¬ 
sundem Aussehen. Der Fleck am Arm hat sich im Laufe der Jahre 
und zwar ganz allmälig entwickelt. In Narkose radicale Exstirpation 
alles Lupösen und da es nach kurzer Zeit gelingt, die Blutung zu stillen, 
so wird sogleich in derselben Sitzung vom Oberarm transplantirt. Schon 
nach wenigen Tagen konnte Patientin als geheilt entlassen werden. Am 
28./IX. 1896 wurde constatirt, dass die Heilung unter Bildung schöner 
glatter Narben erfolgt und ein Recidiv nicht eingetreten war. 

Bach Maria, 40 Jahre, ledig, Oberhausen. Lupus faciei exulcerans 
et hypertrophicus über das ganze Gesicht verbreitet mit entsetzlich ent¬ 
stellender Verstümmelung der Nase, narbiger Schwellung und Verziehung 
der Ober- und Unterlippe, Lupus des Zahnfleisches der oberen und unteren 
Zahnreihe. Patientin steht seit fast vier Jahren in meiner Behandlung 
und wurde von mir wiederholt ausgesebabt und gründlich cauterisirt; 
aber es gelang auf diese Weise kaum den ungeheuer progressiven Fall 
in Schranken zu halten und so entschlossen wir uns auch, bei diesem 
Fall bei der letzten Aufnahme 28./1. 1896 zur radicalen Operation, wohl 
wissend, dass ja eine Abschälung zunächst fast der ganzen Gesichtshaut 
nötbig war und weiter, dass bei dem so inveterirten Fall ein Tiefer¬ 
greifen des Processes an manchen Stellen erwartet werden musste. 
Operirt wurde in einer Reihe von Sitzungen: rechte Wange, Unterkinn¬ 
gegend, Unterlippe, Nase und linke Wange, beide obere Augenlider, 



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382 Fabry. 

manchmal wurde eine Transplantation mit einer neuen Excision ver¬ 
bunden. Da Patientin durch die wiederholten Narkosen und operativen 
Eingriffe mit heftigen Blutverlusten sehr geschwächt war, so wurde sie 
Anfang April entlassen und sollte sich dann in diesem Winter die noch 
restirende Lupuspartie an der Oberlippe excidiren lassen. Dies soll dem¬ 
nächst ausgeführt werden. Wir haben den Fall ausführlich mitgetheilt, 
obschon aus verschiedenen Gründen von einer Heilung noch nicht ge¬ 
sprochen werden kann, weil derselbe von den bisher mitge- 
theilten der am weitesten ausgedehnte Krankheitsfall war und weil er 
aus diesem Grunde technisch die grössten Schwierigkeiten darbot. 

Ganz cursoriscli und mehr der Vollständigkeit halber 
mögen auch die Fälle hier Erwähnung finden, die bis in die 
letzte Zeit von uns nach der Thierse h’schen Methode behandelt 
wurden, die aber aus den schon angeführten Gründen für die 
Kritik der Methode nicht den gleichen Werth haben. 

1. Frau Niemann, 54 Jahre, Dortmund, leidet an ausgedehntem 
Lupus serpiginosus et exulcerans in Schmetterlingsform; die ganze Nase 
ist befallen und intumescirt, die Wangen sind befallen bis zum unteren 
Augenlide als obere, bis zum Mundwinkel als untere Grenze und bis zur 
Parotisgegend als Grenze nach rückwärts. Patientin ist im Laufe der 
Jahre wiederholt in Kliniken zumeist nach Yolksmann’scher Methode 
behandelt worden. Im Frühjahr excidirten wir die ganze Fläche in 
einer Sitzung und schlossen nach 4 Tagen die Transplantation an; schon 
nach 14 Tagen konnten wir die Patientin mit allerdings noch frischen, 
jedoch bereits festen Narben vorstellen; bis heute ist ein Recidiv noch 
nicht eingetreten. 

2. Ganz ähnlich lag die Sache bei einem Fall, der ein Fräulein 
König, 44 Jahre, aus Arnsberg betraf, aber in der Fläche sowohl wie 
nach der Tiefe hin weiter vorgeschritten war; diese Patientin war zur 
selben Zeit auf der Station, wir mussten dieselbe jedoch länger in dem 
Kiankenhause zurückbehalten, da Nachoperationen sowohl an den Augen¬ 
lidern wie am Munde nöthig wurden. Ein halbes Jahr post operationein 
habe ich Patientin wieder gesehen und dieselbe war zu meiner grössten 
Freude noch frei vom Recidiv. 

3. Ein Kind, Sagolla, 12 Jahre, aus Dortmund, behandle ich jetzt 
seit etwa 1 Jahr an Lupus exulcerans et hvpertrophicus der linken 
Wange und der Unterkinngegend rechts. Leider war hier, wie so oft, 
die günstigste Zeit zum operativen Handeln durch homöopathische und 
hydropathische Behandlung verloren; dem Homöopathen schlug schliess¬ 
lich doch sein alloeopathisches Gewissen, als er keine Besserung sah und 
er rieth schliesslich zur operativen Behandlung. Wir führten auch hier 
in einer Sitzung die Excision aus trotz sehr starken Blutungen. Die 
Transplantation gelang in diesem Falle nicht so gut und in Folge dessen 
nicht zum geringsten Theile hat 9ich ein Ectropium des linken unteren 
Augenlides herausgebildet. Wir haben in diesem Falle uns vorgenommen, 


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Ufber dir Behandlung des Lu 2 >us vulgaris. 


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zunächst zu beobachten, ob derselbe recidivfrei bleibt und dann später 
die Ectropiumoperation auszuführen; bis heute haben wir noch nichts 
von Lupusknöcben beobachten können. 

Wir haben absichtlich zuerst die Krankengeschichten 
Revue passiren lassen und hielten es für zweckmässig, erst 
nachdem die objective Darstellung gegeben war, unser sub- 
jectives Urtheil über den Werth der Transplantationsmethode 
zu geben. Ueberblicken wir aber die immerhin nicht geringe 
Zahl von nach Thier sch behandelten Lupusfallen und beden¬ 
ken wir, dass bei einer Reihe der mitgetheilten Fälle der Ver¬ 
lauf über eine Reihe von Jahren post operationem controlirt 
wurde, so dürfen wir hoffentlich frei bleiben von dem Vorwurf, 
zu frühzeitig oder zu übereilt unsere Meinung uns gebildet 
zu haben. 

Da die operative Behandlung insbesondere des Gesichts¬ 
lupus entschieden ein Grenzgebiet darstellt zwischen Chirurgie 
und Dermatologie, indem die Entfernung mit dem Messer eine 
verhältnissmässig grosse technische Fertigkeit verlangt, so ist 
die Behandlung des Lupus vielfach übergegaugen auf den reinen 
Chirurgen und mit einer gewissen Berechtigung, da letzterer 
gewohnt ist, tagtäglich mit derartigen Schwierigkeiten zu rech¬ 
nen und umzugehen und da dem Dermatologen vielfach diese 
chirurgische Uebung abgeht. Nichtsdestoweniger kann es keinem 
Zweifel unterliegen, dass der Lupus in der Hand des Derma¬ 
tologen, vorausgesetzt, dass derselbe sich jene technische 
chirurgische Gewandtheit angeeignet hat oder aber, dass der 
Dermatologe in Gemeinschaft mit einem Chirurgen derart arbeitet, 
dass der letztere die Operation ausführt und der erstere 
dabei zugegen ist einmal zwecks Abmessung dessen, was zu 
entfernen und was zu erhalten ist, dann aber vor allem zur 
Leitung der Nachbehandlung, besser aufgehoben ist besonders 
in Hinsicht auf Erzielung eines guten kosmetischen Resultates. 

Wenden wir uns nun zur ausführlichen Besprechung der 
operativen Technik, so unterscheiden wir zweckmässig drei 
Stadien, das der Vorbereitung, die eigentliche Excision und 
drittens die Transplantation mit Nachbehandlung. 

Die Vorbereitung für die Operation bezweckt nichts wie 
die gründliche Desinfection des zu excidirenden Terrains, das 


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man zweckmässig erzielt durch Application desinticirender 
Sublimatumschläge etwa 24 bis 48 Stunden lang oder man 
reinigt und desinficirt die Stelle mit Aether, Alkohol, Sublimat 
in bekannter Weise. Diese Desinfection kann natürlich nur eine 
relative sein, denn es wird doch wohl kaum gelingen in tieferen 
Schichten des tuberculösen Gewebes einzudringen und es unter¬ 
liegt jawohl keinem Zweifel, dass auch beim Lupus die Eiter- 
coccen dem Tuberkelbacillus liebenswürdige Gesellschaft leisten. 
Sind aber die Eitererreger dabei mit thätig. so setzt das 
in noch kürzerer Zeit tiefer greifendere Zerstörungen; ist 
es aber einmal zu Exulceration gekommen, so i»t die Misch- 
infection zwischen Tuberkelbacillus und Eitercoccus auch bald 
da. Wenn es auf der anderen Seite richtig, und viele Behand¬ 
lungsmethoden gehen von dieser Grundidee aus, dass das Eiter¬ 
gift im Stande sei das tuberculöse zu vernichten, so geht für 
uns daraus das hervor, dass das deletäre Zusammenwirken 
von Tuberkelbacillus und Eitermikroorganismen in der Natur 
schon eine gewisse Begrenzung gefunden hat. Um nun nicht 
zu weit abzuschweifen, so kann die vorbereitende Desinfection 
nur eine relative sein, dennoch entspricht es den modernen 
Grundsätzen der Chirurgie, auch diese relative überhaupt mög¬ 
liche Desinfection anzustreben. 

Bei der Ausführung der Excision des hipüsen Gewebes 
hat man von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, es zu 
erstreben, dass möglichst die Hälfte des Fettgewebes resp. des 
subcutanen Bindegewebes stehen bleibt; es muss aber dabei 
oberster Grundsatz bleiben, alles irgendwie Verdächtige zu 
entfernen, möglichst den Tuberkelbacillus in seine Mauselöcher 
zu verfolgen, tiefere Gänge zu spalten und vollständig frei zu 
legen, tuberculöse Drüsen gleichzeitig mit zu entfernen. Die 
Aufgabe der Excision, also der ersten operativen Sitzung ist 
nur dann vollständig und lege artis gelöst, wenn wir sagen 
können, wir haben oder wir glauben alles Tuberculöse entfernt 
zu haben; man darf sich dabei nicht beirren lassen, dass das 
kosmetische Resultat nun eventuell nicht so gut ist. 

In der Mehrzahl der Fälle haben wir es, wie auch unsere 
Krankengeschichten zeigen, mit Gesichtslupus zu thun, und da 
pflegen einmal wegen des ungeheuren Gefässreichthums im 


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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


385 


Gesicht, dann aber auch, weil im Narbengewebe — und um 
Narbengewebe handelt es sich beim Lupus mehr weniger in 
allen Fällen — die Gefässlumina venöse und arterielle, aus- 
gespannt bleiben und sich nicht retrahiren können, Blutungen 
viel heftiger zu sein. Wie aber hat man sich dieser Blutungen 
zu erwehren ? In der ersten Zeit, wo wir anfingen nach T h i e r s c h 
zu behandeln, haben wir grössere Gefässe unterbunden resp. 
umstochen; wir sind jedoch bald zu der Einsicht gekommen, 
dass die Unterbindungsstellen später der Transplantation 
Schwierigkeiten bieten und verfahren seit etwa zwei Jahren 
folgendermassen. Während die lupöse Haut abgeschält wird, 
fassen die Assistenten möglichst alle grösseren und kleineren 
Gefässe mit Schiebern und Klemmen; ist die lupöse Haut ab- 
präparirt — wir haben wiederholt in einer Sitzung die Hälfte 
bis ein Drittel der ganzen Gesichtshaut entfernt — so kann 
schon die grössere Mehrzahl von Schiebern sofort entfernt 
w r erden, grössere Gefässe werden torquirt, dann legen wir einen 
Jodoformgaze-Compressionsverband an, der nach drei bis vier 
Tagen in Narkose wieder entfernt wird; es entstehen dabei 
nur hie und da kleinere Blutungen, die durch Auflegen von 
Kochsalzcompressen leicht und bald zu stillen sind. Die Wund¬ 
fläche ist dann für die Transplantation sehr geeignet. Wir halten 
dieses Verfahren für einfach, schonend und vor Allem sehr 
praktisch, haben es dabei in einer ganzen Reihe von Fällen 
erprobt und glauben es daher zur Nachahmung empfehlen zu 
können. Früher hatten wir länger bis zur Vornahme der Trans¬ 
plantation gewartet, es war dann Granulation vorhanden und 
diese musste erst durch Ausschabung wieder entfernt werden. 
Wir berichteten ja auch über einen Fall, wo gleich in der 
ersten Sitzung die Transplantation vorgenommen werden konnte ; 
das war aber ein Lupus der Extremitäten; im Gesicht aber 
haben wir immer mit sehr starken Blutungen und auch 
Nachblutungen zu rechnen, die die sofortige Vornahme der 
Implantation einfach illusorisch machen. 

Wir können nunmehr, nachdem das Terrain präparirt ist 
zur Ausführung der eigentlichen Transplantation, uns auslassen 
über die von uns speciell bei diesem Punkte gemachten Er¬ 
fahrungen. Es unterliegt gewiss keinem Zweifel, dass die Epi- 

Archlv f. Dermatol, u. Sypliil. Band XXXIX. 25 


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38*1 Fubrv. 

dermislappen um so leichter und besser anhaften, je grösser 
dieselben sind und hierin liegt ja vor Allem der Vorzug der 
Thiersch’schen Transplantation vor der älteren Reverdin- 
sclien. In zweiter Linie soll man erstreben möglichst dünne 
Lappen zu erlangen; allerdings haften auch dickere Lappen 
gut an, aber je dicker dieselben sind, desto mehr stösst sich 
nachher von den oberflächlichsten Epidermisschichten ab; es 
kömmt hinzu, dass je dünner die Epidermis entnommen wird, 
um so leichter auch die secundär gesetzten Wunden heilen. 

Das leichte Einfrieren nun der zu excidirenden Haut mit 
Aethylchlorid ist gewiss im Stande, ähnlich wie bei Gefrier¬ 
schnitten beim Mierotom uns die Operation zu erleichtern; es 
gelingt mit dieser Aushilfe, wovon wir uns des öfteren über¬ 
zeugt haben, leicht dünne, grosse und feine Hautstücke zu 
erhalten; dennoch haben wir später Aethylchlorid fortgelassen, 
indem wir glaubten, dass nicht eingefrorene Epidermislappen 
leichter anwachsen und zudem gelingt es auch ohne Anwen¬ 
dung desselben bei einiger Uebung und einigem Geschick aus¬ 
reichend grosse und passende Flächen zu erhalten. Dass der 
Oberschenkel und Oberarm das geeignetste Gebiet sind, dem 
die Lappen entnommen werden, bedarf eigentlich kaum der 
Erwähnung. 

Wenn der Lappen aufgelegt war, so wurde zunächst durch 
sachten Druck mit Kochsalzcompressen dafür Sorge getragen, 
dass die Lappen überall dicht und unmittelbar auf der Untei- 
fliiche anlagen, mit anderen Worten, eventuelle Luft- oder 
Flüssigkeitsblasen entfernt. Darauf wurde der Lappen mit 
Dermatol bestreut, in letzter Zeit auch mit Nosophen und Airol, 
mit protectiv silk bedeckt und endlich mit einem Compressions- 
verbande abgeschlossen. 

Grade in den jüngsten Monaten haben wir mehrere Fälle 
von Lupus der Wange etwas anders behandelt und möge diese 
Modification der Nachbehandlung hier kurz Erwähnung finden. 
Es handelt sich um folgende Fälle: 

I. Fräulein Berg. Lupus der linken Wange, Recidiv, früher wieder¬ 
holt nach Volk mann behandelt. 

II. Frau Flasche. Lupus der linken Wange und des linken Ober¬ 
arms; beide Stellen handfiächengross, endlich ein thalergrosser Fleck der 
linken l’atellargegend. 


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Ueljer ilie Behandlung des Lupus vulgaris. 


387 


III. K rau Harrwig. Lupus der linken Wange und Unterkinngegend. 

IV. Frau Wolflf, 65 J. Lupus dissemin. beider Wangen, Kecidiv. 

V. Werner Anton, Io Jahre. Lupus des unteren Nasendrittels, 
Septum perforatum. 

Es handelte sich bei allen tunten um Fälle von mittel- 
grosser Ausdehnung, wir werden aber wahrscheinlich demnächst 
bei den ausgedehnten Lupusfällen ganz ebenso verfahren; es 
kam uns bei diesen Kranken sehr zu statten, dass die Blutung 
durch minutenlange Compression sowie durch Auflegen von 
eiskalten Coiupressen bald zu stillen war; so konnte in einer 
Sitzung exeidirt und transplantirt werden. Wir haben nun 
sofort, nachdem die Wundflächen mit Hautlappen bedeckt 
waren, die Fläche mit Jodoformgaze bedeckt und darüber einen 
Compressionsverband angelegt; nach acht Tagen erster Ver¬ 
bandwechsel und in allen Fällen tadellose überraschend gute 
Anheilung; wir haben dann mit einfachem Talcum nachbehan¬ 
delt; es ist gewiss angenehm, bei einem Lupus schon nach so 
kurzer Zeit einen eclatanten Erfolg verzeichnen zu können, 
während alle anderen Methoden sich doch immer über mehrere 
Monate hinziehen; natürlich muss diese noch sehr junge und 
zarte Haut auch in nächster Zeit noch sehr aufmerksam be¬ 
handelt und beobachtet werden, Blasenabhebung oder zu starke 
Granulation, wenn sich später hie und da noch eine Stelle 
löst, inhibirt werden. 

Die erste Anleimung der Lappen erfolgt sehr bald, wenn 
die Lappen dicht auf der Unterlage anliegen; Theile aber, die 
beispielsweise im Gesicht, am Munde viel in Bewegung sind, 
bieten für die Transplantation grössere Schwierigkeiten und 
damit ist zu rechnen. Früher Hessen wir den ersten Verband 
post Transplantationem 4 Tage liegen in dem Glauben, dass 
dann erst ein gutes Anhaften der Lappen eingetreten sei. Wir 
sind aber nach unseren Erfahrungen später dazu übergegangen, 
den ersten Verband vorsichtig schon nach zwei Tagen zu lösen; 
hat sich dann vielleicht an der einen oder anderen Stelle eine 
Eiterblase gebildet, die die Lappen abzuheben im Begriffe ist 
— und das kommt zuweilen vor — so wird dem schnell durch 
Anstechen der Blase Einhalt gethan. In einzelnen Fällen haben 
wir auch gerade mit Rücksicht auf diese Eiterblasenbildung 
und ihre sofortige Beseitigung offen behandelt: bei einem Falle 

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F a b r y. 


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von Lupus nasi mit recht gutem Erfolge; dennoch halten wir 
es für besser in allen Fällen, nachdem aufgepflanzt worden ist, 
eine leichte Compression auszuüben. 

Stossen sich nun im weiteren Verlaufe hie und da trotz¬ 
dem Theile der Implantationen ah, und tritt die bei Lupus 
immer so üppige Granulation zu Tage, so haben wir uns nie 
gescheut, diese Granulation mit starken Höllensteinlösungen 
zu bekämpfen, damit von den anhaftenden Theilen ausgehend 
auch diese Stellen überwachsen werden konnten. Ideal wäre 
es ja, wenn mit einem Schlage die ganze Fläche zuwüchse, 
aber das ist eben nicht immer der Fall. 

Wir wollen noch nachtragen, dass wir bei den Trans¬ 
plantationen immer Sorge getragen haben, dass die aufzulegen¬ 
den Lappen auch noch bis auf die gesunde Haut reichen, es 
ist das ein einfaches und gutes Fixationsmittel, indem die 
feuchte untere Epidermisseite der Lappen fest an der Unter¬ 
lage der gesunden Haut anklebt; aus denselben Gründen 
sorgten wir, dass die Lappen sich dachziegelförmig überein¬ 
ander legten. 

Beim Ausbreiten der feinen Lappen Epidermis auf der 
neuen Grundlage bedienen wir uns in letzter Zeit der be¬ 
kannten feinen Schäufelchen, wie sie bei Verarbeitung von 
Microtomsehnitten im Gebrauch sind; wir kommen damit besser 
zum Ziele wie mit Sonden. 

Wenn die neu geschaffene und zu transplantireude Grund¬ 
fläche recht schön trocken ist, so machten wir oft die Beob¬ 
achtung, dass schon bei der Operation, also nach wenigen 
Minuten, ein verhältnissmässig festes Ankleben stattgefun¬ 
den hat. 

Haben wir kleinere Stücke Lupushaut, etwa bis zu Hand- 
ilächengrösse exoidirt, so gelingt es leichter eine Eiterung zu 
verhüten, anders bei grösseren Flächeuexcisionen, wenn etwa 
in einer Sitzung die Hälfte des Gesichts und noch mehr ent¬ 
fernt wurde; es ist dann schon schwieriger vollständig aseptisch 
zu bleiben und es entsteht dann die Frage, wie sollen wir uns 
gegen diese Eiterung, die das Anhaften frischer Lappen ganz 
gewiss illusorisch macht, verhalten? 


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Leber die Behandlung des Lupus vulgaris. 


389 


(Erwähnen will ich kurz an dieser Stelle, dass ich auch 
in einem Falle von echtem Lupus erythematosus der Nase, 
der zwar ganz umschrieben kaum zehnpfennigstückgross auftrat, 
aber trotzdem Jahre lang erfolglos mit Pflastern und Kauteri¬ 
sationen behandelt worden war, in kurzer Zeit eine definitive 
Heilung erzielte; in den meisten Fällen von Lupus erythema¬ 
tosus wird man ja mit schonenderer Behandlung auskommen, 
aber für einzelne nicht zu ausgedehnte und hartnäckige Fälle 
glaube ich auch die Transplantationsmethode empfehlen zu 
können.) 

Es empfiehlt sich, in derartigen Fällen den ersten Ver¬ 
band schon nach kürzerer Frist, vielleicht nach 24—48 Stunden, 
zu erneuern; ist dann doch schon Eiterung eiugetreten, so ge¬ 
lang es möglichst viel von dem Iinplantirten zu retten, wenn 
ein Trockenverband mit Jodoform oder Airolgaze angelegt 
wurde, über die Gaze Verbandwatte und comprimirender Ver¬ 
band; auf diese Weise gelingt es die Flächen möglichst trocken 
zu halten; auch die folgenden Verbände wurden möglichst oft 
erneuert; wie schon angedeutet, tritt nach 3—5 Tagen wieder 
eine neue Schwierigkeit uns entgegen in Gestalt der üppigen 
Granulation; es hat sich zwar nun entschieden, wie viel von 
den Lappen haften geblieben ist, aber wir müssen doch zu ver¬ 
hüten suchen, dass die Granulation nicht die anhaftenden 
Stellen überwuchert und um diesen Zweck zu erreichen, gibt 
es zwei Wege, zwischen denen wir zu wählen haben, je nach¬ 
dem hinreichend oder doch nicht ausreichend im Verhältniss 
zu den zu überhäutenden Stellen oder Flächen haften geblieben 
ist: entweder nochmals nach vorheriger Ausschabung des Gra¬ 
nulationsgewebes zu transplantiren oder durch tägliche Pinse¬ 
lungen mit 2—G°/ 0 igen Höllensteinlösungen oder durch Appli¬ 
cation 0*5—2°/ 0 igen Höllensteinumschläge für die Möglichkeit 
der Ausbreitung der Läppchen in der Fläche Sorge zu tragen. 
Wir haben wiederholt uns, je nach der Auswahl der Fälle zu 
dem einen oder anderen entschliessen müssen und dann doch 
zum Ende gute und besonders gute kosmetische Resultate 
erzielt; das nun hat sich uns besonders zur Evidenz gezeigt, 
dass Höllensteinlösungen frisch anhaftenden Läppchen nicht 
im weiteren Wachsthum hinderlich sind und dieselben nicht 


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3Ml) I’abry. 

zerstören; die Zerstörung des Argentum nitricum richtet sich 
nur gegen die Granulationswucherung. Wir ziehen Aetzungen 
mit Lösungen schon aus dem Grunde vor, weil sie den Patienten 
weniger schmerzhaft sind wie der Lapis in Substanz, dann aber 
glauben wir auch, dass der Stift der jungen anhaftenden Epi¬ 
dermis nicht so zuträglich ist, wie die eben erwähuten Lö¬ 
sungen. 

Bekanntlich neigt der Lupus, wenn er operirt ist, da es 
sich doch zumeist um oberflächlich gesetzte Wunden handelt, 
nicht so sehr zu accidentellen Wunderkrankungen; dennoch ist 
auch mit diesen Eventualitäten zu rechnen. Ein echtes Erysipel 
mit hohem Fieber zerstörte uns in zwei Fällen die Transplan¬ 
tationen und machte eine erneute Ausführung derselben erfor¬ 
derlich. Natürlich werden derartige Zufälle durch strengste 
Antisepsis möglichst zu vermeiden sein, vollständig lassen sich 
dieselben auch bei grösster peinlichster Aufmerksamkeit nicht 
verhüten. 

Andere Uebelstände bei den Transplantationen verdienen 
noch erwähnt zu werden. Eine keloidartige Narbenhypertrophie 
kommt auch bei Transplantationen vor; wir wissen, dass eben 
manche Individuen aus uns unbekannten Ursachen dazu iucli- 
niren. Zu Anfang soll man, wenn derartige besonders im Ge¬ 
sicht entstellende Hypertrophien sich einstellen, abwarten, da 
sich dieselben oft noch spontan zurückbilden. In einem Falle 
haben wir, und wir glauben dies zur Nachahmung empfehlen 
zu können, die Hyperplasien nach der M i k u li c /.'sehen Methode 
für Naevi entfernt und dadurch auch ein zufriedenstellendes 
kosmetisches Resultat erzielt. 

Besonders in Fällen, wo durch das Tiefergreifen des 
lupösen Processes wir gezwungen waren auch tiefer zu exci- 
diren, kann es bei gleichzeitig in der Fläche ausgedehnten 
Lupusfällen d. h. bei Fällen, bei denen über die Hälfte des 
Gesichts befallen ist und, wo die Krankheit sich nahe an die 
Augenlider oder an die Peripherie des Mundes heranzieht, 
noch mehr, wenn wir gezwungen sind, Theile der Lippen und 
der Lider selbst zu excidiren, zur Ausbildung eines Ectro- 

') Miculicz. Chirurgische Behandlung der Hautmäler. Yerhandl. 
des IV. Congr. der Deutschen dermat.. Ges. 1804 p. 176. 


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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris. 391 

piums kommen und es ist vorausgesetzt, dass wir von dem 
Grundsätze ausgehen, alles Tuberculöse entfernen zu wollen, 
eine solche Störung nicht immer zu vermeiden, ebensowenig 
eine Verziehung der Mundöffnung nach der einen oder an¬ 
deren Richtung. Was die unteren Augenlider nun anlangt, 
so ist es auffällig, wie nahe man bei der Excision an das¬ 
selbe herangehen darf, ohne dass ein Ectropium entsteht. 
Aber, wie schon hervorgehoben, haben wir in einzelnen Fällen 
in Nachoperationen die Beseitigung eines sich ausbildenden 
Ectropiums zu erstreben. Es würde zu weit führen und zu sehr 
in das Gebiet der reinen Chirurgie übergreifen, wollten wir 
uns hier näher darauf einlassen, welche von den plastischen 
Operationen zu wählen sei. Wir möchten nur ein Verfahren 


lidvand 



näher skizziren, das sich an die Thiers che Transplantations¬ 
methode eng anschliesst, ziemlich gute Dienste leistet, sich 
auf ziemlich viele Fälle anwenden lässt und vor Allem den 
Vorzug der Einfachheit hat. 

Exemplificiren wir auf ein Ectropium des rechten unteren 
Augenlides, so haben wir einen Schnitt zur Entspannung parallel 

. --_..-r 

Mund ü 


a' 



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Fabry. 


dem Lidrande geführt und diesen, um das Lid vollständig zu 
lockern, bis zu den Augenwinkeln verlängert — Linie aaaa — 
Natürlich müssen alle spannenden Stränge gespalten werden; 
es geht nun das Lid in seine ursprüngliche Lage zurück, die 
Auswärtsstülpung der Schleimhaut ist beseitigt; zur Vorsicht 
wurde das Lid in dieser Lage durch zwei temporäre Nähte 
an der Stirn fixirt, endlich sofort der Defect durch eine 
Thiersche Implantation gedeckt, — War die Mundöffnung 
etwa in der Richtung a narbig post operationem oder in Folge 
des Krankheitsprocesses verzogen, so haben wir in ähnlicher 
W eise nach der Richtung, wo die stärkste Spannung war, durch 
Entspannung in bekannter Weise einen Defect gesetzt, diesen 
dann wieder in derselben Weise nach Thier sch gedeckt. 


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Zur Frage von der Injectionstechnik bei 
der Behandlung von Syphilis. 

Von 

Magnus Möller, 

Docent der Syph. und Derm. in Stockholm. 

In einer kürzlich gemachten Mittheilung, *) betreffend 
Lungenembolien bei Injectionsbehandlung von Syphilis, kam ich 
zu einigen Schlüssen, von denen folgende die wichtigsten waren: 

1. In der Literatur habe ich 29 Fälle von Lungenaffection 
zufolge intramusculären Injectionen von unlöslichen Quecksilber¬ 
präparaten veröffentlicht gefunden; selbst habe ich 28 solche 
Complicationen beobachtet. 

2. Der klinische Verlauf ist in den bisher beobachteten 
Fällen in der Hauptsache übereinstimmend und bildet einen 
typischen, gut charakterisirten Symptomencomplex. Die Symptome 
sind theils local, von den Lungen: Hustenparoxysmus, Athemnoth, 
Stich, blutiges Sputum; theils allgemein, oder von anderen Or¬ 
ganen: Fieber, Anämie, Mattigkeit, Albuminurie, Digestions- 
Störungen. 

3. Bei angestellten Thierversuchen (Kaninchen) ergab es 
sich, dass bei intravenösen Injectionen von essigsauerem Thymol¬ 
quecksilber, suspendirt in irgend einem Vehikel, regelmässig 
embolisch-inflammatorische Veränderungen in den Lungen ent¬ 
stehen. Diese werden von den grösseren Partikelcheu des Prä¬ 
parates hervorgerufen, welche zufolge ihrer Grösse nicht die 
feinen Verzweigungen der Lungenarterien passiren können, 
sondern abfiltrirt werden, stecken bleiben und Embolien bilden. 
Durch die Irritation, welche sie in ihrer Umgebung bewirken, 
werden exsudative Processe, perivasculäre pneumonische Herde, 
hervorgerufen. — Die Hauptmasse des Hg-Präparates, welche 
aus äusserst kleinen amorphen Körnchen besteht, wird dagegen 
durch den Lungenkreislauf mit der Circulation weitergeführt. 

4. Bei intravenöser Injection des Vehikels allein (Paraffin, 
Gummischleim) entstehen wohl auch Circulationsstörungeu beim 

') Arch. f. Derm. u. Syph. 1896. 37. Bd. 3. H. p. 395. 


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Möller. 


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Passireu des Lungenkreislaufes, indessen nur solche von un¬ 
vergleichlich milderer Art: kleine capilläre Infarcte ohne Spur 
von den ausgeprägten Exsudationsprocessen, welche das Hg- 
Präparat hervorrief. 

5. An den Versuchsthieren gemachte intramusculiire In- 
jectionen von essigsauerem Thymolquecksilber bewirkten keine 
Veränderungen in den Lungen. 

Aus diesen Befunden zog ich die Schlussfolgerung, dass, 
wenn bei Menschen nach Injection von unlöslichen Hg-Präpa- 
raten obenangedeutete Complication seitens der Lungen ent¬ 
steht, diese in embolisch-inflammatorischen Processen ihren 
Grund hat, welche durch die in den Lungen abfiltrirten grösse¬ 
ren Partikeln des Injectionspräparates hervorgerufen werden. 
Die übrigen Symptome: Digestionsstörungen, Anämie, Mattig¬ 
keit, Albuminurie, sind als Ausdruck einer acuten Quecksilber- 
intoxication aufzufassen, welche durch die Menge des Hg-Prä- 
parates leicht entstehen können, die auf einmal hineinkommt 
und mit dem Blute circulirt und wahrscheinlich in löslichen 
Verbindungen schnell übergeführt wird. 

6. Alle meine Fälle von Lungenembolien sind bei 3—3*5 Cm. 
tief in die Musculatur gemachten Injectionen vorgekommen; 
seitdem aber das Verfahren dahin geändert worden ist, dass 
die Injectionen weniger tief gemacht werden, sind niemals mehr 
derartige Fälle vorgekommen. 

Bevor ich weitergehe, muss ich mich gegen die von Har¬ 
tung, ') einem der letzten Autoren in diesem Gegenstände, 
ausgesprochene Besignation bezüglich dieser Complicationen 
aussprechen. Nach der Erwähnung von Lungenaffection in un¬ 
mittelbarem Anschluss an die Injection von Salicylquecksilber 
schliesst H. nämlich mit folgenden Worten: „Wir können diese 
Gefahr mit in den Kauf nehmen, und ich glaube, wir können 
es ganz ruhig bei intacten Lungen mit Rücksicht auf die grosse 
Seltenheit des Zufalles und den sehr bedeutenden Werth gerade 
dieser Form der Hydrargyrumtherapie.“ 

Hartung’s Mittheilung veranlasste Lesser,-) das Wort 
zu ergreifen. L. spricht die Ansicht aus, dass diese Fälle 

*) Deutsche med. Wochenschr. 1894. Nr. 29 p. 601. 

7 ) Deutsche med. Wochenschr. Nr. 39. Separatabdr. 


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Zur Frage v. der Inject .-Technik bei d. Rehamll. v. Syph. 3<)5 


ganz gewiss nicht so selten sind, aber wahrscheinlich oft ver¬ 
schwiegen werden, dass es ferner nicht richtig sein kann, „sie 
ruhig mit in den Kauf zu nehmen“. Denn obgleich bislang 
kein bekannter Fall einen unglücklichen Ausgang genommen 
hat, so ist damit nicht bewiesen, dass nicht ein solcher ein- 
treffen könnte. — Jedenfalls bezweifle ich, dass die Patienten, 
welche ganz plötzlich und unerwartet in die erwähnte, oft sehr 
qualvolle Situation mit ihrem Hustenparoxysmus, Seitenstechen, 
Athemnoth u. s. w., der tage-, zuweilen wochenlangen Arbeits¬ 
unfähigkeit, geneigt sind, die Sache „ganz ruhig“ zu nehmen. 
Es kann nicht befremden, dass verschiedene Patienten mit 
Kenntniss der Gefahr, welcher sie sich aussetzten, die Iujections- 
behandlung ablehnten. Gerade mit Rücksicht auf „den sehr 
grossen Werth dieser Form der Hydrargyrumtherapie“ muss 
man es wohl deshalb wie Lesser für höchst wünschenswerth 
halten, einen Ausweg zur Vermeidung dieser mindestens sehr 
unangenehmen Complicationen zu finden. 

Bei meinem ersten oben angeführten Punkte muss es 
unbedingt auffällig erscheinen^ dass auf mein Los 28 solcher 
Fälle kommen, während die früheren Autoren auf diesem Ge¬ 
biete nur wenige hierhergehörige Beobachtungen mitzutheilen 
hatten. Dies muss seine besondere Ursache haben. 

So selten, wie man nach den Ziffern in der Literatur zu 
glauben versucht sein könnte, kommen diese Lungencomplica- 
tionen indessen gewiss nicht vor. Ich habe mich in dieser Be¬ 
ziehung theils mündlich, theils schriftlich bei fünf schwedischen 
Specialisten (den Doctoren Södersten in Gothenburg, Welin 
in Malmö, Lindholm, Kempf und A hl ström in Stockholm) 
erkundigt, welche alle Injectionsbehandlung der Syphilis in 
grösserer Ausdehnung ausgeübt haben. Sämmtlich haben sie 
die Auskunft gegeben, dass sie bezüglich solcher Lungen- 
complicationen Erfahrung haben; alle haben mir ganz charak¬ 
teristische Fälle mitgetheilt, von deren genauer Wiedergabe 
ich indessen abstehe, weil sie alle dem nunmehr bekannten 
Typus folgen mit plötzlich, oft unmittelbar nach der Injection 
eintretendem Hustenparoxysmus, Athemnoth, Stich u. s. w. — 
Anderseits hat Prof. Welander mitgetheilt, 1 ) dass er, mit 


') Svenska Lakaresällsk. förhandl. 1896 p. 200. 


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Möller. 


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seiner überlegenen Erfahrung, niemals eine solche Lungen- 
complication bemerkt hat. 

Bei Erwägung dieser anscheinend unvereinbaren Mit¬ 
theilungen lag die Frage nahe, oh die Erklärung nicht in der 
Ungleichheit der Injectionstechnik der verschiedenen Aerzte zu 
suchen sein könne. Diese Annahme bestätigt ja schon meine 
eigene Erfahrung (Punkt 6), nach welcher verschiedene In- 
jectionsweisen einen wesentlichen Unterschied in der Frequenz 
der Lungencomplication ergaben. 

Die Lungenaffectiou kommt dadurch zu Stande, dass die 
Injectionsmasse in eine Vene und durch diese in den Lungen¬ 
kreislauf gelangt — dies dürfte wohl in Analogie mit den Re¬ 
sultaten meiner Injectionsversuche an Kaninchen (Punkt 3) 
als erwiesen betrachtet werden können. Die Gefahr, Gefässe 
zu lädiren, muss natürlich in demselben Masse grösser sein, 
als der Gelassreichthum des zu injicireuden Gebietes grösser ist. 
Dies könnte deshalb zunächst ein Grund sein, den relativen 
Gefässreichthum verschiedener Theile desGebieteszu untersuchen, 
wo die Injectionen vorzugsweise angebracht werden, d. h. die 
Glutealgegend. 

Die Hauptgefässstämme der Glutealgegend ’) sind die Vasa 
glutea und Vasa ischiadica, welche das Becken durch das Fo- 
ramen ischiadicum verlassen, die ersteren über, die letzteren 
unter dem M. pyriformis. Die Art. glutea mit den begleitenden 
Doppelvenen biegt sich um den oberen Rand der Incisura 
ischiadica major und theilt sich in zwei Hauptäste, von denen 
der eine sich oberflächlicher, im oberen Theile des M. gluteus 
maximus, der andere, tiefer, in den Mm. glutei medius und 
rainimus verzweigt. Die Art. ischiadica ist da, wo sie an dem 
unteren Rande des M. pyrif. hervorkommt, von einem reichlichen 
Plexus mehr oder weniger grossen Venen umgeben. Die Arterie 
theilt sich in eine Anzahl divergirender Aeste, welche sämmtlich 
von Doppelvenen begleitet sind. Es lassen sich drei Haupt¬ 
richtungen unterscheiden: 1. rückwärts in den unteren Theil 
des M. gluteus maximus; 2. seitwärts, unterhalb und parallel 
mit dem unteren Rande des M. pyril. nach den tiefen äusseren 
Hüftmuskeln und dem Hüftgelenk und 3. abwärts, in der 

') Vergl. Heule. Handb. der Gefässlehre. Braunschvveig 1868 p. 172. 


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Zur Frage v. der Inject.-Technik bei d. Behandl. v. Syph. 397 

Richtung nach dem äusseren Theile des Tuber ischii, zu den 
langen Beugemuskeln u. s. w. Ausser den diese Arterien be¬ 
gleitenden tiefen Venen gibt es subcutane Venenstämme, welche 
an Breite bis 3 Mm. und darüber betragen können. Sie ana- 
stomosiren mit den tiefen mitten durch die dazwischen lie¬ 
gende Musculatur. Der M. gluteus maximus ist sehr gefässreich. 
Die intramusculären Venen haben keinen constanten Verlauf 
und begleiten die Arterien nicht. 

Um nuD zu untersuchen, ob und in welchem Masse bei 
intramusculären Injectionen die Spritzenspitze in eine gefähr¬ 
liche Nähe von grösseren Gefässen kommen kann, erbat und 
erhielt ich Prof. Lindström's Erlaubniss, einige solcher In¬ 
jectionen im Anatomiesaal des Karol. Institutes auszuführen. 
Die Leichen, ihrer 3, waren männlichen Geschlechtes und hatten 
mässige oder mehr als mässige Musculatur, waren aber ziemlich, 
obwohl nicht hochgradig mager. Im Anschluss an die in 
der Injectionstherapie gebräuchlicheren Prädilectionsstellen 
wählte ich fü$ die Injectionen drei leicht bestimmbare Punkte: 

I. im obersten Theile des M. gluteus maximus, ungefähr 
3—5 Cm. von der Crista ilei; 

II. ungefähr 2 Cm. hinter und 1 Cm. oberhalb der hinte- 
ren-oberen Spitze des Trochanter major.; 

in. in dem Mittelpunkte zwischen der Spina ilei post, 
sup. und der unteren Fläche des Tuber ischii, Ü Cm. von der 
Medianlinie. 

Die Canüle der Injectionsspritze war 3'5 Cm. lang. Zur 
Injection wurde eine Paraffinsuspension von essigsauerem Thymol¬ 
quecksilber verwandt, welche sich durch ihre weisse Farbe von 
den umgebenden Theilen gut unterscheidet. 

An den zwei letzteren Punkten wurde die Injection winkel¬ 
recht zur Hautfläche 3—3 - 5 Cm. tief in die Musculatur gemacht. 
Dies in Uebereinstimmung mit der nunmehr allgemein ange¬ 
nommenen Regel, die Injectionsmasse möglichst tief') zu de- 

') „Mais surtout qu’on n’oublie pas qu’il faut piquer profondement 
avec de longues aiguilles de 6 centimetres et effectuer le depot en pleines 
massea .musculaires“ (Jullien. Ann. de derm. et de syph. 1896 p. 177). 

-„J’enfonce perpendiculairement dans toute sa longeur l’aiguille . . . 

j’emploie actuellemont une aiguille d’une longeur de einq ou six centi- 
metre“. (Portalier, idem, p. 800—301.) 


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ü 11 e r. 


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poniren. An dem ersten Punkte dagegen in der Weise, wie ich 
die Injectionen jetzt stets ausführe, d. h. man ergreift eine 
dicke Falte von Haut und subcutanem Gewebe, parallel mit der 
Medianlinie und führt die Canüle in ihrer ganzen Länge schräg 
in der Richtung der Hautfalte tief unter die Haut und das 
subcutane Gewebe hinein, um das Depot supra- oder wenig¬ 
stens mehr oberflächlich intramusculär zu deponiren. 

P*ei der Dissection unterstützte mich der Hr.Cand. Forssner. 

Nachdem die drei Injectionen auf eben angegebene Weise 
gemacht worden waren, wurden nach einander Haut, Panui- 
culus adiposus und Faseia abgenommen, wonach die Muskeln 
bezw. Muskelbündel vorsichtig zertlieilt wurden. Es ist na¬ 
türlich, dass das Depot in den verschiedenen Fällen mehr 
oder weniger tief, ganz nach der individuell wechselnden Dicke 
der betreffenden Gewebelager wiedergefunden werden musste. 
An den drei Leichen betrugen Haut und Panniculus adiposus 
in keinem Falle mehr als 1 Cm.; die Faseia ist in dieser Ge¬ 
gend ganz schwach ausgeprägt; die Dicke des M. gluteus ma- 
ximus wechselte bei den verschiedenen Leichen und an ver¬ 
schiedenen Stellen zwischen 2 und 3 Cm., *) am dicksten ist er 
an den mit II. und III. bezeichneten Punkten. Haut, Panni¬ 
culus und M. gluteus maximus betrugen also in keinem dieser 
Fälle mehr als 4—±'5 Cm. — In wesentlichen Beziehungen 
war volle Uebereinstiruruung vorhanden zwischen den beson¬ 
deren, auf analoge Weise und Stelle gemachten Injectionen. 
Die Resultate der drei Injectionsweisen waren kurz folgende: 

I. (im oberen Theile des M. gluteus maximns; supra-oder 
mehr oberflächlich intramusculär). Die Injectionsmasse wurde 
jedesmal im M. gluteus maximus 0‘5—1 Cm. von dessen Ober¬ 
fläche wiedergefunden. Kein Gefäss von bemerkenswerther Grösse 
konnte in der Nähe des Depots constatirt werden. Ein Ast 
der Vena glutea, welche noch mitten im Muskel ziemlich dick 
ist, könnte bei tieferer Injection vielleicht lädirt werden. 


') He nie, Handbuch der Muskellelire des Menschen, 2. Aufl. 1871 
gibt an, dass der M. glut. max. „Behr mächtig (über 3 Cm.) ist“. — 
l’oirer, Traite d’anatomie humaine, T. II. fase. p. 189 sagt vom M. gl. 
max., dass er „fort epais, 3 ä 4 ctm. moyenne“ ist. 


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Zur Frage v. der Inject.-Technik bei d. Behandl. v. Sypli. 399 


II. (2 Cm. hinter und 1 Cm. über dem Trochanter major; 
winkelrecht gegen die Hautfläche tief in die Musculatur hinein). 
Fünf Injectionen wurden auf nahezu derselben Stelle angetroffen, 
Das Depot wurde in einem Falle im M. gluteus maximus nahe 
an dessen uuterer Fläche wiedergefunden; zweimal in dem lockeren 
Bindegewebe zwischen diesem Muskel einerseits und dem M. 
gluteus medius und pyriformis anderseits; zweimal am unteren 
Rande des M. gluteus medius; einmal unter dem M. pyriformis 
im Bindegewebe zwischen diesem und dem M. gluteus minimus. 
Gefährliche Nachbarschaft von grösseren Gelassen war nicht 
vorhanden. Sobald man sich oberhalb des Troch. maj. hält, 
entgeht man den grossen Lateralästen der Vasa ischiadica, 
welche nach den Rotatoren etc. laufen. 

III. (Mittelpunkt zwischen der Spina ilei post. sup. und 
dem unteren Rande des Tuber ischii, 6 Cm. von der Medianlinie; 
winkelrecht gegen die Hautfläche, tief in die Musculatur hinein). 
Fünf Injectionen wurden auf nahezu derselben Stelle angetroffen, 
nämlich unter dem M. gluteus maximus, unter dem unteren 
Rande des M. pyriformis, in dem lockeren Gewebe um die 
Vena ischiadica (oder den reichen Venenplexus, welcher sich 
früher oder später zu einer Vena ischiadica sammelt), an der Art. 
ischiadica und dem N. ischiadicus, in unmittelbarer Nähe der¬ 
selben. Einmal wurde indessen die Injectionsmasse nicht an der 
gewöhnlichen Stelle wiedergefunden; nach einigem Suchen 
sahen wir bei der Lädirung eines Venenästchens höher hinauf 
(von der Vena glutea) zu unserer Ueberraschung einige Tropfen 
der weissen Emulsion durch das Lumen dieser Vene heraus¬ 
kommen und bei Druck auf deren Stamm noch mehrere. Wir 
erkannten endlich, dass die ganze Injectionsmasse in die Vena 
schiadica gedrungen war, von wo aus dieselbe bis hinauf in 
die Vena hypogastrica und deren Verzweigungen verfolgt werden 
konnte. Die Spritzenspitze war offenbar in das Lumen der 
Vena ischiadica dicht unter dem M. pyriformis hiueingedrungen, 
wobei der Inhalt der Spritze vollständig in die Vene entleert 
worden war. Es ist zu bemerken, dass in diesem Falle die 
Vena ischiadica eine mehr als gewöhnlich breite, zugängliche 
Fläche darbot, deren Stamm 1*5 Cm. in der Breite mass. 
Ausserhalb der Vene war nirgends etwas von der Injections- 


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400 


Möller. 


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masse zu bemerken. In diesem Falle hatte es der Zufall ge¬ 
fügt, dass die Injection, anstatt intramusculär zu 
werden, intravenös geworden war. 

Besonders aus diesem letzten Injectionsversuche ist zu 
ersehen, welch eine gefährliche Stelle für intramusculäre In- 
jectionen der gewählte Punkt III ist. Bei einer tiefen Injection 
hier, mitten zwischen die Spina il. post. sup. uud den Tuber 
ischii, 6 Cm. von der Medianlinie, richtet man nämlich die 
Spritzenspitze gerade gegen die Mitte des Foramen ischia- 
dicum mit dessen reichem Venenplexus. Dieser liegt je nach 
den individuellen Wechslungen in Musculatur und Corpulenz, 
in einer Tiefe von 3, 4. 5 Cm. und zuweilen mehr. Auch an¬ 
dere Theile als Venen sind bei tiefer Injection auf dieser Stelle 
der Lädirung ausgesetzt, nämlich die grossen Arterienstämme 
wie auch der N. ischiadicus. a ) Der genannte Punkt ist der ge¬ 
fäßreichste in der Glutealgegend. Lateral von hier nach dem 
Troch. maj. hin, wie auch vertical, nach dein Tuber ischii 
hinab, riskirt man fortfahrend, wenn auch in viel geringerem 
Grade, mit den grossen Ilauptästen der Vena ischiadica in 
Collision zu kommen 

Bedeutend geringer wird, auch bei tiefer Injection, die 
Gefahr, auf grössere Gelasse zu stossen, wenn man sich an die 
Theile der Glutealgegend hält, welche oberhalb einer Horizontal¬ 
linie liegen, die die obere Spitze des Trochanter major tangirt. 

Und wenn mau endlich die Injection in oben beschriebener 
Weise ausführt, dass mau einen dicken Wulst von Haut und 
subcutanem Gewebe (uud Muskel bei mageren Personen) er¬ 
fasst und die Nadel in ihrer ganzen Länge in der Richtung 
des Wulstes tief unter die Haut und das subcutane Gewebe 
(bei mageren Personen in den M. glut. max. hinein) sticht, so 
wird die Gefahr, auf Gelasse zu stossen. auf ein Minimum 
reducirt. 

Es ist anzunehmen, dass die Entstehung von Lungen¬ 
embolien voraussetzt, dass die Nadelspitze in das Lumen einer 

*) Cunf. Möller, lieber Lungenembolien usw. Archiv. 37. IM. 3. H 
pag. 41‘J. 

2 ) Mchrwöchentlichc Parese dos N. ischiadicus nach einer von 
einem Collogen gemachten Thymol-IIg-In jeetiun habe ich im vorigen Jahre 
beobachtet. 


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Zur Frage v. der Inject.-Tecbnik bei d. Behandl. v. Sypb. 401 

Vene hineingedrungen und die Injection direct in diese gemacht 
worden ist. Dafür sprechen die oft unmittelbar auftretenden 
Symptome, vor allem der Hustenparoxysmus. Dagegen habe 
ich bei meinen Dissectionen keine Stütze für Längs 1 ) An¬ 
nahme gefunden, dass der Zutritt der Injectionsmasse zu 
den Venen in der Weise erfolgen kann, dass durch die 
Grösse des Depots eine Gewebszerreissung stattfindet und 
also der Injectionsmasse Gefässe geöffnet werden. Die Menge 
des Vehikels, natürlich innerhalb gewisser Grenzen, scheint 
mir eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen. Auch wenn 
ein Gefäss abgerissen oder möglicherweise durchstochen werden 
sollte, so ist die dabei entstehende Blutung genügend, um das 
Eindringen der Injectionsmasse zu verhindern. Ganz anders 
verhält es sich, wenn man die Injection direct in ein Gefäss 
macht, dann ist natürlich ein Embolus die nothwendige Folge. 

Und wie die Injection einmal an der Leiche intravenös 
erfolgen konnte, so ist sie, wie man vermuthen kann, auch an 
Lebenden zuweilen intravenös geschehen, und zwar vor allem 
an dem oft genannten, in dieser Beziehung gefährlichen Punkt 
III. Dann aber ist es nicht mehr schwer zu erklären, warum 
die Erfahrung der verschiedenen Aerzte hinsichtlich der Lungen¬ 
embolien bei der Injectionstherapie so sehr verschieden ist. 
Dieselbe muss selbstverständlich verschieden sein je nach dem 
Theil der Glutealregion, welche der eine oder der andere als 
Prädilectionsstelle für seine Injectionen hat, wie auch nach der 
grösseren oder geringeren Tiefe, in welcher die Injectionen 
gemacht werden. Der eine Arzt wählt die Fossa retrotrochanterica, 
der andere den oberen Rand der Glutealmusculatur u. s. w. 
Ich hatte eine verticale Linie, ungefähr 6 Cm. lateral von der 
Medianlinie gewählt; es ist daher ganz gewiss, dass ich in 
dieser Linie, bei tiefen Injectionen, zuweilen habe auf den 
Plexus ischiadicus stossen müssen, und damit ist die Erklärung 
gewonnen, warum ich so oft die unangenehmen Complicationen 
seitens der Lungen habe sehen müssen. Nachdem ich. meine 
Injectionstechnik dahin geändert habe, dass ich theils den oberen 
Theil der Glutealgegend (3—4 Injectionen auf jeder Seite in 
einem Bogen von innen nach aussen) wähle und andern theils 

') Vorles. über Patk. u. Tker. der Sypb. Wiesb. 18% p. 817. 

Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 


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402 Möller. 

die Injection weniger tief mache, treffen keine Lungencompli- 
cationen mehr ein. (Die Stelle hinten — über dem Trochanter 
vermeide ich, weil Schmerz und Empfindlichkeit hier grösser 
werden und besonders bei Seitenlage in der Ruhe lästig sind). 

Ich glaube, hiermit eine Weise angegeben zu haben, wie 
Yeneninjectionen und somit Lungenembolien zu vermeiden sind. 
Den letzteren kann man indessen auch dann zuvorkommen, 
wenn man die Vorsichtsmassregel trifft, welche unter anderen 
von L e s s e r ') vorgeschlagen worden ist, und die darin besteht, 
dass man, nachdem der Einstich mit gefüllter Spritze in üblicher 
Weise gemacht worden ist, die Caniile festhält, die Spritze 
aber einige Augenblicke entfernt, bis man constatirt hat, dass 
kein Blut aus der Canüle herauskommt. Erst dann setzt man 
die Spritze wieder fest und vollendet die Injection. 

Aus mehreren Gründen ziehe ich die erstere Weise vor, 
nämlich so viel als möglich die Nähe der grossen Gefässe 
und des N. ischiadicus zu meiden. Nachdem man einmal bei 
Versuchsinjectionen an Leichen den Venenplexus, die Arterien¬ 
stämme und den N. ischiadicus von der Injectionsmasse um¬ 
schwemmt gesehen hat, bekommt man einen gewissen Respect 
davor, die Spritzenspitze gerade gegen diese Theile zu richten. 

Zu den obigen Schlüssen, zu welchen mich eine frühere 
Untersuchung geführt hat, kann ich also noch die drei fol¬ 
genden fügen: 

7. Die grösste Gefahr vor einer Veneninjection und Lungen¬ 
embolien ist bei tiefer Injection an einem Punkt mitten zwischen 
der Spina ilei post. sup. und dem Tuber ischii, ungefähr 6 Cm. 
von der Medianlinie. Diese Gefahr besteht noch, aber in ge¬ 
ringerem Grade, von diesem Punkt aus lateral nach dem Tro¬ 
chanter major und vertical nach dem Tuber ischii hin. 

8. Weit weniger Gefahr in augedeuteter Beziehung bietet 
die obere Glutealgegcnd, oberhalb der Horizontallinie, welche 
die obere Spitze des Trochanter major tangirt. 

9. Wenn man die Injection weniger tief verlegt (in der 
Weise wie oben S. 8 beschrieben), supramusculär oder in den 
oberflächlicheren Theil des M. gluteus maximus, so entgeht 
man der Gefahr vor Lungenembolien. 

‘) Deutsche in cd. Wochenschr. 1894. Nr. 39. Sep.-Abdr. 


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Bericht über die Leistungen 

auf dem 

Gebiete der Dermatologie und Syphilis. 


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Verhandlungen der Wiener dermatologischen 

Gesellschaft. 


Sitzung vom 10. März 1897. 

Vorsitzender Kaposi. Schriftführer: Spie gl er. 

S. Kohn demonstrirt 

1. einen Fall von Lichen ruber planus, der bereits vor 13 
und dann vor 5 Jahren Anfälle der Erkrankung hatte, die auf Arsenbe¬ 
handlung heilten. Gegenwärtig besteht ein Recidiv an der Wangen¬ 
schleimhaut und auch in der Kniegelenksgegend. 

2. einen typischen Fall von Erythema nodosum, das seit 
zweieinhalb Monaten besteht. 

Kaposi erwähnt, dass Lichen ruber auf der Schleimhaut schwer 
zu diagnosticiren ist, da daselbst alle möglichen Knötchenefflorescenzen 
durch Trübung des Epithels sich gleichsehen. In diesem Falle sind 
jedoch die Knötchen an der Haut typisch, schwierig wird es, wenn die 
Affection an der Schleimhaut beginnt. 

Neu mann bemerkt, diese Knötchen könnten mit verstopften 
Schleimdrüsen verwechselt werden. 

Kaposi demonstrirt ein Kind mit einer Affection, die vielleicht 
als Pemphigus contagiosus aufzufassen wäre. Die Mutter des 
Kindes brachte vor einem Monate ein 10 Tage altes, reif geborenes, 
jedoch hochgradig marastisches Kind, das am ganzen Körper besäet war 
mit erbsen- bis kreuzergrossen prallen, tlieils schlappen, tlieils auch ge¬ 
platzten Blasen. K. diagnosticirte Pemphigus vulgaris et foliaceus, be¬ 
ziehungsweise cachecticus. Das Kind starb nach drei Tagen. 

Gleich darauf erkrankte ein 2 J / 2 jähriger Knabe derselben Frau. Er 
zeigte am rechten Handrücken eine kreuzergrosse rothe Scheibe, die 
durch Austrocknung einer vorausgegangenen Blase entstanden war. Dann 
traten Nachschübe von gleicher Form, kreuzer- bis thalergrosse rothe 
Scheiben ad nates über dem rechten Hypochondrium auf, manche zeigten 
randständig gelbe, von einem Blasenkreis herrührende Krusten, ferner 
frische Blasen ad nates, mehrere schlappe Blasen, an der rechten Wange 
vor dem Ohre, am linken Oberschenkel, andere grössere Herde glatt 
überhäutet. 


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Verhandlungen 


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Gleichzeitig erkrankte ein 14 monatliches Kind derselben Frau an 
der gleichen Affection. 

Die Kinderärzte unterscheiden einen Pemphigus contagiosus neona¬ 
torum, der aber von manchen als Varicellen, Impetigo oder als Ver¬ 
brühung gedeutet wurde. Es gibt auch Herpes tonsurans mit grösseren 
Blasen, dabei besteht aber kein ungleicbmässiges peripheres Fortschreiten, 
sondern Bläschenbildung an der Peripherie. K. hat eine ähnliche 
Aftection noch nicht gesehen; wenn es einen Pemphigus contagiosus 
gibt, müsste dieser Fall dazu gehören. Bei einem ähnlichen Falle sind 
einmal sehr feine Mycelien eines Pilzes dargestellt worden. Ferner hat 
Dem me einen Kokkus in Pemphigusblasen gefunden. 

Schiff hat wiederholt solche Fälle bei Kindern gesehen und sie 
nie anders aufgefasst, wie als etwas abnorme Formen von Herpes tonsurans. 

Lang meint, es sollten die letzt erkrankten Stellen auf Pilze 
untersucht werden. Er hat in einem ähnlichen Falle denselben Pilz wie 
bei Dermatomykosis circinata gefunden. Es ist eine grosse Zahl von 
Fällen bekannt, in denen bei der Impetigo contagiosa statt der vesicu- 
lösen bullöse Efflorescenzen sich bildeten. 

Neu mann hat ähnliche Fälle gesehen, sie sind selten. Bei 
Impetigo contagiosa kommt eine randständige Bläschenbildung bei voll¬ 
ständiger Bückbildung im Centrum der Kfflorescenz nicht vor. Das 
findet sich nur bei Herpes tonsurans. Die kindliche Haut ist empfind¬ 
licher gegen die Mycelien, daher entstehen eher Blasen. 

Kaposi demonstrirt einen Fall von Lichen ruber acumi- 
natus. Der 35jährige Patient erkrankte vor 10 Wochen, es trat eine 
Röthung an der Brust, auf, die sich rasch ausbreitete, dabei bestand 
Spannungsgefühl, Frösteln, Abschuppung. Jetzt sieht man das Bild einer 
Pityriasis rubra pilaris (Devergie), die wohl jetzt allgemein als 
Lichen ruber acuminatus angesehen wird. Die ganze Haut ist 
diffus geröthet, blos am Thorax sind einzelne kreuzergrosse Stellen vor¬ 
handen, die vor zwei Wochen über thalergross waren, an denen die Haut 
ganz normal ist. Die Haut sieht. ferner fein chagrinirt. aus, an den 
Fingerrücken, am Handrücken stehen dichtgedrängte Knötchen, reib¬ 
eisenartig am radialen Rande. Aehnlich ist der übrige Stamm erkrankt, 
am Rücken ebenfalls einzelne freie Herde mit randständigen Knötchen. 
Stärkerer Schuppenbelag fehlt noch, da die Erkrankung erst 10 Wochen 
dauert. 

Lang demonstrirt einen 10jährigen Patienten, der am 17. Februar 
d J. mit einer exuh*erirten Sei er ose im sulcus und am Bändchen neben 
struraatöser suppurativer Lymphadenitis inguinalis aufgenommen 
wurde. Gleichzeitig besteht Lichen ruber planus an der Penisbaut, 
der in charakteristischen Knötchen gruppirt. zu Ringen oder Ovalen an¬ 
geordnet ist. Auch in der linken Carpalgegend finden sich volarwärts 
drei Gruppen. Nebenbei schiessen schon hie und da Papeln auf. 

Popper stellt vor aus der Abtlieilung Langes eine Patientin 
mit Syphilis maligna praecox geheilt mit Jodothyrin, welche be- 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


4ü7 


reits in der Sitzung vom 15. April 1896 mit einer Syphilis maligna 
praecox demonstrirt wurde. Die Kranke, welche im October 1895 rait- 
35 Einreibungen gegen recente Syphilis behandelt worden war, bot da¬ 
mals guldenstückgrosse gummöse Ulcerationen und Knoten an der be¬ 
haarten Kopfhaut, sowie Geschwüre am rechten Nasenflügelrande und 
am Septum nasi. Unter der mit Decoctum Sassaparillae eingeleiteten 
Therapie besserte sich der Zustand der Kranken ursprünglich sehr rasch, 
doch traten sehr bald Nachschübe in Form von Knoten und Infiltraten 
auf, von denen viele geschwürig zerfielen. Ein Versuch, die Erscheinungen 
durch Verabreichung von Jodol und später von grossen Jodkalidosen 
zum Verschwinden zu bringen, misslang, indem bei der Patientin Er¬ 
scheinungen von Jodismus, heftige Conjunctivitis, starke Rhinitis und 
Störungen des Allgemeinbefindens eintraten. Ebensowenig konnte der 
Process durch eine nach einem längeren Intervalle aufgenommene 
Quecksilbertherapie beeinflusst werden und musste die zweimal begonnene 
Injectionstherapie aufgegeben werden, da sie den Process durchaus nicht 
im günstigen Sinne zu beeinflussen im Stande war und die Infiltrate und 
Geschwüre keine Tendenz zur Heilung zeigten, vielmehr immerfort neue 
Nachschübe auftraten. Das Hauptaugenmerk war daher darauf gerichtet, 
die Kranke neben indifferenter Behandlung (Emplastr. plumb etc.) in 
möglichst gutem Ernährungszustand zu erhalten, was auch gelang; die 
Kranke ist trotz der schweren Erkrankung wohl genährt und kräftig ge¬ 
blieben. Trotz des guten Ernährungszustandes jedoch zeigte die Krank¬ 
heit keine Rückbildung, es traten, wenn auch hie und da Involution auf¬ 
trat, immer neue Nachschübe in Form von gruppirten papulös-crustösen, 
zum Theil auch ulcerösen Infiltraten am ganzen Körper auf. Erst durch 
die Verabreichung von Jodothyrin im Vereine mit grauen Pillen trat 
eine auffallende Besserung und nach länger fortgesetzter Verabreichung 
vollkommene Heilung ein. 

Patientin erhielt im ganzen in der Zeit vom l./XII. 1890 bis 
4. Januar 1897 44 Gr. Jodothyrin. Der Gewichtsverlust während dieser 
Zeit betrug nur 30 Deka. Vom 4. Januar an wurde wegen einer fieber¬ 
haften Erkrankung durch 10 Tage hindurch jede Therapie sistirt und 
am 14. Januar die Verabreichung von Jodothyrin bis zum 8. März fort¬ 
gesetzt, daneben erhielt die Kranke vom 2. Feber bis zum heutigen Tage 
graue Pillen, 3 Stück pro 'l ag. Die Kranke erhielt in der Zeit vom 
14. Januar bis 8. März 101 Gr. in toto, 145 Gr. Jodothyrin, daneben 108 
Stück graue Pillen. Während in der Zeit vom 1. Decemberbis 4. Januar, wäh¬ 
rend welcher die Kranke 44 Ggr. Jodothyrin erhielt, der Gewichtsverlust nur 
30 Deka betrug, verlor die Kranke in der Zeit vorn 14. Januar bis 
8. März, also nach Verbrauch von weiteren 101 gr. 7 1 /, Kg. Doch ging 
der Gewichtsverlust nur sehr langsam vor sich, so, dass jeden 4. Tag, 
beim Registriren des Körpergewichtes, nur eine Gewichtsabnahme von 
30—50 Deka constatirt werden konnte. 

Gegenwärtig, also nach beinahe einjähriger Dauer der Erkrankung, 
sind die Erscheinungen sämmtlich zurückgegangen und kann Patientin als 
geheilt betrachtet werden. 


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Verhandlungen 


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Lang bemerkt, man könnte meinen, dass die Erkrankung auch so 
gut geworden wäre. Es war die Besserung nach der Jodothyrindar- 
reichung eine offenbare, die Ulcera reinigten sich, es traten keine neuen 
Infiltrate mehr auf, während bis dahin immerfort Nachschübe kamen. 

Kaposi demonstrirt 

1. eine 62jährige Patientin, Mutter von 4 lebenden Kindern, die 
aussen und innen in der Ellenbogengegend thalergrosse, im Centrum ein¬ 
gesunkene, blaurothe Knoten zeigt. Es handelt sich um gummöse 
Syphilide. 

2. eine 58jährige Frau mit gruppirtem Syphilid (Syphilis 
corymbosa) am linken Ellenbogen und au den Rippen, entsprechend der 

3. und 4. Rippe. Die Narben, welche nach dieser Affection Zurückbleiben 
werden, dürften ähnlich sein, wie dies nach einem Herpes zoster dieser 
Gegend der Fall wäre. Auch über der r. Schulterregion finden sich hand- 
{ellergrosse Gruppen. 

Ehrmann hat an den nach einem Herpes zoster zurückgebliebenen 
noch hyperämischen Narben gruppirte Syphilide auftreten gesehen. 

Neumann demonstrirt 1. einen 17jährigen Pat. mit Favus, der 
1863 von Lang und Nobl auf der Wiener Naturforscheryersammlung 
mit universellem Favus vorgestellt wurde. Damals bestanden entsprechend 
den noch vorhandenen narbigen Residuen am Stamm und Extremitäten 
des sehr herabgekommenen auch mit Caries behafteten Kranken massige 
schwefelgelbe Favusauflagerungen. Jetzt ist namentlich die Kopfhaut 
affieirt, an welcher ausser atrophischen Stellen auch isolirte und conflui- 
rende Favusscutula sich finden. Auch an den Oberarmen ist je ein etwa 
kreuzergrosses lebhaft gelb gefärbtes Scutulum vorhanden, ferner hier und 
am Stamme mehrfache linsengrosse, blassgeröthete, leicht abschilfernde 
Effiorescenzen, von denen einzelne im Centrum bereits einen gelben Punkt, 
das beginnende Scutulum, erkennen lassen. Die Krankheit soll seit minde¬ 
stens 8 Jahren bestehen. 

2. einen 32jährigen Fleischhauer aus Galizien mit ulceröser 
Syphilis der Nase. Die Nasenflügel hochgradig geschwellt, erisypelatös 
geröthet, der linke, von der Wange abgetrenut, das knorpelige Septum, 
der untere Theil des knöchernen zerstört, die Muscheln und das gesammte 
Naseninnere, soweit sichtbar, von einem einzigen schmerzhaften Geschwür 
eingenommen, das unebenen Grund, infiltrirte Ränder zeigt. Vor 10 Jahren 
wurde Pat. infieirt, machte 30 Einreibungen durch, auch jetzt vor dem 
Spitalseintritte 50 Inunctionen. 

3. den bereits demonstrirten Pat. mit tu bereu lösen Geschwü¬ 
ren der Schleimhaut der Unterlippe, des Zahnfleisches und der Zungen¬ 
spitze. 

4. den bereits wiederholt vorgestellten Pat. mit tuberculosem 
Syphilid und scorbutischen Pirscheinungen. Unter Gebrauch 
von Sublimatbädern und Deeoet. Zittmanni haben namentlich die Knoten 
am Kinn, am Mundwinkel bis zu Nussgrösse zugenommen, am Stamme 
und Extremitäten sind aus den Effiorescenzen vielfach bis kronengrosse, 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


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flach vertiefte, scharf umschriebene schmerzhafte Geschwüre mit dickem 
Eiterbelag entstanden. 

Kaposi demonstrirt 

1. einen Fall von Actino rave ose am rechten Unterkieferrande. 
Man findet unregelmässige, rothe Knoten, theilweise mit Krusten bedeckt, 
aber auch jenseits dieser Knoten die Haut derber; eigenthümlich ist die 
unregelmässige Configuration, auch die Consistenz, unregelmässig aus harten 
und weichen Partien zusammengesetzt. Die Punctionsflüssigkeit ergab 
charakteristische Actinomycesdrüsen. Patientin ist jetzt Puerpera, die 
Mamma sind also geschwollen, überdies ist aber die r. Mamma grösser, 
angeblich seit der vorletzten Schwangerschaft im vorigen Jahre. Die 
untere Hälfte derselben ist hart infiltrirt, die Haut darüber geröthet. 
Vielleicht handelt es sich um Actinomyces der Mamma. Die Frau 
hat nie auf dem Lande gelebt. Sie bekommt innerlich grosse Dosen Jod¬ 
kalium, local graues Pflaster. 

Rille verweist mit Rücksicht auf die actinomycotischen Tumoren 
an der Brust der vorgestellten Krauken auf den 1893 von ihm beobach¬ 
teten Fall von Hautaetinomycose, welcher, was die Form und das klinische 
Bild der Erkrankung betrifft, ausgenommen den später von Pringle 
publicirten, einzig dastehen dürfte. Es bestand, wie die vorgezeigte Ab¬ 
bildung ergibt, bei einer 50jährigen, sonst gesunden Frau an der oberen 
Rückenhälfte, dann an der Brust eine grössere Zahl umschriebener, derb 
teigiger, hellrother, bis guldenstückgrosser Knoten und Wülste, zum Theile 
in eigenartiger bogen- und kranzförmiger Anordnung. Daneben an der 
•Schulter und den Nates über flachhandgrosse, das subcutane Gewebe be¬ 
treffende, fluctuirende Erweichungsherde, jedoch ohne Perforations¬ 
öffnung, ohne Fistelgänge. Im Gegensätze zu den sonst bekannten 
Formen von Actinomycose, beispielsweise Kieferactinomycose waren ferner 
in dem durch Incision gewonnenen mehr fettig und ölig als eitrig aus¬ 
sehenden Inhalte der Knoten makroskopisch keine Actinomyceskörner 
nachzuweisen und gelang die Auffindung des Strahlenpilzes erst nach 
langwierigem Suchen. Ueber die Art der Uebertragung wie über die 
Eingangspforte war nichts zu eruiren. Die Heilung erfolgte nach (37tägiger 
Behandlung mit 348 Gr. Jodkalium. 

Kaposi demonstrirt einen Fall von Sclerodermie. Die Patientin 
ist schon vor einem Jahre mit der gleichen Affection an der r. Hand 
demonstrirt worden. Der Fall war damals dadurch instructiv, dass die 
sclerotischen circumscripten Herde von einem rothen Hof umgeben waren. 
Diese Röthung geht der Sclerosirung voran, in anderen Fällen sieht man 
von derselben nichts. Seitdem hat sich die Affection bedeutend ausge¬ 
dehnt, an den unteren Extremitäten beinahe diffus. An der oberen Extre¬ 
mität, vorne am Thorax in Herden, immer mit Voranschreiten eines 
rothen Hofes, der später braun wird, während das Centrum marraorähn- 
lich wird. Dabei Ernährungszustand schlecht, Motilitätsstörung, Gelenk¬ 
schmerzen. 


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Verhandlungen 


2. eine 48jährige Frau, die über dem linken Oberkiefer einen flach¬ 
handgrossen Herd, an der Nasolabialfurche eine längliche Scheibe von 
sepiabrauner Farbe zeigt, nahe dem inneren Rande eine pigmentirte, 
narbenähnliche Stelle, im übrigen die Haut glatt, nicht schuppend, be¬ 
weglich, stellenweise scheint das subcutanc Gewebe doch betheiligt zu 
sein. In einer Lepragegend würde man an Lepra denken. Vielleicht ent¬ 
stand es durch ein chemisch irritirendes Medicament. Canthariden könnten 
eine solche bleibende Pigmcntation erzeugen, oder es ist ein angeborener 
Naevus pigmentosus, der nun weiter schreitet. Allerdings sollte er dann 
dunkler und nicht so gleicbmässig sein. 

Neu mann bemerkt, dass Pigmentirungen nach Hautreizen (Daphne, 
Sinapis) flach, nicht verdickt sind. Es könnte noch Lupus erythematodes 
sein oder eine Atrophie der Haut, wie sie mitunter mit Pigmentirung 
Schwellung beginnt, später hört die Pigmenthildung auf, die Haut wird 
atrophisch. Das wurde freilich bisher nur am Stamme beobachtet. Wahr¬ 
scheinlich handelt es sich um einen Naevus. 

Kaposi entgegnet, dass für Lupus erythematodes keine Symptome 
vorhanden sind, bei Atrophie der Haut besteht keine Pigmentirung, sondern 
Röthung. Es wird Sublimatalkohol aufgelegt, um die Pigmentschichte 
zur Ablösung zu bringen. 

Kaposi demonstrirt 

8. eine Patientin mit Lupus erythematodes, die ursprünglich 
die typische Scheibenform zeigte, welche auf Behandlung abblasste. Nach 
8 Monaten sucht Pat. wieder das Spital auf und zeigt die Scheiben be¬ 
deutend vergrössert und eine neue Eruption über dem Jochbein, ebenso 
an den Fingern frostbeulenartig. 

4. ein 1 öjübriges Mädchen mit e 1 e p h a n t i a s t i s c h e r V e r dick u n g 
d e r G e s i c h t s h a u t nach r e c i d i v i r e n d e in Erysipel. Die Wangen 
sind polsterartig aufgetrieben, die Haut glatt, etwas geröthet, die Augen¬ 
lider ödematös, das linke kaum zu öffnen. Die Patientin leidet seit 8 Jahren 
an recidivirenden Erysipel. Die Quelle desselben ist eine Conjunctivitis 
pustulosa, die eine immerwährende Entzündung der Nasenschlcimhaut 
unterhält, von der aus das Erysipel ausgeht, wahrscheinlich sind auch schon 
die Lvmphgefässe der Haut erweitert und zur Entzündung disponirt. 

Finger demonstrirt Culturen mit einem neuen electiven Nähr¬ 
boden für Pilze. Favus, Mikrosporon furfur, Trichophyton gedeihen 
sehr gut. Bacillus pyocyaneus wächst und verfärbt noch etwas, prodigiosus 
wächst ebenfalls, Staphylucoccus, Streptococcus gedeihen jedoch nicht und 
aus einer Mischung derselben mit Pilzen gehen bloss die letzteren auf. 
Der Nährboden enthält Hautpulver und Agar. 5 Gramm Hautpulver (von 
Rindshaut gewonnen in Droguerien käuflich) werden mehrere Stunden in 
100 Gramm Wasser macerirt, mehrere Stunden gekocht, mit 2 Gr. Agar 
eine Stunde gekocht und Hltrirt. Der Nährboden erstarrt sehr gut, ist 
durchsiehtig, so dass auf Platten unter dem Mikroskop studirt werden kann. 

Rille macht Mittheilung über einen von ihm verbuchten, ähnlich 
hcrgcstellteu Nährboden. Zu demselben wurde aller nicht thierische, 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


sondern menschliche Haut und zwar sowohl solche von Cadavern als 
auch „lebende“ Haut verwendet, letztere gewonnen durch Circum- 
cision der Vorhaut, welche sofort nach der Operation in physiologische 
Kochsalzlösung eingelegt und dann zu dem Nährmateriale weiter ver¬ 
arbeitet wurde. Nur im Anschlüsse an die eben gemachten Ausführungen 
Finger’s bringt R. den Gegenstand zur Sprache; hierüber gleichwie 
über die mit diesem Nährboden von ihm unternommene Reinzüchtung 
desBacillus des venerischen Geschwüres soll demnächst be¬ 
richtetwerden. Rille erwähnt noch, dass der von ihm angegebene Nähr¬ 
boden gegenüber dem von Finger den Vorzug der grösseren Durch¬ 
sichtigkeit besitze. 


Sitzung vom 24. März 1SAT. 

Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer: Spie gl er. 

Kaposi demonstrirt das von Freund vor etwa 2 Monaten vor¬ 
gestellte Mädchen, bei dem durch Behandlung mit Röntgenstrahlen 
die Haare eines ausgebreiteten Naevus pilosus zum Ausfallen gebracht 
wurden. An den belichteten Stellen war nach etwa 14 Tagen eine erythe- 
matöse Entzündung aufgetreten, wenn auch nicht an allen Stellen. K. hatte 
sich damals dahin ausgesprochen, dass die Wirkung der X-Strahlen ähn¬ 
lich wie bei der Insolation den chemisch wirkenden ultravioletten Strahlen 
zuzuschreiben sei, welche eine Hyperämie und später eine dauernde Parese 
der Gefässe veranlassen. Während jedoch die Sonnenstrahlen mehr die 
oberflächlichen Gefässe beeinflussen, machen die X-Strahlen mehr ihre 
Wirkung auf die tiefliegenden Gefässe um die Haarpapillen und Talg¬ 
drüsen geltend, daher tritt das Erythem in den oberen Partien der Cutis 
erst nach einiger Zeit auf. K. vermuthete, dass, wenn die Gefässe ihren 
Tonus wieder erhalten würden, auch wieder normale Haarbildurig statt- 
flnden werde. Thatsäcklich sind die Haare am Hinterhaupte alle nach¬ 
gewachsen. Ueberdie8 wurde am Rücken vom 8. Rückenwirbel bis zur 
Crena nie die Haut gleichmässig gangränös, ein Effect, der vielleicht auf 
eine Alteration der Eiweisssubstanzen des Gewebes zurückzuführen ist. 

Freund möchte sich die genaue Mittheilung der betreffenden 
Daten und Beobachtungen für eine spätere ausführliche Darstellung des 
Krankheitsverlaiifes Vorbehalten. Er bemerkt nur, dass die nekrotischen 
Partien länger belichtet wurden als die Stelle am Nacken. Die Nekrose 
besteht erst seit etwa einer Woche. Bis dahin bestand nur eine ganz 
oberflächliche Excoriatiou, welche allerdings sehr hartnäckig jeder thera¬ 
peutischen Beeinflussung widerstand. 

Ne umann bemerkt hiezu, dass aus der letzten Zeit zahlreiche Publi- 
cationen über nachtheilige Wirkung der Röntgenstrahlen vorliegen. Dies 
demonstrirt eine Illustration von C r o o k e r, in welcher ein schwer heilendes 
Geschwür nach bloss einstündiger Belichtung resultirte. In einem anderen 
Falle entstand ein handtellergrosses Geschwür im Epigastrium nach ein- 


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Verhandlungen 


maliger Durchleuchtung wegen Nierensteinen. Ferner beobachtete man 
Exfoliation der Haut und Ausfall der Nägel bei Demonstratoren der 
X-Strahlen. Der Haarausfall ist nicht constant. Es ist also eine gewisse 
Vorsicht bei Anwendung der X-Strahlen geboten. 

Nobel demonstrirt aus der Abtheilung Grünfeld einen Fall von 
perniciöser Lymphodermie. Es besteht bei einer Frau eine diffuse 
erythematöse Röthung im Gesicht, Nacken, sich ausbreitend bis über die 
Brust, theils in Form von Scheiben, theils contluirend. Die Haut fühlt sich 
derber, teigig an, an den Extremitäten erscheint sie satinartig. Besonders 
deutlich ist die Verdickung der Haut des Gesichtes, da die Plumpheit 
der Hautfalten demselben einen morosen Ausdruck verleiht. — Starkes 
Jucken stört der Patientin die Nachtruhe, sie ist auch in der Ernährung 
sehr heruntergekommen. Es könnte sich um ein toxisches Erythem handeln, 
wie es bedingt wird durch Toxine, die von irgend einem versteckten 
Krankheitsherd, einer Pleuritis, einer Abdominalerkrankung ausgebend 
direct die Haut oder die vasomotorischen Centren reizen. Dafür ist kein 
Anhaltspunkt zu finden. Es dürfte sich demnach um eine pernieiöse 
Lymphodermie (Kaposi) handeln, die zunächst Röthung, daDn Infiltra¬ 
tion der Haut erzeugt, später Hyperplasie der Lvmphapparate. Es bestellt 
auch bei der Patientin Hyperplasie besonders der Leisten- und Cubital- 
drüsen. 

Kaposi erinnert daran, dass dieselbe Patientin bereits am 14. Nov. 
1896 von ihm vorgestellt wurde. Die damals bestandene starke Hyper- 
hidrosis und Schmerzhaftigkeit haben sich verloren. 

Grosz demonstrirt aus der Abtheilung Mracek einen Fall von 
luetischer Neuritis multiplex. Die Pat. war im vorigen Jahre 
wegen einer Selorose mit folgendem Exanthem behandelt worden. Im 
Februar d. J. kam sie wieder mit Papeln am Genitale und an den Anal- 
falten und einer blassen Roseola am Stamme. Ferner bestand Vertau¬ 
bungsgeiuhl am 4. und ö. Finger der 1. Hand, sowie reissende Schmerzen. 
Die Untersuchung ergab, dass die Motilität vollständig erhalten sei, 
Muskelatrophie bestand nicht., dagegen ein Sensibilitätsmangel für alle 
drei Empiindungsqualitäten, ferner starke Druckschmerzhaftigkeit im 
Gebiete des Ulnaris sowie auch spontane nächtliche Schmerzen. Retlexe 
normal. Nach 8 Tagen entwickelte sieh auch rechts die gleiche Sensi¬ 
bilitätsstörung, überdies auch Hyperästhesie im Bereiche des Oberarms, 
wo auch verlangsamte Leitung der Empfindungsqualitäten sich naebweisen 
liess. Die elektrische Untersuchung ergab völligeUnerregbarkeit für denfaradi- 
seben Strom im Adductor policis und den tiefen Muskeln der Hand, 
für deu galvanischen Strom Entartungsreaetion. Ebenso bestand im Ge¬ 
biet des rechten Peroneus totale Anaesthesde, der Nerv ist druck¬ 
empfindlich. Es bandelt sieh also um eine multiple Neuritis, u. zw. die 
sensible Form derselben. Bezüglich der Aetiologie lässt sieb Tuberculose, 
Alkobol, Bleivergiftung, Inl’ectionserkrankung anderer Art ausscbliessen, 
es handelt sieb also w'ohl um eine Neuritis luetischen Ursprungs. Auffallend 
ist das Zusammenfallen mit dem Luesreeidiv. Singuläre Neuritis ist in 


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Frühstadien der Lues nicht selten, multiple dagegen wurden selten be¬ 
obachtet. Am ähnlichsten ist dem demonstrirten Falle ein von Ehr¬ 
mann publicirter. Für den luetischen Ursprung sprechen auch die 
nächtlichen Schmerzen und die Besserung auf mercurielle Behandlung. 

Ehr mann hat eine Reihe von derartigen Neuritiden in der 
medicinischen Wochenschrift publicirt. In einem Falle schloss sich daran 
progressive Paralyse mit tabischen Symptomen. In anderen Fällen wurde 
Pachymeningitis luetica im Ansschlus beobachtet. Auch C har cot machte 
auf diese Formen von ascendirender Neuritis aufmerksam. 

Ehr mann demonstrirt einen Fall von Lichen scrophuloso- 
rum. An einem Hautstreifen am Rücken vom 5. Halswirbel abwärts 
finden sich Knötchen in eigenthümlicher Anordnung in Gruppen und 
Scheiben. 

Wappner demonstrirt aus der Abtheilung Grünfeld ein 
gummöses Geschwür der Zunge. An der Zungenspitze findet sich 
ein dreieckiger Substanzverlust mit scharfen Rändern, etwas belegter 
Basis, die Umgebung des Geschwürs ist bläulich verfärbt exeoriirt. Es 
ist zu entscheiden, ob es sich um ein Gumma oder Carcinom handelt. 
Da die Aflfection erst seit 4 Wochen besteht, 1891 der Pat. mit einem 
Primäraffect, 1893 mit palmarem Syphilid behandelt wurde, seine Frau 
von ihm inficirt wurde, handelt es sich gewiss um ein Gumma. Pat. hat 
keine Allgemeinbehandlung durchgemacht. 

2. ein Erythema multiforme. Vor 5 Tagen erkrankte Pat. 
unter Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit. Es traten zuerst am Unterschenkel, 
jetzt auch an den Oberschenkeln zahlreiche im Centrum etwas cyanotische, 
in der Peripherie heller rotbe kleine Knötchen auf. 

Kaposi demonstrirt einen Fall von idiopathischer Atrophie 
der Haut. Dieselbe tritt in der Regel bei erwachsenen Individuen in 
vorgerückterem Alter an einer oder beiden unteren Extremitäten auf, 
selten auch an den oberen Extremitäten und am Gesicht. Es kommt zu 
allmäliger Atrophie der Haut unter Aultreten von Teleangiectasicn. Zu¬ 
letzt erscheint die Haut eigenthümlich gerunzelt wie zerknittertes Ciga¬ 
rettenpapier. 

Der vorgestellte Fall zeichnet sich gegenüber der sonst chronischen 
Entwicklung durch den rascheren Verlauf aus. Die Erkrankung begann im 
Juni vorigen Jahres damit, dass die Haut der Flachhand sich röthete, 
anschwoll, schuppte. Ende November breitete sich der Process rapid 
über die ganze Haut aus. Der Pat. war vor einem Monate am ganzen 
Körper krebsroth, Hand- und Fussrücken waren polsterartig angeschwollen. 
Dabei die Haut gefeldert mit grossen unregelmässigen Linien. An den 
Rändern der Felder hob sich die Epidermis ab wie bei Ichthyosis serpen- 
tina. Mitten drin fanden sich Stellen an denen die Haut verdünnt schien. 
Dabei starke Anschwellung der Submaxillardrüsen, Achsel- und Pectoral- 
drüsen, Jucken, Schlaflosigkeit, Abmagerung, Gewichtsverlust. 17 Kg. 
Jetzt sind die Hände und Füsse abgeschwollen, ebenso die Submaxillar¬ 
drüsen. Seit 8 Tagen besteht an der rechten inneren Vorderarmtliiche 


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Verhandlungen 


eine über guldengrosse, atrophische weisse Stelle, die an Lepra er¬ 
innert. Doch ist die Sensibilität normal. Nach ihrer acuten Ent¬ 
wicklungsweise wären diese und ähnliche Fälle als Dermatitis atro- 
phisans am besten zu benennen. 

Neu mann bemerkt, dass die wenigen bisher bekannten Fälle 
nicht in allen Punkten übereinstirnmen. Was jedoch allen gemeinsam 
ist, das ist die Felderung der Haut, die zerknittertem Cigarettenpapier 
ähnliche Haut, die Schüppchen, die im Centrum haften, peripher abge- 
Jöst sind, die weissen atrophischen, die dunkelrothen jüngeren Stellen. 
Auf die histologischen Verhältnisse soll demnächst zurückgekommen 
werden. 

Lang hat einen ähnlichen Process circumscript im Gesicht be- 
obachtet. Es bestand monatelang eine ciroumscripte Rüthung im Gesiebt, 
alliuälig wurde die Stelle atrophisch. 

Neumann entgegnet, dass dies der erste Fall wäre, in dem die 
Erkrankung im Gesicht begonnen. 

Neumann demonstnrt 

1. einen 36jälirigen Patienten mit aphthösen Geschwüren am 
Scrotum und Penis. Bei der Aufnahme am lö. März 1897 bestanden 
dichtgedrängte stecknadelkopf- bis linsengrosse Substanzverluste, meist 
einzeln, theilweise auch contiuirend, mit weisslichgelbem festhaftendem 
Belage. Der Rand nirgends unterminirt, doch lebhaft geröthet. Eine 
ähnliche Efilorescenz bestand an der linken Tonsille. An dieser bat die 
Zahl der Eftlorescenzeu zugenommen, dagegen sind diejenigen am Geni¬ 
tale bei indifferentem Verbände (1% Carbollösung) innerhalb 4—5 Tagen 
vollständig überbautet. Im Penoscrotalwinkel rechts lassen sich noch 
schiefergraue eireumscripte Ueberhäutungsstellen nachweisen. Leisten¬ 
drüsen von normaler Grösse. Im Geschwürseiter Staphylococcen, auch 
gezüchtet. 

2. einen 49jährigen Patienten mit ausgedehntem Lupus vulgaris 
der Gesichtshaut. Die Nase der ganzen Ausdehnung nach, ferner 
beide Wangen, ein Theil der Augenlider, die linke Ohrmuschel sind 
afficirt. Nur an der Peripherie umschriebene Knötchenbildung. Der 
Patient wurde schon vor 40 Jahren an F. Hebra’s Klinik an der 
gleichen Affeetion behandelt. 

3. einen 2öjährigen Patienten mit Lupus vulgaris der Nase, 
Oberlippe und der Mundschleimhaut. Die NasenHiigel verdickt, dadurch 
die Nase breiter, an der Nasenspitze und den Nasenflügeln einzelstehende 
und conÜuirte Lupusknötchen, am Rande des rechten Nasenflügels eine 
ulcerirte, druBig unebene, von einer Borke bedeckte Fläche, die sich ins 
Naseninuere erstreckt, das rechte Nasenloch verlegt, das linke verengt. 
An der Mundschleimhaut analoge Veränderungen. Krankheitsdauer 7 Jahre. 

4. einen 40jährigen Patienten mit ausgebreitetem papulo- 
pustulösem Syphilid namentlich des Gesichtes und der Kopfhaut. 
Daselbst dichtgedrängte, kupierrothe Knoten, an den Unterschenkeln 
sind die Efllorescenzen theilweise geschwürig zerfallen. Am Vorhaut- 


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rande noch eine frische über kreuzergrosse Narbe nach dem Primär- 
affect. Krankheitsdauer 4 Monate. 

5. einen 26jährigen Kaufmann mit gruppirtem pustulösen 
Syphilid. An den oberen und unteren Extremitäten, am Rücken, 
namentlich in der Lumbalgegend und ad nates vielfache, etwa kreuzer¬ 
grosse Gruppen confluirender stecknadelkopfgrosser livider und braun- 
rother mit Pusteln und Pustelresten versehener Efflorescenzen, ähnliche 
auch am Scrotum und an der Penishaut. Am linken Unterschenkel zu 
flachhandgrossen diflusen Plaques confluirt. Am Halse beiderseits derbe 
Lymphdrüsenpakete. Krankheitsdauer l 1 /* Jahre. Bisher über 170 Ein¬ 
reibungen. Ausgedehnte Alopecia areata der Kopfhaut. 

6. einen 20 jährigen Kutscher mit diphtheroid belegten breiten 
Condylomen an der Afterkerbe und am Perineum (bei der Aufnahme 
auch am Scrotum und Penis), Papeln im Munde, orbiculäres, schuppendes 
Syphilid an der Stirne und behaarten Kopfhaut. Trotz ausreichender 
Behandlung (8 Injectionea von Oleum cinereum auf der Abtheilung 
Lang) ist in kurzer Zeit ein weit verbreitetes Recidiv aufgetreten. 

7. Drei Fälle von Psoriasis vulgaris. Der erste Patient, 
25jährig, stand im Juli und August vorigen Jahres auf der Klinik N.'s 
in Behandlung (22 Injectionen Sol. Fowleri und Theerbehandlung). Nach 
der Entlassung bald Recidiv, jetzt ziemlich allgemein, an den Streck¬ 
flächen der Extremitäten infiltrirte, stark schuppende Plaques. An der 
Innenseite der Oberschenkel, Leisten, mons Veneris, Genitale eine einzige 
dunkelrothe schuppende Fläche, auch die obere Brusthälfte in der gleichen 
Weise diffus befallen. 

Der zweite Patient zeigt die Aftection namentlich im Gesichte. 

Der dritte, ein 24jähriger Fleischhauer, leidet seit 2 Jahren au 
Psoriasis, ebenso sein Vater, Bruder, Schwester. Bei ihm bestand aus¬ 
gedehnte Psoriasis nummularis an Stamm und Extremitäten nebst 
grossen Plaques am Ellenbogen. Nach 3maliger Application einer 10% 
Pyrogallussalbe schwanden die Efflorescenzen mit Hinterlassung brauner 
Pigmentirungen, allerdings trat eine universelle Dermatitis und leichte 
Albuminurie auf. 

Im Anschlüsse an die jüngst erschienene Arbeit von Kuznitzky 
verweist Neumann auf die demonstrirten Patienten, welche robuste, 
gesunde, durchaus nicht nervöse Individuen sind. Es ist nicht aus¬ 
geschlossen, dass ein Psoriatiker an den verschiedensten inneren Leiden 
erkranken könne. Arthropathien kann N. nicht als charakteristisch an- 
sehen. An Schleimhäuten kommt Psorissis nicht vor, höchstens am 
Lippenroth. Histologisch ist sicher die Hyperämie das primäre, wie 
der Arbeit des Vortragenden zu entnehmen ist. Dass es sich um einen 
angioerethischen Vorgang handle, ist vorläufig unerwiesen. Auch für 
Rückenmarkserkrankung ist bisher kein Beweis geliefert, und müssen 
andere Gründe angeführt werden, wenn über das Wesen der Psoriasis 
Klarheit gebracht werden soll. 

Rille demonstrirt: 


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Verhandlungen 


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1. eine 22jährigc Prostituirte mit seit 7 Jahren bestehender, fast con- 
tinuirlich recidivirender maligner Syphilis, 1890 Primäraffect an der 
Vaginalportion, damals 10 Injectionen 01. cinereum auf der Abtheilung 
Lang und von September 1891 bis April 1892 im Wiedener Kranken¬ 
hause 49 Einreibungen, 45 Sublimatbäder, 200 Gr. Jodkalium und De¬ 
coctum Zittmanni. Bald darauf auf der Klinik Neu mann 12 Sozojo- 
dolquecksilberinjectionen, 4 Sublimatbäder. Damals bestanden multiple 
ulcerirte Gummen an Stamm und Extremitäten, ferner ein nahezu flach¬ 
handgrosses, bis auf die Musculatur greifendes Geschwür an der linken 
Wade, das nach mehrmonatlicher Dauer durch Totalexstirpation und 
Transplantation nach Thiersch seitens Prof. Lang’s geheilt wurde. 
Gegenwärtig bestehen am Fussrücken und den Unterschenkeln zerfallene 
Gummata, Syphilis der Nase mit Verlust des Septum, zahlreiche charak¬ 
teristische Gummanarben an Stamm und Extremitäten. 

Lang hebt hervor, wie gut die Transplantation auf dem Muskel 
gehalten habe. 

2. eine 28jährige Patientin mit seit 4 Jahren bestehender 
Syphilis. Am Rücken zwei über thalergrosse Gruppen confluirender 
kupferrother Tubercula cutanea, theilweise zerfallend oder mit Narben¬ 
bildung schwindend. Ferner an vielen Stellen scheibenförmige, gruppirte, 
hellweisse oder blassbraun pigmentirte Narben nach ulceröaer Syphilis. 
Es bestehen heftige Kopfschmerzen, periostale Auftreibungen au der 
Stirne, Olecranon, der r. Clavicula. Die erste Erkrankung 1893, Exan¬ 
them, 12 Einreibungen, im selben Jahre Abortus im sechsten Monate. 
Schon im Jahre darauf ulceröses Syphilid mit mehrfachen Recidiven, 
auch Gummen ira Pharynx und schmerzhafte periostale und ostitische 
Erscheinungen. Die bisherige Behandlung bestand in 30 Einreibungen, 
dazwischen Jodkalium, Decoctum Sassaparilles, Jodqueeksilberhaemol. 

Kaposi demonstrirt einen Fall von Eczema papulös um be¬ 
dingt durch Schwefelsalbe, die gegen Scabies gebraucht wurde. Es be¬ 
steht ein sehr dicht gesäetes Exanthem von der Mammillarlinie bis auf 
den Obersehenkel übergreifend, an den Beugen der Arme, am Bücken, 
das aus hirsekorngrossen und grösseren lebhaft rotlien, unter dem Finger¬ 
druck abblassenden Knötchen besteht. Hie und da linden sich Quaddeln, 
am Ellenbogen rechts und an anderen Stellen Krusten. Viele der Knöt¬ 
chen sind in Kreisen angeordnet. Anderswo würde dafür die Bezeichnung 
Lichen tiguratus gewählt werden. Die kreisförmige Anordnung ist jedoch 
einfach darauf zurückzuführen, dass bei Leuten, die zu Folliculitiden 
neigen, die Follikel am stärksten durch chemisch wirkende Salben ge¬ 
reizt werden. Da die Follikel nun in Kreisen angeordnet sind, so ent¬ 
stehen daraus die Kreisformen der Exantheme. Wir wurden also ein¬ 
fach sagen Eczema folliculare, vielleicht noch tiguratum. 

Neumann bemerkt, dass, was wir Lichen nennen, anatomisch 
und klinisch ganz etwas anderes wie die in Bede stehenden Knötchen¬ 
eruptionen sind. Bei Kindern und anämischen Individuen gibt es papu¬ 
löse Ekzeme, wo die einzelnen Knötchen nicht Uebergan^sformen zum 


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Bläschen darstellen, sondern längere Zeit bestehen und gruppirt sind. 
Sie sind auch meist mit Borken bedeckt, zeitweise nassend und ver¬ 
ursachen Jucken. 

Kaposi demonstrirt ferner einen Fall von Sycosis parasitaria 
des Handrückens. Es entwickelte sich bei einem Kutscher eine Ge¬ 
schwulst an dem linken Handrücken über 2 Thaler gross, von einem 
Epidermissaum umgeben, dicht besetzt von stecknadelkopfgrossen und 
grösseren zapfenförmig vorragenden Knötchen, die an der Spitze geöffnet 
sind, eine eiterähnliche Flüssigkeit secerniren. Nur an wenigen Stellen 
ist die Haut glatt nässend, sonst honigwabenartig durchlöchert von dicht¬ 
gedrängten Pusteln. 

Kaposi hat mehrere ähnliche Fälle bei Fiakerkutschern und 
Wagenwaschern gesehen. Es handelte sich stets um eine Dermatitis 
mit acuter papillärer Wucherung an der Hand, die sehr hartnäckig der 
Behandlung durch Aetzmittel Widerstand leistet, erst gut wird, wenn 
alles auf einmal mit dem scharfen Löffel abgeschabt wird. Es ist histo¬ 
logisch wie eine Vorstufe von Carcinom. 

Bei dem demonstrirten Patienten handelt es sich um einen Herpes 
tonsurans mit acuter Folliculitis, also Sycosis parasitaria. In dem eiter- 
ähnlichen Secret konnten Pilze anfangs nicht gefunden, Hessen sich auch 
nicht cultiviren, erst bei sehr genauer Untersuchung fanden sich Pilze 
im Ausstrichpräparat und in Cultur. (Demonstrat der Präparate und 
Culturen.) 

Mracek hat einen ähnlichen Fall in jenem Stadium gesehen, in 
dem die Stichelung zu sehen war, als eben die Bläschen geplatzt waren. 
M. hatte ebenfalls eine Pilzerkrankung diagnosticirt. 

Ullmann hat in seiner Publication über Trichomykosen einen 
ähnlichen Befund bei einem Kutscher erwähnt, die Pilze Hessen sich 
mühelos im Eiter züchten- Die histologische Untersuchung musste 
unterbleiben, da der Patient nicht wiederkam. Die Affection kommt 
auch au der Vola manus vor. Daselbst ist sie einem Ekzem ähnlich, be¬ 
steht monatelang, ohne zu Eiterung zu führen. Das beweist die Rich¬ 
tigkeit der Ansicht, dass die für die Configuration der Trichophytie mehr 
der Ort, an dem sie sich localisirt, in Betracht kommt als die Virulenz 
der Pilze. Im festeren Gefüge der Haut an der Vola entwickelt sich die 
Affection anders wie an anderen Stellen. 

Die Schwierigkeit der Cultivirung der Pilze ist darauf zurückzu¬ 
führen, dass die Pilze in den tiefen Schichten der Haut ihre Virulenz 
verlieren. Man sieht mitunter auch, wie ein Faden gegen die Tiefe zu 
seine Form ändert, seine Färbbarkeit verliert. 

Lang hat eine solche parasitäre Sycosis einmal bei einem haarigen 
Menschen an der Vorderfläche des Unterschenkels gefunden. Dass trotz 
eifrigen Suchens keine Pilze gefunden werden, kann jedem einmal 
passiren. L. hat die Anschauung gewonnen, dass besonders bei den 
acuten Formen, die mit Eiterung einhergehen, die Pilze rascher zu 
Grunde gehen. 

Archiv f Dermatol, u. .SyjUiil, Band XXXIX. 27 


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Verhandlung«;!! 


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Rille erwähnt einen analogen Fall aus der Klinik Neu mann. Der 
Patient, kein Kutscher, zeigte am linken Handrücken ein thalergrossea 
derartiges Infiltrat mit Pusteleruption und siebförmig durchlöcherter 
Oberfläche. Trotz der negativen Pilzuntersuchung blieb R. bei der Dia¬ 
gnose Herpes tonsurans. Damit identisch ist wohl auch das von Leloir 
als „Perifolliculites suppurees et conglomerees en placards a beschriebene 
Kranheitsbild, wie die seiner Publication (Annales 1884) beigegebene 
und den in Rede stehenden Fällen völlig entsprechende Abbildung er¬ 
gibt, obwohl Leloir ausdrücklich hervorhebt, niemals Pilze gefunden 
zu haben. 

Kaposi demonstrirt 

1. einenCanceren c ui rasseder Mamma bei einem Manne. 

2. einen Fall von Bromakne bei einem Mädchen, das in Folge Ge¬ 
nusses von Bromkalium erkrankte. An der Hinterseite des Ober¬ 
schenkels pfennig- bis tiachhandgrosse scharf begrenzte drüsige Ge¬ 
schwülste. theils Krusten theils Pusteln tragend. Ringsum stecknadel¬ 
kopfgrosse Pusteln mit entzündlichem Hals. Es ist fraglich, ob auch 
die frischen Knötchen eine Bromacne darstellen, sie können auch von 
einem äusserlich applicirten Medicainent berrühren. Die eigentlichen Ef¬ 
florescenzen der Acne sind die Plaques. 

3. den in der vorigen Sitzung demonstrirt en pigmentirten 
Naevus im Gesichte. Eine Naphtolsehwefelpaste hatte keine Wirkung. 
Es wurde durch Application von l°/ 0 Sublimat die Epidermis entfernt, 
es wird sich zeigen, ob das Pigment wiederkehrt oder nicht. 

4. Lupus an der rechten Ohrmuschel, der freie Rand derb teigig, 
im Uebrigen sich sulzig anfühlend. 

Mracek demonstrirt einen Fall von Erythema bullös um 
toxi cum anschliessend an einen in der Gesellschaft 1893 demonstrirten 
Fall von toxischem Erythem. Der Patient erkrankte am 15. März. Es 
traten kleine wasserkeile Blasen auf zuerst- an den Aohselfalten, den Car¬ 
palgelenken, der Beugeseite der Vorderarme. Dabei heftiges Jucken, 
Hitze- und Kältegefühl. Die Flecken und Blasen wurden grösser, neue 
kamen allenthalben hinzu. 

Bei der Aufnahme zeigte Patient im Gesicht, namentlich am Kinn, 
am Halse, Thorax, Bauch, Rücken, oberen und unteren Extremitäten 
stecknadelkopf- bis kronengrosse blassrothe, etwas erhabene kreisfömige 
Efflorescenzen, unter dem Fingerdruck abbla9send, gelbliche Tingirung 
hinterlassend. Ara Thorax, der Aussenseite der Oberarme sind sie zu 
unregelmässigen Herden confluirt. In der Mitte vieler Efflorescenzen 
eine Borke von eingetrocknetein Blut. Ferner finden sich zahllose, auf 
rothem Grunde sich erhebende Blasen von Grieskorn- bis Bohnengrösse 
mit klarem Inhalt, die grossen prall gespannt, manche geplatzt, die Basis 
mit eingetrocknetem Secret bedeckt. In der linken Schlüsselbeingegend 
dicke, hämorrhagische Krusten. Am Rücken überwiegen die zuerst be¬ 
schriebenen Formen, Bläschen sind scheuer, drei Blasen haben hämor¬ 
rhagischen Inhalt. Ganz frei sind Vula inanus, beide Unterschenkel, 


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der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 


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planta pedis. Mund-und Rachenschleimhaut. Gelenke, Muskeln frei, im 
Harn Spuren von Albuinen und Nucleoalbumin. Die bakteriologische 
Untersuchung des Blutes und Blaseninhaltes gibt negatives Resultat. 
Je 1 Ccm Blaseninhalt weissen Mäusen injicirt, bleibt wirkungslos. Am 
22. d. M. trat Fieber auf, viele Blasen zeigten eitrigen, andere hämor¬ 
rhagischen Inhalt. Nach den geplatzten Blasen bleiben zahlreiche ober¬ 
flächliche Substanzverluste zurück. Therapie: Bad Borsalbe. 

Sonntag Mittag, am Tage vor der Erkrankung, ass Patient Scliweins- 
braten, am Abend Würstel, befand sich aber darnach ganz wohl. Der 
Appetit war während der ganzen Zeit gut, Stuhl regelmässig. 


Verhandlungen der Berliner dermatologischen 

Gesellschaft. 

Sitzung vom 2. März 1897. 

Vorsitzender: Lassar. Schriftführer: Joseph. 

I. Bruck stellt einen Patienten vor, der vor ungefähr 4 Monaten 
mit heftigem, über den ganzen Körper verbreitetem Jucken erkrankte. 
Naphtholsalbe und Perubalsam waren damals ohne Wirkung. B. hat den 
Patienten erst vor 14 Tagen zum ersten Male gesehen. Abgesehen von 
kleinsten, Stecknadelkopf grossen hellrothen Knötchen waren keine Primär- 
efflorescenzen sichtbar; nur befanden sieb tiefdunkle Pigmentflecke am 
Stamm und Extremitäten zerstreut. Ausserdem war ein beträchtlicher 
Ausfall der Kopf- und Barthaare, sowie eine ziemlich universelle An¬ 
schwellung der Drüsen zu constatiren. Zum Beginn seiner Erkrankung 
hatte Patient eine Gonorrhoe und eine Phimose, die gespalten wurde. 
Ein Primäraftect war damals nicht beobachtet worden. Was die Dia¬ 
gnose betrifft, so muss man zuerst an Lues denken, indessen das hoch¬ 
gradige Jucken spricht dafür, dass es sich um etwas anderes handelt. 

Joseph schlägt vor, zur Feststellung der Diagnose eine Inunc- 
tionscur einzuleiten. 

Rosenthal spricht sich dahin aus, dass Syphilis vorliegt. Das 
Jucken würde nicht gegen das Vorhandensein derselben sprechen; 
es wäre aber möglich, dass demselben eine besondere Ursache zu 
Grunde liegt. 

Bruck erwähnt, dass er dem Patienten vor 14 Tagen Arsen mit 
gutem Erfolg gegen das Jucken gegeben hat. Ferner bestand eine starke 
Schuppenbildung auf dem Kopf, welche sich auf Schwefelsalbe bedeutend 
gebessert bat. 

27 :;: 


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Verhandlungen 


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Saalfeld ist der Ansicht, dass es sich um Lues und Lichen 
ruber planus handelt. 

Bruck erwidert, dass nirgends charakteristische Knötchen von 
Lichen ruber planus zu sehen waren. 

II. Gerson stellt eine 42jährige Patientin vor, welche seit, ihrer 
Pubertätszeit an schmerzhafter Menstrua tion leidet. Zu gleicher 
Zeit zeigte sich ein Hautleiden, weiches sich dadurch charakterisiert, 
dass im Frühling und Sommer bei warmem Sonnenlicht eine intensive, 
erysipelatöse Schwellung der unbedeckten Körpertheile, d. h. des Gesichts 
und der Hände, verbunden mit initialen Schüttelfrösten und starkem 
Fieber, auftritt. An den Ohren entwickeln sich innerhalb 3—4 Stunden 
oft kinderfaustgrosse serumhaltige Blasen, ebenso kleinere auf Lippen und 
Wangen. Im Winter ist das Exanthem nie vorhanden; nur während der 
Menstruation zeigen sich an der Stirn einige kleine Krusten. Ein Aus¬ 
bruch ist nur durch vereinte Einwirkung des Lichtes und der sommer¬ 
lichen Wärme zu beobachten. Zur Aotiologie möchte G. anführen, 
dass nach seiner Ueberzeuguug die chronische Genitalaffection eine Dis¬ 
position der unbedeckten Theile zu erysipelatösen Schwellungen hervor¬ 
ruft, zu deren Ausbruch der Heiz des Sonnenlichts nothwendig ist. The¬ 
rapeutisch ist bisher noch kein Erfolg erzielt worden. 

Joseph fragt, ob zur Zeit der Eruption eine paroxysmale Hämo¬ 
globinurie besteht. 

Gerson erwidert, dass der Urin nicht untersucht sei. 

Joseph hat einige Fälle von acutem circumscriptem Hautödem 
veröffentlicht, bei welchen ähnliche Zustände beobachtet worden sind. 
Im Höhestadium der Erkrankung stellte sich stets eine paroxysmale 
Hämoglobinurie ein. J. hält den Fall aus dem Grunde für interessant, 
w r eil hier ein Connex der Hautalfection mit der Erkrankung der Ge¬ 
nitalsphäre besteht. Therapeutisch hat. Chinin, in kleinen Dosen lange 
Zeit hindurch verabreicht, in seinen Fällen guten Erfolg gehabt. 

Rosenthal kann in diesem Falle einen Zusammenhang zwischen 
der AfTection der Genitalorgane und der Hauteruption nicht erkennen. 
Nach seiner Ueberzeugung handelt es sieh um das klar beschriebene Bild 
der Bazin’schen Hydroa, welches auch als Hutchinson’s suinmer eruption 
(Erythema aestivale) bekannt ist. 

Gerson führt an, dass der Zusammenhang selbstverständlich 
nicht ganz klar ist. Nur ist die Erkrankung mit der Pubertätszeit auf¬ 
getreten; damals wurde eine Erweiterung des Cervix wegen Dysmenor¬ 
rhoe vorgenommen, allerdings ohne Erfolg. 

Lassar berichtet über einen Herrn, welcher durch Kälteein¬ 
wirkung ähnliche Erscheinungen auf der Haut (d. h. mächtige Erytheme 
mit Exsudaten an Gesicht und Händen) zeigte. Die Therapie warmacht¬ 
los. Besnier gab dem Patienten den Rath, in mildem Klima zu leben. 

Oe st re ich er glaubt, dass trotz des häutig constatirten Zu¬ 
sammenhangs von Erkrankungen der Genitalien mit Hauterscheinungen 


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Jer Berliner dermatologischen Gesellschaft. 


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in diesem Falle eine Zusammengehörigkeit nicht besteht. Er würde 
falls Chinin ohne Erfolg ist, empfehlen, Oophorintabletten zu geben. 

III. C. Benda: Demonstration mikroskopischer Prä¬ 
parate. 

In letzter Zeit hat Posner an verschiedenen Stellen des Körpers 
Verhornungen nachgewiesen. Ferner hat Ernst-Heidelberg bei Cancroid- 
bildungen der Lunge wirkliche Horngebilde vorgefunden. Auch in Ge¬ 
hirncholesteatomen ist von Bostroera und von B. selbst Epidermis beob¬ 
achtet worden. Das wesentlichste Moment bei diesem Befunde bestand 
in dem Nachweis von Keratin. Allein es hat sich herausgestellt, dass 
dasselbe an den Stellen, wo man es ohne weiteres nicht erwarten darf, 
sehr schwer nachzuweisen ist. Das Keratin färbt sich nämlich durch 
die verschiedensten Methoden, sowohl nach Gram als auch durch die 
Weigert’sche Fibrinmethode, durch Benda’s Eisen-Hämatoxylinver- 
fahren und auch durch die Weigert'sclie Nervenmarkfärbung, mit 
einem Wort: das Keratin zeigt eine vielseitige Färbefähigkeit, eine Er¬ 
fahrung, welche die Wollfärber bei Behandlung der Wolle, einer reinen 
Keratinsubstanz, längst verwerthet haben. Sowohl Färbemittel, welche 
der sauren als auch der basischen Farbenkategorie angehören, vermögen 
das Keratin zu färben, so dass keines derselben zum directen chemischen 
Nachweis verwerthet werden kann. Diese Schwierigkeit zeigte sich B. be¬ 
sonders bei der Untersuchung eines ihm neulich von Dr. Körte über¬ 
gebenen Tumors. Derselbe stammte von der Haut des Ellenbogens und 
hatte seinen Sitz hauptsächlich im subcutanen Gewebe. Beim Durch¬ 
schneiden des Tumors fiel B. eine eigenthümlich kreidige Beschaffenheit 
auf, die er zuerst als Verkalkung deutete. Durch verschiedene Methoden 
konnte er aber nach weisen, dass weder Fett noch Kalk in demselben 
vorhanden war. Das mikroskopische Bild des Tumors zeigt grosse 
Haufen von Zellen mit epithelialem Charakter, die keine Kernfärbung 
mehr zeigen, während spärliche ähnliche noch Kernfärbung aufweisen. 
Diese Epithelzellen sind in Zapfen angeordnet, welche unregelmässig in die 
Tiefe gehen. Das Zwischengewebe enthält sehr viele Riesenzellen. In 
demselben fand B. ausserordentlich feine und dichte Fasernetze bei Au¬ 
wendung derjenigen Methoden, die Keratin zu färben im Stande sind. 
Diese feine, faserige Beschaffenheit erinnert an die Faserung, die Kro- 
mayer in den Zellen der tiefen Schichten des Rete Malpighii nacbge- 
wiesen hat. Da aber an demselben Präparate normales Rete Malpighii 
vorhanden war, so zeigte es sich, dass die K r om ay er ’sche Faserung 
bei den angewandten Färbemethoden ungefärbt geblieben waren, somit 
die hier vorliegende Faserung mit derselben nichts zu thun hatte. Offen¬ 
bar handelt es sich um eine merkwürdige Form der Keratinisirung. 
B. nimmt au, dass es sich ursprünglich um ein Atherom handelte, welches 
zum Theil in eine bösartige Geschwulst degenerirte, indem von der Wand 
der Cyste aus Zellzapfen herausgewuchert sind, während andrerseits eine 
Abkapselung der freien Atherombestandtheile stattgefunden hat. Die 
Riesenzellen des Stroma sind als Fremdkörperriesenzellen zu deuten. 


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422 


Verhandlungen 


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Heller trägt. den Vortragenden, ob er die Vordammgsraethode 
für den JKeratinisirungsprocess angewendet hat. Ferner möchte er 
darauf hinweisen, dass die starke Färbbarkeit vielleicht auf mangelhafte 
Verhornung zurückzuführen ist. In seiner Untersuchung zusammen mit 
Geh.-Rath Lewin über Clavi syphilitici war es ihm gelungen nachzuweisen, 
dass einzelne Zellen vollkommen verhornt waren, wahrend andere sich 
erst im Uegergangsstadium der Verhornung befanden, in ähnlicherWeise 
wie die Unregelmässigkeiten der Verknöcherung boi den syphilitischen 
Knochenerkrankungen der Neugeborenen. 

Benda hat die Verdauungsraethode nicht angewendet. Im übri¬ 
gen ist er derselben Ansicht wie II., dass es sich um eine unvollkommene 
Verhornung handelt. Diese Faserlbrm hat 13. bisher aber noch nicht 
gesehen. 

IV. Tann hau ser demonstrirt mikroskopische Präparate von dem 
in einer der früheren Sitzungen von 13 lasch ko vorgestellten Falle von 
Urticaria hacmorr hagica, welche bei einem jungen Mädchen von 
Hl Jahren beobachtet worden war. T. hat eine Quaddel im Augenblick 
der Entstehung einer centralen Hämorrhagie excidirt. Der Process sitzt 
hauptsächlich im Corium. Man kann bei demselben Veränderungen 
im Gebiete der Gelasse und solche im Corium seihst unterscheiden. Die 
Gelasse befinden sich in einer dichten Jntiliration-zone; man erkennt in 
derselben reichliche, polynucleäre Zellen mit gut färbbaren Kernen, grosse 
blasige Zellen, von denen ein grosser Theil Mastzellenfärbung annimmt 
und schliesslich rothe Blutkörperchen. Die Veränderungen des Corium^ 
bestehen in einer Auseinanderdrängung der Bindegewebsfasern mul in 
der Anwesenheit von zelligen Elementen. Die polvnucleären Rundzellen 
sind bis in die Subcutis und auch bis in die Epidermis zu verfolgen. 
JJie einkernigen Zellen sind in der Nähe der Infiltrationen am reich¬ 
lichsten; dieselben entstehen aus den fixen Bindegewebszellen, während 
die polyiiucleären aus dem Blute selbst stammen. Die Frage, ob die 
Blutung auf Diapedese oder auf Kliexis der Get’ässe zurückzuführen ist, 
konnte T. nicht entscheiden. 

V. Tannhauser stellt einen Patienten vor, welcher am Rücken 
und an den seitlichen Partien des Rumpfes eine grosse Anzahl weicher, 
leicht prominenter, pigmentloser Gebilde von runder Gestalt und miliarer 
bis Bohnengrösse zeigt. Vor 6 Jahren hat Patient diese Geschwülstchen 
zuerst beobachtet, während er einige Jahre vorher an Syphilis erkrankt , 
war. Mikroskopisch zeigen sich in der obersten Lage der Cutis grosse 
einkernige Zellen, welche zum Theil Mastzellenfärbung annehmen, und 
ausserdem eine Veränderung der Bindegewebsfasern in der papillären 
und subpapillären Schicht des Corium. T. ist der Ansicht, dass es sich 
um mutliple weich o F i b r o m e handelt. 

VI. Th. Mayer stellt aus der Lassar’schen Klinik eine Ö5 Jahre 
alte Iran mit einem kirschgrossen, exulcerirten Tumor an der Nase vor. 
Während man an ein Epitheliom denken muss, zeigt die mikroskopische 
Untersuchung neben mächtigen breiten Epithelzapfen zahlreiche hvper 


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der Berliner dermatologischen Gesellschaft. 


4J3 

trophische Bindegewebs- und Granulationszellen, kurzum das histo¬ 
logische Bild des Gummi, so dass eine Vereinigung einer gum¬ 
mösen Bildung mit einem secundär gewucherten Neoplasma 
vorliegt. Anamnestisch hat die Patientin zwei Aborte durchgemacht, 
denen die Geburt zweier wenig lebenskräftiger Kinder folgte. Später 
sind gesunde Kinder geboren worden. Das Nasendach ist aufgetrieben, 
so dass man das Bestehen eines periostalen Gummis annehmen muss. 

VII. Th. Mayer stellt ferner ein kleines, a / 4 Jahr altes Kind vor 
mit Lichen ruber planus des Oberschenkels. Die Affection entwickelte 
sich vor zwei Monaten im Anschluss an eine Gastroenteritis; die Efflores- 
cenzen zeigen eine gewisse linienförmige Anordnung. Dem Lichen ging 
eine papulöse Eruption voran. 

Oestreicher will ebenfalls in letzter Zeit bei Säuglingen häu¬ 
figer Lichen ruber acuminatus beobachtet haben. 

VIII. Th. Mayer stellt ferner einen Knaben vor, dessen Haar 
hellblond ist, bei welchem aber an der Nackenhaargrenze eine ungefähr 
zwei Querfinger breite Zone von röthlichem Haar besteht. Der Knabe 
soll diesen Zustand schon dreimal durchgemacht haben, zuerst vor zwei 
Jahren im Anschluss an eine Keconvalescenz, wo die eigentümliche 
Haarverfärbung etwa 3 Wochen bestand. Sechs Monate später wieder¬ 
holte sich derselbe Vorgang und jetzt seit ungefähr 2—3 Wochen zum 
dritten Mal. Aehnliche Beobachtungen sind bei psychischen Erkrankungen 
gemacht worden. 

IX. Schreiber zeigt aus der Lassar’schen Sammlung eine grosse 

Anzahl von Moulagen, welche syphilitische Affec-tionen der Zunge be¬ 
treffen. 0. R o s e n th a 1. 


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Venerische Krankheiten. 

(Redigirt von Prof. Neisser und Dr. Schaffer in Breslau.) 


Gonorrhoe und deren Complicationen. 

Lohnstein, H. Zur Behandlung der Urethro-Prostatitis 
chronica. Festschrift für Lewin. 5. Nov. 1895. S. Karger. Berlin. 

Lohnstein ist der Ansicht, dass die bo häufige Erfolglosigkeit 
der Therapie bei Urethro-Prostatitis chronica darin seinen Grund habe, 
dass keine der bisher angewendeten Behandlungsmethoden im Stande sei, 
die in den Drüsenmündungen fest haftenden Schleimpfröpfe, ohne deren 
Beseitigung jede medicamentöse Behandlung erfolglos sein muss, zu ent¬ 
fernen. Er hat daher ein Instrument („Spüldilatator“) construirt, welches 
es ermöglicht, die erkrankte Partie zu dilatiren, die Drüsenpfröpfe zu 
lockern und gleichzeitig den entsprechenden Theil der Harnröhre auszu¬ 
spülen. Zur Spülung verwendet Lohn stein anfangs l / 2 °/ 0 Ichthyollösung, 
um bald zu 0*3—0‘5°/ 0 oi& en Höllensteinlösungen überzugehen; in der 
Regel werden 3 Liter Flüssigkeit in ca. 15 Minuten durchgespült. Mit 
dieser Behandlung will L. von 56 Fällen, die den bisher üblichen Be¬ 
handlungsmethoden (mit Sonden, Massage etc.) getrotzt hatten, 44 geheilt 
haben. Von den übrigen 12 entzogen sich 10 vorzeitig der Behandlung 
und 2 holten sich bei ihren Frauen ltecidive. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Madlener. Ueber Metritis gonorrhoica. Centralblatt für 
Gynäkologie 1S95, p. 1313. 

Madlener spricht über den histologischen und bakteriellen Befund 
eines wegen Adnextumors exstirpirten Uterus. Die Infection war im letzten 
Monat der Gravidität, etwa vor 10 Wochen, erfolgt. Die mikroskopische 
Untersuchung ergab die Anwesenheit von Gonococcen auf der Schleim¬ 
haut sowohl, wie in allen Schichten der Muscularis, theils extra-, theils 
intracellulär, theils zwischen einzelnen Muskelbündeln. 

Im linken Uterushom fand sich ein etwa erbsengrosser Abseess. 
M. bespricht nun die günstigen Verhältnisse, die der blutreiche, puerperale 
Uterus dem Eindringen und der Ernährung der Gonococcen dargeboten 
hätte. Unter anderen Verhältnissen gehe wohl der auf Schleimhäuten so 
widerstandsfähige Gonococcus innerhalb der Uterusmusculatur schnell zu 


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der Syphilis. 


425 


Grunde, Theoretisch sei also, wie nachgewiesen, eine Infection des Perito¬ 
neum vom Endometrium aus ohne Betheiligung der Tuben durch Durch¬ 
wanderung der Gonococcen durch die Uteruswand möglich. 

Paul N eisser (Beuthen 0. S.). 

Malherbe. Deux cas d’arthrito blennorrhagique sup- 
puree. Association fran^aise des medecines et de chirurgiens urologistes; 
premiere 9ession tenue ä Paris d. 23./24. Qctobre 1896. Kef. in La mede- 
cine moderne Nr. 87 1896. 

Mal herbe hat zwei Fälle von eitriger Gelenkentzündung im An¬ 
schluss an Gonorrhoe operirt. Aus dem einen Kiterwuchsen abgeschwächte — 
denn sie tödteten eine Maus erst nach 4 Tagen — Staphyloeoccen. Er 
schliesst daraus: der Gonococcus ist nicht pyogen und die Suppuration 
ist eine Mischinfection. 

Ihm erwiderte Eraud: 

1. er habe niemals den Gonococcus in dem Eiter bei eitriger (Knie) 
Gelenkentzündung gonorrhoischer Natur gefunden ; 

2. nach den Angaben der Deutschen finde sich derselbe nur in den 
ersten Tagen der gonorrhoischen Gelenkentzündung in den Gelenken ; 

3. ist der Beweis (Pleuritis, Peritonitis) erbracht, dass der Gono¬ 
coccus allein Eiter erzeugen kann ; 

4. nur in den ersten Tagen bei Gonorrhoe fände sich der Gono¬ 

coccus allein in der Urethra — später kommen unwesentliche Mikro¬ 
organismen dazu. Theodor Spiegelhauer (Breslau). 

Marx. Lavage sans sonde de Purethre posterieur et 
de la vessie. Revue de therap. med. chir., 15 janvier 1896. (Ref. 
Ann. gen.-ur. 1896, pg. 264. 

Marx bespricht ausführlich die Spülung der Urethra und der Blase 
ohne Katheter nach der Lavaux’sehen Methode mit einem von ihm 
modificirten Apparate. Ebenso bespricht er Indicationen und Contraindica- 
tionen, ohne etwas neues zu bringen. Barlow (München). 

Mary. Du bleu de methvlene dans le traitement de 
Pu r e t h r i t e et de 1 a vaginite blennorrhagiques. Theses de Paris. 
1895/96. Ref. in Gazette hebdomadaire de Medecine et de Chirurgie 1896, 
Nr. 80. 

Mary empfiehlt das Methylenblau in concentrirten Lösungen gegen 
acute und chronische Gonorrhoe. Er hält es für ein gutes Antisepticum, 
rühmt seine nicht irritirende Eigenschaft, seine Fähigkeit, das Wachsthura 
der Mikroorganismen zu hemmen und ihre Virulenz abzuschwächen und 
glaubt als einzigen Fehler dieses Medicaments sein enormes Färbungs¬ 
vermögen aller mit ihm in Berührung kommenden Objecte anseben zu 
müssen. Doye (Breslau). 

Murray. Gonorrhoea of the Rectum. Medical News-Vol. 
LXVIII. Nr. 10. 7. März 1896. 

Murray schildert einen typischen Fall von Rectalgonorrhoe, an 
welchem nur die Aetiologie einigermassen interessant ist. Es handelt sich 
um eine sonst ganz gesunde Patientin, die, seit Jahren an Verstopfung 


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426 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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leidend, gewöhnt war, sich täglich mit dem Irrigator einen Ein¬ 
guss zu machen. Denselben Irrigator benutzte per nefas das gonorrhoisch 
erkrankte Dienstmädchen zu Vaginalausspülungen, und übertrug so durch 
das Ansatzrohr die Gonorrhoe. 

Murray hält die Rectalgonorrhoe für eine überaus seltene Erkran¬ 
kung, da er sie noch nie beobachtet hat und in der Literatur nirgends 
etwas darüber gefunden hat (sic!). Paul 0ppler (Breslau). 

Xeisser, A. Forensische Gonorrhoe-Fragen. Aerztliche 
Sachverstäudigen-Zeitung. Jahrgang 1895. Nr. 12. 

Neisser bespricht und motivirt ausführlich ein von ihm im 
Jahre 1895 abgegebenes Gutachten bei einem Falle, in dem es sich um 
die Möglichkeit einer Körperverletzung durch Tripperinfection (aus dem 
Jahre 1893) handelte. Bei dem betreffenden Mädchen war damals (anno 
1893) eine Gonorrhoe nur aus dem klinischen Befunde diagnosticirt 
worden; jetzt bot das Mädchen weder klinisch noch mikroskopisch Zeichen 
einer Gonococceninfection dar, während bei dem Angeklagten die Reste 
eines Trippers mit ziemlicher Sicherheit constatirt wurden. Bei dem 
Mangel einer mikroskopischen Bestätigung der von dem Hausarzte im 
Jahre 1893 bei dem Mädchen gestellten Tripperdiagnose war es Neisser 
theils sehr erschwert, theils gänzlich unmöglich, die von der Staatsan¬ 
waltschaft an ihn in dieser Sache gestellten Fragen zu beantworten, daher 
ermahnt er wiederum nachdrücklich : die Diagnose „Gonorrhoe“ niemals 
ohne Zuhilfenahme des Mikroskopes zu stellen, namentlich in solchen 
Fällen, in denen in irgend einer Weise ein forensisches Interesse in Be¬ 
tracht kommen kann. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Nogn£s. De l’echec des lavages de formol dans le trai- 
tement des urethrites ä gonocoques. Ann. gen.-ur. 1896, pag. 787. 

Die Versuche, welche Nogues mit Formolspülungen bei Urethri¬ 
tiden gemacht hat, stellen, wie N. selbst auseinandersetzt, einen ent¬ 
schiedenen Misserfolg dar. Barlo w (München). 

Pazizeau. Traiterneut de Parthrite blennorrhagique 
aigue par Partbrotomie precoce. Gazette hebdomad. 4. Oct. 1896. 
Ref. in La medecine moderne Nr. 84. 1896. 

Pazizeau ist Anhänger der Behandlung der acuten gonorrhoischen 
Gelenkentzündung durch frühzeitige Gclonkerüffnung. Die gonorrhoische 
Gelenkentzündung kann in zwei verschiedenen Formen auftreten, einmal 
mit geringem Erguss und starker periarticulärer Entzündung, das andere 
Mal mit viel Erguss und geringem Oedem. Bei beiden hat man durch 
frühzeitige Eröffnung gute Resultate gesehen. 

Theodor S p i e g e 1 h a u e r (Breslau). 

Piehevin. Rheumatisme blennorrhagique. Soc. obstrie. 
et gygnecolog. de Paris. Seance du 11. Juni 1896. Ref. in Gazette 
liebdom. Nr. 51. 1896. 

Piehevin bringt die Krankengeschichte einer Frau, welche mit 
einem entzündlichen Tumor im hinteren Scheidengewölbe zur Aufnahme 
kam. Ein sieh bald darauf einstellender, allem Anscheine nach gonor- 


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der Syphilis. 


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rhoiscker Handgelenkrheumatismus Hess an eine gonorrhoische Natur des 
Tumors denken. Eine Incision in letzteren lieferte eine Menge Eiter, 
welcher Gonococcen enthielt. Glatte Heilung. — Im Anschluss hieran 
berichtet Ren du von einer tripperkranken Wöchnerin, welche in der 
Regio subclavicularis ein Ganglion bekam, aus welchem sich nach der 
Abscedirung gonococcenhaltiger Eiter entleerte. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Piery, M. De l’emploi de Pacide carbonique ä Petat 
naissant dans 1 e traitement de la blennorrhagie chez la 
lern me. Gazette hebdomadaire de medecine et de Chirurgie. Nr. 56. 
12. Juillet 1806. 

Auf eine Anregung seines Lehrers Cordier hin hat Piery die 
Wirkung der Kohlensäure in statu nuscendi auf die Gonorrhoe des Weibes 
untersucht. Er hat sich hierbei eines Pulvergemisches von 7 Theilen 
doppelkohlensauren Natron und 6 Theilen Weinsteinsäure bedient, das 
er in die Scheide einführte; durch das Scheidensecret findet eine Zer- resp. 
Umsetzung dieses Pulvers in weinsteinsaures Natron und freie Kohlen¬ 
säure statt. Mit diesem Verfahren hat Piery zwar keinen Erfolg bei 
Metritis, Salpingitis und gonorrhoischer Urethritis gesehen, jedoch trat 
eine eclatante Besserung resp. Heilung ein bei gonorrhoischer Vaginitis 
mit Vaginismus der jung verheirateten Frauen. Piery schreibt diesen 
günstigen Erfolg einestheils der anästhesirenden Wirkung der frei 
werdenden Kohlensäure, anderntheils der Nährboden verschlechternden 
Wirkung der überschüssigen Weinsteinsäuro zu. Mikroskopische — insbe* 
sonders Gonococcen-Untersuchungen sind nicht angeführt. 

Spiegelhauer (Breslau). 

Powarnin, G. J. Die Gonococcen bei der Gonorrhoe. 
Inaug.-Diss. St. Petersburg 1895. 8°. 111 pp. u. 71 pp. mit Taf. Russ. 

Powarnin führte seine Untersuchungen im bekannten Militär- 
Spital (Ujazdow) zu Warschau in den Jahren 1888—1889 aus. Die bakte¬ 
riologische Untersuchung von 321 Fällen mit acuter und subacuter 
Gonorrhoe ergab die Anwesenheit von Gonococcen in 81*98% der Fälle, 
wählend in 18’G1% die Gonococcen nicht cunstatirt werden konnten. 
W r as Verlauf und Symptome der gonococcenhaltigen sowie gonococcen- 
freien Fälle anbetrifft, äusserst sich Powarnin folgendermassen: Die 
gonococcenfreien Fälle verlaufen ira Allgemeinen leichter und schneller 
als die gonococcenhaltigen, enthalten im Seerete weniger kernige Elemente 
und fast in der Hälfte derselben sind kleine Mikroben zu constatiren. Die 
vorhandenen Mikroorganismen sind in keinem einzigen Falle als Ursache 
der Gonorrhoe zu nennen. Somit müssen wir als einzige Ursache der 
Gonorrhoea die Gonococcen ansehen — eine Thatsache, die ja schon 
längst von Prof. Neisser constatirt wurde. 

A. Grün fehl (Rostow am Don). 

Pryor, W. R. Die Behandlung der gonorrhoischen 
Beckencomplicationen beim Weibe. New-York akademv of medio. 
12. Nov. 1895. Journ. cutan. and gen.-ur. dis. Januar 1896. 


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428 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

Pr vor weist zunächst darauf hin, dass einige Gynäkologen bei 
Gonorrhoe immer den Uterus und die Adnexe entfernen, da sie doch 
später durch die Krankheit vernichtet würden; durch eine solche radicale 
Behandlung würde dann eine schnellere Heilung und geringere Mortalität 
erzeugt. Die Entfernung des Uterus bedingt jedoch stets ein Cessieren 
der Menses und bei jungen Personen häufig cerebrale Störungen. Aus 
diesem Grunde ist man gezwungen, eine weniger radicale operative Be¬ 
handlung einzuleiten. Verf. theilt die Fälle in solche von acuter Salpin¬ 
gitis, von chronischer Salpingitis mit acuten Exacerbationen, von Hvdro- 
salpinx und Pyosalpinx. Von den ersten hat er 17 Fälle operirt, wobei er 
besonders betont, dass es sich um erste und acute Attaquen gehandelt 
habe, obgleich in dreien, in welchen er nachher noch den Uterus zu ent¬ 
fernen gezwungen war, die Attaque schon über 3 Wochen gedauert hatte. 
In allen 17 Fällen bestanden Vergrösserungen einer oder beider Tuben, 
acute Schmerzhaftigkeit, oft Tympanitis und Erbrechen. Die Vergrösse- 
rung der Tuben beschränkte sich auf die Wandung, während das Lumen 
nicht ausgedehnt war. Pryor betont, dass er das Endometrium für eine 
lymphoide Membran und nicht für eine mueöse hält. Da er feststellte, 
dass das Lumen der Tuben nicht vcrgrössert war, so glaubt er fest an 
Heilung, falls das Küretteinent frühzeitig nach der Attaque ausgeführt 
war. Alle 17 Fälle wurden gesund mit Ausnahme der 3 oben erwähnten. 
Im Anschluss an die Operation bestand kein Schmerz und die Frauen 
menstruirten normal. In gewissen Fällen, welche zwar länger bestanden 
hatten, aber acute Symptome darboten, wurden die besten Resultate durch 
Kürettement des Uterus mit nachfolgender Incision des Douglas und 
Ausstopfung mit Gaze erhalten. In 7 Fällen wurde diese Behandlung mit 
Erfolg durchgeführt. Fälle von recidivirender chronischer Salpingitis 
waren sehr häufig. Die Tuben enthielten zwar keinen Eiter, aber die 
Wandungen waren dick und hart und waren der Sitz einer fibrösen 
Schwellung. Obwohl das Kürettement des Uterus auf die Störungen in 
den Tuben wenig Effect hatte, wurde sie als Behandlung des primären 
Sitzes der Affection dennoch ausgeführt. Verf. eröffnete im Laufe eines 
Jahres in allen diesen Fällen den Douglas, löste die Adhäsionen und 
dränirte den untersten Thoil des Douglas mit Gaze aus. Diese Behand¬ 
lung brachte fast immer einen temporären Nutzen. Bei Hydro- und Pyosalpinx 
war es wichtig die Adhäsionen an das Omentum nicht zu zerstören ; der 
Douglas wurde erofthet und die Tuben freigelegt, der Finger eingeführt, 
die Tuben geöffnet und ihre ganze Höhle mit Gaze ausgestopft. Konnte 
eine Reinfection verhütet werden, dann entstand kein Reeidiv. Pryor 
betont zum Schluss noch einmal, dass eine weniger eingreifende Methode 
der Entfernung des Uterus vorzuziehen ist. 

Lederin an n (Berlin). 

Oi'ton. Rectal Gonorrhoea and Gon o r r h o e a 1 Endom e- 
tritis. Medical News. Vol. LXV111. Nr. 15, d. 11. April 18 ! ML 

Orton hat einen Fall von Rectalgouorrhoe bei gleichzeitig be¬ 
stehender Cervicalgonorrhoe beobachtet. Erstere wurde durch Ausspülung 


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der Syphilis. 


4*29 


mit Creolin, letztere durch Currettement und Jodoformgazetamponade 
geheilt. Paul Oppler (Breslau). 

Raymond. Reumatismo blenorragico. Bull. Med. ref. in 
Rivista clinica e terapeutica. Settembre 1896. Nr. 9. 

Raymond stellt eine Patientin vor, bei der sich in den letzten 
8 Tagen unter fieberhaften Erscheinungen eine Affection des linken Armes 
entwickelt hat, welche einen neuralgisch rheumatischen Charakter trägt 
und vom Vortragenden als Analogon zur Ischias hingestellt wird. Da die 
Patientin seit 6 Monaten an einem profusen Vaginalausfluss leidet, steht 
R. nicht an, die Krankheit als Rheumatismus blennorrhagicus zu be¬ 
zeichnen. Therapeutisch empfiehlt er Salophen (4 Gr. pro die), welches er 
für erheblich wirksamer hält, als Salicyl oder Antipyrin. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Raymond Petit et Pichevin Adenite cervicale suppuree ä 
gonocoque. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 419. 

Die Patientin Raymond Petit’s und Pichevin’s hat seit ihrem 
7. Jahr einige Drüsen in der rechten Mandibulargegend am Angulus 
mandibulae, welche jedesmal im Monat März etwas anschwoll, um dann 
wieder fast völlig zu verschwinden. Im Verlauf einer Gonorrhoe schwollen 
diese Drüsen wieder an, vereiterten, und in ihrem Gehalt zeigten sich 
typische Gonococcen ohne irgend welche andere Bakterien. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Robinson, J. M. Systemic infection from gonorrhca, 
with the report of a fatal case. Medical News. August 29, 1896. 

Robinson berichtet einen Fall, der unter acut-fieberhaften, auf 
eine Meningitis oder eine Septicämie deutenden Symptomen (Fieber, 
Delirien, Erbrechen, Pupillenenge, allgemeine Hyperästhesie, Gelenk¬ 
schmerzen und Gelenkschwellung, Purpura am ganzen Körper) in 4 Tagen 
tödtlich verlief. Bei der Seetion fand man Zeichen einer acuten pyämi¬ 
schen Erkrankung mit Lymphdrüsenschwellung, Hämorrhagien in Haut 
und Herz, flüssigem Blut, Fettmetamorphose der Herzmusculatur, eitrigem 
Erguss in die meisten Gelenke der unteren Extremitäten. In der Harn¬ 
röhre Entzündung und Eiter mit Gonococcen (nur mikroskopisch nach¬ 
gewiesen). Die übrigen Organe und Secrete wurden nicht mit dem 
Mikroskop untersucht. P i n k u s (Breslauj. 

Romme. Cura della cistite blennorragica acuta nelP 
uomo. Presse med. aprile 1896. Ref. in II Morgagni. Nr. 32. 1896. 

Romme betont, dass bei der acuten blennorrhagischen Cystitis 
des Mannes vor Allem die interne und diätetische Behandlung Platz 
greifen müsse und dass nur dann die locale Therapie (Blasenausspülungen, 
Guyon etc.) angewendet werden soll, wenn die interne Behandlung ver¬ 
sagt, oder der Process chronisch wird. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Rössler, A. Zur Kenntniss der Achillodvnie. Deutsche 
Zeitschrift für Chirurgie. 42. Bd. 3. Heft, p. 274. 1896. 

Rössler berichtet aus der A 1 berUschen Klinik über 9 Fälle von 
Achillodynie und über Untersuchungen, die er an der Leiche über den 


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480 


Bericht- über die Leistungen auf dem (Jebiete 


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Schleimbeutel zwischen Sehnenansatz und Tuber ealeanei angestellt hat. 
Aus den letzteren ergibt sich, dass in einer grossen Anzahl von Fällen 
eine chronische Reizung des Schleirabeutels durch die dauernde Inan¬ 
spruchnahme desselben zu Stande kommt, die ab und zu mit Schmerzen 
verbunden sein mag und die zu einer „Bursitis deformans“ fuhren kann. 
In anderen Fällen fand er die Ausgänge acuter Entzündung. Die Aetiologie 
der Achillodynie ist eine sehr mannigfaltige; neben dem chronischen 
und dem acuten Trauma kommt in erster Linie zweifellos die Gonorrhoe, 
ferner aber auch die Influenza, Abschürfungen, uratische Diathese, Rheuma, 
Tuberculose in Frage. Therapeutisch sah R. besonders von der methodi¬ 
schen Compression durch feuchte Badeschwämme gute Erfolge; eventuell 
wäre die Verödung durch blutige Eröffnung, Tamponade, Auskratzung 
zu versuchen. Für den Namen Achillodynie schlägt R. den „Achillobursitis“ 
(u. zwar „anterior“ — im Gegensatz zu der Entzündung der inconstanten 
Bursa tendinis Aehillis posterior) vor. Jadassohn. 

Schantz, Eugen. Uebor gonorrhoische Exantheme. Inaug.- 
Diss. Bonn 1895. 

Schantz beobachtete ein Erythema nodosura bei gleichzeitig be¬ 
stehender Gonorrhoe und Schwellung des rechten Kniegelenkes. Er glaubt, 
dass die Gonorrhoe, sei es durch die Gonococcen selbst, sei es durch 
deren Toxine, eine Allgemeininfection des Organismus hervorzurufen 
im Stande ist, und dass in Folge dessen ein Reiz auf das vasomoto¬ 
rische System entstehen kann, wodurch dann die Exantheme bedingt sind. 

Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Schütze. Die hydriatische Behandlung der Gonorrhoe. 
Blätter für klin. Hydrotherapie. 1895, Nr 10. 

Schütze hat mit seinem Hydrophor — einer am unteren Ende 
geschlossenen, canellirten und mit kleinen Fenstern 1 Cm. oberhalb des 
Endes versehenen Röhre — bei acuter und chronischer Gonorrhoe gute 
Erfolge erzielt. Er benutzt Spülungen mit Wasser, meist unter 15° C., 
das als Spülmittel, Desinficiens, Adstringens und Dehnungsmittel für die 
Urethra wirken soll. Bei der chronischen Gonorrhoe bedingt es eine Her¬ 
absetzung der Temperatur auf indirectem Wege auch in der Pars 
membranacea (durch Messungen im After bewiesen). 

Jadassohn (Bern). 

S£e, Marcel. Le Gonocoque. Paris (Felix Alean) 189(5. 

In seiner, zu einem umfangreichen Buche angewachsenen These 
behandelt Marcel See das Thema vom Gonococcus nach allen Richtungen 
hin. Die überaus fleissige Arbeit zerfällt in 2 Theile a) experimentelle, 
b) klinische Studien und einen Anhang, der die Belege für die erwähnten 
Studien in Form von Versuchsprotokollen und Krankengeschichten enthält. 

See hat es als Bedürfnis« empfunden, die unzähligen Literatur¬ 
angaben und das umfangreiche kasuistische Material, die sich überall zer¬ 
streut finden, zu sammeln, kritisch zu sichten und theilweise nachzu¬ 
prüfen. Seine eigenen Untersuchungen erstrecken sich auf Culturversuche. 


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der Syphilis. 


431 


Da das vorliegende Buch demnach fast ausschliesslich ein Sammel¬ 
werk darstellt, verbietet sich ein eingehendes Referat von selbst, jedoch 
sollen See’s Schlussfolgerungen hier Platz finden. 

1. Die Blennorrhagie ist eine specifisehe Infectionskrankheit. Ihre 
Erscheinungen sind mannigfach, wie die der meisten Infectionskrankheiten, 
und die Urethritis ist nur die häutigste Gonorrhoe. Es kommen auch 
nicht blennorrhagische Urethritiden vor, welche sich auch schon klinisch 
von diesen unterscheiden. 

2. Der Erreger der Blennorrhagie ist der Gonococcus Ne iss er, 
ein pathogener durch seine morphologischen und biologischen Eigen¬ 
schaften ebenso wie durch seine Wirkung auf den menschlichen Körper 
wohl charakterisirter Mikroorganismus. Er unterscheidet sich gut von den 
Saprophyten des Urogenitalapparates. Man findet ihn niemals normaler 
Weise in irgend einem Organe. 

3. Zwar sind gewisse blennorrhagische Erscheinungen toxischer 
Natur, und es finden sich andererseits bei der Blennorrhagie häutig Secundär- 
affectionen, sicher jedoch resultiren die meisten blennorrhagischen Er¬ 
scheinungen direct aus der Anwesenheit von Gonococcen in den Erkran¬ 
kungsherden. 

Der Gonococcus kann sicher durch die Blutbahnen verschleppt 
werden, und dann Krankheitsherde entfernt vom Orte der Infection 
etabliren (Arthritis, Endocarditis etc.). 

Werth voll wird die Arbeit See’s durch die reichlichen Literatur¬ 
angaben (bis 1893 in den Anmerkungen der betreffenden Seiten) und eine 
ausführliche Bibliographie von 1893 bis April 1896. 

Paul Oppler (Breslau). 

Sheffield. The Treatment of Vulvo-Yaginitis in C h i 1- 
dren. Americ Medic.-Surg. Bull. 30. V. 1896. 

Sheffield glaubt, dass die Prognose bei Vulvo-Yaginitis der 
Kinder im Allgemeinen gut ist und dass es wesentlich darauf ankomrot, 
Complicationen zu vermeiden. Die Kinder müssen sorgfältig isolirt werden. Zur 
Vermeidung der Infection der Augen benutzt er eine Bandage für die Augen 
und eine, die verhindert, dass das Kind mit den Händen an die Geni¬ 
talien kommen kann. Seit Anwendung dieser Vorsichtsmassregel hat er 
keine Augenblennorrhoe mehr auftreten sehen. (Ref. hat trotz fehlender 
Prophylaxe der Augen noch nie von einer Vulvo-Vaginitis eine Augen¬ 
blennorrhoe entstehen sehen.) Der Verf. meint, dass Urethritis und Peri¬ 
tonitis die Folge der Vulvo-Vaginitis sein können, dass sie aber ver¬ 
mieden werden, wenn man nur mit ganz schwachem Druck und einem 
weichen Katheter, der nur einen Zoll in die Vagina eingeführt wird, 
irrigirt. Zur Vermeidung der Arthritiden gibt er leichte alkalische Diurelica. 
Er empfiehlt heisse Bäder im acuten Stadium; die Spülungen macht er 
in Sims’scher Lage. Die Krankheit dauert 4 Wochen bis 4 Monate; kürzer 
dauernde Fälle sind keine Gonorrhoen oder nicht dauernd geheilt. 

Jadassohn (Bern). 


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432 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Simon. Du gonocoque enmedecine legale. Revue raedicale 
de l’Est, 1 janv. 1896. (Ref. Ann.-gen.-ur. 1896, pig. 357.) 

Simon bespricht die Wichtigkeit des Gonocoecenuachweises für 
die gerichtliche Medicin an der Hand eines Falles, bei dem das mikro¬ 
skopische Examen keine absolute Sicherheit ergab. Nachdem nun einmal 
der Nachweis des Gonococeus, zumal in chronischen Fällen, nicht ganz 
leicht zu erbringen ist, andererseits bei Kindern eine extragenitale Infec- 
tion durchaus nicht ausgeschlossen werden kann, selbst wenn man z. B. 
in der kindlichen Vagina Gonococcen findet, so kommt Simon zu dem 
Schlüsse, dass der Gonoeoccennachweis eine nur sehr massige Unter¬ 
stützung zur Entscheidung der Schuldfrage bietet. 

Barl o w (München). 

de Smet, Ed. La formal ine dans le tra item ent de la 
bl e n n orrh agie chez la femrne. Journal de la Clinique. Ref. in la 
medecine moderne. Nr. 57, 7e annee 15 Juillet 1896. 

Smet hat die Blennorrhoe des Weibes mit 0*2 — 0*5%, sogar mit 
5% Formalinlösungen behandelt und günstige Resultate gesehen. Bei 
5% Anwendung trat allerdings Schwellung, selbst Verschorfung der Schleim¬ 
haut ein, welche nicht nur nicht schädlich, sondern sogar günstig auf 
die acute blennorrhagische Entzündung einwirkte und ausserdem schmerz¬ 
los war. Spiegclhauer (Breslau). 

Sorel. Note sur un cas d’absces de la pro state. Journal 
des mal. cut. et sypli. 1896, p. 210. 

Im Verlaufe einer acuten Gonorrhoe erkrankte der Patient Sorel’s 
an Kpididymitis und Prostataabscess. Grade in dem Moment, als derselbe 
vom Perineum aus incidirt werden sollte, perforirte er in die Urethra. 
Die vorher vorgenommene Punction vom Perineum aus hatte reichliche 
Gonococcen enthaltenden Eiter ergeben. 

Paul N ei ss er (Beuthen 0. S.) 

Stein, 0. J. Die Irrigation smethode bei gonorrho¬ 
ischer U ret hritis. Journal of cutan. and gen -urin. diseases. März 1896. 

Stein hat hei der Irrigationsbehandlung der Gonorrhoe die besten 
Resultate und die wenigsten Complicationen gesehen. Er empfiehlt sie 
besonders deshalb, weil die Urethra viele Drüsenöffnungeii und Krypten 
besitzt, in welchen sich die Gonococcen localisireu und in welchen sie 
mit der gewöhnlichen Art der Injeetionsbehandlung nur schwer ver¬ 
nichtet werden können. Er hält die übliche Art der Irrigation mit einem 
weichen Gummikatheter für fehlerhaft, weil dadurch die Follikel Öffnungen 
nicht erweitert werden, während es sehr wichtig ist, den Drüseninhalt 
zu entfernen. Dies kann aber nur durch eine Dehnung der Urethra ge¬ 
schehen. Zu diesem Zwecke empfiehlt er eine nach Art des Urethroskops 
hergestellte gefensterte, am Ende geschlossene Ilartgummitube, welche 
eingeführt wird, nachdem der Patient urinirt hat. In diese Tube hinein 
führt er einen weichen Katheter, der mit einem Irrigator verbunden ist, 
und spült mit Kaliumpermanganatlösung 1 : öoOD bis 1 : 3000. 

Le derma nn (Berlin). 


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der Syphilis. 


433 


Steinschneider und Schäffer. ZurBiologiederGonoeoccon. 
(Berliu. Klin. Wochensehr. 1895. Nr. 45.) 

Aus den Versuchen der Verf. geht hervor, dass die Reincultur der 
Gonococcen sich nicht so einfach herstellen lässt, wie man das nach den 
neueren Publicationen glauben sollte. Blutserum, namentlich mensch¬ 
liches, ist dabei nicht zu entbehren, während Harnagar sich den Verf. 
nicht bewährt hat. Statt des Plattenverfahrens bedient man sich zweck¬ 
mässiger des Vertheilens der Keime mit einer Platinöse oder mit sterilem 
Pinsel auf in Pe trPsche Schalen gegossenes Serumagar. Temperaturen 
von 40° C. wirken bei Exposition von mindestens 12 Stunden auf die 
Culturen abtödtend, während Zimmertemperatur entwicklungshemmend 
w r irkt. In Wasser oder Urin, dem gonorrhoischer Eiter beigemengt ist, 
können sich die Gonococcen wenigstens 1—2 Stunden entwicklungsfähig 
halten. Die in das subcutane Bindegewebe eingebrachten Gonococcen ver¬ 
ursachen keine Eiterbildung. Karl II e r x h e i m e r. 

Swinbury, Knowles George. Die Anwendung des Argonins 
im acuten Stadium der Gonorrhoe. Ein vorläufiger Bericht 
Joum. of cut. and gen. ur. dis. Aug. 1896. 

Swinbury hat das Argonin auf Empfehlung von Jadassohn 
bei 50 Fällen von acuter und 12 Fällen von chronischer Gonorrhoe mit 
Erfolg angewendet. Die Injectiou wurde täglich einmal vom Verf. selbst 
mit der Tripperspritze ausgeführt, nachdem vorher die Harnröhre mit 
einer Kaliumpermanganatlösung ausgewaschen war. Die Argonitilösung 
selbst verblieb 5—10 Minuten in der« Urethra. Bei der Erkrankung der 
Urethra posterior wurden mittelst weichem Katheter zwei Drachmen der 
Lösung in die Urethra posterior injicirt, dann beim Herausziehen des 
Katheters die Urethra anterior mit der Lösung angefüllt. Der Katheter 
selbst wurde in Argoninlösung sterilisirt. Die Stärke der Lösung schwankte 
je nach der Empfindlichkeit des Kranken zwischen 2 und 10%. In allen 
Fällen wurde eine schnelle Verminderung des Ausflusses constatirt, bei 
den meisten auch eine schnelle Abnahme der Gonococcen. Nur wenige 
Fälle blieben refraetär. Auffallend war das Fehlen jeglicher entzündlicher 
Reaction. Im ganzen hat Verf., welcher am Schluss eine Anzahl von 
Krankengeschichten in extenso wiedergibt, den Eindruck, als ob das 
Medicament absolut unschädlich ist, dass es die Entzündung der Harn¬ 
röhre bei acuter Gonorrhoe schnell beseitigt und daher auch im acutesten 
Stadium anwendbar ist. R. Ledermann (Berlin). 

Thayer und Blumer. Endocardite ulcereuse blennor- 
rhagique. Archives de Medecine experimentale d’anatoraie et patho- 
logique 1895. 

Nachdem die Verfasser eingehend die einschlägige Literatur (cf. 
Original) besprochen und besonders hervorgehoben, dass die von Martin, 
Gluzinski, Councilmann, Winterberg, Leyden berichteten Fälle 
nicht beweiskräftig seien, da entweder keine Culturen angelegt oder die 
angelegten nicht gewachsen, kommen sie auf ihren Fall, bei dem es ihnen 
geglückt, aus dem Blut einer Armvene Gonoeoccenreinculturen zu erhal- 

Arcbiv f. Dorraatol. u. Syphil. Band XXX 1\. 28 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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ten. Der Fall ist kurz folgender: Kirie 34jährige Witwe kam mit Herz¬ 
erscheinungen, nachdem sie kurz vorher an Rheumatismus (gonorrhoisch?) 
gelitten, zur Aufnahme und verstarb nach ca. 3 Wochen im Hospital. 
Da anfangs wahrscheinlich an Sumpffieber gedacht worden war, wurden 
nach der S i t z rn a nn’schen Methode Blut-( */ 3 ) Agar-Agar - Culturen mehr¬ 
mals angelegt. Bei zwei Versuchen waren nach 48 Stunden kleine weisse 
Colonien von Stecknadelspitzengrösse gewachsen, welche sich unter dem 
Mikroskop als aus kleinen, ovalen, nebeneinander liegenden Diplococcen 
von Biscuitform bestehend herausstellten. Der Versuch, diese Mikro¬ 
organismen auf Agar-Agar, Gelatine, Kartoffel, Bouillon und Milch weiter 
zu züchten, schlug stets fehl. Erst als bei der Autopsie in den Auflage¬ 
rungen der Mitralklappe sowohl frei, als auch intracellulär, einzeln bis 
zu Haufen und im Vaginal- und Uterusschleime sehr ähnliche Diplococcen 
gefunden wurden, welche sich nach Gram entfärbten, scheint der Ver¬ 
dacht auf gonorrhoische Endocarditis aulgetaucht zu sein, denn nun 
wurden sowohl die Blutculturen auf Gram’sche Entfärbbarkeit geprüft 
als auch von ihnen auf Rindsblutserum, Urin-Agar u. s. w. Weiterimpfungen 
vorgenommen. Während jedoch auch bei den Mikroorganismen dieser 
Blutculturen die Gram’sche Entfärbbarkeit vorhanden war, gingen 
auch diesmal die Weiterimpfungen nicht an. Auch Culturversuche von 
bei der Autopsie gewonnenem Herzblut, von der Herzklappe, Milz, 
Leber u. s. w. blieben negativ — wahrscheinlich in Folge Fehlens der ge¬ 
eignete n, d. h. für den Gonococcus Neisser geeigneten Nährböden. 
Die Verfasser kommen zu folgendem Schluss: 1. aus der charakteri¬ 
stischen Form und Lagerung zu einander, 2. aus der intracellulären Lage 
rung, 3. aus dem negativen Wachsthum auf ungeeigneten Nährböden, 
4. aus dem guten Wachsthum auf Menschcnblut-Agar, 5. aus der 
Entfärbbarkeit nach Gram ist der Beweis erbracht, dass es sich um 
echte N c i s s e r’sche Gonococcen gehandelt hat. Die Eingangspforte in den 
Körper ist zweifellos die gewöhnliche (genitale) gewesen. 

Spiegel hau er (Breslau). 

Tuffier. C anule de verre pour lavage de Pure th re. 
Societe de Chirurgie, 31. juillet 1890. (Ref. Ann. gen.-ur. 1896, p. 459.) 

Tuffier gibt eine neue Glascaniile zu Spülungen der Blase ohne 
Catheter an. Zeichnung ist beigegeben. Besondere Vortheile dürfte das 
neue Instrument nicht haben. Bar low (München). 

Tyrrell. Report of a Gase of Gonorrhoeal Arthritis in 
a New-Born Infant. Medical News Vol. LXVI1I Nr. 10. d. 7. März 1896. 

Tyrrell beobachtete bei dem Kinde einer gonorrhoisch Erkrankten 
4 Tage nach der Geburt das Auftreten einer Ophthalmoblennorrhoe und 
weitere 4 Tage später eine Schwellung, Rötlnmg und ödematöse Durch¬ 
tränkung beider Handrücken und Vorderarme. Die Affection, die T. mit 
der Ophthalmoblennorrhoe in Verbindung bringt, ging innerhalb 5 Tagen 
auf eine Ichthyol-Belladonnasalbe und Bandagirung zurück. 

Paul 0 p p 1 e r (Breslau). 


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der Syphilis. 


4:> 5 


Valentine, Ferd. C. Gonorrhoea: its treatment by intra- 
vesical injections of potassium permanganate. The Joiirn. of 
eilt, and gen. urin. dis. 1895, p. 247. 

Valentine schildert das jetzt wohl allbekannte Janet’sche Ver¬ 
fahren, mit welchem er im Allgemeinen gute Resultate erzielt hat. In 
einigen Fällen persistirte der Ausfluss 12 Tage. Fine Woche nach dem 
Verschwinden der Gonococcen reizte er die Urethra durch Injeetion einer 
2% Argentum nitricumlösung; fanden sich in dem künstlich erzeugten 
Ausfluss noch Gonococcen, so wurde die Irrigationsbehandlung noch ein¬ 
mal aufgenommen. War er jedoch gonocoecenfrei, dann wurde die Harn¬ 
röhre nach 8 Tagen noch einmal auf gledche Weise irritirt und war der 
Erfolg gleich gut, dann wurden die Patienten als gesund betrachtet. 

R. Leder mann (Berlin). 

V erhoogen. Le traitement de l’u r e t h r i t e chronique par 
le8 dilatateurs d’Uber lande r. Ann. gen.-ur. 1896, p. 260. 

Der ziemlich ausführliche Aufsatz Verlioogen’s enthält detaillirte 
Angaben über Literatur und Art der Behandlung, bringt aber im Grossen 
und Ganzen nichts Neues. Barlow (München). 

Veillon, A. et Halle, J. Etüde bacteri ologi que des vulvo- 
vaginites chez les petites filles et du conduit vu Ivo -vagi¬ 
nal ä l’etat sain. Arch. de med. exper. et d’anat. pathol. 1. Ser. Tome VIII. 
1896. Nr. 3, p. 281. 

Veilion und Halle haben 27 Fälle von Vulvo-Vaginitis nur 
mikroskopisch untersucht und unter ihnen 25mai Gonococcen gefunden. 
Unter 21 Fällen, die mit der Cultur auf den verscdiiedensten Nährböden 
explorirt wurden, fanden sich 17 mit Gonococcen, darunter 5raai in Rein- 
cultur, 12mal in Combination mit den normalen Mikroben der Vagina, 
als welche die Verfasser bei der Untersuchung der Kinder folgende 4 ge¬ 
funden haben: Bac. pseudo-diphthericus communis; keulenförmiger Bac. 
pseudo-diphthericus (Weeks); nicht pathogener Streptococcus, Staphylo- 
coccus epiderm. albus. In den 4 Fällen, bei denen Gonococcen fehlten, 
wurden ausser den eben erwähnten Bakterien einmal pyogene Strepto¬ 
coccen, einmal Bacterium coli in Reincultur nachgewiesen. Unter den 
Gonorrhoen waren 13 Fälle mit typischem eitrigem Socret, 4 mit sehr 
schwachem Ausfluss und ohne entzündliche Erscheinungen. Aus den Schluss¬ 
folgerungen der Verf. sei hervorgehobeu, dass sie auf Grund ihrer Unter¬ 
suchungen für die specifische Natur der meisten Vulvo-Vaginitiden ein- 
treten, dass sie die Möglichkeit von Complicationen betonen, dass die 
Gonococcen in sehr acuten Fällen in Reincultur vorhanden sind, dass die 
Vagina des Kindes normalerweise nur nicht pathogene Bakterien enthält. 
Man muss auch bei sehr geringen klinischen Erscheinungen bakteriologisch 
untersuchen, meist ist die mikroskopische Controle genügend, doch ist 
in zweifelhaften oder negativen Fällen die Culturmethode „plus sensible 
et plus demonstrative"'. Die Anwesenheit von diphtheriebacillenähnli- 
chen Bakterien in der normalen oder kranken Vagina muss bei der 
Diagnose der Vulvar-Diphtherie berücksichtigt werden. Die Vulvo-Vaginitis 

28 * 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


wird häufig indirect übertragen. — Aus den Cultur-Versuchen der Verf. 
ist hervorzuheben, dass sie mit Vorliebe mit weiten Reagensgläsern 
arbeiten und auf deren breiter schräger Fläche isoliren. Die Gonococcen 
sind ihnen auf Ascites-Agar gut und in Ascites - Bouillon sehr gut, aut 
gewöhnlichem frisch zu bereitetem Agar nur sehr spärlich und in erster 
Generation gewachsen. In Gelatine mit Ascitesflüssigkeit wachsen sie im 
Brutofen — die Gelatine erstarrt beim Erkalten; die Gonococcen ver¬ 
flüssigen also nicht. Anaerob sind die Gonococcen nicht gewachsen. 
Von Thierversuchen ist den Autoren nur einer gelungen: Eine mit einer 
starken Dosis intraperitoneal geimpfte Maus ist an Peritonitis gestorben; 
im Exsudat fanden sich Gonococcen. Jadassohn (Bern). 

Vignaudon. L’arthropat hie blennorrhagique chez l’en- 
fant. Revue mens, des mal. de l’enfance 1*95, p. 209. 

Aus der Arbeit Vignaudon’s über den gonorrhoischen Rheuma¬ 
tismus bei Kindern ist hervorzuheben, dass trotz der geringen Berück¬ 
sichtigung, welche diese Affection in der Literatur gefunden hat (bisher 
nur 23 Fälle publicirt), V. sie für relativ häufig hält. Sie tritt bei — vielleicht 
durch Anaemie prädisponirten Individuen unabhängig vor der Schwere 
der Blennorrhoe sowohl in deren frühestem Stadium als auch noch nach 
ihrer Heilung, manchmal mit prodromalem Fieber, Gliederschmerzen etc. 
auf; ist am häufigsten im Knie, dann im Hand-, dann in den Mehacarpo- 
riialangealgelenkcn localisirt. Meist ist nur ein Gelenk, sehr selten mehr 
als 2 (und dann immer kleine) Gelenke befallen; die Sehnenscheiden sind 
oft — auch primär — die Schleimbeutel nie bet heiligt. Der Schmerz ist 
wechselnd, Crepitation sehr selten, immer eine oft enorme Schwellung; 
die Haut kann normal oder stark geröthet sein. Das Fieber besteht nie 
lange; die inneren Organe waren immer frei. Ankylosen scheinen sich 
bei Kindern nicht auszubilden. Ilervorzuheben ist, dass der acute Gelenk¬ 
rheumatismus bei Kindern unter 5 Jahren selten ist. 

Jadassohn (Bern). 

Vigneron, G. Infektions peri-uretrales; leur traite- 
luent. Association francaise de Chirurgie X. Congres. Seance de 23. octobre. 
La medecine moderne 1890. Nr. 88. 

Vigneron gibt an der Hand von 0 selbstbeobachteten Fällen eiu 
kurzes klinisches Bild der sich an eine Urethritis anschliessenden Infeetion 
der urethralen Drüsen mit ihren eventuellen Folgen (periurethraler 
Abscess, Durchbruch desselben in die Harnröhre oder nach aussen). Er 
empfiehlt ausgiebige chirurgische Behandlung jeder derart inficirton Drüse, 
um diesen Folgen vorzubeugen und rühmt die guten Erfolgt?, die er 
hierdurch erzielt hat. Job. Doye (Breslau). 

Wertheim. Leber L t e r u s g o n o r r li o e. Versammlung der 
deutschen Gesellschaft für Gynäkologie in Wien 5.—7. Juni 1895. Kcferirt 
im Centralblatt für Gynäkologie 1895, p. 099. 

Zu dem sehr interessanten Vortrag über Lterusgonorrhoe erwähnt 
Wertheim zunächst, dass der Guuucoccus in der Mehrzahl der Fälle 
auf die Schleimhaut beschränkt bleibe und hier die Endometritis intersti- 


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der Syphilis. 


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tialis und glandularis liervorrufe. Daneben finden sich aber in vielen 
Fällen entzündliche Veränderungen der Muscularis (entzündliche Infil¬ 
tration des Muskelbindegewebes und Gefässwandbyperplasie), in denen 
wahrscheinlich auch Gonococcen vorhanden, bisher aber noch nicht nach¬ 
gewiesen sind: ebenso wenig sind aber andere Bakterien nachzuweisen, 
so dass für eine Misch- resp. Secundärinfection auch keine Beweise vor¬ 
handen sind. Der innere Muttermund besitzt nach seinen beweisenden 
Untersuchungen nicht die Bedeutung als Hinderniss für das Ascendiren 
der Gonorrhoe. Die Exacerbationen der Uterusgonorrhoe haben häutig 
ihre Ursache in einer Alteration des Nährbodens, wie sie durch verschiedene 
schädigende Einflüsse (Menstruation, Coitus) bedingt wird. In vielen 
Fällen aber liegt denselben eine frische Infection zu Grunde. Unter den 
schädigenden Momenten nimmt das Puerperium eine hervorragende Stel¬ 
lung ein; hier findet sehr häufig eine Weiterverbreitung der Gonococcen 
auf die bisher freie Körperhöhle statt. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Wilhelm, Carl. Das Verhältniss zwischen Gonorrhoe 
und Tuberculose. (Inaug.-Diss. Königsberg 1 Sl>2.) Ref. nach Baum¬ 
gartens Jahresber. Bd. IX. p. 00. 

Die Arbeit Wilhelm’s stellt aus der Literatur die Fälle zusammen, 
bei denen die Autoren an eine Mischinfection resp. an eine Beeinflussung 
der Gonorrhoe durch Tuberculose gedacht haben und in dieser Beziehung 
bringt der Verfasser eine weitere Casuistik. Aus der ganzen Zusammen¬ 
stellung geht nun hervor, dass eine Mischinfection durch Gonococcen und 
Tuberkelbacillen im gewöhnlichen Sinne nicht vorkömmt. 

Joh. Fabrv (Dortmund). 

Winterberg. Zwei Fälle von u 1 cerativer Endocarditis 
in directem Anschluss an specifische Urethritis. Festschrift 
zum 25jährigen Jubiläum des Vereins deutscher Aerzte zu S. Francisco 
18b9—1894. Ref. im Centralblatt für Gynäkologie 1895, p. 927. 

W int erb erg berichtet über 2 Fälle von ulceröser Endocarditis 
im Verlaufe von Gonorrhoe, von denen der eine, der zur Seetion kam, 
im Leben das Bild multipler gonorrhoischer Arthritis, Pleuritis und 
Endocarditis (blasende systolische und diastolische Geräusche über Aorta 
und Pulmonalisj darbot. Die Seetion ergab eine seröseitrige Flüssigkeit 
im Herzbeutel, der Herzmuskel selbst von zahlreichen Eiterherden durch¬ 
setzt. AnStelle der Pulmonal- und Aortenklappen fand sich eine krümme- 
lige, leicht zerdrückbare Masse, die, mikroskopisch betrachtet, (ionocoecen 
enthielt; in Leber und Milz waren zahlreiche Blutungen; die Niere war 
arayloid degenerirt. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Wossidlo. Zur D i 1 a t a t i o n s b e h a n d 1 u n g der Harnröhren- 
stricturen. (Vortrag gehalten in der Berl. medic. Gesellsch.) Berl. klin. 
Wochenschrift Nr. 6 1896. 

Wossidlo betont, den Werth des Emloskopirens, wenn man sich 
einen Begriff von den Fortschritten einer „wirklichen Sfricturheilung u 
bilden will. Letztere ist daran zu erkennen, dass an Stelle der früher 


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438 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

vorhanden gewesenen starren Infiltrate sieh eine gut gefaltete Schleimhaut 
mit einer von der gesunden nicht verschiedenen Färbung findet. Die 
Epitheldeeke muss gleichmässig, mehr oder weniger glänzend erscheinen. 
Die Drüsen dürfen an ihren Ausführungsgängen und in ihrer Fragebung 
keine Spuren von Infiltraten zeigen, die Narben müssen im Niveau der 
Schleimhaut liegen. Das wird nach Ansicht des Verfassers nicht erreicht 
mittelst der üblichen Sondendehnungen bis zu 30 Charriere. Da nun 
höhere Nummern ohne Spaltung des Orifieium externum urethrae nicht 
angewendet werden können, empfiehlt Wossidlo das 0 b e r 1 ä n d e r’sehe 
oder K o 11 m a n n’sche Dilatarorium. Hiermit werden alhnäüge Dehnungen 
derart vorgenommen, dass durchschnittlich jeden 10. Tag eine Sitzung 
statt findet, wobei nur um eine bis zwei Nummern der Charrierescala ge¬ 
stiegen wird, bis Nr. -10—45 erreicht ist. Erst dann ist eine Heilung ira 
obigen Sinne zu erwarten. Die Schmelzung der weicheren, mit Kundzellen 
durchsetzten Infiltrate geht vor sich unter einer schleimig eitrigen Se- 
cretionsentwieklung; wirklich acute Kntziindungserscheinungen müssen 
vermieden werden; sind sie dennoch aufgetreten, müssen bis zu ihrer 
Beseitigung die Dilatationen ausgesetzt werden (event. Spülungen mit 
HöllenstcinlöMingen '/ 2 —1% 0 ). Von der Behandlung ausgeschlossen sind 
„residente, harte, caliöse Sfricturen". Verf. betont, dass die angegebene 
Methode jede brüske Zerreissung des Narbengewebes vermeidet und nur 
durch fortgesetzte Dehnung eine allmalige Einschmelzung des Infiltrats 
bewirkt. Hugo NI ü 11 er. 

\\ itauoff C o n t r i b u t i o n a letuilö du trmteme n t d e 1 a 
bl en norrh agi e de Phomme par les sels d’arge nt. (Nitrate d'ar- 
gent, argentamine et Argentumcaseine.) These de Paris 1800. 

Witanoff bat 11 Fälle f'theils acute, theils chronische) von Go¬ 
norrhoe mit Ausspülungen von Argent. nitr., 13 mit Ausspülungen von 
Argentamin und einen mit Argent. casein Argonin,i behandelt. Die ersten 
beiden wurden in einer Goncentrarion von 1 4oo0 bis 1/3000, das Argonin 
(zu Einspritzungen) von 1 200—1/100. Er hat ausser kleinen Schädlich¬ 
keiten, wie minimale Frethralblutungen, leichtes Brennen und geringe 
Grade von Cystitis keinerlei üble Erscheinungen beobachtet. Bei Argent. 
nitr. Ausspülungen verschwanden die Gonocoeeen im Durchschnitt nach 
2—5 Tagen, bei Argentamin nach 6—12 'Lagen. Der eine mit Argonin 
behandelte Fall konnte nicht beobachtet werden. 

Paul Oppler (Breslau). 


Venerische Ilelkosen. 

Audry. S u i* u n pr o c e d e p r a t i q u e d e c h a u f f a g e des 
ob an er es s i m p 1s. Journal des mal. cut. et sypli. 1800 p. 207. 

Audry empfiehlt zur Behandlung der LTcera mollia den Thermo¬ 
kauter. Letzter wird in weis*- uder rothglüheudem Zustand, kürzere 
oder längere / (dt. je nach der Grösse und Intensität der Glcera dem- 


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der Syphilis. 


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43 ( J 


seihen auf etwa einen halben Centimeter genähert. Kurze Zeit darauf 
tritt eine Austrocknung der Oberfläche und an den Rändern kleine 
blutige Streifen, eventuell mit Röthuug der umgebenden Haut bei zu 
intensiver Anwendung, auf. Falls es nötliig ist, kann man diese Proeedur 
nach 2—3 Tagen wiederholen. Verfasser versichert, die Heilung in viel 
küizerer Zeit auf diese Weise zu erzielen, als mit anderen Methoden. 

Paul X ei ss er (Reuthen Ü./S.). 

Audry et Durand, Sur 1 e bubou et Sun traitement. De 
Pextirpation des adenites suppurees de Paine. Gazette hebdomad. de 
Med. et de Cliir. 43. Jahrg. Nr. 60 d. 26. Juli 1806. 

Nach Audry und Durand ist es falsch, die im Gefolge von 
Ulcera mollia auftretenden Bubonen als etwas anderes zu betrachten als 
alle anderen Bubonen, wenn auch ein bestimmter Procentsatz (15% nach 
Au. u. D.) von ihnen bei der Eröffnung specifisch virulent ist. Demgemäss 
entscheiden sich die Autoren lur eine rationell chirurgische Behandlung 
Ein Mittel, um die Vereiterung entzündlich vergrösserter Bubonen zu ver¬ 
hindern, gibt es nicht; sie vereitern, wenn sie wollen. Die angegebenen 
Methoden, wie Injectionen in die Drüsensubstanz u. s. w. geben keine 
besseren Resultate als Ruhe uud Vesieantien oder harmlose abhütende 
Mittel. Die Exstirpation der Drüsen vor der Vereiterung verhindert 
nicht das Scbankröswerden. Demnach gehen die Verfasser bei vereiterten 
Bubonen so vor: Entweder breite Ineision und Curettement des Sackes, 
wenn der Abscess gut abgekapselt, wenn eine einzige Drüse ergriffen ist 
und die Umgebung keine nennenswerthe Infiltration aufweist, oder wenn 
das Gegentheil der Fall ist, lange senkrechte Ineision und Exstirpation 
des ganzen Drüsenpaketes. Paul Oppler (Breslau). 

Balzer, M. Sur les coinplicatious du chartere mou. 
Journal des mahnlies cutanees et syphilitupies 1895 p. 105. 

Balzer erwähnt als Complicationen des weichen Schankers in 
erster Linie die Gangrän, von der er eine durch pyogene Bakterien hervor¬ 
gerufene phlegmonöse, rotlie Gangrän und eine durch den septischen 
Vibrio Pasteurs hervorgerufene schwarze Gangrän unterscheidet; 
letztere kann in kürzester Zeit zu Verlust der ganzen Penis- und Scrotul- 
haut und zu typhusähnlichen Erscheinungen führen. Die beste Therapie 
ist die schleunige Spaltung des Präputiums. An zweiter Stelle erwähnt 
Balzer den phagedänischen Schanker, der sowohl an Breite wie an 
Tiefe grosse Ausdehnungen annehmen kann, und dessen Aetiologie eine 
sehr verschiedenartige sein kann. Die Therapie besteht in Anwendung 
von antiseptischen und Aetzmitteln, von Cauterisation. Als dritte Com- 
plication sind die Bubonen zu erwähnen, welche Verfasser mit kleinen 
Incisionen mit spitzem Bistouri, Ausspülungen mit 1% Arg. nitr. und 
Verbänden mit Chlorzinkpaste zu behandeln räth, während er auch anderen 
Behandlungsmethoden ihr Recht lässt. Paul Neis>cr (Reuthen O./S.). 

Bloom, H i s t o r i c a 1 Sketch o f t h e E t i o 1 o g y o f C h a n- 
croids. The American Practitioner and News Jan. Is90 (Ref. F.diu- 
burgh Medical Journal 1896 Juni). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Bloom bespricht die Entwickelung unserer Ansichten über das 
Wesen der venerischen Krankheiten, insbesondere des Ulcus molle. Be¬ 
züglich der Aetiulogie des weichen Chancre theilt er die Ansicht Tav- 
lor's (Venereal Diseases 1805), welcher die pyogenen Mikroorganismen als 
die Ursache ansieht. Pinne r (Breslau). 

The Treateraent of Soft Chancre. The Therapeutic Gazette 
lß. März 1896 p. 200. 

La Tribüne medicale Nr. 28, 1805 empfiehlt zur Behandlung 
des Ulcus molle: Morgens wird das Ulcus abgetupft mit folgender 
Lösung (Menthol gr. j ; Acid carh. Gr. V ; Alkohol f 3 iss) und mit Aristol be- 
pudert. Untertags öfters Waschungen mit Carbolsäure-Solution und Be- 
pudern mit Aristol. Etwas Gaze soll stets das Ulcus bedecken, um das 
Secret aufzusaugen; ferner sollen alle localen Schädigungen möglichst 
fcrn gehalt en werden. 

Beim phagadenisehen Chancre wird zum Betupfen: Cocain gr. j; 
Eerri mangano-tartaric. gr. XV; Aq. dest. f 3 i ss empfohlen und zum Be- 
pudern eine Mischung von Jodoform und Menthol (20:5) neben inner¬ 
lichem Gebrauch von Ferrum mangano-tartaricum. Pinn er (Breslau). 

Coignet : Chancrellestraitees parles courant« i n t c r- 
m i 11 o n t s ä haute fr e q u e n c e. Lyon medical Nr. 34- 1806. 

Eine vorläufige Mittheilung Coignet’s in der Societ.e des Sciences 
medicale* de Lyon über Behandlung des weichen Schankers mit starken 
fiiradischen Strömen: Umwandlung des Ulcus molle in ein nicht speei- 
ksches Geschwür, welches dann schnell heilt. 

Spiegelhauer (Breslau). 

Uolombini P. La diagnosi batteriologeia de 1 V ulcera 
venerea. Gazzetta degli ospedali e della chliniche 27. Febbrajo 1896. 

In der Einleitung seiner Arbeit: „(Jeher die bakteriologische 
(besser mikroskopische lief.) Diagnose des Ulcus molle hebt C o 1 o m bi n i 
hervor, dass ausser der Tnoculationsmcthode fast keine andere Unter¬ 
suchungsart (auch nicht die von Balz er empfohlene Methode des Nach¬ 
weises elastischer Fasern im Secret) eine sichere Diagnose des I leus 
molle gestatte. X T ur die Untersuchung auf Ducrev-Unnasche Bacillen 
gibt Resultate, dereirdiagnostiseher Werth mit dem der Inoculation, deren 
Anwendung vielfache Unzuträglichkeiten mit sich bringt, gleichzustellen 
ist. Weiterhin bespricht Colombini ausführlich die Technik der Anferti¬ 
gung und Färbung von Beckgla^präparaten nach seiner Methode. Dann 
folgt, eine Beschreibung der Bncrey-Unnasehen Bacillen. Zum Schluss 
spricht C. sein Bedauern darüber aus, da*s diese mikroskopische Unter- 
suclmngsinethode bisher sich noch nicht in die Praxis eingebürgert hat, 
obgleich sie sichere Resultate liefert. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Domolder, Sur le traitement dos chanc res mous. Archive« 
medicales beiges. Juillet 1896. 

Demo ld er wendet das von Neisser in Breslau angegebene Ver¬ 
fahren an, das Ulcus molle mit acid. carbol. liquefact zu ätzen, mit Jodo- 


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form zu bedecken und darüber eine Salbe aus 2 Theilen Argent. nilrie., 
20 Theilen Perubalsara und 100 Theilen Vaseline zu appliciren. Der 
Verband wird am 4. Tage gewechselt. Nach 6—7 Tagen ist das Ulcus 
meist in Heilung begriffen. Auch in Fällen, wo die blosse Jodoformbe¬ 
handlung nicht zum Ziele führte, wurde in kurzer Zeit (im Laufe einer 
Woche) mit dem Neisser-sehen Verfahren Heilung erzielt. Auf die syphi¬ 
litische Initialsclerose hat die Behandlung keinen Einfluss. In einem 
Falle half diese mangelnde Einwirkung auf ein suspectes Ulcus die 
Diagnose auf syphilitischen Primäraffect begründen. 

Felix Pinkus (Breslau). 

Dubujadoux, Tra item ent du bubon d’origine chan- 
creuse par l’i n j e c t i o n prealable de s a 1 o I c a m p h r e i o d o- 
forme. Archives de medec. et de pharmac. militaires Nr. 8. Aug. 1806. 

Dubujadoux hat auf Grund früherer guter Erfahrungen betreffend 
die antibakterielle Wirksamkeit des Salolum iodoformo-camphoratum, 
eine Anzahl von C'lcus molle-Bubonen vor der Incision mit Injectionen 
dieses Mittels — 1 3 —% einer Pravaz’schen Spritze, je nach der Grösse 
des Bubo — behandelt. Am folgenden Tage kleine Incision, Entleerung 
des zu Fäden und „Würmern 4 zusammengeballten Eiters, und Tamponade 
mit Tampons, welche mit einer Lösung des oben genannten Mittels ge¬ 
tränkt waren. Gerühmt wird das schnelle Verschwinden der eitrigen 
Secretion, die Schmerzlosigkeit des Verfahrens und die schnelle Narben¬ 
bildung. Wie aus den beigegebenen Notizen über 18 auf diese Weise 
behandelten Fällen hervorgeht, betrug die Durchschnittsbehandlungsdauer 
7 Tage. Paul Oppler (Breslau). 

Durand, Victor. Chancre simple perfora nt du prepuce. 
Jgurnal des mal. ent. et syph. 1806 p. 2u8. 

Der Patient Duraiufs litt an Ulcera mollia und durch diese be¬ 
dingter Phimose. Ohne Abscess und Phlegmone wurde im Verlaufe der 
Erkrankung das Präputium von dem darunter) befindlichen ältesten 
Ulcus perforirt. Nach der Phimosenoperation heilten sow r ohl die Ulcera, 
wie die Perforationsstelle schnell aus. Paul Neisser (Reuthen O/S.). 

Estay. Contribuito a 11 o studio de 11 e applicazione d e 11’ 
eurofene nella cura delP ulcera molle. These de Paris. 1895 Ref. 
in II Morgagni. 18. Aprile 1806. 

Estay hat in 6 (!) Fällen von Ulcus molle das Europhen mit gutem 
Erfolge (Heilung in mindestens 10 Tagen) angewendet und rühmt an dem 
Mittel: dass es in loco Joddämpfe entwickelt, dass es leicht caustisch und 
zugleich antiseptisch wirkt, dass es geruchlos ist, dass es ein sehr geringes 
specifisches Gewicht hat und dass es leicht auf der Wundfläche haftet. 
Estay zieht es daher dem Jodoform vor und empfiehlt seine Anwendung 
bei einfachen und bei eiternden Wunden. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

GiOYannini. II valore dcl sublimato come preservativo 
de 1 l'u leer a venereu. Gazetta Medica di Torino. Nr. 49. 1896. 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Giovannini hat über die Wirksamkeit des Sublimats als Prä- 
ventivmittel gegen Ulcus rnolle experimentelle Untersuchungen angestellt 
in der Weise, dass er bei Patienten (11 männl. und G weibl.). die an 
Ulcus molle litten, Inoculationen auf die Mitte der inneren Oberschenkel- 
partie machte und nach verschieden langer Zeit mit verschieden coucen- 
trirten Sublimatlösungen diese Inoculationen behandelte. Er kam dabei 
zu folgenden Schlüssen: 1. Nach einem suspecten Coitus soll man so schnell 
als möglich die Genitalien mit einer Sublimatlösung waschen; keinesfalls 
darf man damit länger als 8 Stunden warten. 2. Am besten nimmt man 
Sublimatlösung 1 : 1000, namentlich, wenn nach der Infection mehrere 
Stunden verilossen sind. Schwächere Lösungen bis zu 1 : 1000 darf man 
nur in den Fällen anwenden, in denen noch nicht eine Stunde seit dem 
betreffenden Coitus verflossen ist. Vortheilhaft ist es bei der Bereitung 
der Sublimatlösungen auf ein Thcil HgCl 2 5 Theile Kochsalz zuzusetzen. 
3. Natürlich müssen alle Falten an den Genitalien sorgfältig berück¬ 
sichtigt werden. 4. Schleim und Smegma sind bei den Waschungen pein- 
lichst zu entfernen. 5. Die Prädilectionsstellen des Ulcus molle (beim 
Manne: das innere Präputialblatt, der Sulcus coronarius und das Frenu- 
lum; beim Weibe: die Fossa navicularis und die kleinen Labien) und 
Excoriationen und Exulccrationen müssen besonders vorgenommen werden. 
(5. Die Waschungen müssen stets einige Minuten lang ausgeführt werden 
und müssen um so länger ausfallen, je längere Zeit seit dem iniieirenden 
Coitus verstrichen ist, und je schwächere Sublimatlösungen verwendet 
werden. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Groleau. L e s p a r t. i c u 1 a r i t e s du c h a n c re mou d es d o i g t s. 
These de Paris. Mai 1896. Kef. in Gazette hebdomad. de med. et de ebir. 
Nr. 50. 1896. 

Groleau betont, dass der weiche Schanker am Finger verhältniss- 
mässig selten vorkornme, dass er aber diagnostisch häufig Schwierigkeiten 
maehen könne, insofern als er zuweilen unter dem Biide einer einfachen 
inficirten Wunde, eines Nagelgeschwüres, einer Verbrennung oder einer 
Frostbeule auftritt. Manchmal verursacht er enorme Schmerzen. Meist 
schwellen im Verlaufe die Cubitaldrüsen. Die beste Behandlung ist der 
Jodoform verband. Ferdinand E p s t e i n (Breslau). 

Glliteras. Ein Fall von weiehem Schanker am Anus. 
New-York akademie of mcdic. 11. April 1896. Journ. of cutan. and gen.- 
urin. dis. Juni 1896. 

Guiteras stellt einen jungen Mann mit zahlreichen Sehankern 
am Anus, die seit 4 Monaten bestanden, vor. Patient bestreitet irgend 
welche j►räternaturalen sexuellen Manipulationen vorgenommen zu haben; 
er gibt vielmehr an, dass sieh die Schanker am Anus im Anschluss an 
gleiche l lccrationen am Penis entwickelt haben. Verf. betont, dass ob¬ 
gleich die Autoritäten gewöhnlich die Entstehung der weichen Schanker 
am Anus auf Päderastie zurückführen, dennoch eine Autoinoculation leicht 
möglich sei. — In der Discussion gibt Füller au, dass der Patient, der 
o Monate vorher in seiner Behandlung gewesen sei, damals Coitus per 


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der Syphilis. 


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rectum zugegeben habe. Auch Hayden erwähnt gleiche Angaben von 
dem Manne erhalten zu haben. Ledermann (Berlin). 

Hayden, James R, Jodoform-ointment injections in the 
treatment of suppurative adenitis of the groin. The araer. 
assoc. of gen. ur. surgeons. 28 May. The Journ. of cut. and gen.-ur. dis. 
1895. Y. 299. 

Hayden hat folgende Methode der Behandlung von Leistendrüsen¬ 
bubonen mit befriedigendem Erfolge ausgeführt und empfiehlt dieselbe: 
Nach sorgfältiger Reinigung und Desinfeetion der Haut werden zu¬ 
nächst wenige Tropfen eiuer 4% Cocaiulösung in die zu punktirende 
Hautstelle injicirt. Dann wird der Eiter durch eine kleine Punction ent¬ 
leert und die Abscesshöhle mit Wasserstoffsuperoxyd gereinigt, mit einer 
Sublimatlösung (1 *.5000) ausgewaschen und mit Injection einer 10% Jodo¬ 
formsalbe ausgefüllt. Auf die Wunde kommt ein kalter Sublimatum¬ 
schlag. Der Patient muss 48 Stunden ruhen, wenngleich Bettruhe nicht 
unbedingt nothwendig ist. Am 3. oder 4. Tag wird der Verband ent¬ 
fernt. Discussion: Otis hat die Methode gleichfalls geübt, hat jedoch häulig 
2 oder 3 Jodoformsalbeninjectionen bis zur definitiven Heilung gebraucht 
und in einigen Fällen das Jodoform mit gutem Erfolge durch Perubalsam 
ersetzt. Auch hat er von Jodol gute Resultate gesehen. Post hat nach 
einfacher Entleerung des Bubos ohne nachfolgende Jodoformsalbeninjec- 
tion oft Heilungen erzielt. Er betont, dass überhaupt eine Methode nicht 
für alle Fälle passend ist. Taylor hat mit der Scott-Helm-Fontan- 
inethode (?) einheitlich gute Resultate erzielt und empfiehlt besonders 
das Auswaschen der Wunde mit Wasserstoffsuperoxyd. Lewis erzielt bei 
genügend frischen Fällen durch einfache Incision mit einem Bistourie 
und nachfolgenden Compressionsverband in der Regel gute Erfolge. Bei 
Exstirpation der Drüsen und Intactheit der bedeckenden Haut hat er oft 
Heilung per primam intentionem gesehen. Die Injectionsmethode mit 
Jodoformöl, nach vorhergehender Auswaschung der Höhle mit Wasser¬ 
stoffsuperoxyd und Sublimatlösung hat ihm wechselnde Resultate geliefert. 
James Zell weist darauf hin, dass bei Vorhandensein von periglandulärer 
Entzündung und Drüsenresten nach der Entleerung des Eiters die Injee- 
tionsbehandlung nicht anwendbar ist. Otis räth bei septischen Drüsen 
zur Totalexstirpation und lässt die Kranken 2 bis 3 Wochen das Bett 
hüten: Hayden beschränkt die Injectionsbehandlung nur auf wirkliche 
Abscesse. Ledermann. 

Nicolii'h. Vasto aseesso de Ile parcti abdominali pro- 
vocato da un J adenite inguinale venerea. La settima divisione 
sifilitico-chirurgica. Estrafto dal Resoconto sanitario dello spedale civico 
di Trießte per l’anno 1893. (Ref. Ann. gen.-ur. 1896, p. 66.) 

N icolich’s Patient war ein Matrose von 24 Jahren, der vor einem 
Monate eine doppelseitige Leistendrüsenvereiteruug in Folge weicher 
Schanker durchgemacht hatte. Derselbe bemerkte eine harte Stelle in der 
Bauchwand unterhalb des Nabels, welche bald zu fluctuiren begann. Dabei 
hohe Temperatur. Die Bubonen waren seinerzeit operirt worden und be- 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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reits geheilt bis auf eine kleine Fistel auf der linken Seite. Von dieser 
aus hatte ein grosser Abscess unterhalb des Nabels sieh gebildet, welcher 
erst nach mehreren vergeblichen Incisionen vollständig geöffnet wurde. 
Nach 100 Tageu Heilung. Barlo w (München). 

Perry. The Et io 1 ogy and Treatment of Venereal Bu¬ 
boes. The American Journal. 1806 Novbr. 

Perry kommt auf Grund umfangreicher literarischer und stati¬ 
stischer Studien zu folgenden Schlüssen: 1. Der Bubo entsteht durch Ab¬ 
sorption chemischer Giftstoffe, welche Producte des Mikroorganismus im 
Ulcus molie sind. Der Bacillus selbst geht nicht in die Lymphbahnen. 
2. Injectionen von Hydrargyrum benzoatum geben bei nicht vereitertem 
Bubo gute Resultate; erst wenn diese Therapie versagt, ist die Exstirpa¬ 
tion gerechtfertigt. 3. Injectionen von Jodoformöl können mit gutem 
Resultat bei frisch vereiternden Bubonen zur Anwendung kommen. 4. Inei¬ 
sion und Curettement leisten gute Dienste bei schlecht ernährter Haut 
und bei schlaffen Granulationen. 5. Die Kxcision bleibt als Ultima ratio 
für diejenigen Fälle übrig, bei welchen die vorher erwähnten Methoden 
nicht zum Ziel führten. Pinn er (Breslau). 

Owings, Edward R. Bericht über einen Fall von p h a g c- 
dänischem Schanker. Journ. of cut. and gen.-urin. dis. Juni 1896. 

Den nachfolgenden, von Owings beschriebenen Fall von phagedä¬ 
nischem Schanker geben wir etwas ausführlicher wieder, weil er als ab¬ 
schreckendes Beispiel einer fehlerhaften Therapie gelten kann. Owings 
sah seinen Kranken drei Wochen nach der Infection. Das sehr lange 
Präputium konnte noch zurückgezogen werden, die Glans penis und Mucosa 
praeputii waren mit stccknadelkopf- bis 5 Mm. grossen oberflächlichen 
Geschwüren bedeckt. Es bestand Eitersecretion aus der Urethra, die 
Leistendrüsen waren intact. Die Ulecra wurden mit rauchender Salpeter¬ 
säure geätzt; ausserdem Sublimatirrigationen (1:10000) und Aufstreuen 
von Dermatol. Die Geschwüre nahmen an Zahl und Umfang zu. Nach 
einigen Tagen erneute Cauterisation der ganzen Oberfläche der Glans und 
der Mucosa praeputii mit Salpetersäure (!). Am folgenden Tag war Patient 
unfähig das Präputium zurüekzuziehen. Sublinmtirrigationen. Zwei Tage 
später: Penis stark geschwollen. Phimosis mit starker eitriger Secretion 
und starkem Eoetor. In Aetkernarcose Ineieision des Präputiums. Die 
ganze Mucosa praeputii und der grösste Tlieil der Glans jetzt in ein grosses 
Ulcus verwandelt, das Frenulum zerstört; das Ulcus mit einer schmutzig 
grauen Membran bedeckt. Erneute Cauterisation mit Salpetersäure (! !). 
Fünf Tage später Vergrößerung des Geschwürs. Wiederum in Aotiicr- 
narcose Aetzung mit Salpetersäure. (!!) Jetzt drei Mal täglich Wasser¬ 
stuffsuperoxydspray auf das Ficus mit besonderer Berücksichtigung 
der Geschwürsränder. Allnrälige Besserung des alten Ulcus und Ent¬ 
wicklung eines neuen Ulcus an der rechten Seite des Dorsum penis, 
das wieder in narcosi mit Salpetersäure geatzt wurde. Auch die 
Urethra wurde wegen Verdachts auf ein intraurethrales Geschwür 
einer gleichen Behandlung unterzogen (!). Nach dieser Cauterisation An- 


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der Syphilis. 


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Schwellung der Leistendrüsen, die nach einigen Tagen zuriickging. Noch¬ 
malige Aetzung eines kleinen neuen Ulcus der Glans mit Salpetersäure (!). 
Dann allmälige Heilung unter Verlust des Präputiums und Frenulums. 
Prompte Cauterisation ist nach Verf. das einzig wirksame Mittel für die 
Behandlung weicher Schanker. Comraentar überflüssig. 

Ledermann (Berlin). 

Rondell!. Alcuni tentativi di cura des bubons non 
suppurati con iniczioniintra-glandorari diolio di tremen- 
tina. Giorn. della R. Acc. di med. di Forino, 1894, et Gazzetta med. 
Lombarda. 1894. Nr. 27. (lief. Ann. gen.-ur. 1896, pag. 857.) 

Rondelli publicirt nach der Methode von Giovannini vorge¬ 
nommene Terpentincuren bei eiternden Bubonen. Giovannini glaubt, 
dass man durch Anregung einer intensiven Eiterung an Bubonen mit 
langsamen Verlauf Zerstörung der Drüse und folglich eine schnellere 
Heilung zu Stande bringen könne. In Folge dessen hat er als reizende 
Injection Terpentinöl verwendet. Die Methode wurde bei 8 Patienten an¬ 
gewendet, von denen 7 einen Bubo hatten, der sich an w T eiche Schanker 
anschloss, und an einem, dessen Adenitis einer Blennorrhagie folgte. Die 
Technik ist sehr einfach. Nach dem Rasiren der betreffenden Inguinal¬ 
gegend fasst man die Drüse zwischen die Finger, sticht die Nadel einer 
Pravazspritze hinein und spritzt ungefähr 1 Ccm. Terpentinöl ein. Sofort 
entsteht ein lebhaft lancinirender Schmerz in der Drüse, welcher all- 
mälig wächst, um 1 Stunde nach der Injection sein Maximum zu erreichen. 
Ein paar Stunden nach der Injection ist das Ganglion bedeutend geschwellt, 
die darüber liegende Haut roth und gespannt. Am 2. Tage beginnt Eite¬ 
rung, die am 3. oder 4. Tage vollständig ist. Entleert man den Bubo, so 
erhält man eine reichliche Menge nach Harz riechenden Eiters. Die 
Heilung erfolgt schnell. Meist bringen die Injectionen etwas Fieber bei 
den Kranken hervor, 3S*2 U —39 , 5°. Bar low (München). 

Sorel. Deux observations de chan eres simples extra- 
genitaux. Chancre sus-malleolaire. Chancre du penis. Journal des mal. 
cut. et syph. 1896, pag. 417. 

Im Verlauf einer kleinen Epidemie von Ulcera mollia im Januar 
1896 zu Toulouse (20 Fälle) waren 3 extragenitale Ulcera mollia zu 
constatiren. Während der eine Fall (ein Ulcus raolle in der Supraclavi- 
culargegend) schon von Rouanet beschrieben ist, theilt Sorel die 2 anderen 
Fälle mit: In dem einen war ausser einem Ulcus molle am Penis ein 
solches oberhalb des rechten Malleolus internus (mit Ducrey’sche Bacillen) 
zu constatiren. In dem zweiten Falle entstanden — neben dem vorhandenen 
Ulcus am Penis — in der wegen Phthirii rasirten Schamgegend 2 Ulcera an 
zwei durch das Rasirmesser verursachten Schnittwunden. 

Paul Ne iss er (Beuthen 0. S.). 

Tuttle, J. P. Two cases of urethrae chancre, with unusual 
secondary Symptoms. (The americ-an association of genito-urinary 
surgeons.) The Boston medical and surgical Journal. Nov. 5. 1896. 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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Im ersten Falle Tuttle’s trat unter Fieber ein masernähnlicher 
Ausschlag auf, bei dem nur die auf Rumpf und Extremitäten beschränkte 
Localisation und die Kupferfarbe sowie die fehlende Bronchitis den Unter¬ 
schied vom klinischen Bild der Masern bildeten. Im zweiten Fall bestanden 
heftige, Nachts exacerbirende Muskelschmerzen; später entwickelte sich 
eine Endocarditis, dann eine Meningitis. Vielleicht handelt es sich, nach 
Tuttle’s Meinung, hier um eine Complication mit acutem Gelenkrheuma¬ 
tismus. Pinkus (Breslau). 


Syphilis. Allgemeiner Theil. 

Abrahams, R. Syphilis or Tuberculosis. Report of a Case 
M< dic. Record. 28. Dec. 1805. 

Abrah am's 35jähriger Patient erkrankte an Tuberculosis pulmonum 
mit Blutung, reichlich Bacillen etc. Besserung durch Creosot. Frische 

syphilitische Infection; Sceundärerschcinungen unter starkem Fieber. 

Unter 50 Inunctionen und JNa. heilt die Lues und — jede Spur von 
Tuberculose schwindet. J. 

Ahlmann, Max. Das Fieber im Eruptionsstadium der 

Syphilis. Inaug.-Diss. Greifswald 1805. 

Nichts Neues. Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Basilevski. Syphilis extra-genitale. Societe medicale de Kief 
ref. in Gazette hcbdnmadaire de medecine et de Chirurgie 1806. Nr. 79. 

Basilevski berichtet über einen Fall von extragenitaler syphili¬ 
tischer Infection. Eingangspforte war eine Schnittwunde am Kinn. Er 
lässt es unentschieden, ob die Infection durch Küssen eines Syphilitischen 
oder durch die später benutzten Utensilien eines unsauberen Friseurs zu 
Stande gekommen ist. Doys (Breslau). 

Batut, Iiouis. I)e 1 a s t e r n o - m y o s i t e s y p h i 1 i t i q u e. Journa 1 
des maladies cutanees et svphilitiques 1805, pag. 304. 

Nach einer Aufzählung der in der französischen Literatur vorhandenen 
16 Fälle von Gummata des Musculus sternocleidomastoideus berichtet Batut 
über 2 von ihm beobachtete Fälle. Es handelt sich, wie schon oben angedeutet, 
bei dieser Erkrankung um tertiäre Erscheinungen bei seid echt oder gar 
nicht behandelten Individuen; dieselben entstehen eminent chronisch ohne 
Schmerzen und Fieber, fühlen sich sehr hart an, können aber auch er¬ 
weichen und vereitern, und reagiren prompt auch grosse Dosen Jodkali. 

Paul Neisser (Reuthen 0. S ). 

Bull, du Synd. des med. de la Seine, April 1806. Nourrices 
et nourrissons svphilitiques. Referirt im Journal des mal. cut. et 
syph. 1806, pag. 376. 

Das Bull, du Synd. des med. de la Seine bringt ausführlich die 
Gutachten zweier Instanzen in einer Entschädigungsklage einer Amme, 
die von ihrem Säugling, der bei der Geburt keinerlei Zeichen von Syphilis hatte 
und ihr von der Verwaltung des Enfants-Assistes de Deux-Sevres zum 


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der Syphilis. 


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Stillen übergeben wurde, syphilitisch inficirt worden war. Nachdem die 
Verwaltung in der ersten Instanz zu einem Schmerzensgeld verurtheilt 
worden war, wurde sie in der zweiten Instanz freigesprochen, da sie 
keinerlei Schuld träfe, indem sie ein für völlig gesund gehaltenes Kind 
einer gesunden Amme zum Nähren übergeben habe. 

Paul N e i s s e r (Beuthen O. S.). 

Caporali, R. Infezione sifilitica prevalente con lieve 
infezione malarica; tumore di milza con cirrosi epatua in- 
cipieilte a prevalenza di natura sifilitica. Gazzetta degli ospe- 
dali della cliniche 14 Marzo 18%. 

Caporali berichtet von einem 38j. Maurer (angeblich kein Potator), 
der vor 7 Jahren eine leichte Malaria durchgemacht und 1 Jahr darauf 
eine Lues acquirirt hatte, in deren Verlauf er bereits eine Apoplexie mit 
Hemiparesis dextra erlitten hatte. Die gegenwärtige Krankheit des 
Patienten begann vor 4 Jahren und zwar mit einer Milzschwellung, die im 
Laufe der Zeit so zugenommen hatte, dass jetzt die ganze linke Seite 
des Bauches von einem brettharten höckrigen, mit einer grossen Incisur 
versehenen Milztumor eingenommen ist. Gleichzeitig besteht geringer Ascites 
und leichte Leberzirrhose. Hämoglobin 85 Perc. Verhältniss der Loukocythen 
zu den Erythrocythen w*ie 1 : 904; keine granulirten einkernigenLeukocvtheii. 
Caporali ist der Ansicht, dass in diesem Falle die Lues die Hauptrolle 
spielt, während er einen allerdings nur geringen Eiufluss bei der Er¬ 
zeugung des Milztumors einer Malariainfection zuspricht. In der Anamnese 
und im Status fehlen Temperaturangaben. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Cat rin. Observation de eontagiun de Syphilis au moyen 
Tun rasoir con tarn ine. Societc medicale des höpitaux. Journal des 
mal. cut. et syph. 1890, pag. 430. 

Ein 71 jähriger Mann inticirte sich nach dem Bericht üatrin's durch 
einen Schnitt am Kinn mit dem Rasirmesser seines syphilitischen Sohnes. 
Da die Syphilis ziemlich ernst auftrat (nach 9 Monaten doppelseitige 
Iritis), wirft Catrin die Frage auf, ob dies durch die ex t r a g e n i ta 1 e 
Infection oder durch das hohe Alter des Patienten bedingt sei. 

Paul Neisser (Beuthen O. S.). 

üietz. Syphilis tertiaire. Societe de med. d’Auvers. Gaz. med. 
de Liege. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1890, pag. 497. 

Dietz demonstrirt eine Familie mit tertiär syphilitischen Er¬ 
scheinungen. Die Mutter leidet an Gloseitis, Leukoderma, Periostitiden 
und einem enorm grossen Sypbilom der linken Brust. Die Kinder zeigen 
ebenfalls sämmtlich Zeichen tertiärer Syphilis und zwar die ältesten am 
ausgesprochensten, die jüngeren im geringeren Masse. Ein Kind hat die 
H u t ch i nson’sche Trias. Das älteste Kind, das vor der Infection der 
Mutter geboren wurde, bat pich später durch Küsse, die es den jüngeren 
Kindern gab, inficirt, und man sieht noch heut an der Lippe die Narbe 
von der alten Sclerose. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Evans, Willmot. The C aus es of the Localisation of Gum- 
in ata. The American Journal of the Med. Scimies. Vol. CXII. Nr. 1. 
Juli 1896. 

Evans nimmt an, dass die tertiären Producte der Syphilis nicht 
mehr contagiös sind, da die ])athogenen Organismen nicht mehr im Körper 
circuliren. Vor dem Absterben produciren sie jedoch eine Quantität Toxine 
zweifellos chemischer Natur, denn das Gumma unterscheidet sich wesent¬ 
lich von anderen Entzündungen. Vor der Verkäsung finden sich z. B. im 
Centrum Riesenzellen (letztere entstehen übrigens nach E. durch einen 
Reiz, der auf die Zelle ausgeübt wird, zu schwach ist die Zellkörper zur 
Theilung zu veranlassen, jedoch kräftig genug um die Kerne zur Ver¬ 
mehrung anzuregen) u. a. Nachdem also E. zu dem Resultate gekommen 
ist, dass das Gumma durch einen spezifischen Reiz verursacht wird, be¬ 
spricht er an der Hand von Fällen und klinischen Beobachtungen die 
Frage der l’rädilectionsstellen der Gummata und folgert: 1. ein Organ muss 
schlecht mit Blut versorgt sein, um der Sitz eines Gumma werden zu 
können, 2. dass jedes Moment, welches die Lebensbedingungen eines 
Organes verändert, wie mechanische Reize, excessiver Gebrauch oder 
Cnterbrechung der Blutzufuhr, dasselbe für gummöse Erkrankungen prä- 
disponiren. Paul 0 pp ler (Breslau). 

Fordyce, John A. Clinical and pathological not es on 
Syphilis. (The american association of genito-urinary surgeons.) The 
Boston medical and surgical Journal. Nov. 5. L s 96. 

Fordyce bespricht besonders die secundären und tertiären Formen 
der Myositis syphilitica. Einzelne Muskeln werden vorzugsweise befallen, 
besonders Biceps, Vorderarmbeuger, Masseter, Deltoides, Sternocleido- 
mastoideus und Sphineter ani externus. Bei ditVuser Myositis beginnt die 
Veränderung in den Blutgefässen des interfibrillären Gewebes, erst secundär 
leidet die Muskelsubstanz. In vernachlässigten Fällen tritt ev. unheilbare 
Atrophie ein. P i n k u s (Breslau). 

Fournier. Frequence relative des accidents du tertia- 
risme. Bulletin medical. 3. Mai 1896. Rcferirt im Journal des n.al. cut. 
et syph. 1896, pag. 368. 


Fournier fand unter 4000 tertiär syphilitischen Fullen: 


llautatlectionen 

3P8 

Proc. 

Sarcocele 

6T 

Proc 

Tabes 

16*9 

n 

Zu ngen erschein ungen 

5*7 

n 

Gehirnsyphilis 

15 0 

V 

Afleetionen d. weichen Gaumens 

50 

7) 

K li oc h e n a Ile c t i o n 

11-4 

v> 

Progre ss i ve Para 1 yse 

•Pu 

r» 

Gummata 

6*3 

r> 

Beiällcnsein der Nasenknochen 

3*4 

n 


Afteetion d. harten Gaumens 2 55 Proc. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 


Fournier (de Briey). Reinfec t-ion sv p h i 1 i t i q u e. Gazette 
hebdornadaire de niedecine et de Chirurgie. Nr. 71., 1896. 

Beim französischen medicinischen (’ongress in Nancy berichtete 
Fournier über einen hall von Reinfectio syphilitica. Die erste Infec- 
ton lag 15 Jahre zurück und war damals 5 Jahre lang intermitüreiid 


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der Syphilis. 


449 


nach Fournier mit Quecksilber behandelt worden. Patient hatte dann 
geheiratet, 3 gesunde Kinder gezeugt und sich stets wohl gefühlt. 
Fournier schliesst daher: die Syphilis ist bei der intermittirenden Hg- 
Behandlung nach Fournier bei manchen Personen in 5 Jahren voll¬ 
ständig heilbar, denn sonst hätte sein Patient nicht die 2. Lues acquiriren 
können. In der Discussion wendete sich Barthelemy — da in Frank¬ 
reich eine Reinfection nicht anerkannt wird — besonders gegen die 
deutschen Angaben von Reinfectio syphilitica. 

Spiegelhauer (Breslau). 

Goldenbei*g, S. M. 2 Fälle von Reinfectio syphilitica. 
Jeszenjedelnik. 1895. Nr. 37, pag. 531—532. Russisch. 

Goldenberg beschreibt zwei Fälle von Reinfectio syphilitica, 
welche bei der ersten Infection ebenfalls unter seiner Beobachtung sich 
befanden. — Der erste Pat. war zum ersten Male inficirt im Juni 1891 
und die Reinfection mit deutlichen primären und secundären Erschei¬ 
nungen trat nach 4 Jahren auf. Der zweite Pat. wurde wegen seiner 
ersten luetischen Erkrankung im Januar 1892 behandelt und nach 3 1 /, Jahre 
trat eine Reinfectio syphilitica auf ebenfalls mit deutlichen primären 
und secundären Erscheinungen. Goldenberg schliesst seine Mittheilung 
mit der Bemerkung, dass die genannten Fälle insofern interessant sind, 
als sie hinweisen 1. auf die vollständige Heilung der Syphilis, 2. auf 
Reinfectio syphilitica und 3. dass die einmal durchgeinachte luetische Er¬ 
krankung keinen Einfluss auf die Abschwächung der Form der neuen 
syphilitischen Erkrankung hat. A. Grünfeld (Rostow am Don). 

E. H. I. C ommunication de la syphilis par an enfant. 
ä sa nourrice. Responsabilite des parents. II. Silence du medeein. 
Responsabilites. Ruf. in la medccine moderne. Nr. 100. 1890. 

Der Pariser Gerichtshof hat eine sehr interessante Entscheidung 
in einem Rechtsstreit gefallt, in dem es sich um Uebertragung der Syphilis 
eines anfangs gesunden resp. gesund erscheinenden Kindes auf Amme und 
consecutiv auf deren Mann und Kind handelte. — Beide Kinder starben 
und die Amme endete durch Selbstmord. Die angestrengte Klage wurde 
vom Seinetribunal mit folgender Begründung zurückgewiesen: 1. Die 
Amme resp. ihr Mann kann nicht beweisen, dass durch das fremde Kind 
die Krankheit auf sie übertragen worden sei. 2. Können sie nicht be¬ 
weisen, dass das Kind die Syphilis schon gehabt habe, als sie es in Pflege 
genommen. 3. Vorausgesetzt, dass das Kind die Syphilis bereits vorher ge¬ 
habt hat, können die Kläger doch niclit beweisen, dass seine Eltern es 
gewusst haben. Der von der Amme Mann angerufene Appellationshof holte 
das Gutachten Fournier’» ein und gab ihm besonders zwei Punkte 
zu beantworten: 1. ob die bei der Amme sicher constatirte Lues auch 
von dem Pflegling stamme und woher dieses dann wieder seine Syphilis 
habe, 2. ob die Eltern des syphilitischen Kindes zur Zeit, als sie es der 
Amme in Pflege gaben, gewusst hätten, dass das Kind diese Krankheit 
auf die Amme übertragen könne. Fournier gab folgendes Gutachten 
ab: Es steht zweifellos fest, dass der Pflegling von hereditärer Lues be- 
Archiv f. Dcrmatwl. u. £\phil. Kami XXXIX. 29 


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4f»f) Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

fallen war und diese Krankheit auf seine Amme übertragen hat, von der 
wieder ihr Mann und ihr Kind syphilitisch wurden. Ueber den zweiten 
Theil der ersten Frage konnte der Sachverständige keine sichere Aus¬ 
kunft, geben, da sich weder bei Vater noch Mutter des Pfleglings trotz 
genauester Untersuchung Syphilis resp. Residuen von ihr nachweisen 
liessen, dass aber die Syphilis des Kindes von einem der Eltern „resp. Er¬ 
zeugern“ herrühre, sei sicher, jedoch Hesse sich nicht sicher sagen, von 
wem. Er fügte noch hinzu, dass derjenige Theil, welcher sich schuldig 
gefühlt hätte, es nicht hätte zugeben sollen, dass das Kind einer Amme über¬ 
geben würde. Bei der Verhandlung berief sich der klägerische Anwalt 
auf eine nn April (19,) 1874 vom Pariser Gerichtshof gefällte Entschei¬ 
dung, wonach in einem ähnlichen Falle die Eltern als solche (bei der 
Mutter war die Syphilis nachgewiesen) verurtheilt worden waren, ohne 
dass das Gericht darnach gefragt hatte, ob die Eltern von der Krankheit 
ihres Kindes gewusst. Der Gerichtshof wies jedoch die Klage mit folgender 
Begründung zurück: In der Erwägung, dass es ungerecht sei, „beide u Ehe¬ 
leute zu verurtheilen, da einestheils eine gesunde Frau von einem syphili¬ 
tischen Mann, ohne selbst syphilitisch zu werden, ein syphilitisches Kind 
gebären könne, umgekehrt aber auch die Frau syphilitisch und der Mann 
gesund sein und bleiben könne und drittens aber auch beide gesund sein 
könnten — jedoch nicht der Hausfreund — sei die Klage fallen zu lassen, 
da der schuldige Theil, von welchem der Pflegling die Syphilis gehabt 
habe, nicht zu ermitteln sei. Im Anschluss hieran macht Dr. H. auf¬ 
merksam auf die Verantwortlichkeit des Arztes, was das Ammenwesen 
betrifft und weist auf eine Entscheidung des Civilgerichtes von Amiens 
(12. August 1893) bin: da der Hausarzt eine Amme gestattete, da er 
diese auf Kosten der Eltern immerfort besuchte und da die Syphilis auf 
die Amme beim Stillen übertragen wurde, so kann die Amme nicht nur 
die Eltern — sondern auch den Arzt verklagen. Denn der Arzt kann 
nicht beweisen, dass er die Amme nur auf Kosten der Eltern besuchte, 
dass er ihr die Krankheit des Kindes nicht zu verheimlichen hatte und 
dass sein Stillschweigen nur bestand in einer Unterlassungssünde, die mit 
seiner Verantwortlichkeit als Arzt nichts zu thun hatte: Der Arzt bat 
sicher, sobald dich bei dem Kinde Zeichen von hereditärer Lues zeigen, 
die Pflicht, Massnahmen zu treffen, dass die Amme nicht augesteckt wird. 

Theodor Spiegelhauer (Breslau). 

Hawthorne. A Syphilitic Family History. — The Glasgow 
Medical Journal. April 1896. pag. 291. 

Hawthorne berichtet über eine Familie, deren überlebende Mit¬ 
glieder mehr oder weniger ausgeprägte Symptome von Lues hereditaria 
darbieten (Hutchinson’sche Zahnbildung, Keratitis interstitialis etc.). 
Die Eltern sind todt; über ihre Lues ist nichts bekannt. Die Mutter war 
7 Mal gravid; ein Abort im vierten Monat, 2 Kinder ganz jung an 
„Hydrocephalus“ (?) gestorben. — Interessant ist es, dass die hereditären 
Luessymptome bei den 4 überlebenden Kindern unregelmässig in ihrer 
Intensität sich darbieten, und nicht — wie es gewöhnlich der Fall zu 


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der Syphilis. 


451 

sein pflegt — die Hocbgradigkeit der LueseinWirkung allmälig von Geburt 
zu Geburt abnirnmt. — Bei dem sechsten Kinde trat im 14. Lebensjahr 
paroxysmale Hämoglobinurie auf, welche nochmals reeidivirte. Verf. 
rechnet dieses Symptom zu den Folgeerscheinungen der Lue« und führt 
einige Literaturdaten an, welche dasselbe erweisen sollen. P i n n e r. 

Howard, Faxten Collius. Bericht über einen Fall von Rein- 
fectio syphilitica. Journal of cut. and genito-urin. Diseases. Aug. 1896. 

Der 28jährige Patient, ein Minenarbeiter, hatte vor 8 Jahren einen 
Schanker gehabt, dem Secumlärerscheiimngen gefolgt waren. Die von 
demselben herrührende Narbe ist an der Dorsaliläche des Penis etwa 
einen halben Zoll von der Glans entfernt localisirt. Der Schanker erschien 
damals 21 Tage nach dem Beischlaf. Später entwickelte sich Roseola am 
Körper, Alopecie und Plaques mouqueuses in Mund und Rachen. Die Be¬ 
handlung wurde zur Zeit über 2 Jahre ausgedehnt, während welcher Zeit 
Patient zweimal Curen in den heissen Quellen zu Arkansas durchmachte, 
gleichzeitig von competenten Aerzten mit Hg behandelt wurde. Während 
der ersten Monate nach der Erkrankung litt er öfters au Plaques mou¬ 
queuses im Munde. Er blieb dann 6 Jahre vollständig frei von syphiliti¬ 
schen Erscheinungen. Als Yerf. ihn vor einem Jahre sah, litt er an 
rheumatischen Beschwerden, die er auf seine Beschäftigung als Minen- 
arbeiter schob. Von Lues waren Symptome nicht zu finden. 9 Jahre nach 
dem ersten Schanker und 28 Tage nach dem Coitus erschien ein Schanker 
an der Dorsaliläche des Penis nahe der Corona, dessen Narbe vom Verf. 
noch gesehen und gefühlt werden konnte. 6 Wochen später entwickelten 
sich Plaques in der Umgebung des Anus, die mit veischiedenen Salben 
ohne Erfolg behandelt wurden. 2 Wochen später und 2 Monate nach dein 
Erscheinen des Schankers erschien eine Eruption auf der Kopfhaut und 
am Ende der 10. Woche eine Plaque mouqueuse an der Unterfläche 
der Zunge links vom Frenulum; in der 13. Woche nachher entwickelten 
sich Flecke in der rechten Glutealgegend von der Glosse eines 25 Cent¬ 
stücks, dunkler Farbe, exeoriirt und schwer heilend; in der 17. Woche 
der Erkrankung sah ihn Verf. und constatirte epitrochlere, suboccipitale 
und inguinale Drüsenschwellung. Collius hält diesen Fall für eine reine 
Reinfectio syphilitica, den einzigen Fall, den er in seiner grossen Praxis 
mit Sicherheit constatirt hat. R. Ledermann (Berlin). 

Jacquinet. Contribution ä l’etude de la tubercu lose pul¬ 
mo n a i r e chezlesayphilitiques. These de Paris, 1895. lief, im Journal 
des maladies cutanees et syphilitiques 1895. pag. 377. 

Jacquinet schildert die ungünstige Prognose, die eine Combi na- 
tion von Tuberculose und Syphilis bieten, indem gewöhnlich die Tuberculose 
dabei in dem durch Lues schon geschwächten Körper schnellere Fortschritte 
mache und jeder Versuch, die Lues zu behandeln, die Tuberculose 
verschlimmere. Eine möglichst peinliche Prophylaxe sei also jedem Luetiker, 
besonders mit Mund-, Rachen- oder Larynx-Erscheinungen dringend an- 
zurathen. Paul Ne iss er (Reuthen O. S.). 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


452 


Lefour. Syphilis et grossesse. Societe d'anatomie et de 
Physiologie de Bordeaux. Journal des maladies cutauees et svpbilitiques 
181*5. pag. 2*24. 

Lefour demonstrirt eine einem 3 Monat alten Kinde amputirte 
supplementäre grosse linke Zehe. Die Vorgeschichte der Eltern ist folgende: 
Der Ehegatte, der 1880 sich luetisch inhcirt hatte, steckte 1885 bald nach 
seiner Verheiratung seine Gattin an. 1887 am Ende des 7. Monats der 
Gravidität Ausstossuug zweier macerirter Früchte, 1889 im 8. Monat 
Frühgeburt eines nach 24 Stunden zu Grunde gegangenen Kindes. 1891 neue 
Gravidität mit Hydramnios und Geburt (durch Wendung) einer macerirten 
Frucht. Nach sehr energischer antisyphilitischer Behandlung beider Ehe¬ 
gatten Geburt des bis auf die Missgestaltung völlig normalen 3V. Kilo 
wiegenden Kindes, bei dem sich auch während der 3 Monate seines 
Lebens keine Zeichen von hereditärer Lues zeigen. Vortragender schliesst 
seine Demonstration mit der Frage, ob man diese Missgestaltung in Ver¬ 
bindung mit dem dabei vorgekommenen Hydramnios nach dem Vorgänge 
Fouruicrs der vorangegangenen Syphilis in die Schuhe schieben solle 
oder ob man an ein Versehen (die Mutter soll während ihrer Gravidität 
über einen Arbeiter mit einem amputirten Daumen heftig erschrocken 
sein) denken solle. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Lesser, E. Unter welchen Bedingungen dürfen Syphi¬ 
litische heiraten? (Therap. Monatsh. 189b, lieft 8.) 

Den Syphilitischen bedrohen in der Ehe hauptsächlich zwei Gefahren, 
die des Auftretens schwerer Tertiärerscheinungen und die der Feber¬ 
tragung der Krankheit auf die Familienmitglieder. Die erstere darf, da 
tertiäre Erscheinungen, wie Lesser als feststehend annimmt, nicht 
ansteckend sind und nur in einer Minderheit der Fälle auftreten, nicht 
als Ehehiuderniss betrachtet werden, zumal wenn in der „Secundär“- 
Periode eine sorgfältige und energische Hg-Behandluug stattgefun¬ 
den hat. Ausgenommen hiervon sind natürlich die Fälle, die schon 
schwere tertiäre Erkrankungen durchgemacht haben. Die Gefahr der An¬ 
steckungsfähigkeit erlischt wenigstens bei Männern, die vornehmlich hier 
in Frage kommen, nach L. gleichzeitig mit derjenigen der Vererbbarkeit. 
Da nun die Febertragbarkeit der Syphilis durchschnittlich etwa 3 Jahre 
nach der Infection erlischt, so verlangt L. als absolutes Minimum eine 
Zeit von 3 Jahren, nach Ablauf deren der Syphilitische im Allgemeinen 
heiraten darf, wobei selbstverständlich individualisirt werden muss; 
wenn möglich, sollen 5—6 Jahre /wuschen Infection und Heirat ver¬ 
strichen sein. Karl Herxheim er (Frankfurt a. M.). 

Marechal, G. Recherclis s u r fauto i n o c u 1 a t i o n contru 
1 a Syphilis ä F a i d e du serum h u m a i n S y p h i 1 i ti q u e M i c r o b e 
specifique de la Syphilis. La M« de eine moderne. 28. Nov. 1896. 

In dieser Veröffentlichung, für welche die Redaction der „Medecine 
moderne“ jede Verantwortung in einer Anmerkung ablehnt, berichtet 
Marechal über Impfungen mit syphilitischem Serum, die er an sich 
selbst vorgenommen hat, und die mit der Entstehung einer Initialsclerose 


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der Syphilis. 


453 


mit darauffolgender Roseola endeten. Jede Injection verursachte eine 
schmerzliche Schwellung der regionären Lymphdrüsen. Aus dem Serum 
von Syphilitikern züchtete er (unter 60 Fällen 40 Mal) ein Bakterium, 
das auf menschlichem Serum und sauerem Harn leicht wuchs, nach 
Gram sich entfärbte und ganz dem Ducrey’schen Streptobacillus des 
weichen Schankers glich. Diesen Streptobacillus züchtete er auch aus 
dem Ulcus molle direct heraus. Er wächst sehr leicht und schnell. Auf 
die Neubelebung der unitarischen Theorie, welche Verfasser aus diesen 
Befunden ableitet, weiter einzugehen, verbietet der Raum. 

Felix Pink us (Breslau). 

Mracek, F ranz, ü e b e r Reinfeetio syphilitica. Wiener 
klin. Rundschau. 1896 Nr. 2, 3, 4. 

Mracek hält die meisten für Reinfeetio syphilitica angesehenen 
und als solche publicirten Fälle für Täuschungen. Es ist zum Mindesten 
nothwendig, dass entweder ein und derselbe Arzt die Kranken beide Male 
beobachtet habe oder dass über erste Erkrankung klinische Kranken¬ 
geschichten voWiegen. Anamnestische Angaben von Seiten der Kranken 
haben keinen Werth. — Mracek ist der Ansicht, dass viele recidivirende 
Sclerosen stärker % infiltrirte venerische Geschwüre, selbst Gummen, 
‘alle ohne typische andere reeente Syphilissymptome in ihrem Gefolge, 
oft für Reinfeetionen genommen wurden oder doch dafür genommen 
werden können. — Wirkliche Reinfeetionen hält Mr. dem entsprechend 
für sehr selten. Er selbst gibt nun zwei ausgesprochene, unzweifelhafte 
Reinfeetionen aus seiner eigenen Praxis mit Intervallen von je 10 und 5 
Jahren zwischen den beiden Infectionen. Beide Fälle waren männliche 
Patienten aus der eigenen Privatpraxis. Das eine Mal waren die der 
zweiten Infection folgenden Allgemeinerscheinungen ziemlich schwerer 
Natur, und zwar schwerer als die nach der ersten Infection aufgetretenen, 
im anderen Falle, bei einem Intervalle von 5 Jahren, waren die zweiten 
Allgemcinsymptome leichter Natur, d. h. solche, die auf Hg-Behandlung 
sehr bald geschwunden waren. Mracek resumirt: 1. Es gibt unzweifel¬ 
hafte Fälle von Reinfeetio und demnach eine vollkommene Heilung der 
Syphilis. 2. Der Verlauf einer zum zweiten Male acquirirten Lues muss 
keineswegs immer ein leichter sein. 3. Alle Fälle von zweifelhafter Rein- 
fection wurden das erste Mal mit Ilg. behandelt, woraus auf die Wich¬ 
tigkeit der mercuriellen Behandlung und deren Nutzen geschlossen werden 
muss. Ul 1 mann. 

Neumann, J. Pathogenese der tertiären Syphilis mit 
Rücksicht auf die Behandlung. Wiener klin. Rundschau. 1896, 
Nr. 1, 2 und 3. 

Neumann erörtert zunächst einige allgemeine Fragen aus dem 
Capitel der Pathogenese des Tertiarismus. Syphilis ist heilbar, doch 
ist eine sichere Controlle im speciellen Falle und in keiner Periode 
möglich. Weder verschuldete der Merkurialismus das Auftreten von 
tertiären Erscheinungen, noch sei die These bewiesen, dass unzureichende 
Hg-Behandlung den Eintritt tertiärer Symptome befördere. — Wichtig 


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454 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


sind die anatomischen, constitutioneilen Verhältnisse des Individuums und 
specielle Krankheitsmoraente. Netiraann hat durch 10 Jahre post in- 
iectionera Uebertragungen beobachtet auch bei tertiären Symptomen, 
wenn dieselben in den ersten Jahren auftreten. Weiterhin wird das vom 
Autor zuerst nachgewiesene und oft berührte Capitel von der Persistenz 
s> politischer Producte nach sonstigem scheinbaren Schwinden sämmt- 
lieher Symptome eingehend besprochen. An Stellen, die vielen Reiz¬ 
momenten ausgesetzt sind, Mundschleimhaut, Vola manus, Corona veneris, 
Larvnx, komme es am häutigsten zu Recidiven im secundären Stadium und 
durch Persistenz der syph. Exsudatzellen später auch zum Ausbruch von 
tertiären Erscheinungen. Nicht nur traumatische Einflüsse mechanischer, 
chemischer, thermischer Natur, sondern auch die functioneile Anstrengung 
spielt hier eine wichtige Rolle. Myositis gummosa in den angestrengten 
Muskeln. Periostitis an oberflächlich liegenden, zufälligen Traumen 
ausgesetzten Knochen. — Wichtig ist ferner der Ernährungszustand, die 
Constitution und die äusseren Lebensbedingungen für den Ausbruch von 
Tertiarismus, welcher bei mehr cultivirten Völkern seltener lind in 
milderer Form auftritt als bei Volksstämmen mit niederer Gesittung. 
Aus zahlreichen, hier vom Autor angeführten statistischen Tabellen aus 
seiner Klinik, sowie aus dem Vergleiche dieser mit den vorliegenden 
Statistiken Fournier’s, N e i s s e r ? s, 11 a s 1 u n d ? s, E hier ’s und Mar- 
schalko’s kommt derselbe ebenso wie alle genannten Autoren zu dem 
Schlüsse von der einschneidenden Wichtigkeit einer rechtzeitigen anti- 
syphilitischen Behandlung zur Vermeidung des Tertiarismus. 

Ueher die Art dieser Behandlung resumirt Redner folgendermassen: 

1. Die Syphilis ist nicht schablonenmässig, präventiv oder chronisch 
intermittirend, sondern symptomatisch, nach den für die symptomatische 
Behandlung gütigen Principien zu behandeln. 

2. Der Primäraftect wird im Allgemeinen örtlich behandelt; bei 
exeessiver Grösse, ungewöhnlicher Härte, funetiomdle Störungen verur¬ 
sachender Loealisatioii wird die Exstirpation vorgenommen, nicht in der 
Absicht, die constitutionellen Erscheinungen zu verhüten, sondern auf 
Grund der in der Chirurgie für die Exstirpation von Tumoren geltenden 
Indicationen. 

3. Die Präventivem’, zumeist in Form von Einreibungen, wird 
angewendet bei Phimose in Folge von imlurativem Oedciu des Präputium 
uud beim Sitz des Primäraflectes in der Urethra, um die Stricturirung zu 
verhüten. 

4. Die allgemeine Behandlung beginnt mit der ersten Eruption 
des Exanthems. Sie muss energisch und möglichst nachhaltig sein. 
Gegen Recidive gilt grösste Sorgfalt in der Beseitigung derselben. 

5. Eine Behandlung in der symptomlosen Periode findet nur bei be¬ 
bestimmten Eventualitäten statt: vor Eintritt in die Ehe, bei Schwanger¬ 
schaft, an einem Mann, hei dessen Frau wiederholt Abortus, Früh- oder 
Todtgeburteu stattgefundon, eventuell an der Frau selbst. 


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der Syphilis. 


455 


6. Die Aufgabe aller therapeutischen Eingriffe ist gründlichste 
Beseitigung aller Syphilissymptome, weil dadurch nach den Ergebnissen 
sämmtlicher Statistiken, die Häufigkeit der tertiären Syphilis am wirk¬ 
samsten herabgedrückt wird. 

7. Es gibt zur Zeit kein Heilverfahren, welches den Eintritt 
tertiärer Syphilis immer zu verhindern vermag. 

8. Gar nicht oder mangelhaft Behandelte liefern das grösste 
Contingent tertiärer Syphilis. 

Der chronisch intermittirenden Behandlungsmethode ist durch die 
oben angeführte Statistik, der gemäss überhaupt nur 22°/ 0 aller Syphiliti¬ 
schen tertiär werden, die Basis fast vollends entzogen. Uebrigens muss 
hervorgehoben werden, dass die nach der chronisch intermittirenden 
Methode Behandelten vor der tertiären Lues nicht mehr gesichert sind, 
als die symptomatisch Behandelten. Ullmann 

Ogilvie. De la reinfection de la Syphilis. La France 
Medicale. Nr. 43, 1896. 

Ogilvie berichtet über einen Fall von syphilitischer Reinfection. 
— Ein Arzt wurde im Jahre 1876 inficirt. Indurirter Schanker von 
inguinaler und cubitaler Scleradenitis gefolgt. Patient wurde von 
mehreren Aerzten untersucht, die mit der Diagnose Syphilis überein¬ 
stimmend Quecksilbereinreibungen verordneten. — Die Confrontation ergab 
auch ein positives Resultat, da an der Infectiousquelle deutlich secundäre 
Erscheinungen nachzuweisen waren. — Bald darauf erschien an der 
Brust und am Abdomen ein maculöses Exanthem und Plaques muceuses 
im Rachen und Munde. Nach 40 Inunctionen war das Exanthem ge* 
geschwunden, die Schleimhauterscheinungen persistirten aber noch längere 
Zeit, da Pat: starker Raucher war. Pat. hatte keine specifischen Er¬ 
scheinungen bis zum Jahre 1891, in welchem die zweite Infection statt 
hatte. Nach einem euspecten Coitus mit einer Person, die fast zu 
gleicher Zeit einen seiner Freunde mit Lues zum ersten Male inficirt 
hatte, bemerkte Pat. einen indurirten Schanker am Penis und zwar au 
einer anderen Stelle als der Erste gelegen war. Inguinale Scleradenitis. — 
Bald darauf stellte sich ein ausgedehntes maculo-papulüses Exanthem ein, 
welches an den behaarten Stellen des Kopfes und Gesichtes pustulös 
wurde. Cervicale Scleradenitis. — Da wegen einer vorhandenen Nephritis 
die mercurielle Behandlung nur recht vorsichtig angewandt werden konnte, 
blieb das Exanthem lange Zeit bestehen. Ogilvie behauptet, die syphi¬ 
litische Reinfection wäre kein stricter Beweis der Heilbarkeit der Lues, 
da Reinfectionen bei Individuen beobachtet wurden, die charakteristische 
tertiäre Symptome aufwiesen, die tertiären Erscheinungen müsse man als 
specifiseh durch Lues verursachte betrachten, da dieselben öfters mit 
secundären zusammen, wie es bei der hereditären Lues der Fall ist, auf- 
treten. v. Sachs (Breslau). 

Pellizzari, Celso. Syphilide galoppande. l’räsentazione di 
un caso Falla all Acadeiuia medico-fisiea fiorentina il 1 April. Sosperi- 
mentale XLIX, Nr. 11. — p. 202. 


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456 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Pellizzari demonstrirte eine 20jähr. Frau, welche an der Haut 
ein schweres knotig-orbiculäres und tief ulcerirendes Syphilid mit Bildung 
von Rupiaborken zeigte. Die Infection dürfte drei Monate vorher an 
der Mamma erfolgt sein durch ein fremdes Kind, das sie gestillt hatte. 
Der Grund, dass die Syphilis so ausserordentlich rasch und heftig ver¬ 
lief, dürfte darin gelegen sein, dass die Frau eine Stillende war. Ihr 
eigenes Kind, Anfang September des Vorjahres geboren, zeigte keine 
Symptome von Syphilis, obzwar sie es gleichfalls gestillt hatte, und dürfte 
nach Pellizzaris Ansicht durch die Milch der erkrankten Mutter 
immunisirt worden sein. Ref. Dr. Spietschka (Prag). 

Rochon. De 1 a virulence de sperrae d ans 1 a Syphilis 
secondaire. La Medicine moderne. 1898, Nr. 30. 

Rochon beobachtete folgenden Fall: Ein Mann heiratete mit einer 
noch verhältnissmässig frischen Lues. Aus Furcht, ein syphilitisches Kind 
zu zeugen, entleerte er seine Spermaflüssigkeit nicht in die Vagina, sondern 
auf das Abdomen der Frau, welche alsbald mit einem Chancre geant 
am Nabel sich vorstellte, dem später ein Exanthem folgte. 

Dass in solchem Falle nicht das Sperma an sich infectiös zu sein 
braucht, lehrte ihn eine andere Beobachtung. Ein junger Mann, 
dessen Lues 1V, Jahr alt war, hatte zuletzt eine Gonorrhoe, es fanden 
sich bei ihm noch Spuren von Secret ohne Gonoccen. Pat. coitirte 
und brachte sein Verhältnis, bei welchem eine Infection durch einen 
Anderen angeblich ausgeschlossen war, mit einem Primärallect an der 
Vulva nach einigen Wochen zur Behandlung. Rochon unterzog beide 
einer Hg-Cur, und alsbald schwand beim Manne das Urethralsecret. 

Verf. bespricht im Anschluss hieran die verschiedenen luetischen 
Affectionen der Wege, welche das Sperma zu passiren hat, und die Gelegen¬ 
heitsursachen, welche dem Sperma auf seinem Wege die Beimischung von 
luetischem Material bewirken können. Er kommt dabei zu Schlüssen, 
welche besonders für die Frage der Intrauterininfection und der concep- 
tionellen Lues nicht uninteressant sind. P inner. 

Ross, F. d. Js. Syphilis An taganistic to Tuberculosis. 
Medical Record. 189f>, 15. Feh. 

Ross’ zweifellos syphilitischer Patient ein lSjährigcr Mann, 
erkrankte au Lues wurde mit, Hg. u. JK behandelt; es besserten sich auch 
die Erscheinungen der Tuberculose. — Der Mann ist noch 7 Jahre nach 
der syphilitischen Infection ganz gesund. J. 

Royet. Epithelioma de V a m y g d a 1 e c h e z u n s y p h i 1 i t i q u e. 
Journal des maladics cutanees et syphilitiques. 1895, pag. 732. 

Der Patient Roy et 1 s, ein Syphilitiker, zeigte eine sehr schmerz¬ 
hafte Ulceration einer Tonsille, welche das typische Bild eines Epithelioms 
darbot; in der Submaxillargegend und längs des Sternoclcidomastoidous 
waren schmerzhafte Drüsen fühlbar. Unter Jodkaligebraurh besserte sich 
der Zustand, namentlich die subjeotivon Beschwerden merklich. Royet 
lässt nun die Frage offen, ob es sich liier um eine durch Secundär- 


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der Syphilis. 


457 


infection veränderte syphilitische Erscheinung oder um ein durch Jod 
nur theilweise verändertes Epitheliom bei einem Syphilitiker handelt. 

Paul Neisser (Beuten 0. S.). 

Tacenicz. De l’inoculation du chancre indure sur le 
meme sujet. Przegl. Lek. 1895, Nr. 1 — 5. Referirt im Journal de9 
mal. cut. et syph. 1896 p. 120. 

Tacenicz berichtet zwei Fälle von Inoculation von Sclerosen bei 
demselben Individuum, ln dem 1. Fall zeigte sich 4 Wochen nach der 
Constatirung einer Sclerose an der Innenfläche des linken kleinen Labiums 
eine solche in der Fossa navicularis, die sich mit den Labien in 
Contact befand. Fall 2 betraf eine Frau von 22 Jahren mit einer Sclerose 
der Innenfläche der Oberlippe, circa 40 Tage später Sclerose an der 
Zunge. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Tenney. Four Selected Gases of Syphilis. Boston Medical 
and Surgical Journal. April 16. 1896. 

Tenney berichtet 4 Lueskrankengeschichten. Die eine ist inter¬ 
essant dadurch, dass er bei einem Process am weichen Gaumen auf JK- 
Darreichung keinen Erfolg sah, welcher jedoch bei gleichzeitiger Hg- 
Application alsbald eintrat.. — Bei einem anderen Patienten fanden sich 
neben anderen sicher luetischen Symptomen (Iritis, Orchitis, Plaques im 
Rachen) eine chronisch verlaufende Lungenaffection, deren Aetiologie 
nicht festzusteilen war. Der gute Erfolg einer specifischen Cur lasst aber 
die Möglichkeit einer auf luetischer Basis entstandenen Erkrankung 
nicht von der Hand weisen. Pinn er (Breslau). 

Tommasoli. Sifilide e Sifilismo. Ref. med. Nr. 96, 95, 
April c 1896. 

Tommasoli geht ausvon der Betrachtung der verschiedenen Ansich¬ 
ten von Fournier und Bo ulen gi er über die hereditäre Lues, von denen 
ersterer 5 Arten der Syphilisübertragung annimmt (1. requirirte, 2. here¬ 
ditäre (vom Vater her), 8. hereditäre (von der Mutter her), 4. mütterliche 
postconceptionelle, 5. conceptionelle), während Boulengier jede Ueber- 
tragung des Luesgiftes per ovulum bezw. per semen leugnet. Tommasoli 
bespricht nun eingehend die Beweise für und wider jede dieser beiden 
Ansichten und hebt hervor, dass ein Fortschritt in der Klärung dieser Frage 
so lange nicht zu machen sei, so lange die bisherige Einthcilung der 
Lueserscheinungen und der einzelnen Phasen der Krankheit beibehalten 
würde. Tommasoli macht folgende Unterscheidungen und nennt: 

1. „Syphilitische Infection:“ den Zustand, bei welchem im Organis¬ 
mus stets infectionstüchtiges Virus vorhanden ist, ganz abgesehen von 
der etwaigen Reaction des Körpers auf dasselbe. 

2. „Syphilitische Krankheit:“ den Zustand, in welchem a) entweder 
Virus und Toxine, oder b) nur Toxine, oder c) weder Virus noch Toxine, 
sondern nur Alexine (i. e. Producte der Producte des Virus) im Körper 
vorhanden sind. 

3. „Wahre und eigentliche Syphilis“: diejenige Phase der Krankheit, 
in Welcher die sogenannten primären und secundären Efflorescenzen 


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458 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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neben den Allgemeinerscheinungen nicht specifischer Art sich zeigen 
(cfr. Nr. 2 a und 6). 

4 . „Syphilismus : a die Phase der Krankheit, in welcher nur noch 
Alexine im Körper kreisen und welche klinisch charakterisirt wird nicht, 
nur durch die sogenannten parasyphilitischen Affectionen (i. e. allgemeine 
Schwächlichkeit, rhachitischer oder scrophulo-tuberculöser Habitus, Idiotie, 
psychische Störungen etc.), sondern auch durch Moditicationen des 
Organismus, die ihn immun machen für weitere Infectionen und durch 
einen grossen Theil der bisher „tertiär 4 genannten Erscheinungen 
(gummöse und tuberöse nicht mehr infectiöse EfHorescenzen). cfr. Nr. 2 c. 

Wendet man diese Eintheilung auf die Frage der hereditären Lues 
an, so meint Tommasoli, dass per ovulum bezw. per semen nur über¬ 
tragen werden könne „der Syphilismus 44 , dessen Träger späterhin durch 
Contact keine Infection mehr bewirken könne. Ein infectionsfähiges 
Lueskind kann nur von einer Mutter geboren werden, die — noch nicht 
im Stadium des „Syphilisraus“ — selbst noch im Stadium der „Infection 4 
steht und gleichzeitig specifische Läsionen an der Placenta hat, die ein 
Durchgehen des Virus durch das normaliter undurchlässige Filter ge¬ 
statten. 

Hiemit im Widerspruche steht der 2. Teil des C o 11 ejr - B al^mCOr’schen 
Gesetzes, welcher besagt, dass das durch den Vater bei der Zeugung 
syphilitisch gemachte, von der gesund gebliebenen Mutter geborene Kind, 
seinerseits wieder die Quelle für Infectionen anderer Individuen werden 
kann. Dem gegenüber betont Tommasoli, dass er Fälle von dieser Art 
nicht beobachtet habe. Auch hält er die Coli ersehen Beobachtungen 
ebensowenig wie den Fall von Neumann (gesunde Mutter, luetisches Kind, 
Uebertragung der Lues von diesem Kinde auf die Grossmutter) nicht für 
einwandsfrei; da in letztem Falle ihm einerseits nicht festzustehen scheint, 
dass die Grossmutter gerade von dem Enkel die Lues acquirirt haben 
müsse, und da andrerseits die Mutter des Kindes wohl eine, wenn auch 
latente, Lues mit entsprechenden Placentarläsionen gehabt haben mag. 

Schliesslich wendet er sich wieder den beiden Theorien von F o u r n i e r 
und B ou longier zu und bebt hervor, dass Bo ulengier zwar recht 
haben kann, wenn er die Uebertragung des Luesgiltes per ovulum bezw. 
semen leugnet, er aber sicher zu enge Grenzen zieht, wenn er nur 
die sogenannten parasyphilitiseben AfTectiouon für bei der Zeugung über¬ 
tragbar hält. Fournier dagegen kann nach Tommasoli darin recht 
haben, dass es eine väterliche und mütterliche „sogenannte hereditäre 
Lues“ gibt, sofern nur unter dieser bei der Zeugung übertragenen Lues 
der oben präcijirt.e „Syphilismus - verstanden wird. 

Am Schlüsse betont Tommasoli energisch, dass allerdings alle 
diei>e Erwägungen auf hypothetischer Basis aufgestellt seien, die zwar noch 
durch eingehende klinische und experimentelle Studien zu stützen seien, 
die ihm aber zur weiteren Forschung auf diesem Gebiet recht geeignet 
erscheine. Ferdinand Epstein (Breslauj. 


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der «Syphilis. 


459 


Tüchapiue. Ramollissement syphilitique du radius. 
Wratsch 1894. lief, im Journal des maladies cutanees et syphilitiques 
1895, p. 301. 

Die Kranke Tschapine’s, welche auch schon an anderen tertiären 
Erscheinungen gelitten hat, zeigt eine gummöse Erkrankung des rechten 
Vorderarms, Periostitis der Ulna und Knochengumma des um zwei Centi- 
meter gegen den linken verkürzten Radius. 3 Centimeter oberhalb des 
Processus stytoideus fühlt man über eine Fläche von 5 Cm. hin deutliche 
Erweichung und kautschukähnliche Consistenz des Knochens. Supination 
und Pronation sind sehr erschwert, die Extremität viel schwächer als die 
entgegengesetzte; trotzdem nur geringe und nicht häutig auftretende 
Schmerzen vorhanden. Paul Ne iss er (Reuthen 0. S.). 

Wioczynski. Deux cas de syphilis tive. Medycyna 1894 
Nr. 41. Ref. im Journal des mal. cut et ayph. 1890 p. 116. 

Wroczynski berichtet über einen Rectaltumor bei einem Luetiker, 
der einen bösartigen Tumor vortäuschend, doch endlich unter antisypbili- 
tischer Behandlung verschwand, und über einen Fall von Ascites bei 
einem hereditär syphilitischen Kind, der nach der Ansicht des Verfassers 
durch die Vena porta comprimirende Gummata bedingt war und ebenfalls 
unter Quecksilberbehandlung verschwand. Paul N e i s s e r (Reuthen 0. S.). 

Zelenev. Un cas de chloro-anemie syphilitique avec 
oedeme sans a 1 bumin e gueri par 1 e mercure. Mediz. Obozreniei 
1895 Nr. 2. Ref. im Journal des mal. cut. et syph. 1895 p. 629. 

Der 25jährige Patient Z e 1 e n e v ’ s, dessen Knochenbau deutliche 
Zeichen einer hereditären Syphilis aufwies, wurde mit einem Gumma der 
hinterenHalsgegend,heftigen nächtlichenKopfschmerzen und einem innerhalb 
der letzten 21 Stunden entstandenem Gedern fast der gesammten Körper¬ 
oberfläche in das Krankenhaus aufgenommen; ausserdem litt er seit 
längerer Zeit an Malaria, deren heftige Anfälle auch im Hospital zu 
constatiren waren. Albumen im Urin war nicht zu constatiren; die Blut¬ 
untersuchung ergab eine bedeutende Verminderung der rothen Blut¬ 
körperchen und des Hämoglobingehalts und eine Vermehrung der Leukocyten 
Unter täglich vorgeuommenen Injeotionen von 2 Cm. 1% Hydr. benzoic- 
Lösung besserte sich der Zustand merklich; nach 30 Injectionen war 
eine bedeutende Vermehrung der rothen Blutkörperchen und des Hämo¬ 
globingehalts, ebenso ein Verschwinden des Gederns wie der Malariaattaquen 
zu constatiren. 

Vortragender lässt die Frage offen, ob das Hvdrargyrum durch 
die Heilung der Lues nur auf den Körper kräftigend und auf diese Weise 
indirect auf die Malaria, oder ob es direct auf die Malariaplasmodien 
vernichtend gewirkt habe. Paul N e i s s e r(Beuten 0. S.). 


Syphilis: Haut, Schleimhaut, Knochen und Gelenke. 

Audry, Ch. Surune syphilide polymorphe de la langue. 
Lvmphangiectasie syphilitique. Journal des mal. cut. et syph. 1895, p. 652. 


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460 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


Die Patientin, die ebenso, wie ihr Mann, auf extragenitalem Wege 
inficirt worden war, zeigte, als sie in Audry’a Behandlung kam, sehr 
hochgradige Zungen- und Mundaffectionen, die alle nach einer anti- 
syphilitischen Cur verschwanden; nur am rechten Zungenrande hatte sich 
inmitten gesunder Schleimhaut ein gestielter nussgrosser Tumor ent¬ 
wickelt, der von Audrj^ mit dem Galvanokauter entfernt wurde. Die 
mikroskopische Untersuchung des Tumors ergab jugendliches, embryo¬ 
nales Gewebe, reichlich durchsetzt mit Lymphgefassen, und nur stellen¬ 
weise von einer sehr veränderten Schleimhaut bedeckt. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Balzer. Du ehancre syphili tique. Journal des mal. cut. et 
syph. 18115, p. 655. 

In dem nichts Neues bringenden Vortrag bespricht Balzer die 
Diagnose der Sclerosen und ihr verschiedenes Aussehen, je nachdem 
dieselben auf Schleimhäuten oder der Hautoberfläche sitzen. Er erwähnt 
sodann die extragenitalen, von denen er besonders die Lippen-, Zungen-, 
Tonsillen- und Kectalsclerosen hervorhebt. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Bayer. Chane re de Pamygdale. Soc. Beige d’otologie et de 
laryngol. ref. in Gazette hebdorn. de med. et derchir. Nr. 51, 18%. 

Bayer: Fall von hartem Schanker der Mandel. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Berger. Sur le traitement du retrecissement syphi¬ 
li tique du rectum. Societe de cliirurgie; seance du 14. October 1896 
ref. in La medccine moderne Nr. 84, 1806. 

Berger spricht zu der Behandlung der syphilitischen Rectum - 
stricturen mittelst Dilatation, über die in der vorhergehenden Sitzung 
Ueclus einen Vortrag gehalten. Diese von Gosselin empfohlene 
Methode war in Vergessenheit gerathen. Berger hat durch sie vor¬ 
treffliche Resultate gesellen. Jedoch muss sie vorsichtig und nicht über¬ 
hastet angewendet werden, so dass nicht jeden Tag ein Dilatations¬ 
versuch stattlinden darf; ferner muss das Bougie gemäss der in Folge 
der Stricturirung veränderten Axe des Rectum eingeführt und zwar lang¬ 
sam eingeführt werden, um den durch die Ulcerationen bedingten 
Spasmus zu überwinden. Einhergohen muss eine Behandlung der be¬ 
stehenden Rectitis mit antiseptischen Ausspülungen u. s. w. Besondere 
Vorsicht ist nothwendig, falls nacli dem Coupiren Fieber, peritonitische 
Erscheinungen, Analschmerzen u. s. w. auftreten. Contraindication: de¬ 
solater Zustand des Patienten und hoher Sitz der Strictur (10—15 Cm. 
oberhalb der Analöffnung). In diesen Fä llen ist die Rectotomie, nicht die 
Exstirpation des Rectum angezeigt. 

Quaser hat gute Resultate durch Anlegung eines amis praeter¬ 
naturalis (Ueumsehlinge) gesehen, in Folge dessen — die stricturirende 
Stelle war exstirpirt. — der begleitenden Rectitis Gelegenheit zum 
Ausheilen gegeben. Aehnlich Schwartz. Im Schlusswort betont Reclus, 


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der Syphilis. 


461 


dass er nur habe darlegen wollen, dass durch vorheriges Einführen von 
Cocaintampons die Dilatation schmerzloser würde. 

Theodor Spiegelhauer (Breslau). 

A. Bruck. Zur Syphilis des äusseren Ohres. (Aus Dr. 
B. Baginsky’s Polyklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten.) 
Berlin, klin. Wochenschr. 1896, Nr. 8. 

Bruck theilt einen Fall von sog. breiten Condylomen beider 
Gehörgänge mit, bei welchem an der linken Ohrmuschel ein framboesi- 
formes Syphilid aufgetreten war. Gerade diese letztere Form ist, wie 
Ref. im Gegensatz zu dem Verfasser hervorheben mochte, nicht allzu 
selten am äusseren Ohre zu beobachten, wie jeder erfahrene Syphili- 
dologe weiss. Karl Herxheimer (Frankfurt a. M.). 

Brunou. Le chancre syphilitique des fosses nasales. 
These de Lyon 1895. 

Brunon hat 30 Fälle von Schanker der Nasenschleimhaut ge¬ 
funden; er entgeht der Beobachtung oft, zumal die Saduration fehlen oder 
sehr gering sein kann. J. 

Cänas, M. Chancres syphilitiquessuccessifs, ä origines 
es pacees. La Loire medioale 15 Apr. 1895. Ref. im Journal des ma- 
ladies cutanees et syphilitiques 1895, p. 306. 

Der Patient Genas’ zeigt 3 in verschiedenen Intervallen (am 12., 
18. Januar und 1. Febr.) aufgetretene Sclerosen, die derselbe von der¬ 
selben Person in 5mal in gleichen Zwischenräumen, zuletzt am 
23. Deceraber, wiederholtem Beischlaf acquirirt hatte. Nebenbei zeigt er 
ein maculo-papulöses Exanthem und Scleradenitis. 

Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Cutler. A case of syphilitic onychia. The New York 
derm. soc. 26. März 1895. The Journ. of cut. and gen. ur. dis. 1895, p. 383. 

Die syphilitische Affection der Nägel wurde von Cutler drei 
Monate nach der Infection beobachtet. Afticirt waren die Nägel beider 
Hände und Füsse. Die Behandlung bestand in Kurzschneiden der Nägel 
und Application von Mernrialpflaster. Discussion: Allen sah bei einem 
vor 3 Jahren inticirten Kranken erythematöse Ringe am Hörsum und 
der Vola der Hände erscheinen, die wie Erythema iris aussahen: gleich¬ 
zeitig wurden alle Nägel an beiden Händen brüchig. 

Cutler sagte, dass dieser Fall von Nagederkrankung der erste, 
ihm bekannte ist, bei dem die Nagelaffection so bald nach der Infection 
auftrat. 

Alexander hat in 5 oder 6 Fällen von Onychia syphilitica ohne 
Paronychia, die er gesehen und behandelt hat, nie irgend einen günstigen 
Einfluss von der Localtherapie beobachtet. 

Elliot glaubt sogar, dass die locale Therapie die Alleet-ion ver¬ 
schlimmere. Er empfiehlt local Zinksalbe und intern Quecksilber. 

Klotz hält auch locale Behandlung für wenig nützlich und em¬ 
pfiehlt nur Schutz der Finger gegen äussere Schädlichkeiten. 

B. Leder m a n n (Berlin). 


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Bericht über die Leistung» n auf dem Gebiete 


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4t»2 


Davezac. Gommes du genou. Presentat ion de malade. 
Societe de medecine et de Chirurgie de Bordeaux. Journal des mala- 
dies cutaneeB et syphilitiques. 1805. p. 019. 

Die Patientin Davezac's zeigte an dem rechten Knie einen 
tiuctuirenden Tumor, während an dem linken Knie mehrere kleinere 
furunkulöse Tumoren zu eonstatiren waren. Trotz unsicherer Anamnese 
installirte D. eine antisyphilitische Behandlung mit gutem Erfolge, da 
der Tumor rechts bedeutend verkleinert, die linksseitigen fast völlig ver¬ 
narbt sind. Bei der Seltenheit derartiger Localisation von Gummata hielt 
Verf. den Fall für wichtig genug, um ihn zu demonstriren. In der Dis- 
cussion erwähnte Court in und Armaignae ähnliche Fälle von 
Gummata auf dem Fussrüeken und in der Kuiegegend. 

Paul N ei sser (Beuthen 0. S.). 

üeutu. N o u v e 11 e s considerationssur 1 a leucokeratose. 
La Medicine Moderne. Nr. 85. 1800. 

Deut u hat bereits 1894 auf dem Chirurgencongress zu Lyon sieb 
dahin ausgesprochen, dass die Leucokeratose der Mund- und Zuugen- 
sehleimhaut, welche er als einen Verhornungsprocess der Mucosa autfasst, 
häufig den Grund für das Entstehen eines Epithelioms abgibt. Seine 
weiteren Beobachtungen bestimmten ihn, jetzt jede Leukoplakie als ein 
Carcinorn im Ruhezustände anzusehen, welcher jeden Augenblick durch 
Wachstliumsvorgänge seinen Charakter auch klinisch äussern kann. 

Seine hauptsächlichen Schlüsse uus den beobachteten Fällen sind 
folgende: 1. Das Carcinorn hei Leucoplakie ist kein Aecidenz im Verlauf 
der Krankheit, sondern das letzte Stadium derselben. 2. Dieses End¬ 
stadium kommt aber im Verhältnis« nicht oft genug zur Beobachtung. 
3. Die Carcinome haben nicht so sehr das ihnen sonst zukomraende Be¬ 
streben, das submueöse Gewebe zu infiltriren und in die Lymphdrüsen 
zu metastasire». 4. Die Entwickelung ist langsamer und der Verlauf der 
Krankheit weniger schwer als hei anderen Carcinomen. 5. Eine früher 
radicale Entfernung der einzelnen Stellen ist rationell und geboten, ohne 
Bücksicht auf das klinische Bild. Pinn er (Breslau). 

Dionisio. Sopra alcune forme poco note di sifilide 
tertiaria del naso. Gazzetta Medica di Torino 11 guigno 1890. Nr. 24. 

Dionisio macht auf eine bisher wenig oder gar nicht beschriebene 
Form der tertiären Lues der Nase aufmerksam. D. fand in einigen Fällen 
(3 von ihnen sind mit eingehender Krankengeschichte angeführt) als Ur¬ 
sache einer erst in den letzten Monaten ein getretenen Verstopfung eines 
bezw. beider Nasenlöcher, eine derbe Infiltration und Schwellung der 
Schleimhaut der unteren Muscheln, so dass letztere meist das Septum 
berührten. Die Affection, die er Rhinitis sclerosans tertiaria nennt und 
welche jeder andern Therapie trotzte, ging auf antiluetisehe Behandlung 
prompt zurück. Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass weder 
gleichzeitig noch vor dem Eintritt der Sclerosirung irgend welcher 
Katarrh mit Seeret oder irgend welcher Geschwüren - Process zu con- 


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der Syphilis. 


4(33 


statiren war. D. stellt diese Art der Nasenerkrankung in Analogie mit 
der Hepatitis interstitialis syphilitica. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Evans. Chancre of the Tonsil and Tongue with Report 
of four Cases. Medical News 1896. Mai 9. 

Evans bespricht kurz die Differentialdiagnose zwischen Carcinom 
und Initialaffect ira Munde und fügt vier Krankengeschichten bei von 
Tonsillarschankern. — Nachdrücklich betont er, dass die Lues nicht immer 
durch sexuellen Verkehr übertragen wird. Da diese Ansicht noch nicht 
genügend bei den Aerzten durchgedrungen, wird nicht selten die Dia¬ 
gnose eines extragenitalen Primäraffectes verfehlt. Pinner (Breslau). 

Federici. Sifilide terziaria; Gomma sifilitica nel 
cellulare periorbitale. Gazzetta degli ospedali e delle 
cliniche. Nr. 152. 1896. 

Ira Anschluss an die Krankengeschichte eines Falles von tauben- 
eigrossem, zum Theil schon erweichtem Gumma am Oberaugenhöhlenrande, 
bespricht Federici ausführlich die Differentialdiagnose dieser Affection 
mit andern in dieser Gegend vorkommenden Tumoren (Dermoidcysten, 
Chondromen, Atheromen, suhperiostealen Hämorrhagien, Carcinomen, 
Sarcomen, Abscessen, tuberculösen Granulationsgeschwülsten etc.). Was 
die Therapie anlangt, so wurde durch 14 Gr. Jodkali (pro die 1 Gr.) nach 
Entleerung der eingeschraolzeneu Tumormassen durch Incision ein voll¬ 
ständiger Erfolg erzielt. — Bei den Fällen von luetischen Spätformen, 
namentlich gummöser Art, gleichzeitig mit dem Jodkali, oder allein, 
Quecksilber anzuwenden, hält Federici nicht für empfeklensw r erth. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Fournier. Ulcera sifilitica digitale. Journ. de med. et 
de chir. ottobre 1895. Ref. in 11 Morgagni 4. Aprile 1^96. 

Als Haupttypen des Primäraffectes am Finger stellt Fournier 
folgende Formen auf: 1. Das Ulcus hypertrophicum. 2. Das syphilitische 
Panaritium. 3. Das Ulcus fungosum. Alle diese Formen können dia¬ 
gnostisch grosse Schwierigkeiten bieten, zumal da auch Entwickelung und 
Verlauf häufig viele Variationen, aber wenig Charakteristisches aufweisen. 
Im Verlaufe schwellen die Cubital- oder die Axillardrüseu, manchmal 
Leide gleichzeitig. Obgleich von 49 digital infieirten Patienten 14 ter¬ 
tiäre — zum Theil sehr schwere — Erscheinungen in der Folge zeigten, 
so glaubt doch F., dass für die hohe Procentzahl der ungünstig ver¬ 
laufenen Fälle der Sitz der Eingangspforte nicht verantwortlich gemacht 
werden dürfe; denn einerseits sind manche digitale Infeetionen von einem 
ausgesprochen gutartigen Verlaufe gefolgt gewesen, andererseits muss 
berücksichtigt werden, dass so manche Digitalschanker erst spät dia- 
gnosticirt und demgemäss erst spät specifisch behandelt werden. Schliess¬ 
lich spielt hiebei noch eine grosse Rolle der Umstand, dass unter den 
14 schwer verlaufenen Fällen 10 inficirte Aerzte sich finden, bei denen 
die Prognose für den Verlauf der Syphilis schon deshalb etwas un¬ 
günstiger zu stellen ist, weil bei ihnen die Depression nach der Infection 
in Folge der genaueren Kenntnis der eventuellen Folgen, die Ueberan- 


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464 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 

strcngung durch Berufspflichten und die Möglichkeit, dass die specitische 
Cur in Folge eines therapeutischen Skepticismus oder des Mangels einer 
einheitlichen Directive, nicht energisch genug durchgeführt werde, grösser, 
als bei andern Patienten ist. Ferdinand Epstein iBreslau). 

Gangolphe, M. Osteo-myelite gommeuse du tibia. Soc. 
des Sciences med. de. Lyon. Seance de 29 avril 1896, ref. in La province 
mediiale. 2. Mai 1896. 

Gangolphe stellt einen Patienten vor, der vor 8 Jahren eine 
Lues acquirirt hatte und nun seit einem Jahre an Schmerzen in der 
linken Tibia leidet. Diagnose: Gummöse Osteomyelitis. Da Quecksilber und 
Jodkali (6 Gr. pro die!) keinen Erfolg hatten, wurde die Tibia mit 
Hammer und Meissei eröffnet. Es fand sich kein Sequester, aber die 
Schmerzen hörten nach dem Eingriff auf. Gangolphe empfiehlt daher 
in den seltenen Fällen von gummöser Osteomyelitis, in denen Jodkali 
im Stiche lässt, chirurgisch vorzugehen. 

Ferdinand Epstein Breslau). 

Gagniere. Sur une ulceration de la fourehette due ä la 
presence d’un c r i n de Florence, et avant u m u 1 ö un chancre 
in fectant. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 471. 

Gagniere berichtet einen recht interessanten diagnostischen 
Irrthum. Eine Prostituirte, die einige Monate vorher entbunden hatte, und 
der wegen leichter Scheideneinrisse einige Nähte gelegt worden waren, 
wurde mit der Diagnose: Ulcus induratum eingeliefert. Bei genauem 
Zusehen stellte es sich heraus, dass die Ursache dieser allerdings 
täuschend einem indurirten Ulcus ähnlich sehende Stelle ein vergessener 
Faden war, nach dessen Entfernung nach 2 Tagen Heilung eintrat. 

Paul Neisser (Beutheu O. S.). 

Ghazarossian. Etüde clinique sur la Perforation sy¬ 
ph i 1 i t i q u e de 1 a v o ü t e p a 1 a t i n e et son traiteraen t. These de 
Paris. Nr. 240, mai 1896, ref. in Gazette hebdomad. de med. et de chir. 
28. juni 1896. 

Ghazarossian unterscheidet bei der syphilitischen Gaumen* 
Perforation (n. b. unter den erworbenen Gaumenperforationen sind die 
luetischen die häutigsten) 3 Perioden: 

1. eine Periode, die sich unmittelbar an die Infiltration der Ge¬ 
webe anscbliesst, und in welcher die Perforation sich einleitet; 

2. eine Periode, in der sich die Perforation ausbildet; 

3. eine Periode der Begrenzung des Processes (die Periode der 
relativen Reparation). 

Die letzte Periode wird günstig beeinflusst durch acute Infections- 
krankheiten, welche mit Anginen einliergehen, wie z. B. Masern, Schar¬ 
lach etc.; ähnlich wie manche Hautsyphilide durch intercurrente Ery¬ 
sipele schnell zur Heilung kommen. 

Die Diphtherie übt stets einen schädlichen Einfluss auf diese Pro- 
cesse aus. Die medicamentö^e Behandlung allein kann nur in der ersten 
Periode ausreichen. Für die zweite und dritte Periode kommt die chi- 


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der Syphilis. 


465 


rargische Behandlung in Frage, die vortheilkaft mit der medicarncntösen 
combinirt wird. Was erstere anlangt, so zieht G. die curative Uranopla- 
stik nach Baizean mit der Modilication von Tillaux der palliativen 
Prothesenbehandlung vor. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Gravagna. Uncaso di sifiloma primär io alla caruncala 
lacrimale. Gazzetta degli Ospedali e delle Cliniche. 6. guigno 1896. 

Gravagna beschreibt ausführlich einen Primäraffect der Carun- 
cula lacrimalis einer 42jährigen Krankenwärterin einer Syphilisabtheilung. 
Obgleich man anfangs annahm, dass die Patientin den Primäraffect durch 
Berührung mit ihren im Dienst inficirten Fingern erworben hätte, ergab 
die Anamnese, dass die Infection durch Küsse auf die Augen von einer 
mit einem syphilitischen Lippenschanker behafteten Patientin, welche 
mit der Wärterin ein sicher nicht platonisches Verhältnis unterhielt, 
erfolgt war, so dass dieser Fall nicht in die Gruppe der Syphilis inson- 
tium eingereiht werden kann. Ferdinand Epstein (Breslau). 

Hausemann, D. Ueber eine häufig bei Syphilis vor* 
kommende Veränderung an der Epiglottis. Berlin, klin. 
Wochenschr. 1896. Nr. 11. 

Hausemann beschreibt eine häufig (25mal in 42 Fällen) bei 
Sectionen Syphilitischer gefundene Veränderung an der Epiglottis, wöbe 
diese durch narbige Processe des Ligam. glossoepiglottic. med. eine Ante- 
flexion erleidet, welche letztere eventuell zu einer Umrollung des oberen 
Epiglottisrandes nach vorne führen kann. Im Weiteren kommt es zur 
Verwachsung der umgebogenen Partie. Wenn diese Veränderung auch 
nicht eindeutig syphilitisch ist, so kann sie doch in Gemeinschaft mit 
anderen Erscheinungen den Verdacht auf Lues stützen. Sie kommt 
häutig im Anschluss an die glatte Atrophie des Lungengrundes vor. 

Karl Herxheimer (Frankfurt a. M.). 

Highet, H. Campbell. A case of gumma of the ciliary 
region. The British Medical Journal Nr. 1871. Nov. 7. 1896. 

Highet berichtet über die Erkrankung eines 30 Jahre alten 
Malaien, der sich 2‘/ 2 Jahre vorher mit Syphilis inficirt hatte. Kurz be¬ 
vor er in Highe t’s Behandlung kam, hatte er eine Iritis durchgemacht. 
Es bestanden 2 Gummata. Unter Quecksilber- und Jodkalibehandlung 
nebst der nötkigen localen Therapie Verschwinden der Gummata und 
Besserung der Sehschärfe. Felix Pinkus (Breslauj. 

Knickt. Lese onsequences de la Syphilis nasale. (The 
sequelare of Syphilis of the nose) Ref. in Revue hebdomadaire de larvn- 
gologie d’otologie et de rhinologie. Nr. 346. 22. Joul. 1896. 

Knicht hält die Diagnose der Nasensyphilis oft für schwierig und 
unsicher. Er ist daher für conservative Behandlung und räth Sequester 
nur dann zu entfernen, wenn sie vollständig gelöst und fassbar sind. 

Spiegelhauer (Breslau). 

Legrand, Leon Victor Henri. Contributionäl’etude de la 
leucoplasie buccale. Nr. 53. (E. Carre et C. Naud). Gazette kebdo- 

Archiv f. Dormatol. u. Syphil. Band XXXIX. 30 


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466 


Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


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raadaire de medecine et de Chirurgie. 1896. Nr. 102. S. 1218/19. These 
de Paris. 

Leukoplakie kann bei alten Luetikern Vorkommen und soll wie 
Tabes und Paralyse als parasyphilitische Affection aufgefasst werden. 
Speeifische Behandlung ist wirkungslos oder sogar schädlich. Frühzeitige 
chirurgische Behandlung allein kann die eventuell drohende Gefahr der 
Entwicklung eines Carcinoms verhüten. Löwenheim (Breslau). 

Lenz, J. Fünf Fälle extragenitaler Syphilis. Wiener klin. 
Rundschau. 1896. Nr. 5—7. 

Lenz gibt die Zusammenstellung von 5 Fällen extragenitaler Syphilis- 
infection aus der czechischen dermatologischen Klinik Prof. Janovsky's 
in Prag. Der Sitz der Primärsclerosen war je einmal die Unterlippe, die 
Bauchhaut, die Brustdrüsenhaut rings um die Mamilla, die Daumenhaut, 
die Tonsille. Vier dieser extragenitalen Sclerosen betrafen Frauen, eine 
einen Mann. Die extragenitale S. bei den auf der Klinik im Jahre 1895 
behandelten 35 syphilitischen Frauen betrug demnach 14'2%, eine selbst 
bei Frauen hohe Frequenz. Die Fingersclerose betraf eine Hebamme. Die 
Diagnosen waren leicht, der weitere Verlauf ein relativ gutartiger. 

Ul 1 mann. 

Litcwski, M. Ein Fall von Framboesia syphilitica. Inaug.- 
Diss. Greifswald 1894. 

Der von Litewski beschriebene Fall ist nach Ansicht des Refe¬ 
renten ein zum Mindesten zweifelhafter Fall von Framboesia syph., da 
weder anamnestisch noch objectiv sonstige Zeichen von Lues nachgewiesen 
worden sind. Ed. Oppenheimer (Strassburg). 

Lustgarten. Ein w a h r s c h e i n 1 i c h e r F a 11 vonMischinfec- 
tion: Syphilis und Lupus. The New-York Dermatolog. Society. 
21. May 1895. The Journ. of eutan. and genito-urin. dis. 1895. p. 482. 

Lust gar ten's Patient, ein junger Mann, litt seit 5 Jahren an 
einer Ulceration des Rachens, die nach kurzem Bestände die Uvula und 
einen Thcil des weichen Gaumens zerstört hatte. Vor zwei Jahren breitete 
sich der Ulccrationsproeess auf die Nase aus und zerstörte sowohl die 
Nasenspitze als auch das knorplige und einen Theil des knöchernen 
Nasengerüstes. Als der Kranke vor 9 Monaten in Verfassers Behandlung 
kam, wurde zunächst an Syphilis gedacht, obgleich die vorhandenen 
weichen Granulationsmassen auch den Verdacht auf Lupus wahrscheinlich 
machten. Unter einer kräftigen specifisehen Behandlung wurde der Ulcera- 
tionsprocess beseitigt, während die weichen Granulationsraas9en blieben. 
Diese wurden dann ausgekratzt und mit dem Paquelin und nachfolgender 
Application von 10 Proc. Pyrogallussäuresalbe behandelt. Dadurch wurde 
eine vollkommene Heilung erzielt, die bereits seit 5 bis 6 Monaten an- 
luilt. Lustgarten hält den Fall für eine Mischinfeetion von Syphilis 
und Lupus. Durch Anfertigung eines künstlichen Nasenseptums wurde 
schöner kosmetischer Effect erzielt. In der Discussion stimmt Allen der 
Diagnose des Redners zu, während Jackson, welcher den Fall früher 
gesehen hatte, ihn als Framboesia syphilitica auffasste, zumal die 


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histologische Untersuchung der Granulationen keine Zeichen von Tuber¬ 
kulose ergeben hat. Lußtgarten legt auf die histologische Unter¬ 
suchung nicht so grossen Werth, da in Lupusschnitten Tuberkelbacillen 
gewöhnlich nicht gefunden werden. Ledermann. 

Marin oni er. Syphilide tuberculo-ulcöreuse geante 
ä marclie serpigineuse. Journal des mal. cut. et syph. 1896. p. 261. 

Nach einer Besprechung der verschiedenen Arten von tubero- 
serpiginösen und tubero-ulcerösen Syphiliden berichtet Marino nier über 
einen 69jälirigen Patienten, dessen ganze linke Rückenhälfte von einen 
tubero-serpiginösen, ulcerösen Syphilid eingenommen war, während an 
der Brust Narben von alten Syphiliden sichtbar waren. Die Infection war 
vor circa 15 Jahren erfolgt, 2 Jahre später waren die Ausschläge auf der 
Brust aufgetreten, nachdem bald nach der Infection Haarausfall und 
nächtliche Kopfschmerzen eingetreten waren. Die jetzige HückenatTection 
hat vor 10 Jahren begonnen; Patient hat sich nie antisyphilitisch be¬ 
handeln lassen. Unter Jodkali- und Hydrargyrumbehandlung trat schnelle 
Heilung ein. Verfasser bespricht zum Schluss die Dillerentialdiagnose dieser 
Afiection mit Lupus. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Mora. Gomme syphilitique de la langue. Journal des 
maladies cutanees et syphilitiques 1895. p. 308. 

Der Patient Mora’s wurde von einem 27 Jahre nach der Infection 
entstandenen Lungengumma, das von chirurgischer Seite wegen seiner 
Induration, der Drüsenschwellung und Abmagerung zuerst für ein Carcinom 
gehalten worden sei, nach sechsmonatlicher streng durchgeführter Jod- 
und Quecksilberbehandlung geheilt. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Morrow, A. Prince. Mittheilungen über Syphilis; Svphi- 
loma der Nase von ungewöhnliclier Form und Entwickln n<:. 
— Derdiagnostische Werth syphilitischer Narben. — Extra- 
genitale Schanker und ihre Prognose. — Gewerbliche, 
Syphilis. Journal of cutan. and genito-urin. diseases. April 1896. 

I. Syphiloma der Nase: Morrow gibt zunächst die Krankengeschichte 
einer 21jährigen, seit 5 Jahren verheirateten Patientin, deren erstes, 
3 Jahre und 10 Monate altes Kind gesund, deren zweites im Alter von 
l Monat starb und die bei der dritten Schwangerschaft abortirte. Nach 
dem Abort litt sie an Geschwüren des Mundes und des Rachens und einer 
universellen Eruption von rothen Flecken; die Kopfhaut war mit Ge- 
schw r üren reichlich bedeckt, so dass sie sich das Haar abschneiden musste; 
eine ausgesprochene Alopecie der Kopfhaut hatte sie nicht, doch waren 
die Augenbrauen und die Wimpern vollständig verloren gegangen. Die 
Eruption verschwand nach über 3 Monaten. October 1893 erschien eine 
Eruption grosser Tumoren an verschiedenen Theilen des Körpers, welche 
vielfach mit Narben heilten. Diese Tumoren sind seitdem häufiger auf¬ 
getreten. Augenblicklich sieht man auf den Armen eine Anzahl nussgrosser 
rundlicher Geschwülste, welche über die Hauttläclie emporragen und den 
Verdacht auf Granuloma fungoides erwecken. Sie sind weich, schmerzlos 

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Hericlit über die Leistungen auf dem Gebiete 


nicht fluctuirend. Am interessantesten ist die grosse tumorähnliche Infiltra¬ 
tion der Oberlippe, die bis zur linken Nasenöffnung hinaufgeht und sich 
auf das knöcherne und knorplige Gerüst des linken Nasenflügels fortsetzt 
Diese Infiltration, welche sich nicht auf die Wange ausbreitet, ist scharf 
von der umgebenden Haut abgesetzt. Sie fühlt sich mit Ausnahme des 
unteren Theiles ausserordentlich hart an. Unter dem Einfluss einer ge¬ 
mischten Behandlung findet eine rasche Involution auf den Armen und 
an den linken Augenbrauen statt, während die Aliection der Nase und 
der Lippe nur wenig verändert wird, obgleich die constitutioneile Be¬ 
handlung verstärkt wird durch die locale Application von Quecksilber¬ 
pflaster und -Salbe. Da die Afiection in ihrer Form und Consistenz sehr 
eigenthümlich war und sich gegen specitische Behandlung refraetär ver¬ 
hielt, so dachte man an eine Combination von Syphilis und Tuberculose. 
Später jedoch heilte die tumorartige Masse an der Nase während einer 
specifischen Cur unter Narbenbildung. Im Januar lb96 fand Verf. noch 
eine geringe Infiltration der Oberlippe, welche, wie Patientin angibt, bei 
jeder Menstruation etwas anschwillt. 

11. Der diagnostische Werth der syphilitischen Narben; Verf. macht 
darauf aufmerksam, dass syphilitische Narben zwar ausserordentlich ähnlich 
sein können denjenigen Narben, welche nach einer Verbrennung, einem 
Trauma oder andern ulcerösen Processen auftreten, dass sie jedoch, wenn 
multipel, gewisse specitische Eigentümlichkeiten in ihrer circularen oder 
serpiginösen Begrenzung, in ihrer Anordnung, ihrer Pigmentation und 
Localisation darbieten, so dass sie ebenso charakteristisch für Syphilis sein 
können, als wenn wir Veränderungen im activen Stadium beobachten. 
Lupus oder Ilauttuberculosc können ganz ähnliche Narben erzeugen, 
aber sie sind durch ihre Beschränkung auf gewisse Regionen und durch 
ihre sonstigen Charaktere zu unterscheiden; die Narben der Tuberculose 
sind unregelmässig, uneben, haben eine mehr livide Pigmentation. Die 
Narben varieöser Untersclienkelgescliwiire können zwar gleichfalls durch 
ihre Localität Syphilis Vortäuschen, sind jedoch hauptsächlich auf das 
untere Drittel des Enterschenkels beschränkt, während die nach Syphilis 
meist die Mitte und den oberen Tbeil desselben einnehmen ; ihre Pigmcn- 
tatiou ist auch mehr diffus und bleibend, oft sogar über die Narbe hin¬ 
weggehend, während die Pigmentation nach Syphilis meist auf die Narben 
beschränkt bleibt und sich allmälig auch wieder aufhellt. Die Narben nach 
Zoster können multipel und nach ihrer äusseren Form von denen des 
tuberösen Syphilids schwer zu unterscheiden sein, aber die Asymmetrie 
und ihre Localisation im Verlaufe gewisser Nerven bieten gewisse Difte- 
renzirungspunkte. Verf. gibt auf einem der Arbeit beigegebenen Bilde 
Beispiele typischer Narben, welche nicht bloss durch Aussehen, sondern 
auch durch Localisation und \ertheilung charakteristisch sind. Endlich 
weist er noch besonders auf die diagnostische Wichtigkeit solcher Narben 
bei der Diagnostik innerer Krankheiten hin. 

111. Extragenitale Schanker: Verf. hat in den letzten 3 Jahren 
‘JO Fälle von extragenitalen Sehankern behandelt. In seiner Privatpraxis 


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der Syphilis. 


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kamen zu gleicher Zeit lOAerzte wegen Schanker der Hände oder Finger, 
die sie sich in der Ausübung ihres Berufes zugezogen hatten, in Behand¬ 
lung. Er gibt zunächst eine Uebersieht über die Localisation. Besonders 
auffällig ist eiu Schanker des harten Gaumens wegen der Seltenheit des 
befallenen Ortes. In diesem Falle befand sich das Geschwür links von 
der Mittellinie und machte den Eindruck eines ulcerirten Gummas; die 
Submaxillardrüsen der linken Seite waren ausserordentlich geschwollen 
und der Ausbruch eines maculo-papulösen Exanthems 6 Wochen nach 
dem Erscheinen des Geschwürs sicherte die Diagnose. Zu erwähnen ist 
ferner ein Schanker des Zahnfleisches, welcher rechts von der Mittellinie 
sich befand und den Baum zwischen dem lateralen Incisor, dem Caninus 
und dem Bicuspidatus einnahm. Er präsentirte sich als eine halbmond¬ 
förmige Erosion des Zahnfleisches, das leicht geschwollen und gerothet 
war; das Epithel war vom Centrum aus erodirt. Der Schanker heilte 
nicht, bis Secundärerscheinungen sich zeigten und eine entsprechende 
Cur eingeleitet wurde, lieber den Modus der Infcction liess sich nichts 
eruiren. — Ein Schanker der Zunge, welcher bei einer 26jährigen Frau 
beobachtet wurde neben einem allgemeinen papulösen Exanthem, wurde 
auf die Gewohnheit der Patientin, Geldpapier mit der Zunge zu befeuchten, 
zurückgeführt. Einer der drei beobachteten Schanker war durch seine 
ausserordentliche Grösse bemerkenswert!!. Der Fall ist dadurch noch be¬ 
sonders auffallend, dass das ausgedehnte Geschwür für Cancroid gehalten 
wurde und erst kurz vor der Operation nach Hinzuziehung eines Derma¬ 
tologen richtig diagnosticirt wurde. Einer der beobachteten Schanker 
der Oberlippe zeichnete sich durch seine elephantiastische Ausdehnung 
aus. Die ganze Oberlippe war enorm geschwollen, ectropionirt und zeigte 
eine leicht blutende Oberfläche. Die entzündliche Induration war so aus¬ 
gesprochen, dass die Lippe fast vollständig immobilisirt wurde. Aetiologisch 
für die Lippenscbanker wurde entweder Kuss oder Contact mit Pfeifen etc. 
angeführt. In einem Falle von Schanker der Unterlippe bei einem 
Kinde war die Affection durch eine syphilitische Amme fibertragen worden. 
Ein Schanker am Anus war die Folge eines präternaturalen Coitus, den 
Patient zugab. Ein Schanker an der linken Wange wurde auf einen Schlag 
zurückgeführt. Die Schanker an den Fingern und ein Schanker am Hand¬ 
rücken wurden ebenfalls auf Verletzungen zurückgefülirt. Von den 10 Fällen, 
welche ihre Infection auf ihren Beruf zurückführten, gaben 7 ätiologisch 
Digitaluntersuchungen oder Manipulationen in der geburtshilflichen oder 
gynäkologischen Thätigkeit an, 3 eine Ansteckung im Verlaufe einer 
chirurgischen Operation, zwei Aerzte waren gleichzeitig inficirt bei der 
Vornahme einer Dammoperation, der Operateur [durch einen Nietnagel 
am kleinen Nagel, der Assistent durch das Messer, welches er bei der 
Operation gebrauchte. Was die Prognose extragenitaler Schanker anbe¬ 
trifft, so glaubt Verf. nicht, dass das syphilitische Virus durch die Ein¬ 
trittsstelle besonders modificirt werde, sondern dass die Schwere der 
Infection auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Zum Schluss gibt Verf. 
noch einen Leberblick über die Gefahren der Infection mit Syphilis im 


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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete 


gewerblichen Leben und führt dabei die von F <>u r n i e r an anderer Stelle 
angegebenen Anschauungen an. Ledermann (Berlin). 

Page. S y p h i 1 i t i c cranial n e c r o s i s t r e a t e d b y t r e p li i - 
n i ng. Clinical Society of London. Ref. The Brit. Med. Journ. 30. März 1895. 

Page behandelte einen 41 jährigen Mann, der an Syphilis früher 
erkrankt gewesen war, lange an Kopfschmerzen gelitten hatte und zuletzt 
von Krämpfen, die sieh allrnälig häuften, und Bewusstlosigkeit ergriffen 
wurde. Neuritis optica nicht vorhanden. Die Schädelhaut war weich, und 
die Symptome schienen eher auf weit ausgedehnten Druck auf das Gehirn 
als einen begrenzten Hirntumor hinzudeuten. Page tivpanirte über der 
F issura Rolands und fand gummöse Massen zwischen Knochen und 
Dura mater, von denen er möglichst viel entfernte. Da die Dura mater 
selbst gesund erschien, öffnete er sie nicht. Seitdem blieb Patient von 
Krämpfen frei, und die Schmerzen kehrten nicht zurück. 1890 hatte Verf. 
einen ähnlichen Fall, bei dem spontane Erleichterung des Druckes durch 
Erosion des Knochens eintrat, doch der Patient starb nach einiger Zeit 
an Pyaemie. Alfred Sternthal (Braunschweig). 

Parenteau. K y s t e s et g o m in e s d e s p a u p i «'• r e s. Soc franc. 
d'ophthalmologie. Session du mai 1896. Ref. in La Semainc med. 1896. 
Nr. 24. 

Par ente au hebt in der Soc. franc. (Tophi halimdogie die Schwie¬ 
rigkeit der Differentialdiagnose zwisclien Gummen und Cysten der Augen¬ 
lider hervor, warnt vor frühzeitiger Abtragung der Tumoren wegen der 
entstellenden Narben und berichtet von 2 Fallen, in denen solche Guramata 
auf ..gemischte Behandlung“ ( Ilg und KJ.) heilten. Dem gegenüber be¬ 
tont Kalt in der Disrussion, dass er Augenlidcrgummata gesehen habe, 
die auf speeifische Behandlung wenig oder gar nicht reagirt hätten. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 

Poitout. C o n t r i b u t i o n ä 1 ’ e t u d e du c h a n c r e 8 y p h i 1 i t i q u e 
des paupicres. These de la faculte de Paris, Nr. 4s(>, ref. in Gazette 
1 k bdoniadaire de mrdecine et de Chirurgie, Nr. 76, 1896. 

Mit der Sicherheit der Diagnose wachsen nach Poitout auch die 
Angaben über Schanker an den Augenlidern. Auch der Schanker des 
Augenlides ist indurirt, jedoch handelt es sich, entsprechend dem Bau 
des Augenlides, mehr um eine parenchymatöse Verdickung. Die Ulce- 
rafion — eine einfache Erosion — hat mehr die Tendenz, sich über das 
Niveau der Umgebung zu erheben als in die Tiefe zu gehen. Interessant 
ist, dass bei Sitz des Schankers am inneren Augenwinkel mehr die sub- 
maxillaren, bei den am äusseren mehr die pniaurieularen Drüsen anzu¬ 
schwellen pflegen. Entgegen der allgemeinen Ansicht („maligne Syphilis“) 
gibt der Augenlidschanker keine schlechtere Prognose als der Schanker 
insgemein. Die Localbehandlung ist einfach antDrptisch mit Vermeidung 
aller Kaustika („Narbenbildung“). S p i e g e 1 li a u e r (Breslau). 

Pousson. V 1 c e r a t i o n s v p li i 1 i t i q u e d e 1 a j a m b e c li e z un 
en fünf. Soeietc de medeeine et de Chirurgie de Bordeaux. Journal des 
mal. eut. et sypli. 1896, p. 29. 


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der Syphilis. 


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Pousson demonstrirt eine dreizehnjährige Patientin mit einer 
circa 15 Cm. grossen Ulceration der linken Wade. Dieselbe war mit 
Borken bedeckt, hatte wallartige Ränder, war schmerzlos und ähnelte am 
meisten einem Epitheliom. Das Vorhandensein 2—3 kleinerer Ulcera in 
der Umgebung und einiger starker pigmentirter polymorpher Narben 
auf der rechten Wade veranlasste Vortragendem trotz fehlender Anamnese 
Lues zu diagnosticiren, eine Diagnose, welche durch den Erfolg der 
Therapie bestätigt wurde. Paul Neisser (Beuthen 0. S.). 

Röhmer. Chancre de la paupiere. Societe de medicine de 
Nancy. Seance du 10 Juin 1890, ref. in Gazette hebdomadaire de med. 
et de chir. Nr. 63, 1896. 

Roh mer stellt einen Kranken vor mit einem harten Schanker des 
Augenlides, die Krankheit hatte mit einer Ulceration des unteren Thränen- 
punktes begonnen, die sich nach dem inneren Augenwinkel fortsetzte. 
Auf intravenöse Injectionen von Cyan Hg V, 00 Heilung. Die Präauri- 
culardrüsen waren nicht geschwollen, jedoch später mit Ausbruch der 
Roseola die Submaxillardrüsen. Charakteristisches Aussehen der Ulcera¬ 
tion, jedoch keine Induration. Spiegelhauer (Breslau). 

Rosenthal, 0. Erytheme bei Syphilis. Festschrift für Lewin. 
5. Nov. 1895. S. Karger-Berlin. 

Unter dem Titel: „Erytheme bei Syphilis“, bespricht Kosen thal 
zunächst einige Dermatosen, die — nicht syphilitischen Ursprungs — ge¬ 
legentlich bei luetisch Inticirten beobachtet und mit luetischen Exanthe¬ 
men verwechselt werden können. Von diesen Erkrankungen komme zu¬ 
erst die Pityriasis rosea Gibert (bezw. der Herpes maeuiosus et squamosus) 
in Betracht; als differentialdiagnostisch gegen Lues maculopapulosa betont 
R. das peripherische Wachsen, die Kreisformen und die Schuppung der 
Efflorescenzen, welche auch in ihrer Localisation charakteristische Eigen- 
thümlichkeiten zeigen. — Ferner hebt R. hervor, dass das Eczema se- 
borrhoicum (Unna; häufig Mischformen mit luetischen Effloreseenzen, auf 
deren Vertheilung und Gattung es einen bestimmenden Einfluss ausüben 
könne, darstelle; besonders häufig sieht man solche Mischformen: in der 
Nasolabialfurche, au der Oberlippe und am Kinn. — ln einem noch 
engeren Zusammenhänge mit der Lues stehe das Erythema exsudativum 
multiforme und das Erythema nodosum, von denen das erstere häufig als 
Vorläufer der Allgemeineruptionen erscheine; diese im Verlaufe der Lues 
zur Beobachtung kommenden Erytheme will R. als symptomatische auf¬ 
gefasst wissen, die mit der Hg-behandlung in keinem ätiologischen 
Zusammenhänge stehen. — Schliesslich weist R. auf eine Spät form der 
recidivirenden Roseola hin, die als Roseola annularis orbicularis oder 
circinata beschrieben ist, welche monatelang bestehen könne; gegen die¬ 
selbe empfiehlt R. eine energische antiluetische Cur. Die Franzosen be¬ 
zeichnen diese Form als: Roseoie de retour, Roseoie tertiaire, Erytheme 
circine tertiaire oder Syphilide ervthemateuse circinee, während Unna 
diese Erscheinungen als Neurosyphilide zusammenfasst, gegen welch 
letztere Auflassung und Bezeichnung Rosenthal polemisirt. 

Ferdinand Epstein (Breslau). 


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472 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Syphilis. 


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Rueda. Syphilurae primitif intranasal de forme anor¬ 
male. Revue de laryngol. 181)5. 15. Fevr. Nr. 74. 

Rueda’s Patientin, eine 24 jährige Frau, hatte einen papulösen 
ulcerirten harten Schanker in der Nase mit einseitiger Seleradenitis. 

J. 

Kutten. Pres entation d'une malade guerie d’un syphi- 
1 o m e enorme de 1 a p a r v i laterale d r o i t e de 1 a g o r g e et du 
eon. Annal. des malad, de c’oreille. Sept. 1896. Nr. 9. 

Die sehr grosse Geschwulst im Halse der Patientin Rutten’s 
war mikroskopisch wiederholt als maligner Tumor diaguosticirt worden; 
die Operation war von der Patientin verweigert worden. Ein Ulcus 
im Rachen erschien R. als syphilitisch; durch die specifische Therapie 
trat Heilung ein. Der Verfasser warnt vor dem zu grossen Vertrauen zu 
histologisch gestellten Diagnosen. J. 

Swinburn, George. Ein Fall von Urethralschanker. New- 
York akademie of medicin. 12. Nov. 1895. Journ. of cutan. and genit.- 
urin. dis. Januar 1896. 

Swinburn berichtet über einen Patienten, der ihn im Juli 1895 
wegen eines seit 4 Tagen bestehenden Urethralausflusses consultirte. 
Der letzte Coitus hatte 11 Tage vorher stattgefunden. Zahlreiche Mi- 
krococcen, aber keine Gonococceu wurden gefunden. Einige Tage später 
wurde ein Schanker in der Fossa navicularis entdeckt. In dem Ausfluss 
fand sich ausser zahlreichen Mikroben der Ducrey-Krefting’sche Bacillus 
Inoculationen auf das Abdomen des Patienten erzeugten nach 48 Stunden 
eine runde Pustel, von welcher in Intervallen von 48 Stunden Culturen 
angelegt wurden. Erst die dritte Cultur zeigte‘Bakterien, welche jedoch 
nicht die charakteristischen Eigenschaften des Krefting’schen Bacillus 
darboten. Der Schanker heilte unter Anwendung von Silbernitrat und 
Salpetersäure. Ledermann (Berlin). 

Tliorndike. A Gase o f S t r i c t u r e o f t h e Deep Urethra in 
a Syphilitic. The Boston Medical and Surgical Journal. 6. Febr. 1896. 

Tliorndike operirte einen Patienten, welcher angab, früher Lues 
und wiederholt Gonorrhoen überstanden zu haben, wegen completer 
Harnverhaltung, verursacht durch eine sehr derbe Strictur in der Pars 
membranacea. Die Strictur war vom Perinäum aus gespalten und drai- 
nagirt worden. In ganz kurzer Zeit indurirte die Operationswunde und 
zeigte keine Heilungsteudenz. Erst nach Jodkaliverabreichung ging die 
Härte zurück und ebenso die Induration an der stricturirten Urethra, 
welche leicht für einen Catheter passabel wurde. — Tliorndike hält 
das Vorkommen von Strieturen auf luetischer Basis in den tieferen Ab¬ 
schnitten der Urethra für sehr selten — sie localisircn sich meist an der 
Fossa navicularis — und hat deshalb den Fall mitgotiieilt. Pinn er. 


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Buehanzeigen und Besprechungen. 


Dr. B. Ho ns eil, Assistenzarzt am pathol. Institute in Tübingen 
und Dr. E. Ziemke, vorm. Assistenzarzt am patbol. Institute 
in Tübingen. Namen- und Sachregister zu Baum gar ten’s 
Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den pa¬ 
thogenen Mikroorganismen. 

Angezeigt von Dr. J. Fabry in Dortmund. 

Hon8eil und Ziemke haben sich der Mühe unterzogen, 
in einem stattlichen Bande die gesammte Literatur der zehn ersten 
Jahrgänge von Baumgarten’s Jahresberichten zusammenzustellen. 
Von jedem, der wissenschaftlich arbeitet, wird das gewiss freudig 
begrüsst werden und besonders von jedem, der nicht Gelegenheit 
hatte, auf die Berichte seit der Zeit ihres ersten Erscheinens zu 
abonniren. Wir finden ja bereits in jedem Baude respective Jahr¬ 
gang von Baumgarte n’s Berichten ein vollständiges Namen- 
und Sachregister. 

Prof. Pospeloff. Kurzes Lehrbuch der Hautkrankheiten. Russ. 
Dritte verbesserte und erweiterte Auflage. 212 S. in 8° (mit 
14 Abbildungen). Moskau 1897. 

Angezeigt von Dr. L. A. Gowsejeff in Moskau. 

Das vorliegende in russischer Sprache abgefasste Lehrbuch, 
das Werk eines erfahrenen Klinikers, kann nicht allein für Studenten 
als ein ausgezeichnetes Vademecum beim Studium der Hautkrank¬ 
heiten dienen, es bietet auch ein bedeutendes Interesse für prak¬ 
tische Aerzte. Alle Hautkrankheiten, selbst solche, die in ausführ¬ 
liche Handbücher nicht Eingang gefunden haben, werden darin sorg¬ 
fältig gesammelt und tadellos beschrieben. Ausserdem zeichnet sich 
die Darlegung durch eine strenge Proportionalität der einzelnen 
Theile aus, was bei der Verfassung eines kurzen Lehrbuches von 
grosser Schwierigkeit ist. 

Der Verf. gibt bei der Beschreibung jeder klinischen Form 
eine kurze Darstellung der pathologischen Anatomie, der Aetio- 



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Buchanzeigen und Besprechungen. 


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logie (nach den modernen Anschauungen) und des Krankheitsver¬ 
laufes. Die Feststellung des inneren Zusammenhanges zwischen der 
Dermatologie und der allgemeinen Medicin bildet, nach unserer 
Meinung, den Hauptwerth dieses Buches. 

Die Aerzte dürfte dieses Lehrbuch insofern besonders inter- 
essiren, als es werthvolle Anweisungen für die Therapie enthält, 
die auf einer langjährigen und erfolgreichen praktischen Thätigkeit 
des Verfassers beruhen. 

Lanz, Dr. Alfred. Klinische and experimentelle Beiträge zur 

Pathogenese der mercuriellen Stomatitis und Salivation. Berlin. 

Verlag von Oscar Coblentz. 1897. 

Besprochen von Prof. Caspary in Königsberg. 

Wenngleich das Quecksilber heute von allen Seiten als das 
souveraine Mittel gegen Syphilis anerkannt ist, so scheint es doch 
fast, als sei der Streit Uber die zweckmässigste Art seiner Ver¬ 
wendung und der Vermeidung von Schädlichkeiten dabei heftiger 
als je. Wie diese Frage 1890 in Berlin und 1895 in Graz auf 
dein Programme von Congressen stand, so soll nun auch auf dem 
internationalen medicinischen Congresse zu Moskau die der Vene- 
reologie gewidmete Zeit von ihr beherrscht werden. Zu sehr ge¬ 
legener Zeit erscheint das Buch unseres Moskauer Collegen Lanz, 
das die häufigste Gefährdung des Organismus durch die mercurielie 
Behandlung einem eingehenden Studium unterworfen hat. Gleich 
der historisch-literarische Theil, mit dem der Autor beginnt, wird 
viele Leser überraschen. Von frühester Zeit her, seit der ersten 
Erkenntnis der Luessymptome und der Heilkraft des Quecksilbers 
bekannt und gefürchtet und studirt, findet die mercurielie Stoma¬ 
titis und Salivation noch heute die verschiedensten Erklärungen. 
Während Bock hart und Nothnagel — und wohl Viele mit 
ihnen — in der Ausscheidung von freilich minimalen Mengen 
Quecksilbers im Speichel die eigentliche Ursache sehen, weisen 
Andere diese Erklärung zurück, da selbst bei erheblicher Stoma¬ 
titis, Quecksilber niemals (Wolff) oder doch nicht immer (HaB 
lopeau) im Speichel nachweisbar sei. — Während das Vorkom¬ 
men einer Stomatitis ohne Salivation wohl allgemein zugegeben 
wird, gibt es nach Kussmaul und Fournier keine mercurielie 
Salivation ohne gleichzeitige Stomatitis; nach Kaposi und Mau- 


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Buchanzeigen und Besprechungen. 


475 


riac immerhin, wenn auch selten, Fälle von Salivation ohne Ent¬ 
zündung der Mundschleimhaut. Ueber den Einfluss von Zahncaries, 
von Zahnsteinsauflagerung, Uber die Anfangsstelle der Erkrankung, 
über die Art der Ausbreitung, kurz fast über jedes einzelne 
Symptom gehen die Ansichten der vielen Autoren, die dieses 
Capitel behandelt haben, weit auseinander. L a n z hat nach vielen 
klinischen und experimentellen Erfahrungen das Bild zu klären 
gesucht. Von den vielen Thesen, die er nach Beobachtungen am 
Menschen und den damit übereinstimmenden Resultaten an ope- 
rirten Hunden und Katzen aufgestellt hat, führen wir nur einige 
an: Die Mercurialgeschwlire der Mundhöhle sind das Resultat einer 
Nekrose der Schleimhaut, welche zu Stande kommt 1. durch die 
in Folge der Quecksilberwirkung sich entwickelnde Nutritions¬ 
störung der Gewebe und 2. durch den auf gewisse Schleimhaut¬ 
bezirke ausgeübten Druck seitens der Zähne. Der Speichel und 
das in demselben enthaltene Quecksilber sind von keiner wesent¬ 
lichen Bedeutung für das Entstehen der Mercurialstomatitis. Unter 
den localen Momenten nimmt das Ausschalten der Zähne beim 
Kauakt die hervorragendste Stelle ein, indem die Stomatitis sich 
stets auf der beim Kauakt unthätigen Mundhälfte entwickelt; 
die Wirkung dieses Moments ist gleichzeitig auch eine indirecte, 
denn es führt zu Zahnsteinablagerung und zu Gingivitis margi- 
nalis. Das Vorhandensein cariöser Zähne übt meist nur einen 
indirekten Einfluss auf die Entstehung der Stomatitis aus, indem 
sie den Kranken zum einseitigen Kauen veranlassen. 

Diese und manche andere der Thesen, die man im Originale 
lesen wird, werden nicht sofort volle allseitige Zustimmung finden 
und auch Ref. ist in mehreren Punkten abweichender Ansicht. 
Aber die Begründung durch den Verfasser ist so sorgsam, sein 
Beobachtungsmaterial so reichlich und so gut benutzt, dass es 
sicher zu weiterem Studium der wichtigen Frage anregen wird. 
Wir dürfen annehmen, dass auf dem Moskauer Congresse sich eine 
lebhafte und ergebnissreiche Discussion über die Hauptkapitel der 
vortrefflichen Arbeit entwickeln wird. 


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Nekrolog. 


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Henri Feulard 


Die entsetzliche Katastrophe, welche über den Bazar de la Charite 
hereingebrochen ist, hat auch unter unseren engeren Fachcollegen ein 
schweres Opfer gefordert. Die Nachrichtvon dem Tode Henri Feulards, 
der sich seit dem Internationalen Derniatologen-Congresse in Paris im 
Jahre 1889, dessen Generalseeretär er gewesen ist, durch sein Organisations¬ 
talent ebenso wie durch seine bezaubernde Liebenswürdigkeit den Dank 
und die allgemeine Zuneigung der Collegen erworben hat und sie seither 
durch seine Betheiligung an dem Wiener und Londoner Congresse zu 
befestigen wusste, hat uns tief erschüttert. 

Henri Feulard entstammte einer Aerztefamilie, er promovirte 
1886. Seine Doctordissertation r Teignes e Teigneux“ zeichnete sieh 
durch gründliche Behandlung dieses für Frankreich, besonders in stati¬ 
stischer Beziehung, wichtigen Themas aus. Sie bewies, wie die ihr voran- 
gegangenen Arbeiten über die Pest im 16. und 17. Jahrhundert (1884) 
und eine Geschichte des Höpital St. Louis (188ö), seine Vorliebe für die 
historische Behandlung der Gegenstände. Grosse Belesenheit und reiches 
literarisches Wissen verbunden mit warmem VerstandniRs für die Künste 
haben ihn naeh dieser Richtung besonders gefördert. Von seiner seit¬ 
herigen regen Thiitigkeit auf dem Gebiete der Dermatologie und Syphili- 
dologie gehen die Berichte der Reunion clinique de l’hopital saint 
Louis und der Societe franeaise de dermatologie beredtes Zeugniss. 

Iuterne des höpitaux seit 1881, chef de clinique ä l’höpital Saint 
Louis 1888 widmete er sein organisatorisches Talent den Interessen dieses 
Spitals. Dasselbe verdankt Henri Feulard die Ordnung und Cata- 
logisirung seines berühmten Museums und seiner Bibliothek, welche beide 
erst durch diese ausgezeichnete und sachkundige Thätigkeit als wahre 
Schätze dermatologischen Studiums gehoben und geborgen wurden. Seit 
1890 leitete er als Seeretär in vorzüglicher Weise die Redaction der 
Annales de Dermatologie. 

Henri Feulard schien berufen, dereinst eine erste Stelle unter 
den Dermatologen Frankreichs einzunehmen. Inmitten einer vielseitigen 
Thätigkeit, im vierzigsten Lebensjahre, geliebt, von seiner Familie, ge¬ 
schätzt von seinen Collegen hat ihn ein tragisches Geschick hinweggerafft 
und noch in diesem letzten Augenblicke seines Daseins bat er eine be¬ 
wunderungswürdige Probe seines starken und edlen Charakters bestanden. 
Nachdem er seine Gattin gerettet, erlag er bei dem Versuche sein 
Töchterehen dem Tode zu entreisseu. Kr gehörte, wie die Zeitungen 
berichten, zu den wenigen heldenhaften Männern, welche ihr eigenes 
Leben einsetzten für die Rettung Anderer. 

Tief ergriffen sprechen wir Frau Feulard unsere innigste Theilnahme 
aus und unser wärmstes Beileid den französischen Collegen. F. J. Pick. 


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Auhi füce ‘‘toiugie u Sypl ilis Band XXVIX. 


TAF.I 



1806 


iVctirmmii: Ein Fall v r on multiplen Dermatomyomen. khimi'im ■»«•*•] 


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Archiv t Dermatologie u Syphilis Band XXXIX. 


14 Fll. 



1896 


Ncumaiwi: Lin Lall \on multiplen Dermatomyomen. 


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Archiv f Demiatoiogie u Syphilis Band XXXfX. 


TAFIII. 


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Ncuiminri: hin Füll von multiplen Perm atom vom en 


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Archiv f Dermatolorjie u Syphilis Band XXXK. 


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Neumaiiii: Ein Fall von multiplen Dermatomyoinen. 


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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX 


TAF.YI. 


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t\q.3. 



Peter Röna; Die Genese der paraurelhralon Gänge etc. 


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WclHsch: Muhl 


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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band .XXXIX 


TAF.X 


Fig.i 



Ziogirr: Alopci lci rmiu'rnilii 


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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX 


TAF. XI. 


Fig.2. 



Ziegler: Alopeciaronurnila. 




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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX. 


TAF. XU. 



Ziegler: Alopeciacongenita. 


Kuh Hjtl.ih * H. ’i* P'^5. 


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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX 


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okeratosis. 






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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX 
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TAF. XIV. 




Joseph: Über Porokeratosis. 


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